Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

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44. Mozart bey Hofe; Josephs Urtheil über ihn.

An seinen Vater schrieb Mozart:

Wien den 26. Dezember 1781.

Alle Tage früh um 6 Uhr kommt mein Friseur, und dann schreib ich bis 10 Uhr. Um 10 Uhr habe ich die Stunde bey der Frau von Trattner, um 11 Uhr bey der Gräfinn Rombeck, und jede gibt mir für zwölf Lectionen sechs Ducaten.– Wenn Sie einem so elenden Buben glauben können, daß es wahr sey, daß ich bey Hofe und bey der ganzen Noblesse verhaßt sey, so schreiben Sie nur an Herrn von Strack, Gräfinn Thun, Gräfinn Rombeck, Baroninn Waldstätten, Herrn von Sonnenfels, Frau von Trattner, enfin an wen Sie wollen. Unterdessen will ich Ihnen nur sagen, daß der Kaiser letzthin bey der Tafel das größte Eloge von mir gemacht hat, mit den Worten begleitet: »C'est un talent decidé,« und vorgestern, als den 24., habe ich bey Hofe gespielt. Es ist noch ein Clavierspieler hier angekommen, ein Italiener, er heißt Clementi. Dieser war auch hinein berufen. Gestern sind mir für mein Spiel 50 Ducaten geschickt worden.

Nun von Clementi. – Dieser ist ein braver Cembalist, damit ist aber auch Alles gesagt. – Er hat sehr viele Fertigkeit in der rechten Hand, seine Hauptpassagen sind die Terzen – übrigens hat er um keinen Kreuzer weder Geschmack noch Empfindung – ein bloßer Mechanicus.

Der Kaiser that bey dem Concert (nachdem wir uns genug Complimente machten) den Ausspruch, daß Er zu spielen anfangen sollte. La santa Chiesa catholica, sagte der Kaiser, weil Clementi ein Römer ist. – Er präludirte und spielte eine Sonate. – Dann sagte der Kaiser zu mir: Allons, d'rauf los! – Ich präludirte auch, und spielte Variationen. – Dann gab die Großfürstinn Sonaten von Paesiello (miserabel von seiner Hand geschrieben) her, darauf mußte ich die Allegro und er die Andante und Rondo spielen. – Dann nahmen wir ein Thema daraus, und führten es auf zwey Pianoforten aus – Merkwürdig ist dabey, daß ich für mich das Pianoforte der Gräfinn Thun geliehen, ich aber nur, als ich allein gespielt, darauf gespielt habe, weil es der Kaiser so gewollt. – Das andere Pianoforte war verstimmt, und drey Tasten blieben stecken. – »Es thut nichts,« sagte der Kaiser. – Ich nehme es so, und zwar an der besten Seite, daß nähmlich der Kaiser meine Kunst und Wissenschaft in der Musik schon kennt, und nur den Fremden recht hat verkosten wollen. Übrigens weiß ich von sehr guter Hand, daß er recht zufrieden war, denn der Kaiser war sehr gnädig gegen mich, und hat Vieles heimlich mit mir gesprochen, – auch sogar von meiner Heirath.

Der vortreffliche Tonsetzer Ditters von Dittersdorf, hatte mit dem Kaiser eine Unterredung über Mozart und Clementi. Dittersdorf schrieb dieselbe sorgfältig und gewissenhaft auf, möglichst Wort für Wort. Es war im Jahre 1786. Vernehme man dieses merkwürdige Gespräch!

Der Kaiser. Wie gefällt Ihnen Mozarts Spiel?

Ich. Wie es jedem Kenner gefallen muß.

K. Einige ziehen Clementi dem Mozart vor. Ihre Meinung?

I. In Clementi's Spiele herrscht viel Kunst und Tiefsinn, in Mozarts nebst Kunst und Tiefsinn außerordentlich viel Geschmack.

K. Das sage ich auch. Was sagen Sie zu Mozarts Composition?

I. Er ist unstreitig ein großes Originalgenie, und ich habe noch keinen Componisten gefunden, der einen so erstaunlichen Reichthum an neuen Gedanken besäße. Ich wünschte, er wäre nicht damit so verschwenderisch. Er läßt den Zuhörer nicht zu Athem kommen; denn kaum will man einem Gedanken nachsinnen, so steht schon wieder ein anderer da, der den erstern verdrängt, und das geht immer in Einem fort, so daß man am Ende keine dieser wahren Schönheiten im Gedächtnisse aufbewahren kann.

K. Wahr. Nur in Theaterstücken dünkt mich, daß er öfters zu viele Noten anbringt, worüber die Sänger sich sehr beklagen.

I. Wenn man aber die Gabe besitzt, durch Harmonie und Geschicklichkeit im Begleitungsspiele den Sänger doch nicht zu verdecken, so halte ich das für keinen Fehler.

K. Distinguo. Wenn man die Gabe besitzt, die Sie in Ihrem Hiob gezeigt haben. – Hören Sie! Ich habe zwischen Haydn und Mozart eine Parallele gezogen. Ziehen Sie auch eine, damit ich sehe, ob sie mit meiner übereinstimmt.

I. Wenn es seyn muß, bitte ich Ew. Majestät, mir eine Urfrage zu erlauben.

K. Auch das.

I. Was ziehen Ew. Majestät für eine Parallele zwischen Klopstocks und Gellerts Werken?

K. (Pause) Hm! daß beyde große Dichter sind – daß man Klopstocks Gedichte öfters als ein Mahl lesen müsse, um alle Schönheiten zu entschleyern – daß Gellerts Schönheiten schon beim ersten Anblicke ganz enthüllt da liegen.

I. Nun haben Ihro Majestät Ihre Frage selbst beantwortet.

K. Mozart wäre also Klopstock, Haydn Gellert?

I. So halte ich dafür.

K. Ich kann nichts einwenden.

I. Darf ich so kühn seyn, um die Parallele Ew. Majestät zu fragen?

K. Ich vergleiche Mozarts Composition mit einer goldenen Tabatiere, die in Paris gearbeitet, und Haydns mit einer, die in London verfertigt ist. Beyde schön; die erste ihrer vielen geschmackvollen Verzierungen, die zweyte ihrer Simplicität und ausnehmend schönen Politur wegen. Auch hierin sind wir fast einerley Meinung.

(Nissen Biographie Mozarts)


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