Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

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39. Zahlheim der letzte Geräderte.

Nachtrag zu dem Artikel im ersten Bändchen.

Über die in jenem Artikel angedeutete Broschüre gegen den Kaiser verbreitet sich Rautenstrauch in seiner Schrift: »Wie lange noch?« (man sehe den vorstehenden Artikel) wie folgt:

Am 10. März dieses Jahres 1786 ward zu Wien der bekannte Dieb und Mörder Z . . . hingerichtet. Da jede auffallende Begebenheit, zumahl wenn sie Gelegenheit darbiethet, über den Kaiser loszuziehen, dem Großhändler Wucherer willkommen ist; so griff er um so schneller und gieriger nach einem Manuscript, das, so wie viele andere gewiß nie verfaßt worden wäre, wenn der Autor nicht darauf hätte rechnen können, es bey ihm anzubringen. Es ward in Kurzem der Censur gedruckt übergeben, unter der Aufschrift: Beweis, daß Zahlheim als ein Opfer der Unwissenheit seiner Richter und durch Gewalt des Stärkern hingerichtet worden. Von einem Menschen. Gedruckt in Ottahaite, (d. i. hinter dem Johannesspital auf der Landstraße).

Diese Schrift war ihres Verlegers und seinen bekannten Gesinnungen vollkommen würdig. Sie ist mit dem Motto versehen: Die Gewalt des Fürsten muß kein Messer in der Hand des Kindes werden. Sie sollte, wie die Vorrede an den Leser unter andern sagt, die Zukunft vor Aufritten sichern, die Natur- und Gesellschaftsrechte in leere Grillen der Vorzeit umwandeln. Wir erfahren aus der Einleitung derselben, wie es der Verfasser nach all seinen Kräften verhüten will, daß eine Gewalt, welche die sinkende Menschheit zur traurigen Nothwendigkeit gemacht, von Menschen, nicht von Barbaren &c. daß sie nicht nach Eigendünkel, oder nach der guten und bösen Laune, worin man sich eben befand, verwaltet werde.

Alles, was man von dieser Schrift Vortheilhaftes sagen kann, ist dieß, daß die Schreibart derselben rein, fließend und körnigt ist. Daß aber darin rechtlich erörtert und erwiesen seyn soll, als hätte man diesen Verbrecher, wie es S. 77 heißt, wider alles Recht der Natur und der Gesellschaft zur Richtstätte geschleppt, dieß kann nur ein Jurist behaupten, der für Wucherer schreibt.

So wie dieser das Factum vorgetragen und dargelegt hat, so will er daraus nichts geringeres erproben, als daß der ganze verübte Diebstahl und Mord dieses Übelthäters nur eine Folge seiner Umstände war, nach denen er gerade so handeln mußte, und also nicht die mindeste moralische Freyheit hatte, sein Vergehen zu unterlassen. Ein sauberer Grundsatz, der um so schnöder ist, je mehr er zu beweisen sich bemüht, daß man, den Umständen nach, sogar berechtigt sey, ein Bösewicht zu werden, nur um dasjenige nicht entbehren zu müssen, was das Leben schmackhaft machen kann; denn er sagt: »Jeder Mensch ist unglücklich, wenn er den Besitz desjenigen nicht hat, was sein Verstand für ein Gut erkennt. Wer in einen gemästeteten Kapaun seine Glückseligkeit setzt, und ihn nicht hat, ist nicht glücklicher als jener, der vergebens nach einer Krone hinstrebt.« Mithin ist die Schlußfolge deutlich, daß man alles darf, was die Leidenschaften befriedigen kann. Nicht so? Wucherer wenigstens, den die Leidenschaft des Geldgeizes beseelt, hegt sicher ähnliche Grundsätze.

Wäre diese Schrift nur eine Abhandlung des aufgestellten Gegenstandes, bliebe sie bloß bey demselben, so möchte sie noch hingehen. Aber die unter das Stückweise eingeschaltete Urtheil angebrachten infamen Noten verrathen eine ganz andere Absicht. Man höre den Schluß der Note zum 10. §.

»Endlich ist das Wort Dankbarkeit, Dank sey es unserm philosophischen Jahrhunderte! ein Schall dem kein Begriff mehr entspricht; ein Wort, das man längst unter die aus dem Werth gekommenen gesetzt haben sollte. Wer wird jetzt noch, wenn er seinen Nutzen durch des andern Schaden befördern kann, erst lange griesgramen, ob er diesem Menschen Dank schuldig ist? – – Das sind lächerliche Chimären, denen das Dunkel der unaufgeklärten Vorzeit Gewicht gab. Der Undank ist mit der Wohlthätigkeit eben so, möcht' ich sagen, verbunden, wie die Wirkung mit ihrer Ursache; und wollte man jeden des Undankes wegen mit dem Tode strafen, so müßte das Menschengeschlecht um drey Theile vermindert werden! Selbst vor gekrönten Häuptern hat dieß Ungeheuer keine Ehrfurcht; es windet sich selbst bis über die Stufen des Thrones hinauf, und die Geschichte zeigt uns einen Monarchen, der Zahlheims That tausendfach an einem Volke zu thun entschlossen war, wenn anders der Krieg ein tausendfacher Mord ist, an einem Volke, das seine Mutter mit Wohlthaten überhäufte, ohne die sein Thron auf schwankendem Grunde stehen dürfte. Daß die Umstände sich geändert, und der unüberlegte Schritt zurück gethan werden mußte, mindert weder den Undank, noch die Entschlossenheit zum Morden!«

Gesagt und geschrieben zu Wien. im März 1786, und gedruckt und verlegt von Georg Philipp Wucherer, k. k. privilegirtem Groß- und Buchhändler, im Seizerhof unter den Tuchlauben.

Gedruckt und verlegt, sage ich; er trete auf, und spreche Nein! er läugne, wenn er kann, seine Lettern, sein Papier, seinen Verschleiß, trotz des Verboths! Würde von ihm das Censurverboth nicht als ein alberner Popanz angesehen und behandelt, wie hätte er in kurzer Zeit eine zweyte Auflage davon machen können, die sich von der ersten im Papier und durch den auf dem Titel befindlichen Druckfehler auszeichnet, da bey den Worten: Von einem Menschen, statt dem V ein B stehet?


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