Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

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48. Josephs schwarzer Freund und Königssohn Angelo Soliman.

Dieser merkwürdige Genosse der Josephinischen Periode flößt durch seine abenteuerlichen Schicksale, durch die Freundschaft mehrerer Fürsten, durch anderwärtige Beziehungen, z. B. als Schwiegervater des nachmahligen k. k. Hofraths Baron Feuchtersleben und besonders dadurch Interesse ein, daß der Kaiser ihn seines unmittelbaren Schutzes würdig hielt, seinen Umgang liebte und sich selbst an öffentlichen Orten von ihm Gesellschaft leisten ließ, an seinem Arm mit ihm lustwandelnd.

Der verständige, sinnreiche, gebildete und unterrichtete Neger war in Wien der Gegenstand allgemeiner Hochachtung und Liebe; dessen ungeachtet besäßen wir vielleicht die Geschichte seines Lebens nicht, hätte der französische Bischof Heinrich Graf Gregoire, der so viele Verdienste um die allmählige Abschaffung der Negersclaverey hatte, ihn nicht seinem schätzbaren Werke: De la littérature des Nègres (Paris 1808) einverleibt. Diese Biographie aber ist nicht von Gregoire selbst, sondern von einer österreichischen Schriftstellerinn, der ehrenwerthen Caroline Pichler verfaßt. Die Daten dazu wurden ihr von einer Wiener Dame geliefert, an welche Gregoire sich gewendet hatte. Wir kommen wohl auf Dieses und Jenes und noch Anderes.

Die Gestalt Angelo Solimans, plastisch in seiner natürlichen Haut existirt noch, und zwar im Wiener naturhistorischen Museum, im vierten Stockwerk in einer besondern Localität, nicht Jedermann zugänglich.

Sein Lebensabriß also ist dieser:

Unter den Negern, welche sich durch höhere Geistesbildung, Kenntnisse, aber noch weit mehr durch moralische Ausbildung und Vortrefflichkeit des Characters auszeichneten, verdient Angelo Soliman, der im Jahre 1796 in Wien starb, gewiß einen der ersten Plätze.

Die Schicksale seiner Kindheit und ersten Jugend, welche ihn, den africanischen Königssohn, aus dem Schooße seiner Familie, aus dem Reiche seiner Väter rißen, und bis nach Wien in das Haus der Fürsten von Liechtenstein führten, sind zu merkwürdig, und haben zu viel Einfluß auf seine moralische und intellectuelle Bildung gehabt, um mit Stillschweigen übergangen zu werden. Hier ist das, was seine Freunde noch jetzt nicht ohne innige Theilnahme nach seinen eigenen Erzählungen mitzutheilen wissen.

Er war der Sohn eines africanischen Fürsten. Das Land, worin dieser herrschte, hieß Pangusitlang, des Geschlecht, aus dem er stammte, Magni Famori. Außer dem kleinen Mmadi Make (dieß war Angelos vaterländischer Name) hatten seine Altern noch ein jüngeres Kind, ein Mädchen. Er erinnerte sich noch der Ehrfurcht, womit sein Vater behandelt wurde, der großen Anzahl von Dienern, die ihm zu Gebothe stand. Er selbst war, wie alle Fürstenkinder jenes Landes, auf beiden Schenkeln mit einer Art von Schrift bezeichnet, und lange nährte er noch die süße Hoffnung, daß man ihn aufsuchen und an diesen Zeichen erkennen würde. Überhaupt kehrten ihm selbst in späteren Jahren die Erinnerungen an seine Jugend, an seinen ersten Unterricht im Pfeilschießen, worin er bald sein Gefährten übertraf, an manche einfache SitteAus Angelo's Erinnerungen scheint hervorzugehen, daß sein Stamm schon einige Cultur hatte. Sein Vater besaß viele Elephanten und selbst einige Pferde, die dort eine Seltenheit sind. Sie hatten keine Münze; aber der Tauschhandel wurde regelmäßig durch öffentliches Ausrufen und Feilbiethen bey ihnen getrieben. Ihre Religion war Gestirndienst. Sie beobachteten die Beschreibung; auch wohnten zwey weiße Familien unter ihnen. und den schönen Himmel seines Vaterlandes mit schmerzlicher Sehnsucht zurück, und er konnte nie ohne tiefe Bewegung die vaterländischen Lieder singen, die sein treffliches Gedächtniß aus jener frühen Zeit ihm treu bewahrt hatte.

Von den ewigen Fehden der kleinen Völkerschaften im Binnenlande von Africa, deren Zweck bald Rache, bald Raubsucht, bald die schändlichste Art von Geiz ist, indem der Sieger die erbeuteten Gefangenen auf den nächsten Sclavenmarkt bringt, und dort an die Weißen verhandelt, erzählen alle Reisebeschreibungen. Eine solche brach gegen Mmadi Make's Stamm aus, und so unvermuthet, wie es scheint, daß sein Vater keine Ahnung von der Gefahr hatte. Der siebenjährige Knabe stand bey seiner Mutter Fatuma, die das jüngste Kind an der Brust hielt, als plötzlich ein fürchterliches Getöse, Waffengeklirr und Geheul der Verwundeten die Familie aufschreckten. Mmadi Make's Großvater stürzte voll Entsetzen in die Hütte und rief: »Feinde! Feinde!« Fatuma sprang erschrocken auf; sein Vater eilte sich zu waffnen, und der erschrockene Kleine lief pfeilschnell davon. »Wohin gehst du, Mmad Make?« rief ihm die Mutter nach. »Wohin Gott will, Mutter!« antwortete der Knabe, und noch in späteren Jahren dachte er an den bedeutungsvollen Sinn dieser Worte. Als er in's Freye kam und zurück blickte, sah er seine Mutter nebst mehreren von seines Vaters Leuten unter den Streichen der Feinde sinken. Außer sich vor Entsetzen lehnte er sich nebst noch einem andern Knaben an einen Baum und verdeckte seine Augen mit den Händen. Das Gefecht dauerte fort; endlich wurde er ergriffen und in die Höhe gehoben. Es waren Leute von der feindlichen Parthey, die nun wahrscheinlich schon das Feld behauptet hatten. Doch wollten seine Mitbrüder den Sohn ihres Königs nicht so gutwillig in ihren Händen lassen. Es begann ein Streit um seinen Besitz; man hielt ihn während desselben meist freyschwebend in der Luft. Endlich erlagen die Seinen auch hier, und der siebenjährige Knabe ging, mit welchen Empfindungen ist leicht zu denken, nun ganz in die Hände der Sieger über. Sein Herr vertauschte ihn indessen bald an einen andern Neger um ein schönes Pferd, und dieser führte ihn an einen Ort, wo sie sich einschifften. Hier fand er viele von seinen Landsleuten, alle gefangen wie er, alle wie er zur Knechtschaft bestimmt. Sie erkannten ihn mit Schmerzen, aber es war ihnen unmöglich, etwas für ihn zu thun, da ihnen nicht einmahl der kleine Trost vergönnt war, mit ihm sprechen zu dürfen.

Als sie auf diesen kleineren Schiffen das Meeresufer erreicht hatten, sah Mmadi Make mit Erstaunen die großen schwimmenden Häuser. Eines derselben, wahrscheinlich ein Spanisches, nahm ihn nebst seinem neuen Gebiether auf. Nachdem sie einen Sturm überstanden hatten, landeten sie an einer Küste, wo der neue Gebiether ihn zu seiner Mutter zu führen versprach. Mmadi Make war außer sich vor Freuden, aber wie bald schwand die süße Täuschung, als er in das Haus kam, und statt seiner Mutter nur die Frau seines Gebiethers fand, die ihn aber äußerst liebreich aufnahm, ihn liebkosete und mit der größten Zärtlichkeit behandelte, wenn ihr Mann nicht gegenwärtig war. Der Mann gab Mmadi Make den Nahmen Andreas und befahl ihm, die Kamehle zur Weide zu rühren und zu hüthen.

Es ist nicht zu bestimmen, von welcher Nation dieser Mann war, noch wie lange der Knabe bei ihm blieb, jetzt, da Angelo längst todt ist und diese Nachrichten größten Theils aus dem Munde seiner Freunde niedergeschrieben sind. Nach einer langen Zeit verkündigte ihm endlich sein Herr, daß er ihn an einen Ort bringen wolle, wo es ihm besser gefallen würde, als hier bei ihm. Mmadi Make freute sich sehr darüber, aber die Frau seines Herrn trennte sich mit Schmerzen von ihm. Sie schifften sich ein, und kamen nach Messina. Hier wurde er in das Haus einer ansehnlichen reichen Dame gebracht, die, wie es schien, schon auf seine Ankunft vorbereitet war. Sie empfing ihn sehr gütig und gab ihm sogleich einen Lehrer, der ihn in der Landessprache unterweisen sollte. Mmadi Make lernte leicht und schnell, sein gutmüthiges Betragen erwarb ihm die Zuneigung aller seiner Hausgenossen, die sehr zahlreich waren und unter welchen er vor allen eine Mohrinn, die man Angelina nannte, wegen ihrer Sanftmuth und ihres freundlichen Betragens auszeichnete.

Er wurde gefährlich krank. Die Marquise, seine Gebietherinn, empfand und trug alle Sorge einer Mutter für ihn. Die geschicktesten Ärzte wurden gerufen; sein Bett war von einer Menge Personen umgeben, die auf seinen Wink warteten. Die Marquise selbst wachte manche Nacht bey ihm. Sie hatte längst den Wunsch geäußert, daß er sich taufen lassen möchte, aber Mmadi Make wollte nicht, und so blieb es verschoben, bis er selbst einst in seiner Krankheit, als er sich in der Besserung befand, davon zu reden anfing und getauft zu werden begehrte. Die Marquise, innig erfreut über diesen Entschluß, ließ sogleich alle Anstalten aufs Prächtigste treffen. In einem Saale wurde ein reich gestickter Himmel über einer Art von Prachtbette errichtet; die ganze Familie, alle Freunde des Hauses waren gegenwärtig. Mmadi Make ward auf dieß Bett gelegt und gefragt, wie er getauft werden wolle. Aus Dankbarkeit und Liebe zu jener mohrischen Frau begehrte er Angelo getauft zu werden. Man willfahrte ihm und gab ihm noch überdieß den Zunahmen Soliman, den er künftig immer führte. Diesen Tag seiner Aufnahme ins Christenthum, den 11. September, feierte er dann mit frommem Gefühle jährlich als seinen Geburtstag.

Seine Güte, seine Gefälligkeit und sein richtiger Verstand machten ihn Jedermann werth. Die Marquise behandelte ihn wie ein eigenes Kind, und Fürst Lobkowitz, der als kaiserlicher General damahls in Sicilien stand, und oft ins Haus der Marquise kam, fühlte ebenfalls eine innige Neigung gegen den liebenswürdigen Knaben. Er bath die Marquise wiederhohlt, ihm den artigen Pagen zu überlassen. Ihre Liebe zu Angelo stritt lange mit ihrer Klugheit, die ihr rieth, sich dem kaiserlichen General durch dieses Geschenk zu verbinden. Der Fürst ließ nicht nach, in sie zu dringen; und sie wich endlich den Rücksichten, die sie für den Fürsten haben mußte. Sie trennte sich unter vielen Thränen von dem kleinen Neger, und dieser folgte seinem neuen Herrn mit Schmerz.

Der Stand des Fürsten erlaubte ihm nicht, lange an einem Orte zu verweilen. Er liebte den jungen Angelo; aber theils diese Lebensweise, theils vielleicht der Geist der damahligen Zeit machte, daß er sich nicht viel um seine eigentliche Erziehung und Ausbildung bekümmerte. Angelo wurde wild und jähzornig, er verlebte seine Tage in Kinderspielen und Müßiggang. Da nahm ein alter Haushofmeister des Fürsten, der trotz dieser Wildheit doch des Knaben gutes Herz und seine trefflichen Anlagen erkannte, sich seiner an, hielt ihm einen Lehrmeister, bei dem Angelo in siebzehn Tagen deutsch schreiben lernte, und die innigste Anhänglichkeit des Knaben und seine schnellen Fortschritte in jeder Art des Unterrichtes, den er empfing, belohnten den guten Alten für seine treue Sorge, und bürgten für die Richtigkeit seines Urtheils über den jungen Neger.

So wuchs Angelo im Hause des Fürsten heran, und war sein stäter Begleiter auf Reisen, und selbst in der Schlacht. Freiwillig zog er mit ihm zu Felde, theilte jede Gefahr mit seinem geliebten Herrn, kämpfte heldenmüthig an seiner Seite und trug seinen Gebiether, als dieser verwundet wurde, auf seinen Schultern aus dem Schlachtgetümmel. Angelo zeichnete sich bey diesen Gelegenheiten nicht bloß als ein treuer Diener und Freund, sondern auch als tapferer Krieger und erfahrner Officier aus, obwohl er nie eine militärische Charge begleitete. Er machte mit eigener Hand mehrere Gefangene, er diente dem Fürsten als Galopin, und erwarb sich bey diesem Amte viele Kenntnisse und Einsichten, so daß ihn Feldmarschall Lascy außerordentlich schätzte, ihm eine Compagnie antrug, die sich Angelo aber verbath, und ihm einst in Gegenwart einer Menge Officiere das rühmlichste Zeugniß der Tapferkeit, und zum Beweise seiner Achtung einen schönen türkischen Säbel gab.

Sein Gebiether starb endlich, und bestimmte ihn im Testamente dem Fürsten Wenzel Liechtenstein, der ihn längst in seinem Hause zu besitzen gewünscht hatte. Der Fürst befragte Angelo, ob er mit dieser Bestimmung zufrieden sey und zu ihm ziehen wolle? Angelo gab sein Wort, und machte Anstalt zu der neuen Veränderung seiner Lebensweise, als ihn der verstorbene Kaiser Franz hohlen ließ, und ihm unter sehr schmeichelhaften Bedingungen denselben Antrag machte. Aber Angelo war sein Wort heilig, und er blieb bey dem Fürsten von Liechtenstein. Bey diesem sowohl, als bey seinem vorigen Herrn war er der Schutzgeist der Unglücklichen und Bedrängten. Er brachte den Fürsten die Bitten derjenigen vor, die etwas bey ihnen zu suchen hatten. Seine Taschen wurden nie von Memorialien und Bittschriften leer; und so wenig er im Stande war etwas für sich selbst zu erbitten, so willig und glücklich war er in Erfüllung dieser Pflicht für Andere.

Auch diesen zweyten Herrn begleitete er auf seinen Reisen nach Parma, Frankfurt u. s. w. In Frankfurt bey der Krönung des Kaisers Joseph zum römischen Könige wagte er einst, auf Geheiß seines Fürsten, bey einer der öffentlich gehaltenen Pharaobanken sein Glück, und gewann in einem Tage zwanzigtausend Gulden. Er both dem Gegner Revange an; aber dieser war so unglücklich, am zweyten Tage von neuem vier und zwanzig tausend Gulden an Angelo zu verlieren. Nun wußte Angelo auf eine feine Art, indem er ihm nochmahl Revange both, dem Bankier die vier und zwanzigtausend Gulden wieder gewinnen zu lassen und erwarb sich dadurch die Achtung Aller, die dem Spiele zusahen, und die Bewunderung des Bankiers, der den folgenden Tag zu ihm kam, ihn umarmte, und seine Großmuth gerührt erkannte. Unverführt von diesem außerordentlichen Glücke, spielte er nie wieder um hohes Geld, und überhaupt meist nur Schach, worin er es zu einer großen Fertigkeit gebracht, und sich den Ruhm eines der ersten Spieler erworben hatte.

In seinen spätern Jahren vermählte er sich mit einer verwitweten Frau von Christiani, gebornen Kellermann, die aus den Niederlanden gebürtig war. Der Fürst wußte nicht um diese Verbindung; Angelo mochte gute Ursachen haben, sie vor ihm geheim zu halten, wie es der Erfolg bewies. Kaiser Joseph der Zweyte, der sehr vielen Antheil an Angelo's Schicksalen nahm, und ihn öffentlich auszeichnete, indem er mehr als Ein Mahl auf Spaziergängen sich an seinen Arm hing, verrieth eines Tages, ohne die Folgen zu ahnen, Angelo's Geheimniß an den Fürsten. Dieser ließ ihn alsbald rufen, stellte ihn zur Rede, und als Angelo nicht läugnete, daß er verheirathet sey, kündigte er ihm die Verbannung aus seinem Hause an, und strich ihn gleichfalls aus seinem Testamente aus, worin er ihm bereits den ganzen, ziemlich kostbaren Schmuck zugedacht hatte, den Angelo, wenn er bey feyerlichen Aufzügen seinen Herrn begleitete, zu tragen pflegte.

Angelo, der so oft für Andere gebethen hatte, sagte nicht ein Wort für sich. Er verließ das Hans des Fürsten, und bezog ein kleines Haus mit einem Garten in einer stillen Vorstadt, das er längst gekauft, und zum Aufenthalte seiner Gemahlinn hatte einrichten lassen. Hier lebte er still und zufrieden im Genuße des häuslichen Glückes mit ihr. Die sorgfältigste Erziehung seiner einzigen Tochter, der nun ebenfalls verstorbenen Freyinn von Feuchtersleben, die Pflege seines Gartens, der Umgang mit einigen sehr gebildeten vorzüglichen Menschen machten seine Beschäftigung und Erhohlung aus.

Beynahe zwey Jahre nach Fürst Wenzels Tode begegnete sein Neffe und Erbe, Fürst Franz von Liechtenstein, ihm auf der Gasse. Er ließ sogleich halten, und rief Angelo in seinen Wagen; er sagte ihm, daß er vollkommen von seiner Schuldlosigkeit überzeugt und gesonnen wäre, die Unbilligkeit seines Oheims wieder gut zu machen. Hiermit setzte er Angelo einen jährlichen Gehalt aus, der zugleich nach seinem Tode die Pension seiner Frau seyn sollte, und bedung sich nur dafür aus, daß Angelo eine Art von Aufsicht über die Erziehung seines Sohnes, des jüngst verstorbenen Fürsten Aloys von Liechtenstein führen sollte. –

Angelo kam pünktlich diesem neuen Berufe nach, und besuchte täglich das fürstliche Haus, um über den, seiner Sorge anbefohlenen Prinzen zu wachen. Der Fürst sah endlich ein, daß der weite Weg in üblem Wetter für Angelo sehr beschwerlich seyn mußte, er trug ihm eine Wohnung in seinem Hause an, und so bezog Angelo zum zweyten Mahle, jetzt aber mit seiner Familie, den fürstlichen Pallast. Er lebte still und eingezogen wie vorher, und nur in dem Umgange einiger Freunde und der Wissenschaften, die er mit Lust und Eifer trieb. Geschichte war sein Lieblingsstudium, sein treffliches Gedächtniß unterstützte ihn hierin, und er wußte von allen merkwürdigen Personen und Begebenheiten Nahmen, Jahrzahl, Geburtsjahr u. s. w. anzugeben.

Seine Frau kränkelte lange, nur die Sorge ihres Gemahls, der die geschicktesten Ärzte zu Hülfe rief, erhielt sie noch einige Jahre. Sie starb, und von diesem Tage an schränkte Angelo seinen Haushalt strenge ein, sah keine Freunde mehr zu Tische, trank nur Wasser, und suchte seiner Tochter, deren vollendete Erziehung ganz sein Werk war, hierdurch ein Beyspiel und vielleicht einst ein kleines Vermögen zu geben.

Er machte späterhin noch einige Reisen, theils in eigenen, theils in fremden Angelegenheiten. Überall, wohin er kam, erinnerte man sich der Gefälligkeiten und Wohlthaten, welche er in seinen frühern Jahren diesem und jenem erwiesen hatte, überall begegnete man ihm mit ausgezeichneter Hochachtung und Liebe. Besonders zeichnete ihn der verstorbene Erzherzog Ferdinand, Gouverneur von Mailand aus, als er auf einer Reise in diese Stadt kam.

Er genoß bis in sein höchstes Alter einer ununterbrochenen Gesundheit, und man konnte beynahe keine Spur der Abnahme oder des Alters in seinem Äußerlichen entdecken. Dieß gab zu manchem Mißverständniß und scherzhaften Streite Anlaß, indem es öfters geschah, daß er von Personen, die ihn vor zwanzig oder dreyßig Jahren gesehen hatten, für einen Sohn von sich selbst gehalten, und also behandelt wurde.

In seinem siebzigsten Jahre machte endlich ein Schlagfluß seinem Leben auf der Straße ein Ende. Er wurde nach Hause gebracht, aber es war keine Möglichkeit mehr ihn zu erwecken. Er starb den 21. November 1796, betrauert von allen seinen Freunden, denen sein Andenken noch jetzt heilig ist, und die größtentheils nicht ohne Rührung und Thränen seiner gedenken können. Die Achtung aller Redlichen folgte ihm ins Grab.

Angelo war von mittlerer Größe, schlank und schön gebaut; seine Züge waren bey Weitem nicht so sehr von unseren Begriffen über Schönheit entfernt, als die Züge der Neger sonst zu seyn pflegen. Eine außerordentliche Gewandtheit in allen körperlichen Übungen gab seiner Haltung und seinen Bewegungen Anmuth und Leichtigkeit. Sein Gedächtniß war vortrefflich; nebst vielen andern gründlichen Kenntnissen sprach er drey Sprachen, Italienisch, Französisch und Deutsch vollkommen geläufig, und las und sprach zur Noth auch Lateinisch, Böhmisch und Englisch. Sein Gemüthscharacter war von Natur nach der Weise seines Vaterlandes aufbrausend und heftig; desto schöner, desto verehrungswürdiger war die stets gleiche Heiterkeit und Sanftmuth seines Betragens, eine Frucht mühsamer Kämpfe und manches Sieges über sich selbst. Nie entschlüpfte ihm, selbst wenn er heftig gereizt wurde, ein unanständiger Ausdruck oder ein Fluch. Er war gottesfürchtig, ohne abergläubisch zu seyn, er beobachtete gewissenhaft alle Vorschriften der Religion, und hielt es nicht unter seiner Würde, seinen Hausgenossen hierin ein Beyspiel zu geben. Sein Wort war ihm unabänderlich heilig, und was er nach reifer Überlegung beschlossen hatte, war durch keine Überredung mehr zu erschüttern. Seine Tracht war immer die vaterländische, eine Art von türkischer weiter Kleidung, meistens blendend weiß, wodurch die glänzende Schwärze seiner Haut noch vortheilhafter erschien.


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