Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

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38. Literarische Attentate auf den Kaiser.

Züchtigung des ruchlosen Aufwieglers und Pasquillanten Georg Phil. Wucherer.

Dieser berüchtigte Unhold verband die That mit dem Nahmen; seiner Habsucht opferte er selbst den edelsten der Fürsten; und man muß in der That staunen über Josephs Großmuth. Auf diese sündigte Wucherer los; sein böser verworfener Sinn fand Gefallen und Befriedigung an den mehr oder minder gefährlichen Wirkungen seiner Gifte. Verschmitzt bediente er sich ausländischer Lettern; einige Winkelpressen soll er in einem der vielen Keller des Seizerhofes gehabt haben. Das freche, verrätherische egoistische Treiben dieses famosen Menschen stachelte endlich einen der bessern Wiener Schriftsteller auf, ihn zu schildern, zu entlarven und zu geißeln. Dieß geschah in einem Büchlein, welches den Titel hat: »Wie lange noch? Eine Patriotenfrage an die Behörde über Wucherers Skarteken-Großhandel. Wien 1786.« Diese Schrift ist zugleich von Wichtigkeit zur Kenntniß der damahligen Zustände und Broschürenliteratur und von picantem Interesse, mit vollem Recht unter die Curiosa zu zählen (namentlich in Bezug auf Szekely, auf den Raubmörder Zahlheim, die ungarische »Handschrift«) auch längst nicht mehr zu finden, weßhalb wir unterstehend einen Wiederabdruck derselben liefern. Der nicht genannte Verfasser ist der Licentiat Rautenstrauch. Wucherer hatte den an und für sich gesunden Einfall, jene Piece nachzudrucken, mit Anmerkungen zu begleiten, und ihr eine besondere Vertheidigungsschrift voraus zu schicken, mit dem Titel: »Eine Beylage zum Pasquill, von dem Verleumdeten.« Wir besitzen auch diese; können aber versichern, daß sie ihrer Grundlosigkeit, Lahmheit und Nichtigkeit wegen, wahrlich nicht verdient, auch nur auszugsweise mitgetheilt zu werden. Also:

Wie lange noch?

Aufruf. Die Zeit ist gekommen, wo es Verbrechen wäre, zu schweigen, Patrioten, Freunde, Mitbürger!!! leiht mir eure Ohren!

Es hat sich ein Fremdling unter die Bewohner Wiens eingeschlichen, der ein Auswürfling ist, der den ehrenvollen Nahmen eines österreichischen Staatsbürgers nicht verdient, der sich in der schändlichen Absicht in Wien ansäßig machte, um seinen Mitmenschen durch diebischen Nachdruck das Ihrige zu rauben, durch den Verlag zügelloser Lästerschriften den Monarchen um die Liebe guter Unterthanen zu bringen, und durch häufigen Absatz der infamsten Skarteken sich zu mästen und zu bereichern.

Was diesen – wie soll ich ihn nennen? – noch verabscheuungswürdiger macht, ist seine beispiellose Frechheit, mit der er Lügen auf Lügen, ohne zu stottern oder roth zu werden, auf alle Fälle in Bereitschaft hat, und seine abgefeimte Bösewichts-Gleißnerey, wodurch er sogar Hohen und Niedern weis zu machen sucht, daß er einer der besten Staatsbürger sey.

Aufgefordert von dem lauten Rufe der Rechtschaffenheit, des Patriotismus und der Unterthanspflicht, angefeuert von dem gerechten Unwillen gegen seine so vielfältige sträfliche Unternehmungen, bewaffnet mit der guten Sache, und weit entfernt von der Furcht. daß er, um sich an mir von hintenzu zu rächen, über kurz oder lang durch einen seiner literarischen Söldner ein Pasquill gegen mich aushecken lassen möchte, trete ich hier vor den Richterstuhl des gesammten Publicums der Kaiserstaaten in jene Schranken, wo über Ehre und Bürgerpflicht gestritten und entschieden wird, und werfe den Handschuh hin, bereit, es aufzunehmen mit Jedem, der es wagen will, die Sache dessen zu vertheidigen, den ich hier laut als einen Meineidigen und Pflichtvergessenen anklage, der nicht verdient, ferner in Österreichs Staaten geduldet zu werden; und der Mann heißt: Wucherer!

Des festen Entschlusses, ihn zu entlarven, und dieser Hyäne im Schafspelz das Fell über den Kopf herab bis zur letzten Klaue auszuziehen, werde ich hier seine Thatsachen erzählen, und ihren Einfluß auf die innere Ruhe des Staats schildern. Ich will den Teufel mit ihm spielen, weil dieser bisher säumte, ex officio mit ihm zu verfahren.

Noch ist mein Gesicht bedeckt; aber ich gelobe hier feyerlich, das Visir aufzuziehen, und mich öffentlich zu zeigen, sobald einer unter seinem wahren Nahmen aufzutreten, und dieses Mannes Rechtfertigung gegen mich zu unternehmen wagen sollte. Und somit vor der Hand genug!

Es giebt zwey Nahmen in Wien, welche bey allen Rechtschaffenen der Gegenstand einer allgemeinen Verachtung geworben sind; sie heißen: Wucherer und Pfeiferl. Wenn man die Unternehmungen eines schmutzigen eigennützigen Buchhändlerauswürflings, so wie die gewissenlosen Handlungen eines staatsschädlichen katholischen Judens, mit passenden Ausdrücken bezeichnen will, so sagt man: à la Wucherer – à la Pfeiferl. Über letzteres Subject soll nächstens ein besonderer öffentlicher Gerichtstag gehalten werden, im Falle, wider Verhoffen, die Obrigkeit diesen Staatsblutigel nicht jetzt schon zur längstverdienten Züchtigung reif befinden sollte; deswegen will ich hier, (weil beyde zugleich allzuviel Stoff zu einer Schrift geben würden) mich nur mit dem erstern allein beschäftigen, und den Beweis, daß Er selbst es war, der seinen Nahmen so tief abwürdigte, aus dem herleiten, was er gethan hat.

Der theure Mann Wucherer kam, ich weiß nicht eigentlich in welchem Jahr, aus seiner schwäbischen Heimath nach Österreich. Er kam als Buchhalter oder Factor in den Dienst eines bekannten Wiener Handelshauses, welches, wie man laut sagt, es in der Folge sehr schwer empfunden haben soll, daß Er dessen Geschäfte führte. Alles, was man überhaupt davon weiß, ist dieß, daß dieses Haus unter seinen Händen in Verfall gerieth, er hingegen sich so wohl darin befand, daß er sich selbst etabliren. und den Großhändlerfond ausweisen konnte. Wie dieß möglich war, und was man insbesondere davon spricht, dieß lasse ich dahin gestellt seyn, weil es eigentlich nicht zum Endzweck dieser Schrift gehört.

Genug, er ward Großhändler. Daß jene Speculation, weßwegen er es geworden, nicht so gut war, als er wünschte, ergiebt sich daraus, weil er sie aufgab, und sich, ohne noch dazu berechtigt zu seyn, auf den Buchhandel verlegte.

Er erfuhr, daß der bekannte Nachdrucksgroßhändler Schmieder zu Carlsruhe etwas sehr Einträgliches unternommen habe, alle Buchhändler und Schriftsteller Deutschlands zu bestehlen, und so entstand der Gedanke in ihm, auf eine ähnliche leichte Art sein eben so leicht erhaschtes Großhandlungscapital in Kürze zu verdoppeln.

Um nun unvermerkt wenigstens den Schein des Rechtes zum Buchhandel zu erlangen, nahm er vorläufig die Carlsruher Nachdrücke in Commission, die er indeß nur zur Wienermarktzeit ankündigen durfte, die übrige Zeit hindurch aber ebenfalls verkaufte, wovon die darüber gegen ihn bey Gericht angebrachten vielfältigen Klagen der Wienerbuchhändler zeugen können.

Daß er aber ganz andere weit aussehendere Absichten hatte, und es hiebey nicht bewenden ließ, versteht sich ohnehin. Er fing nun an, bey dem vormahligen Factor der Schönfeldischen Buchdruckerey, Nahmens Weimar, verschiedenes, auf seine Rechnung theils nachdrucken, theils auflegen zu lassen, und es, als ausländische Commissionswaare ebenfalls zu verkaufen. Auch zu Reutlingen und Tübingen ließ er allerley nachdrucken und auflegen, und diese Auflagen kamen so incognito nach Wien, daß weder Mauth noch Censur sie gewahr wurden. Zu gleicher Zeit bewarb er sich um die Buchhandlungsfreyheit, die ihm aus guten Gründen, zu wiederhohltenmahlen von der Behörde abgeschlagen wurde.

Ein Mann, wie Wucherer, läßt sich nicht so leicht von einer Speculation abwendig machen, die ihm behagt. Er ließ, ohne Bedenken fortdrucken, und, ohne zu wissen, ob er je die Buchhandlungsfreyheit erhalten würde, machte er schon Anstalt, sogar in Wien eine eigene Buchdruckerey sich anzuschaffen, wozu sich von ungefähr eine Gelegenheit für ihn darboth.

Es hatte nähmlich der damahlige Schönfeldische Factor Weimar das Glück, wegen dem in Prag erschienenen sogenannten MilitärgesetzbuchWohl Heinrichs Gesetze in Auszug. vor den Monarchen gerufen, und deßhalb über ein und anderes befragt zu werden. Er gestand die Wahrheit, und erhielt die Erlaubniß, sich etwas zu erbitten. Wucherer vernahm es, und beredete ihn, um das Recht anzusuchen, eine Buchdruckerey in Wien errichten zu dürfen, welches ihm auch gewährt wurde.

Man lachte über dieses Begehren, weil man wußte, daß dieser Mensch nicht fünf Groschen übrig hatte, geschweige die Baarschaft zu Errichtung eines solchen Werkes, bis es sich endlich aufklärte, daß nicht er, sondern Wucherer sie errichte, der dazu die Matritzen aus dem Ausland kommen ließ, welche Schiffleute seiner Landsmannschaft nach Wien brachten, damit, nach einem verabredeten Pfiff, auf einem Arm der Donau, zwischen den Brücken anlandeten, woselbst sie von einem seiner Leute übernommen, und der Mauth zum Trotz, in einem Lehnwagen, Mauthfrey, ihm überliefert wurden. Nun ward die Buchdruckerey in einem Vorstadtwinkel, der zu seiner Absicht dienlich schien, nähmlich hinter dem ehemahligen Johannesspital, ungesäumt errichtet. Weimar trägt den Namen eines Buchdruckers, und Wucherer ists!

O Monarch! wie oft wirst Du hintergangen!

Jetzt fehlt unserm lieben Wucherer nichts weiter, als die Buchhandlungsfreyheit. Er ging zum Monarchen, und stellte vor, daß er, wenn sie ihm verweigert würde gezwungen wäre, mit seinem Geld sich außer Land zu begeben; und nun erhielt er sie.

Wie er sich dieser Gnade in der Folge würdig machte, werden wir bald sehen, denn die Geschichte seines Buchhandels ist wahre chronique scandaleuse. Hier ist eine Skizze seiner Industrie, seiner Speculation. »Nachdruck guter Werke von Inn- und Ausländern. Selbstverlag frecher, zügelloser, empörender, den Monarchen beleidigender, und allgemeines Aufsehen erregender fliegenden Schriften, je verwegener, je besser. Theure Preise weniger Blätter, verhältnißmäßig mit der darin enthaltenen Kühnheit. Unbedenklicher freyer Verkauf aller dieser Verlagsartikel, sie möge nun erlaubt oder verbothen werden. Gleichviel! – Hartnäckiges Läugnen auf alle Fälle einer Entdeckung seines Schleichhandels. Gleißnerische Betheuerung der Unwissenheit in Ansehung des Inhaltes der verlegten Skarteken. Bestellung heimlicher Commissionäre in den sämmtlichen k. k. Provinzen, zu Verbreitung der Skarteken und ihrem Absatze. Verbindung mit all' jenen Buchhändlern, die im Rufe stehen, daß sie beym Bücherverkauf eben nicht so scrupulös sind, sich an die Vorschrift der Censur zu binden. Gewinnung Jener, die seine Manipulationen hindern oder befördern können. Frühzeitige Versendung der Neuheiten in die Provinzen, noch ehe sie der Wiener Censur vorgelegt werden, damit die erste Auflage derselben beynahe abgesetzt ist, bis entschieden wird, ob sie erlaubt oder verbothen werden sollen, um, bey näherer Nachfrage vorgeben zu können, daß er sie weder gedruckt, noch verlegt habe, sondern, daß sie – Gott weiß woher! – (seine Lieblingslüge) ihm und andern zugeschickt worden &c. u. s. w.

Um solchemnach bey allen merkwürdigen Vorfällen, woran es in Josephs Zeiten ohnehin nicht fehlt, mit einer anziehenden, Neugierde erregenden und kühnen Piece das Publicum reizen und bethören zu können, war es nöthig, einige eben nicht ungeschickte Literatur-Gesellen an sich zu locken, und an der Hand zu haben, bey denen dergleichen Dinge in der Eile bestellt werden können. Auch dieß gerieth ihm nach Wunsch, und man kennt nunmehr jene einheimische Schreiber, die seine Entwürfe sehr wohl befördern. Sein Geheimschreiber aber ist ein Vetter von ihm, der sich in der Absicht schon ein paar Jahr in Wien befindet, um bey dem Reichshofrath es zu bewirken, daß er zum Syndikus der Reichsstadt Reutlingen angenommen werden soll, und indeß die Mittel zu seiner Subsistenz in Wucherers literarischem Frohndienst erwirbt.

Mit diesen Entwürfen und den Hülfsmitteln zu ihrer Ausführung gerüstet, begann der nunmehrige Groß- und Buchhändler seine Laufbahn, und that, was ich alsbald, (soviel möglich, der chronologischen Ordnung nach) erzählen werde.

Noch ehe seine Buchdruckerey errichtet war, ließ er bey dem Schönfeldischen Factor Weimar die bekannten Berliner Briefe Anfangs bloß nachdrucken, nachher aber veranstaltete er eine zweyte Auflage derselben, mit impertinenten Noten vom Verfasser des zwey und vierzigjährigen Affen, welche zwar verbothen, von ihm aber, ohne allen Scrupel, unbedenklich verkauft wurde. Mit gleicher Sorglosigkeit bestellte er einen Nachdruck der verbothenen marokkanischen Briefe.

Die einträgliche Schelmenspeculation, die ein bekannter Prager Buchhändler mit dem zwey und vierzigjährigen Affen machte, brachte den Großhändler Wucherer auf den Gedanken, durch einen Pendant, unter der Aufschrift: Der vier und siebenzigjährige Bär, den der nähmliche Verfasser fabriziren sollte, einen gleichen Schnitt zu machen. Ob Verleger und Autor in Ansehung der Bedingungen nicht einig wurden, oder was sonst die Ursache war, daß dies löbliche Vorhaben unterblieb, weiß ich nicht. Genug es gerieth ins Stocken.

Indeß erschien er bald mit einer andern Skarteke, genannt Babylon, oder das große Geheimniß der europäischen Mächte. Diesen Wirrwarr von Frechheit und Unsinn, der nicht volle zween Bögen betrug, verkaufte er, obwohl er verbothen ward, für dreyßig Kreuzer. und fand destomehr Käufer, je dummdreister der Inhalt war.

Die verbothenen Briefe aus Rom, über die Aufklärung in Österreich, ein sogenannter zweyter Theil zu Faustins philosophischem Jahrhundert, gleichfalls verbothen, die geheimen Beyträge zur Geschichte Ludwigs des XIV., ein anderer Schmarren, unter dem Titel: Roms gesetzgeberische Gewalt vernichtet, Figaro's Reise nach und in Spanien, und mehr ähnliche Piecen, sind lauter Artikel des Wucherischen Großhandels, die in Kürze aufeinander folgten, und theils von ihm selbst, theils für ihn auf seine Rechnung gedruckt worden. Zu gleicher Zahl gehört auch die saubere Jesuitengeschichte, unter der Aufschrift: Aloysia von Blumenau, vom Verfasser Babylons.

Dieser Autor schien so ganz der Mann nach Wucherers Herz und Sinn zu seyn, deßhalb hing er sich nun fester an ihn. Die Frucht dieser Verbindung waren die berufenen Unwahrscheinlichkeiten, welche eigentlich das erste Product der wucherischen Pressen waren, und zum Muster dienen konnten, was man etwa künftig von daher zu erwarten habe.

Nur die schändlichste Absicht konnte diese frechen Blätter aushecken; nur der gewinnsüchtigste Waghals konnte sie an sich kaufen, drucken und in Verlag nehmen! nur ein Wucherer konnte dieß.

Gerade zu jener Zeit, wo der Monarch das große Werk begann, das Königreich Ungarn mit den übrigen Ländern seiner Monarchie in eine solche Verbindung zu setzen, wie es das gemeinschaftliche Wohl erheischt; gerade damahls, als die Ungarn Miene machten, ihre alten Feudalsysteme, welche den jetzigen Zeiten, Bedürfnissen und Anstalten keineswegs mehr angemessen sind, hartnäckig zu behaupten; in eben diesem kritischen Zeitpunct, der folglich für Wucherers Geldgierde der günstigste schien, kamen diese Empörung athmenden Paragraphe der Unwahrscheinlichkeiten zum Vorschein, und zwar dort am ersten, wo sie wirken, und Volk und Adel, wo nicht zum Aufruhr stimmen, doch wenigstens zum tausendfachen Aufkauf reizen sollten, nähmlich in Ungarn. Dorthin hatte sie der Verleger am ersten gesendet, noch ehe sie der Censur in Wien vorgelegt wurden; von dorther wurden Exemplare durch die Obrigkeit an die Behörde zu Wien eingeschickt, und der Frevel angezeigt.

Der Monarch, der schon bey den Berlinerbriefen bewiesen hat, daß Er ungerechten und boshaften Tadel verachte, gab bey dieser Lästerschrift eine neue Probe seiner Mässigung, und erlaubte den öffentlichen Verkauf derselben, der für den Verleger so einträglich war, daß er – nach seinem eigenen Geständniß – achttausend Exemplare absetzte. Sie waren zwey Bogen stark, und kosteten fünfzehn Kreuzer.

So ein übermäßiger Profit an einer in Rücksicht der Verlagskosten so unbedeutenden Skarteke, mußte natürlich unsern Großhändler mit der kleinen Waare zu mehr ähnlichen Unternehmungen reizen. Hätte man ihn gleich damahls nach Verdienst bestraft, so würden vermuthlich seine bisherigen Pamphlete von gleichem Schlag unterblieben seyn.

Daß Langmuth und Nachsicht nicht immer, sondern fast nie die eigentlichen Mittel sind, die Frevler zu bessern, dieß wissen jene Gerichtsstellen aus der leidigen Erfahrung, welche die ersten Vergehungen eines Bösewichts entweder gar nicht oder sehr gelinde ahndeten, und in der Folge nur allzudeutlich überzeugt wurden, daß ihre unzeitige Milde die Grundursache zu neuen noch größern Verbrechen gewesen. Dieß Gleichniß paßt sehr genau auf Wucherer, wie besser unten sich aufklären wird.

Zum Beweis, daß die oben entworfene Skizze seiner Industrie treffend und wahr ist, muß ich hier eine Probe von Wucherers Unverschämtheit im Läugnen und seiner Gleißnerey anführen, dergleichen noch mehrere vorkommen werden.

Unerachtet nähmlich die Unwahrscheinlichkeiten mit seinen nach ausländischen Mauthfrey hereinspazirten Matritzen gegossenen Lettern abgedruckt waren; unerachtet er ihren Inhalt so wohl verstand, daß er sie zum Absatz nach Ungarn verschickte, eh' er sie der Wiener Censur vorlegte; unerachtet schon in Ungarn gerichtlich erhoben war, daß sie von ihm dahin geschickt worden; so behauptete er doch, (ehe noch die Erlaubniß zum öffentlichen Verkauf gegeben ward,) allenthalben mit dreister Stirne, daß er nicht wisse, wer sie gedruckt habe, daß sie ihm – Gott weiß woher – eingeschickt worden, daß er nur wenige Exemplare derselben habe, und überhaupt ihren Inhalt nicht verstehe und begreife. Kaum ward sie aber erlaubt, so waren schon, in der nähmlichen Stunde, die Exemplare in solcher Menge in seinem Gewölbe angekommen, daß er jedermann damit für 15 kr. bedienen konnte.

Ein Patriot verfertigte Noten zu den Unwahrscheinlichkeiten, wodurch er ihren schädlichen Eindruck zu mindern suchte, und zugleich die Absichten des Autors und des Verlegers entlarvte. Weil man aber von Seiten der Behörde dieser Skarteke durch Widerlegungen kein Gewicht oder Ansehen geben wollte, so wurden sie unterdrückt. Eine neue Speculation für unsern Großhändler. Er druckte diese Noten selbst, und ließ von seinem schwäbischen Vetter eine Vorrede dazu machen, worin er unter andern mit heuchlerischer Miene spricht: »Man muß gestehen, daß es schwer zu errathen ist, wohin der Verfasser mit seinen Paragraphen ziele, die größtentheils in den Schleyer der Unverständlichkeit eingehüllet sind, &c., daß vielleicht Niemand den wahren Sinn derselben einsehen dürfte, als der unbekannte Verfasser selbst, &c. daß der Verleger, er mag auch seyn wer er immer will, dennoch zu entschuldigen sey, weil der Sinn für ihn unerklärbar ist &c. &c. und so verkaufte er sie ebenfalls.

Nun frage ich Jeden, der sie gelesen hat, ob man nicht seinen Verstand bey Pfeiferl versetzt, und nie mehr eingelöst haben müßte, um nicht einzusehen, wohin sie zielen? Warum wurden sie denn vom Verleger gerade am ersten nach Ungarn geschickt? O des Wuchererischen Gaukelspiels!

Wie frech er in dieser Vorrede dem Publicum ins Angesicht gelogen hat, kann man aus seiner dießjährigen der öffentlichen Zeitung beygelegten Ankündigung sehen, worin die Unwahrscheinlichkeiten unter der Rubrik seiner Verlagsartikel nebst unzähligen andern Skarteken stehen, die ihm, wenn er sie zur Censur brachte, seinem jedesmahligen Vorgeben nach – Gott weiß woher – allemahl eingeschickt worden.

Der Titel Unwahrscheinlichkeiten war ihm allzuwerth, als daß er so geschwind darauf hätte Verzicht thun sollen. Deßhalb kam er bald darauf mit einem Pendant dazu in Vorschein, unter der Aufschrift: Unwahrscheinlichkeiten aus Zwangburg wider die Unwahrscheinlichkeiten aus Freyburg. Zwar wurden sie verbothen, aber was kümmert dieß einen Wucherer, der durch irgend Jemand nur allzuwohl belehrt ward, wie weit die Censur von der Absicht entfernt ist, die Verletzung ihrer Gebothe inquisitionsmäßig zu untersuchen!

Was die Unwahrscheinlichkeiten in Ansehung Ungarns gewesen, das waren die Wahrscheinlichkeiten, welche unmittelbar darauf folgten, in Ansehung Österreichs und anderer k. k. Länder. Es wurden darin die neuern Anstalten und Verfügungen Josephs mit einer lauten Impertinenz getadelt. Auch diese wurden erlaubt, und kosteten einen Gulden. Gleich darauf kam ein Supplement dazu, vom nähmlichen Gepräge, unter dem Titel: Prüfung der Wahrscheinlichkeiten, und auch vom nähmlichen Verfasser, dem bekannten Herrn Vetter Wucherer, Nahmens Fezer, von welchem auch die dieses Jahr erschienene sogenannte reine Wahrheiten sind, Erstere kosten dreyßig, und letztere fünf und vierzig Kreuzer.

Man glaube ja nicht, daß diese Dinge etwa der Censur im Manuscript vorgelegt, und bey dieser, der Ordnung nach, angefragt worden, ob sie gedruckt werden dürfen? Bewahre! Mit solchen kleinstädtischen Bedenklichkeiten gibt sich ein Großhändler, wie Wucherer, nicht ab. Er druckt, was er will, giebt sodann einige Exemplare zur Censur, und läßt es dahin gestellt seyn, was diese darüber zu entschließen für gut befindet; genug, er verkauft davon, so viel er kann, und versendet das übrige in die Provinzen, an Leute, die sich eben so trefflich auf den literarischen Schleichhandel verstehen, als er selbst.

Nur mit einer einzigen Piece hat er sich verrechnet, mit der er keinen geringern vielleicht gar einen noch größern Schnitt machen wollte, als mit den Unwahrscheinlichkeiten. Es war eine so betitelte Handschrift, welche im Landtag des Königreichs Ungarn ausgestreut, und sodann durch den Henker öffentlich auf dem Platze in Preßburg verbrannt wurde, die er lateinisch und deutsch, auf seinem Postpapier, zu mehrern Tausenden abdrucken ließ. Vermuthlich muß er, durch einen seiner Anhänger, dergleichen er unter den Nichtpatrioten sehr viele hat, Wind bekommen haben, daß er dießmahl sehr ernstlich auf die Finger geklopft werden dürfte, weil er plötzlich damit zurück hielt, und sie (wenigstens innerhalb der k. k. Länder) nicht öffentlich verkaufte.

Desto sorgloser war er mit der Verbannung der Jesuiten aus China, die er ebenfalls druckte, und, so sehr sie auch Lärm erregte, so anstössig auch ihr Inhalt, (der nirgends erlaubt werden kann,) immer war, dennoch, ohne Anzeige, daß sie streng verbothen ist, Packelweise allenthalben pr. 15 kr. versendet, in Wien aber, unter der Hand um einen Gulden noch unlängst verkauft hat.

Wo die Beweise sind, überall dieses? In Jedermanns Händen: und wenn die Polizey es nicht außer ihrem Amte und unter ihrer Würde gehalten hat, den Großhandel Wucherers zu beobachten; so muß sie längst von all' diesem, und von weit mehr noch sehr wohl unterrichtet seyn, denn was ein Privatmann zufälligerweise, ohne Mühe erfährt, muß sie nothwendig, wenn sie anderst will, noch verläßlicher wissen können. – Doch, weiter.

Von einer an sich gut geschriebenen, wegen einiger Ausfälle auf gewisse geheiligte Religionsgegenstände aber verbothenen kleinen Volksschrift, unter dem Titel: Werden wir Katholiken im Jahre 1786 noch fasten? will ich hier gar nichts besonders erwähnen, weil man von Wucherer ohnehin mit Lessings Orsina sagen kann: »eine Sünde mehr oder weniger, für einen der doch verdammt ist.« Wenn indeß seine Industrie, mit kleinen Broschüren große Einnahmen zu verschaffen, hier fehlschlug, so hatte er doch mit einer andern, vom nähmlichen Verfasser mehr Glück, ich meine mit den sogenannten Briefen eines Biedermannes an einen Biedermann, über die Freymaurer in Wien, weil zu eben der Zeit die bekannte k. k. Verordnung erschien, welche wenigstens dreyßig fliegende kleine Schriften veranlaßte, wovon allein in Wucherers Verlag fünf und zwanzig zum Vorschein kamen, deren größter Theil in einem Tone abgefaßt war, den nur allein Joseph's Nachsicht und Großmuth dulden konnte. Wucherer hatte sie, seiner Gewohnheit nach, erst gedruckt und dann – zur Censur gegeben. Eine einzige wurde verbothen, unter der Aufschrift: »Sendschreiben des h. Ignaz v. Lojola, an seine Brüder Freymaurer in Wien.« Daß aber bey Wucherer ein Verboth den Verkauf nicht beschränkt, wissen wir ohnehin.

Während dem Curs der sogenannten Maurerschriften erschienen die Briefe über den jetzigen Zustand von Galizien, in zwey Theilen, welche zwar, da sie schon gedruckt zur Censur kamen, tolerirt wurden, die aber, bey dem wirklichen Guten, was sie enthalten, mit bittern Sarkasmen und skandaleusen Privatanekdoten dergestalt angefüllt sind, daß die Einwohner zu Lemberg ein Exemplar derselben an den Galgen hefteten, mit einem Zettel: Dies gebührt dem Verleger! Da kein Gerichtsdiener das Buch herabhohlen wollte, so mußte es der Henker thun. Der Großhändler Wucherer hat, wie man sagt, über diese Prozedur herzlich gelacht, in der Zuversicht, daß er nun desto mehr davon absetzen würde.Nun ist die Rede von der Zahlheimschen Broschüre; dieser Text bildet den nächsten Artikel. –

Nach welchen Grundsätzen, und mit welchem Recht hat man den Buchdrucker Schmidt, der blos das alberne Dreybrüderschafts-Büchel, ohne Censur, druckte, um 500 fl. – strafen und diese Strafe ohne Gnade eintreiben können, indeß Wucherer, ohne alle Anfrage bey der Censur, von Zeit zu Zeit druckt, was er will, Woche für Woche mit einer neuen Skarteke seines Drucks und Verlags zur Censur kömmt, und sich überhaupt den Teufel um ihr Verbiethen bekümmert? Hat denn dieser hergelaufene Schwabe ein Vorrecht vor andern innländischen Buchdruckern und Verlegern? Oder findet man es nicht mehr rathsam und thunlich, ihn eines Vergehens wegen zu bestrafen, weil er schon hunderte begangen hat?

Wahrlich, ich glaube, man hätte jedem andern Buchdrucker und Verleger, der den zehnten Theil von Wucherers Sünden verübt hatte, schon die Haut abgezogen, so wie man vielleicht jeden andern Schriftsteller, der Brochüren à la Fezer geschrieben hätte, längst über die Linien hinaus gewiesen haben würde, wenn gleich im Grunde der Verfasser einer Lästerschrift weniger strafbar ist, als der, so sie zu drucken und zu verlegen wagt.

Ein für allemahl bleibt es ein Räthsel, warum Wucherern alles hingeht, warum man ihm nicht auf die Haut gehen, und seinen offenbaren Skartekenhandel nicht abstellen will? Zum wenigsten ist es sehr sonderbar, daß dieser Mann so manche Anhänger, Freunde und Gönner hat, unter denen sicher einige sind, auf deren Verwendung und Einfluß er rechnen kann, wenn er allenfalls in die Klemme kommen sollte. Er hat sich selbst unter denen, die seine Manipulationen hindern könnten, einen dergestalt eigen gemacht, daß er den Schwindel bekömmt, wenn er irgendwo über seinen Freund Wucherer reden hört.

Ich bin es satt, dieses Mannes Großhändlers-Schritte weiter zu verfolgen, und man merkt es ohnehin, daß ich nur der gröbsten Spur derselben nachgegangen bin. Für jenen Beweis, wozu ich mich im Anfang dieser Schrift anheischig machte, ist das schon mehr als überflüssig, was ich bisher berührte. Indeß kann ich doch nicht umhin, noch von einigen seiner neuesten Verlagsartikel zu sprechen. Der erste ist eine nur zwey Bogen starke Broschüre, unter dem Titel: »Bordelle sind in Wien nothwendig, Herr Hofrath von Sonnenfels mag dagegen auf seinem Katheder predigen was er will.« Sie hier zu zergliedern, ihre Sätze näher zu analysiren, alle für Wiens Obrigkeiten und Bewohner darin enthaltene Grobheiten zu rügen, oder gar die unflätigen Ausdrücke derselben nach der Reihe anzuführen, ist überflüßig, denn was heut zu Tage von schon gedruckten Schriften verbothen wird, muß allerdings sehr anstößig sein.

Das gleiche gilt von den sogenannten »freymüthigen Bemerkungen über Aufklärung und Reformen unserer Zeit,« von einem gewissen Z . . . r, welche sicher innerhalb der k. k. Länder kein anderer Buchhändler an sich gekauft haben würde, da sie die frechste Persiflage über Josephs Anstalten und die bißigsten Anspielungen auf allen Seiten enthalten. Obwohl sie verbothen wurden, so kaufte doch Wucherer erst jüngst vom gleichen Verfasser das Manuscript eines zweyten Theils dazu, welchen wir mit ehestem aus der Buchdruckerey in der Bischofsgasse zu Ottahaite gleichfalls zu erwarten haben.

Ich komme nunmehr auf das Non plus ultra von Wucherers Großhandel, auf jenes famose Libell, wodurch er seinen bisherigen Unternehmungen gleichsam das Siegel aufdrückte, und womit er am 11. Julius dieses Jahres zum Vorschein kam. Es führt die Aufschrift: Freymüthige Bemerkungen über das Verbrechen und die Strafe des Garde-Obristlieutenant Szekely.

Hier gab es den stärksten Beweis, wie die Bosheit stufenweise steigen kann, wenn man ihr nicht zeitig genug auf den Kopf tritt; hier entdeckte es sich allzudeutlich, wie gierig er auf jede Gelegenheit lauert, das Publicum auf Kosten der geheiligten Ehre des Monarchen brandschatzen zu können; hier ward es klar, daß er die Skarteken dieser Art bestelle.

Da dieses Schandwerk nicht allein für die deutschen k. k. Provinzen, sondern auch vorzüglich für Ungarn bestimmt war; so fand er seiner Industrie gemäß, es mit lateinischen Lettern abdrucken zu lassen, um auch jene, die nach deutschen Buchstaben nicht gut lesen, zum Ankauf derselben zu reizen, beyher dem Ding einen Schein zu geben, als ob es in Ungarn gedruckt worden wäre.

Freylich würde man dieses nicht so geradezu geglaubt haben, wenn Wucherer der Einsender dieser Schrift gewesen wäre; deshalb fand er für dienlich, einen andern vor das Loch zu schieben.

Auf welche Art er dabey zu Werke ging, haben wir aus der von dem Buch- und Kunsthändler, Lucas Hohenleitner, am 5. August der Wienerzeitung beygelegten Ehrenrettung ersehen, deren Inhalt unser Großhändler, so trefflich er sonst läugnen kann, stillschweigend zugestehen mußte.

Wer dieses saubere Product gelesen hat – und wer hat es nicht gelesen? wird, wenn er Patriot und kein heimlicher Widersacher des Monarchen ist, gestehen müssen, daß die Frechheit hier ihren höchsten Gipfel erreicht habe. Was konnte mehr gewagt werden, als den Monarchen für einen launigten wetterwenderischen Tyrannen zu erklären, der die Rechte der Menschen mit Füßen tritt, der Gesetze und Gerechtigkeit verlacht?

Und – wer begreifts? – der Bösewicht, der sich erkühnte, diese Majestätsschändung zu drucken, ist aus Gnade des Monarchen Wien's Bürger, ist k. k. privilegirter Groß- und Buchhändler, und lacht sich über die beyspiellose kaiserliche Großmuth die Fäuste voll, je mehr sie seinen Wucherer Säckel spickt!!!

Wie! ein Unterthan sollte in diesem Tone mit seinem Regenten sprechen, sollte seinen Mitbürgern alles Vertrauen, alle Liebe zu Ihm rauben, »sollte die Millionen Seiner Völkerschaften wider Ihn aufbringen, und zur Empörung reizen,« sollte von Zeit zu Zeit die schändlichsten Pasquille gegen Ihn drucken und verkaufen dürfen, blos um sich zu bereichern?

Bey Gott! es ist die höchste Zeit, diesem Verräther das Handwerk auf ewig zu legen, und ihn dahin zu jagen, wohin er längst gehöret.

Es liegt ein verfluchter Sinn in dem Worte: Tyrann! Wer die Geschichte der Jesuiten gelesen hat, kennt ihn. Ich sehe hier zwey Fälle, deren jeder schrecklich ist. Angenommen also, daß ein von Pfaffen und Mißvergnügten entflammter Fanatiker auf jenen teuflischen Gedanken, den einst die Jesuiten in Ansehung erklärter Tyrannen lehrten, geriethe, und ihn in's Werk setzen wollte; welch' nahmenloses Elend könnte daraus entstehen? Angenommen, im Gegentheil, daß ein von Treue und Liebe für den Monarchen ganz erfüllter Unterthan über den Schänder seines Landesfürsten von gerechtem Grimm dergestalt entbrannt würde, daß er ihn aufsuchte, und vor den Kopf schlüge; was wollte man ihm thun? nach welchen Grundsätzen sollte man ihn verurtheilen?

Wenn ununterrichtete Bewohner des Auslandes diese Schandschrift zu Gesichte bekommen, so werden sie verleitet, zu glauben, es ist entweder die Stimme beleidigter Großen, oder die Stimme gedrückter Völker, welche in dieser Sprache ausbricht; und doch ist es nur ein einzelner Elender, ein von der niedrigsten Gewinnsucht befallener Skartekentrödler, der darauf ausgeht, das ganze Publikum zu nachtheiligen Gesinnungen gegen den Beherrscher gleichsam zu stimmen, damit es all' seinen Verlagswust desto gewisser aufkaufen, und ihn dadurch mästen möge.

Die Vergehungen dieses Mannes haben in der That den höchsten Grad erreicht. Wo der Regent als Tyrann erklärt ist, da ist die innere Ruhe des Staats in äußerster Gefahr, da kann Zucht und Ordnung nicht ferner bestehen, Ehrfurcht und Gehorsam werden zum Unding, zum leeren Wortschall, und die Gefahr einer allgemeinen Zerrüttung ist, unerachtet dreymahlhunderttausend bewaffneter Arme, dennoch zu fürchten.

Wenn auch all' dieses nur leere Furcht wäre, so entehrt doch wenigstens dieser Mann das für Aufklärung und Wissenschaften so heilsame Gewerbe des Buchhandels; so schadet er doch mindestens dem Geschmack an der Literatur, und erregt durch seine Lasterblätter einen allgemeinen Eckel gegen sie; so würdigt er doch den ehrenvollen Stand der Schriftsteller zu jener schwarzen Zunft herab, die der Abschaum der Menschheit genennt zu werden verdient; so erregt er doch bey vielen einen äußerst nachtheiligen Begriff von den bisher stets als die rechtschaffensten Menschen bekannten Protestanten, deren unwürdiges Mitglied er ist, und bey deren Gemeinde in Wien er zur Stelle eines Kirchenvaters – Gott weiß, wie? – gelangt ist. Ich selbst hörte unlängst einen angesehenen Protestanten in Wien sagen: er würde in Versuchung gerathen, das Bethhaus anzuzünden, wenn der Kirchenvater Wucherer darinn wohnte, um den Schandfleck der Protestanten zu vertilgen.

Man mache mir ja nicht den Einwurf, daß Wucherer frey von aller Verantwortung sey, weil der Monarch so erhaben handelte, den Verkauf der Pasquille auf Seine geheiligte Person zu erlauben; denn dadurch wird die darinn enthaltene Lästerung noch nicht zur Wahrheit; dadurch wird sein sträfliches Unternehmen noch lange nicht gerechtfertigt. Ist die Klapperschlange deswegen weniger giftig, wenn der, der ihr den Kopf zertreten kann, sie länger leben läßt?

Auch dadurch ist Wucherer noch nicht gerechtfertigt, wenn er gleich, um seinen Profit zu vergrößern, vom Verfasser des ersten Pasquills ein paar andere Schmarren dagegen verfertigen und drucken ließ, denen man es allzuwohl ansieht, daß sie den Hauptartikel nur desto mehr heben sollen. Noch weniger nützt ihm diesmahl sein jedesmahliger Kunstgriff, sich durch den übelberüchteten Erlanger Zeitungsverfasser für unschuldig erklären zu lassen, und beyher seine Skarteken dem Publicum auf's Beste zu empfehlen, da uns Hohenleitner allzuwohl überzeugte, wie schuldig er ist.

Und sonach frage man mich ja nicht: wer mich zum Ankläger Wucherers berufen oder bevollmächtiget habe: denn ich würde im Gegentheil fragen: Wer dem Wucherer das Recht gibt, den Monarchen zu lästern, und das Publicum zu ärgern? Aus mir spricht Bürgerpflicht und Patriotismus; aus ihm schändlicher Eigennutz und Bosheit.

Meine Anklage gegen diesen meineidigen, pflichtvergessenen, unwürdigen Bürger Wiens ist also keine Sache die durch ein paar Magistratsbeysitzer privatim untersucht und abgethan werden kann; sie ist res publica, und muß, erforderlichen Falls durch eine eigene von der höhern Behörde niedergesetzte außerordentliche Commission auseinander gesetzt werden.

Wucherer hat publice gesündigt, so, wie ich ihn publice anklagte; er verantworte sich publice darauf, und nach publice geschlossenem rechtlichen Verfahren kann, (wenn er es ausdrücklich zu verlangen rathsam finden sollte), auch publice in der Sache entschieden und gesprochen werden.

Ich beharre demnach darauf, daß ich Wahrheit schrieb, und, von Pflicht und Rechtschaffenheit angetrieben, in Ansehung Wucherers Skarteken Großhandel zu fragen berechtigt war: Wie lange noch?

Mit dieser Frage schließt Rautenstrauch; und auf dieselbe antworten wir: »O noch allzulange!« In dem nämlichen Jahre noch, 1786 gingen aus Wucherers Schmachpresse folgende freche Pasquille auf Joseph hervor: Die Regierung des Hanswurstes; eine Comödie aus dem vorigen Jahrhundert. Salzburg (47 S. in 8.) – Das Handbillet des Hannswurstes. Eine Beylage zur Regierung in Salzburg (23 S. in 8.) – Die Verbindung des Nabobs von Indostan wider den Groß-Mogul. Ein politisches Schauspiel. (Verfasser ist Fr. Schulz. 70 S. in 8.) Wir haben sie sämmtlich vor uns liegen; aber nicht weil sie Pasquille sind (die letzte Piece zielt auf den Fürstenbund) enthalten wir uns, sie wieder abdrucken zu lassen, sondern ihres unglaublich schalen, nichtigen, faden, läppischen und zugleich höchst geschmackwidrigen Inhaltes wegen. Alle drey sind noch überdieß in Versen, und o Himmel, in welchen Versen?! Überhaupt taugen von hundert Piecen der Josephinischen Periode wohl kaum zwey zu erneuerter Mittheilung, eben ihrer innern Nichtigkeit und äußern Rohheit wegen.


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