Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

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XXVI. Josephinischer Criminalcodex.

Mit dem Titel: »Allgemeine Gesetze über Verbrechen und derselben Bestrafung,« erschien unterm 13. Jänner 1787 dieser von dem berühmten Hofrath v. Keeß bearbeitete Codex. Ein Zeitgenosse lieferte einen Auszug der bezeichnendsten Paragraphe und Stellen, und fügt seine Bemerkungen bey. Hier ist Beydes:

Der erste Theil handelt von Criminalverbrechen.

§. 20. Die Todesstrafe soll, außer dem Verbrechen, bey welchem nach dem Gesetz mit Standrecht verfahren werden muß, nicht statt finden. In den standrechtlichen Fällen aber ist der Strang zur alleinigen Todesstrafe bestimmt.

§. 21. Die weitern Criminalstrafen sind Anschmiedung, Gefängniß mit öffentlicher Arbeit, Gefängniß allein, Stock, Karbatsch und Ruthenstreiche, und Ausstellung auf der Schandbühne.

§. 22. und 23. Das Gefängniß ist a) langwierig im zweyten Grade, und dann nie unter 30 Jahren, nie über 100; b) langwierig im ersten Grade, nie unter 15 Jahren, nie über 30; c) anhaltend im zweyten Grade, nie unter 12 Jahren, nie über 15; d) anhaltend im ersten Grade, nie unter 8 Jahren, nie über 12; e) zeitlich im zweyten Grade, nie unter 5 Jahren, nie über 8; f) zeitlich im ersten Grade, nie unter einem Monat, nie über 5 Jahre.

§. 24. Wo das Gesetz langwieriges Gefängniß im zweyten Grade bestimmt, kann auch die öffentliche Brandmarkung beygefügt werden.

§. 25. Die Anschmiedung besteht darin: Der Verbrecher wird in schwerem Gefängniß gehalten, und dermassen enge angekettet, daß ihm nur zur unentbehrlichsten Bewegung des Körpers Raum gelassen wird. Der zur Anschmiedung verurtheilte Verbrecher wird zum öffentlichen Beyspiel alle Jahr mit Streichen gezüchtiget.

§. 26. Die Grade des Gefängnisses sind: a) schwerstes, b) hartes, c) gelinderes. Bey allen drey Graden ist dem Verbrecher eine verhältnißmäßige Arbeit anzuweisen.

§. 27. Beym schwersten Gefängniß ein eiserner Ring um die Mitte des Körpers, schwere Eisen an die Füße, Breter zum Liegen, Wasser und Brot, Unterredung mit Niemand.

§. 28. Hartes Gefängniß, gleich dem Vorigen, nur minder schwere Eisen, zweymahl die Woche ein halbes Pfund Fleisch.

§. 29. Der zu einem solchen Gefängniß Verurtheilte kann vom Tage seiner Verhaftung an kein Testament machen.

§. 30. Gelindes Gefängniß, mit leichten Eisen, bessere Nahrung, aber nur Wasser.

§. 32. Stock, Karbatsch und Ruthenstreiche, nicht über 100 auf einmahl.

§. 36. Vom Tage der Verurtheilung an verliert der Criminalverbrecher den Fruchtgenuß seines Vermögens. Seine Familie zieht daraus anständigen Unterhalt, das Übrige fließt während der Strafzeit in den Criminalfond.

§. 37. Nach geendigter Strafzeit tritt der Verurtheilte in alle Rechte des Eigenthums zurück.

§. 38. Die Entadelung trifft nur die Person des Verbrechers.

§. 42. Die Strafe des Verbrechens der beleidigten Majestät ist gänzliche Einziehung des Vermögens, und langwieriges schwerstes Gefängniß im zweyten Grade. Eben so Landesverrath.

§. 53. Bey Aufruhr im höchsten Grade werden die Rädelsführer, nebst gänzlicher Einziehung des Vermögens, mit dem Tode bestraft.

§. 87. Wer die Entweichung eines Kriegsmannes befördert, muß ohne Ausnahme an dessen Stelle Soldat werden, im Fall der Untauglichkeit doppeltes Recrutengeld bezahlen, oder zeitlichen Arrest und öffentliche Arbeit aushalten.

§. 123. Ein Selbstmörder, der sogleich oder ohne bezeugte Reue stirbt, ist durch den Schinder einzuscharren.

§. 124. Geschieht der Selbstmord aus Furcht vor verdienter Strafe wegen Verbrechen, so wird er an den Galgen geschlagen.

§. 125. Ist der Selbstmord versucht, aber nicht ausgeführt worden, so wird der Thäter im Gefängniß gehalten, bis er, durch Unterricht überwiesen, Reue und Besserung erwarten läßt.

§. 183. Gegen Verbrechen und Strafbarkeit soll künftig keine Verjährung seyn.

§. 184. Wenn das Verbrechen und die Strafbarkeit durch ausgestandene Strafe oder Begnadigung erloschen ist, so tritt der ehemahlige Verbrecher wieder in alle gemeinschaftliche bürgerliche Rechte.

Zweyter Theil, von politischen Verbrechen und politischen Strafen.

§. 10. Die politischen Strafen sind Züchtigung mit Schlägen, Ausstellung auf der Schandbühne, Arreste, öffentliche Arbeit in Eisen, Abschaffung aus einem bestimmten Orte; Geldstrafe kann nur in dem einzigen Fall verbotenen Spieles verhängt werden.

§. 11. Züchtigung mit Schlägen muß allemahl öffentlich geschehen. Dem Mann können auf einmahl nicht über 50 Haselnußstockstreiche, dem Weib nicht über 30 Karbatschstreiche mit Ochsenzähm oder Ruthen gegeben werden, und diese immer auf die Hinterbacken.

§. 13. Arrest ist strenger oder gelinder.

§. 14. Der gelinde Arrest kann auch in Hausarrest verwandelt werden.

§. 19. u. f. Unter die politischen Verbrechen gehören Beschädigungen der Menschen durch verfälschte Arzeneyen, Fahren, Reiten, Überschreitung der Gesundheits-Cordons, Beschleichung der Landstraßen &c.; kleinere Diebstähle und Betrügereyen aller Art; falsches Spiel, verbothenes Spiel, falsches Maß und Gewicht, Überschreitung der Taxen; Ehebruch; unberechtigte und erzwungene Ehe; Vergehungen der Dienstleute gegen ihre Herren; Verbreitung von Schmähschriften und Schandbildern; unvorsichtige, gefährliche Handlungen, wodurch Feuer entstehen, oder sonst Hab und Gut der Mitbürger in Gefahr gerathen könnte; Muthwille auf öffentlicher Straße, durch Belästigung, Beschädigung von Menschen, Kleidern, Gebäuden, Gärten &c., Gotteslästerung, welche als Wahnwitz mit Einsetzung in das Tollhaus zu bestrafen ist, bis der Gotteslästerer Besserung zeigt; Störung des Gottesdienstes der herrschenden und geduldeten Religion; die Verführung von der christlichen Religion, oder von aller Religion; Unzucht an öffentlichen Ortern, Sodomie und Bestialität; Kuppeley; Gewerb mit eigenem Körper; Handel mit verbothenen Büchern und unzüchtigen Schildereyen; Verkleidung außer der erlaubten Maskenfreyheit; Beytritt zu geheimen Zusammenkünften und Verbrüderungen, welche der Obrigkeit nicht angezeigt werden; Zurückkehr an einen Ort, aus dem man verwiesen worden ist.

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Ich enthalte mich, viele Anmerkungen über ein Gesetzbuch zu machen, das die wirklich schätzbaren Verdienste der Kürze, der Deutlichkeit und Faßlichkeit für jedermann, und manche gute neue Idee hat, auch uns allen ehrwürdig seyn muß, so lange es zur Richtschnur unseres bürgerlichen Lebens vorgeschrieben ist. Am fernsten aber sey von mir, im Tone der Satyre darüber zu sprechen. Nur ein Paar Erinnerungen muß ich anführen, welche allgemein von Männern gemacht werden, denen man Einsicht und Eifer für das allgemeine Beste nicht absprechen kann.

Die schrecklichen Strafen der Anschmiedung, des schwersten und harten Gefängnisses, der öffentlichen Arbeit, welche für die gröbsten Verbrechen gewöhnlich im Schiffziehen besteht, sind für das Publicum gleichsam verborgene Strafen, weil es den Angeschmiedeten, den im Kerker Schmachtenden, den Schiffziehenden nicht sieht; da hingegen die Leute an dem Orte ihrer Bestrafung, wo man ihre Verbrechen nicht kennt, nur Gegenstände des Mitleids seyn können. Dieß ist der erste Einwurf.

Ferner behaupten sie, daß die überall und beständig ausgetheilten Stockprügel die Sittlichkeit eines sonst sanften Volkes – wie die Österreicher im Ganzen gewiß sind – eben nicht befördern; und daß eine solche Behandlung Sclavensinn, abgestumpftes Gefühl und Rachegeist verursachen dürfte.

Noch liegt ein Zug im menschlichen Herzen, auf den die Antagonisten der Todesstrafen nicht geachtet zu haben scheinen. Läßt man den todeswürdigen Verbrechern eine nur erträgliche Existenz, so gewöhnen sie sich, durch das Beyspiel der verworfenen Gesellschaft, in welche sie gerathen, nach wenigen Wochen, ja sogar Tagen, so vertraulich daran; zeigen sich mit so vieler Gleichgültigkeit, ja wohl gar Munterkeit, daß es für sie weiter weder Strafe, noch für das Volk Beyspiel ist. Wir haben davon in Wien Beweise von Leuten ehemahligen sehr hohen Ranges erlebt, welche, ungesehen, allen Glauben übersteigen würden . . . Peinigt man sie beständig mit auffallender Strenge, so tritt endlich statt des Abscheues Mitleiden in die Seele der Richter sowohl, als des ganzen Publicums.

Eine große Schwierigkeit bey Aufstellung des neuen allgemeinen Gesetzbuches möchte wohl diese seyn, daß es für alle Erbländer der österreichischen Monarchie bestimmt ist, deren Provinzen doch zur Zeit noch im moralischen Betracht äußerst von einander abstehen, und wovon einige auf den ersten Grad europäischer Cultur und Verfeinerung, andere hingegen noch auf sehr tiefen Stufen derselben stehen . . . Für die Dame aus Wien, für den Banquier aus Brüssel und Mailand, für den Rath bey den höchsten Landesstellen, für den Cavalier von 32 Ahnen, sind Ausstellung auf der Schandbühne, Gassenkehren in der Hauptstadt, jahrelanger Arrest mit Wasser und Brot und einem Bret zur Lagerstätte, hundert Prügel, Schiffziehen &c., allerdings Strafen, zehnmahl bitterer als der Tod selbst. Aber was sind eben diese Strafen für den wallachischen Bauern, für den slavonischen Ochsentreiber, für den galizischen Juden, für den Kohlenbrenner aus der Bukovina? . . . Eine Sache, die ihn wenig schreckt, oder die ihm vollends gleichgültig ist, wie wir practische Beweise davon haben.

Um das billige Ebenmaß zwischen Verbrechen und Strafen zu treffen, wie es in dem vor dem Gesetzbuch stehenden Manifest heißt, müßte man es erst dann allgemein einführen, wenn alle Provinzen und Einwohner eines Landes in einem verhältnißmäßigen Ebenmaß von Cultur, Verfeinerung, Aufklärung, Ehrgefühl, Erziehung und Lebensart stehen.

Mir scheint, die letztere Bemerkung verdiente einige Aufmerksamkeit.


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