Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

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57. Das berühmte Toleranzedict.

Dasselbe ist vom 13. October 1781. Für Ungarn erging unterm 21. December desselben Jahres ein eigenes in Folge der Vorstellungen der Protestanten am 29. April des nähmlichen Jahres. Mehrere die Toleranz betreffende Publicationen waren vorausgegangen; andere, auch als Nachträge, Erläuterungen folgten (als 1782: 6. 13. und 18. März, 26. April, 23. August; 1783. 6. Februar, 11. November.) Alle diese Gesetze sind in Schwerdlings practischer Anwendung aller k. k. Verordnungen in publico ecclesiastico (Wien 1788) am Richtigsten erläutert. Das Hauptpatent aber, dieß unvergängliche Denkmahl der Humanität und Weisheit des erhabenen Joseph ist das oben bezeichnete, und Nachstehendes sein Inhalt:

»Überzeugt einerseits von der Schädlichkeit alles Gewissenzwanges, und anderseits von dem großen Nutzen, der für die Religion und den Staat aus einer wahren christlichen Toleranz entspringt, haben Sich Sr. Majestät bewogen gefunden, den augsburgischen und helvetischen Religionsverwandten, dann den nicht unirten Griechen, ein ihrer Religion gemäßes Privatexercicium allenthalben zu gestatten, ohne Rücksicht, ob solches jemahls gebräuchlich oder eingeführt war oder nicht. Der katholischen Religion allein soll der Vorzug des öffentlichen Religionsexerciciums verbleiben, den beyden protestantischen aber, so wie der schon bestehenden nicht unirten griechischen, aller Orten, wo es nach der hier unten bemerkten Anzahl der Menschen, und nach den Facultäten der Einwohner thunlich ist, und sie, Akatholische, nicht bereits im Besitze des öffentlichen Religionsexerciciums stehen, das Privatexercicium auszuüben erlaubt seyn. Daher 1) den akatholischen Unterthanen, wo hundert Familien existieren, wenn sie auch nicht an einem Orte, sondern einige Stunden entfernt wohnen, ein eigenes Bethhaus, jedoch, wo es nicht schon anders ist, ohne Glocken, Thürme und öffentlichen Eingang von der Gasse, nebst einer Schule zu erbauen, auch alle Administrirung ihrer Sacramente und Ausübung des Gottesdienstes, sowohl im Orte selbst, als auch deren Überbringung zu den Kranken in den dazu gehörigen Filialen, dann die öffentliche Begräbnisse mit Begleitung ihres Geistlichen bewilliget wird. Die weiter entfernten aber können sich in das nächste, jedoch inner den k. k. Erbländern befindliche Bethhaus begeben, ihre erbländischen Geistlichen und Glaubensverwandte besuchen, und ihren Kranken mit nöthigem Seelen- und Leibestroste beystehen, jedoch unter schwerster Verantwortung nie verhindern, daß ein von dem Kranken verlangter katholischer Geistlicher berufen werde. 2) Können sie ihre eigene von den Gemeinden zu erhaltende Schulmeister bestellen, über welche jedoch die Landesdirection, was die Lehre, Methode und Ordnung betrifft, die Einsicht zu nehmen hat. 3.) Dürfen sie, wenn sie ihre Pastoren votieren und unterhalten, dieselben auswählen. Wenn aber die Obrigkeiten sie votieren und unterhalten wollen, so haben auch sie das jus praesentandi. Jedoch soll die Confirmation durch die existirenden protestantischen Consistorien, und, wo keine sind, durch die im Teschnischen oder in Ungarn schon bestehenden protestantischen Consistorien ertheilt werden, so lange, bis nicht die Umstände fordern, in Ländern eigene Consistorien zu errichten. 4.) Die Jura Stola verbleiben so wie in Schlesien dem Parochus Ordinarius vorbehalten. 5.) Die Indicatur in Religionssachen der Acatholischen nach ihren Religionssätzen wird der politischen Landesstelle mit Zuziehung eines ihrer Pastoren und Theologen aufgetragen, von welcher der weitere Recurs an die politische Hofstelle freysteht. 6.) Die Heurathsreverse wegen Erziehung der Kinder hören von nun an gänzlich auf, und sollen bey einem katholischen Vater alle Kinder sowohl männlichen als weiblichen Geschlechts ohne Anfrage in der katholischen Religion erzogen werden, bey einem protestantischen Vater und einer katholischen Mutter hingegen ist dem Geschlechte zu folgen. 7.) Können die Acatholiken zum Häuser- und Güterankaufe, zum Bürger- und Meisterrechte, zu academischen Würden und Civilbedienstungen, künftig dispensando zugelassen werden, und sind zu keiner andern, als ihrer Religion angemessenen Eidesformel, noch auch zur Beywohnung der Functionen der dominanten Religion, wenn sie nicht selbst wollen, anzuhalten. Auch soll ohne Rücksicht auf Religion in allen Wahlen und Dienstvergebungen, wie es bey dem Militär täglich, ohne mindesten Anstand, und mit vieler Frucht geschieht, auf die Rechtschaffenheit und Redlichkeit der Competenten, dann auf ihren christlichen und moralischen Lebenswandel, lediglich der genaue Bedacht genommen werden. Dergleichen Dispensationes Possessionum, und zum Bürger- und Meisterrechte, sind bey den unterthänigen Städten durch die Kreisämter, bey den königlichen und Leibgedingstädten durch Landeskämmerer, oder in deren Ermanglung durch die Landesstelle, ohne alle Erschwerung zu ertheilen. Die sich ergebenden Abschlagsmotiva der angesuchten Dispensation sind jedesmahl der Landesstelle, und von da dem allerhöchsten Orte zur Einhohlung der allerhöchsten Entschließung anzuzeigen. Wo es aber um das Jus incolatus des höhern Standes zu thun ist, da ist die Dispensation nach vorläufig vernommener Landesstelle von der k. k. böhmischen Hofkanzley zu ertheilen.«

Der treffliche Pezzl äußert sich über dieses Patent: »Ohne Zweifel bewogen den Kaiser die schönen Grundsätze dazu: daß man ein guter Bürger des Staats seyn könne, ohne gerade auf diesen oder jenen Ritus zu halten; daß es ungerecht sey, Jemanden Ideen mit Gewalt aufdringen zu wollen, von deren Richtigkeit er sich nicht überzeugen kann; daß der Staat sich selbst eine unverzeihliche Wunde schlage, wenn er ruhige, arbeitsame, ehrliche Unterthanen bloß deßwegen unterdrücken, verjagen, oder ausschließen wolle, weil sie einige besondere kirchliche Meinungen und Gebräuche für sich eigen haben.

Dieses Toleranzedict war eigentlich für die deutschen Erbländer, für Böhmen, Mähren und Galizien am willkommensten. Hier, wo man unter der Kaiserinn Regierung etwas strenge über die alleinige Aufrechthaltung des Katholicismus gehalten hatte, durften sich vermöge desselben nun die schon heimlich wirklich daseyenden Protestanten öffentlich zu ihrem Gottesdienst bekennen, und andere, die Lust hatten, zu demselben übertreten. Sie bekamen Kirchen, Schulen, und Pastoren; und die daselbst neu entstandenen Gemeinden sind gegen 60,000 Köpfe stark. . . . . In Ungarn, Siebenbürgen &c. waren sie immer in einigem Besitze ihrer Rechte und freyern Religionsübung geblieben; aber die Intoleranz des katholischen Clerus hatte so viel bewirkt, daß man sie allmählig aus allen öffentlichen Ämtern und Würden des Königreichs verdrängte. Seit dem Toleranzedicte werden sie wieder, ohne Rücksicht auf ihr Kirchensymbol, nach der Brauchbarkeit ihrer Talente, allenthalben befördert. Die Ungarisch-Siebenbürgische Canzelley in Wien, und die Statthalterey in Ofen, sind mit Reformirten und Lutherischen Vicepräsidenten, Räthen, und subalternen Beamten besetzt. . . . . Die Juden waren schon seit lange in Böhmen, Mähren, Ungarn, besonders in Galizien so häufig, daß ihre bloße zahlreiche Existenz von der ihnen gewährten Duldung zeugt. Durch das Toleranzedict wurde ihnen ihr Daseyn noch mehr gesichert, auch wurden ihnen einige neue Vortheile gewährt. . . . . Die Nichtunirten Griechen machen nach den Katholiken die stärkste Religionsparthie. Sie haben 1 Erzbischof, 8 Bischöfe, und 5857 Popen oder Pfarrer. . . . .

Kaum war die Toleranz in den österreichischen Staaten förmlich und feyerlich eingeführt, so fing auch ungesäumt eine gewisse Partey auswärtiger Herren in periodischen und andern Schriften an, zweydeutig davon zu sprechen, und sie auf mancherley Art verdächtig zu machen. Diese Leute stützten sich auf einige Ausschweifungen Böhmischer und Kärnthnerischer Bauern, auf einige tolle Predigten einzelner Dorfpfarrer und Mönche, welche gegen die Vorschriften und Befehle des Landesherrn handelten und sprachen. In einem Lande, wo der Katholicismus Jahrhunderte lang allein herrschend war, war es unmöglich, bey der so ganz plötzlichen Einführung der Duldung, jeden einzelnen Ausbruch des dadurch gekränkten Fanatismus zu verhindern. Genug daß die Regierung der Sache abhalf, sobald sie den Unfug erfuhr.

So weit Pezzl. Wir fügen hier noch als höchst merkwürdig die von den Chrudimer heimlichen Protestanten kurze Zeit vor Josephs II. Toleranzedict, an dem großen Friedrich erlassene Bittschrift bey:

Allerdurchlauchtigster, großmächtigster König!
Gnädigster Fürst und Herr Herr!

Euer königliche Majestät fallen wir arme bedrängte und um der christlichen Freyheit Willen hart geplagte Unterthanen des Chrudimer und andern Kreisen wohnende, unterthänigst zu Füssen, und unterfangen uns, Allerhöchstdemselben als einen die Gerechtigkeit liebenden, und den christlichen Glauben handhabenden allergnädigsten Potentaten unser und unserer Mitbrüder in dem Königreich Böheim (als welche um der Gewissensfreyheit wegen gefangen und gebunden seyn) leidende Noth unterthänigst vor Augen zu stellen, und zugleich um Recht und Gerechtigkeit anzustehen. – Ja, allergnädigster Monarch, es haben sich allbereits unter uns so betrübte Zufälle ereignet, welche wir ohne thränenden Augen zu erzählen nicht vermögend seyen; denn die katholische Geistlichkeit verfahret mit uns nicht anders, als wie die Wölfe mit den Schafen, indem sie einen nach dem andern von uns auf Wagen binden und in die abscheulichste Gefängniß stecken; als in welchen sie unter Ketten und Banden den allergrausamsten Tod zu erwarten haben, und zwar aus keiner andern Ursach, als weil wir durch innerliche Erleuchtung von den groben Irrthümern und von einer Religion, die den apostolischen Grundsätzen und dem wahren Gott zuwider lauft, hinlänglich überzeugt seyen und uns nicht, (wie leider Gott schon geschehen!) in den höllischen Wolfsstall durch die vorgedachte falsche Propheten wollen führen, und die Seele verderben lassen. Obschon nun wir bereits an Ihre kaiserl. königl. Majestät als unsern allergnädigsten Landesfürsten, alleruntherthänigst suppliciret haben, so sind wir doch mit eitel leeren Vorwänden (abgewiesen worden) und ist uns folgende Resolution: wie das Allerhöchstdieselben dem apostolischen Stuhl mit Eidespflicht verwandt, und also ohnmöglich unsere Sachen könnten statt finden lassen, noch viel weniger aber uns das freye Exercitium Religionis gestatten könnten, gegeben worden. – Ja von derselben Zeit machen es die Patres Missionarii noch viel ärger; so daß uns von denenselben an die 4000 Bücher (welche wir zur Seel-Erbauung gebraucht) weggenommen, und an die 300 Mitbrüder, als bey welchen einige dergleichen Bücher vorgefunden worden, in die Gefängnisse geführt, oder nach Siebenbürgen geschleppt. –

Dannenhero allergnädigster und großmächtigster König, wissen wir bey dieser allgemeinen Noth uns nirgend anders als unter dero mächtigste Schutzflügel zu wenden, und um Gottes willen zu bitten, sich unserer gedrückten Gewissens-Freiheit anzunehmen, und als ein Hauptfürst corporis Evangeliorum bey unserm allergnädigsten Kaiser Josepho vor- und dahin zu intercediren, daß wir und unsere Brüder in Frieden leben mögen, und des Arrestes entlassen seyn.

Sollte es aber (wider Vermuthen) durch allerhöchst deroselben Vorbitte nicht dahin gebracht werden können, so bitten wir flehentlich, daß Euer &c. als ein das Recht und Gerechtigkeit liebender, ja die Ehre Gottes selbst beschützender König uns armen Bedrängten zulieb als ein starker Gideon sich aufmachen, und die Feinde Gottes und der wahren Religion mit gewaffneter Hand anzugreifen, als wozu wir unsern möglichsten Beystand, auch mit Vermeidung (?) Leib und Lebens anzuerbiethen, nicht ohnhin gehen wollen; und ob wir wohl zwar eine kleine Heerde und nicht über 20,000 seyn, so hoffen wir doch, daß Gott selbst für seine gerechte Sache streiten wird. Ach ja, großer König, wir getrösten uns eines gnädigen Fiat; es geschehe nur bald, dann wollen wir mit unsern entledigten Mitbrüdern in unsern Kirchen ein freudiges Hosanna anstimmen und zu bethen nicht aufhören, daß der große Gott Euer königl. Majestät und allerhöchst dero Scepter das ganze Königreich Böheim unterliegen soll.

Nun so verschmähen Allerhöchst Dieselben unser demüthigstes Bitten, ja selbsten gerechte Anverlangen Gottes nicht; sondern besitzen und erhalten durch Dero siegreiche Waffen unsere gekränkte Gewissensfreyheit, damit Euer &c. einmahl die Krone des Himmels und dem Streite empfangen, wir aber getrösten uns einer Freyheit, die in Dero Landen schon allgemein ist, und ersterben in submissester Hoffnung als Euer &c. Unsers &c. sämmtliche Inwohner des Chrudimer und der übrigen Kreise.«

Hier erwähnen wir noch des obwohl bekannten Verses mit großen plastischen vergoldeten Lettern ober dem 3. Stockwerk des Hauses Nr. 695 auf dem alten Fleischmarkt zu Wien 1786 an den Erbauer des Hauses, den griechischen Großhändler Natorp angebracht. Dieser Vers lautet:

Vergänglich ist dieß Haus
Doch Josephs Nachruhm nie;
Er gab uns Toleranz,
Unsterblichkeit gibt sie.

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