Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

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40. Details über das Freymauererwesen unter Kaiser Joseph.

Mit Beziehung auf den Artikel: »Der Kaiser und die Freymaurer,« im ersten Bändchen, S. 42 und folg. geben wir nachstehend einige Einzelnheiten, wobey es dienlich seyn wird, jenen Artikel damit zu vergleichen, wiewohl sie für sich ganz selbstständig sind.

1. Von den Maurerlogen &c. &c. in Wien.

(Aus den Briefen eines Biedermannes an einen Biedermann.)

Dritter Brief.

Wien, den – –

Ich habe in meinem letzten Schreiben an Sie ein Hauptmotiv vergessen, wegen welchem sich so viele Unheilige den hiesigen Logen zudrängen. Es sind die Geheimnisse, derer Aufschluß sie in unserm Schoße erwarten. Einige bilden sich ein, daß wir Gold machen können – andere schreiben uns das Arcanum einer Lebenstinctur zu, durch die wir unser Leben Jahrhunderte hinaus verlängern, wenn sie gleich die tägliche Erfahrung überzeugen soll, daß wir, wie die gewöhnlichen Menschen dahin sterben. Viele lassen sich es wohl auch nicht aus dem Kopfe bringen, daß wir die höheren Geister beschwören können, und daß uns alle verborgenen Schätze zu Gebothe stehen, wenn sie auch gleich wieder mit Augen sehen, daß ein großer Theil der Wiener Freymaurer eher Geldjuden, als Geister beschwören müssen, und daß einige von ihnen nicht in gewisse Verlegenheiten gekommen wären, wenn sie über verborgene Schätze zu gebiethen gehabt hätten.

Ich muß es zwar den hiesigen Logen nachsagen, daß sie es jedem, sogar vor der Aufnahme sagen, und versichern, daß sie keine Geheimnisse besitzen. Allein wie wenig sie diesen Worten glauben, können Sie, liebster Freund, daraus abnehmen, daß es in jeder Loge Goldmacher, Geisterbeschwörer und sogar Schatzgräber gibt. Ich habe es auch aus dem Munde eines Buchhändlers, daß mystische Bücher, und theophrastischer, schon zur Maculatur gewordener Unsinn, nun seine gangbarsten Artikel seyn.

Doch Sie dürfen ja nur die Bücherverzeichnisse in der Wienerzeitung (wenn anders von dieser letzten aller Zeitungen ein Blatt zu Ihnen kommt) durchblättern, um den Geist der jetzigen Wienerfreymaurer kennen zu lernen. Und wer glauben Sie wohl, bester Freund, daß sich am meisten mit diesen Wissenschaften abgebe? Leute, die nicht einmal das ABC der Chemie wissen –

Sie könnten sich unmöglich des Lachens enthalten, wenn sie diese Leute in einer aus mystischen, größtentheils übel angebrachten Ausdrücken, zusammgeflickten Sprache über die Alchemie reden hörten. Nach ihrem Vorgeben ist das Ding so klar, daß man sich nur hinsetzen, und Gold machen darf. Es gibt aber nicht bloß Thoren, sondern auch Betrüger unter ihnen, die ich fast wirkliche Goldmacher nennen möchte, weil sie sich auf Kosten der Leichtgläubigen zu bereichern wissen.

Sie werden sich wundern, daß die hiesige mit Recht berühmte Polizey nicht aufmerksam auf diesen Unfug werde? Ich wunderte mich selbst, bis ich hörte, daß die Logen hier nicht so viel tolerirt, als ignorirt würden – und so ergibt sich ja die Folge von selbst, daß man auch die Handlungen dieser Leute ignoriren müsse, wenn gleich die übrige profane Welt nicht ignoriret, daß dieser oder jener vorhin brave Mann durch das unselige Laboriren und einen übelverstandenen Freymaurergeist an den Bettelstab und wohl auch in das Gefängniß gekommen ist.

Freylich ist es eine der vorzüglichsten Beschäftigungen unsers Ordens, den Urkräften der Natur nachzuspüren, allein dazu gehören Kenntnisse, die man nicht am Spieltische, im Casino oder im Bordell erlanget.

Wir haben sehr oft über das Goldmachen zusammen gesprochen, und Sie kennen beyläufig meine Gedanken hierüber. Ich gebe zwar zu, daß ein geschickter Scheidekünstler aus verschiedenen Körpern Gold herausziehen könne: aber unmöglich kann er die Bestandtheile dieser Körper, die nicht Gold sind, in Gold verwandeln; denn Gold bleibt von Ewigkeit zu Ewigkeit Gold, und Bley von Ewigkeit zu Ewigkeit Bley. Sie können sich also wohl vorstellen, wie lächerlich mir die Alchemisterey der hiesigen Maurer vorkommen müsse, da die meisten von ihnen den Verwandlungsproceß vornehmen.

Sie haben nun einen Hauptzweig von der hiesigen Bauart kennen gelernt, und müssen inzwischen vorlieb nehmen, bis ich Sie wieder über die hiesigen Logen unterhalten kann. Mein Aufenthalt hier wird ohnehin noch von langer Dauer seyn. Sie wissen, daß mein Geschäft beym Reichshofrath anhängig ist, und so darf es Sie nicht Wunder nehmen, wenn Sie mich auch erst nach zehn Jahren wieder in meinem Vaterlande sehen sollten.

Ihre Nachricht, daß der vertriebene Professor Weishaupt nach Wien kommen werde, hat mir viele Freude gemacht. – Wird die Verfolgung gegen die würdigsten Männer nicht bald ein Ende bey uns nehmen?

Sechster Brief.

Beym Bau des Thurms Babel verwirrte Gott die Sprachen, und beym Bau unsers Tempels verwirrten die Regenten durch ihre Duldung die Köpfe der Maurer vom Meister bis zum Lehrjung hinab. Wollen Sie sich überzeugen, so stellen Sie sich zum Beyspiele vor den Bau der Wienerlogen hin.

In der glücklichen Epoche unsers Ordens bauten alle Brüder nach einem gemeinschaftlichen Plane. Alle waren von einem und eben demselben Geiste durchdrungen und belebt. – Nun aber bildet sich jede Loge ein, daß sie bessere Arbeit mache als die andern; daher auch der Haß unter ihnen, von dem ich Ihnen in meinem zweyten Schreiben sagte; daher statt dem echten Maurergeist – der Logengeist – daher aber auch die elende Arbeit.

Der Haß aber zeigt sich nie deutlicher, als beym Ballotiren, wo schon manchem braven Manne Schwierigkeiten gemacht worden, weil er sich gerade in der Loge A und nicht in der Loge B wollte aufnehmen lassen; dafür aber ermangelte die Loge A bey Gelegenheit nicht, der Schwester B ebenfalls mit schwarzen Kugeln aufzuwarten. Was aber bey diesem Partheygeiste die gute Sache verliere, und wie stark die Bruderliebe unter diesen Brüdern seyn müsse, können Sie sich nun selbst vorstellen.

Ich will Ihnen nun zum Beschluß von einigen Wienerlogen, die ich näher kennen lernte, eine flüchtige Schilderung machen; sie wird zum Beleg meines Urtheils dienen können.

Ich nenne Ihnen vor allen andern die Eintracht. Sie finden hier Wien's beste Köpfe beysammen: einen B—n, einen S—s, einen B—r, einen R—rBorn, Sonnenfels, Blumauer, Retzer. und viel andere würdige Männer. Ihr Hauptverdienst besteht darin, daß sie den wissenschaftlichen Theil des Baues fleißig bearbeiten, und den Afterbau der übrigen Logen einzureißen suchen, wofür sie aber auch nicht wenig angefeindet werden.

Nur bedaure ich, daß sie manchmahl das Kind mit dem Bade verschütten, und in ihrem Eifer wesentliche Stücke unsers Ordens angreifen. – So machte S—s in einer schön geschriebenen Rede unsern Eid lächerlich, oder wollte wenigstens beweisen, daß es lächerlich sey, von Leuten, die nie etwas erfahren können, einen fürchterlichen Eid zu verlangen, daß sie nichts sagen wollen. Allein dieser große Redner bedachte nie, daß dieser Eid als Hieroglyphe einen wesentlichen Theil unsers Ordens ausmache.

So ist auch B—n in einer Abhandlung über die Nichtigkeit der Magie etwas zu weit gegangen; denn kennt der Mensch wohl alle Naturkräfte, und gibt es nicht Dinge in der Welt, vor denen, wie Lavater sagt, der größte Philosoph den Finger auf den Mund legen muß? Mein Urtheil überhaupt von dieser Loge ist, daß sie zwar aus vortrefflichen und gelehrten Männern bestehe, daß ich aber nur einen einzigen ächten Mann unter ihnen kennen lernte.

Die gekrönte Hoffnung ist die älteste der hiesigen Logen, wenn man gleich keine Spur mehr vom alten Geiste in ihr antrifft. Sie bestehet größtentheils aus adelichen oder doch sehr bemittelten Gliedern. Sie kennen ja die Ursachen, warum es der Adel so hart mit der Wahrheit halten könne, und werden also wohl muthmassen, wie hier gearbeitet werde. Diese Loge hat gegenwärtig einen jungen sehr galanten Cavalier an ihrer Spitze.

Ein alter Maurer, der öfters bey ihren Festen erscheinet, versicherte mich, daß sämmtliche Brüder vortrefflich für den Bauch bauen, wenn es gleich ein paar starke Alchymisten unter ihnen geben soll.

Die Josephsloge besteht abermahl größtentheils aus Adelichen, und gibt in Ansehung der Baumeister der gekrönten Hoffnung nicht viel nach. Die Hauptempfehlung zur Aufnahme, ist hier vorzüglich alter Adel und Geld.

Ihre Glieder sehen auf die Brüder der übrigen Logen mit Verachtung herab; vermuthlich weil die ihrige die Josephsloge heißt.

Von den übrigen habe ich außer der Beständigkeit im Orient, noch keine so nahe kennen gelernt, daß ich ein unpartheyisches Urtheil fällen könnte.

Letztere zählt nur ein paar Cavaliere, und könnte daher bessere Arbeit machen, wenn nicht so viele brave Brüder schon gedeckt hätten, und wenn sie nicht ebenfalls vom Partheygeiste angesteckt wäre. In dieser Loge geht es sehr andächtig her, und es wird stark von Christus gesprochen. Ein gewisser F—l verfertigt Kantaten, denen aber der Geist der Maurerey fehlt. – So hat sie auch einen gewissen B—l zum Bruder Redner, der mit der allerweisesten Miene in einer Minute hundert Betisen sagt. Diese Loge hat unter den übrigen große Feinde, und wenn ihre Arbeit gleich selbst nicht weit her ist, so sagen sie doch von dieser, daß sie schlecht arbeite.

Wenn mich nun also bey dieser Verfassung ein Freund fragte: in welche Loge er sich sollte aufnehmen lassen: so würde ich ungefähr so zu ihm sagen:

Suchen Sie durch die Maurerey Ihr zeitliches Glück zu machen, das heißt: sind Sie entweder ein Arzt, oder ein Künstler, oder ein Geldausleiher, oder (wenn es Sie nicht verdrießt) auch ein Kuppler, so sehen Sie bey der »gekrönten Hoffnung« oder bey der »Josephsloge« anzukommen. Sie können hier sicher Bekanntschaften machen, die Sie zu Ihrem Zwecke führen. Sind Sie ein Mann von der Welt, der gute Gesellschaft und ein Glas Wein liebt, oder dem überhaupt mehr um Zeitvertreib, als um den Zweck des Ordens zu thun ist, so können Sie ebenfalls bey besagten Logen Ihren Conto finden. Lieben Sie aber den Umgang mit Gelehrten, oder wollen Sie Ihre Kenntnisse in was immer für einem Fache erweitern, und endlich in Rücksicht auf Ihre Kenntnisse die hohe Gnade erlangen, an das Dienstjoch gespannt zu werden, so rathe ich Ihnen, bey der »Eintracht« um die Aufnahme anzuhalten. Ist endlich Ihr Wunsch, recht fromm zu werden, oder haben Sie andere Anfälle von Hypochondrie, so weiß ich Ihnen keinen bessern Rath zu geben, als Sie lassen sich je eher je lieber bey der »Beständigkeit im Orient« aufnehmen; nur bilden Sie Sich nicht ein, daß Sie (Sie mögen wo immer aufgenommen werden) deswegen ein ächter Maurer sind.

Nehmen Sie einstweilen mit diesem Tableau der Wienerlogen vorlieb, und leben Sie wohl.

2. Critik des kaiserlichen Patents über das Maurerwesen.

(Drey Briefe über die neueste Maurer-Revolution.)

Den 18. des 12.

Erster Brief.

Mein Bruder!

Die schreckbarsten Dinge sind oft darum nur schreckbar, weil sie unerwartet kommen. So kam gestern ein Patent zum Vorschein, das eine sehr schmeichelhafte Außenseite für die Maurerey hatte, aber im Grunde den unausbleiblichen Sturz derselben nach sich ziehen wird.

Unser ganzes System, mein Bruder, ist seiner Umschmelzung nahe! – Nahe? Es ist schon umgeschmolzen im Herzen derer, die sich Brüder nennen, und Brüdern zu befehlen sich anmassen.

Du siehst nun, mein Bruder, daß ich diesen Augenblick anführen muß, mich als Maurer zu zeigen, wenn ich noch ferner im Herzen ein ächter Maurer bleiben will.

Das Patent selbst, das ich dir hier beyschließe, ist für uns so nachtheilig nicht, als manche glauben wollen, obgleich der Anfang davon der ernsthaften Sprache einer majestätischen Gesetzgebung nicht zu sehr zu entsprechen scheint.

Es heißt:

»Nachdem die sogenannten Freymaurer-Gesellschaften, deren Geheimnisse Seiner Majestät unbekannt sind, und deren Gaukeleyen Allerhöchst Dieselbe auch nicht zu erfahren verlangen, u. s. w.«

Wie kann man das, mein Bruder, Gaukeleyen nennen, was man nicht kennt, was man nicht zu kennen verlangt, was man am Ende nützlich, des allgemeinen Schutzes würdig findet?

Fürsten, Minister, Könige und Kaiser, große Gelehrte, große Künstler, und was im Auge des wahren Menschenfreundes noch mehr ist, edle Männer, Philosophen von der strengsten Ausübung ihrer Grundsätze waren solche Gaukler!

Durch diese Gaukler wurde die Armuth unterstützt, die Thräne des Elends abgetrocknet, Waisen erzogen, Talente gebildet, Künste und Wissenschaften empor gebracht, heilsame Plane angelegt, nützliche Vorschläge gemacht, und wenige Gesetze von der edlern, gemeinnützigern Art werden seit einer Zeit erschienen seyn, die nicht wenigstens mittelbar durch besondere dem Profanen noch unbekannte Wege von diesen Gauklern veranlaßt wurden.

Preßfreyheit, Toleranz, Reformirung der Religion u. s. w. was sind sie anders, als Werke dieser Gaukeley? Wo wäre das undankbare Österreich noch sonst, als in den Händen unheiliger Pfaffen, wenn diese Gaukler nicht schon seit vielen Jahren ihre Entwaffnung mit einer klugen, bewundernswürdigen Vorsicht vorbereitet hätten?

Gesetzgebung, du mußt dich an eine andere Sprache gewöhnen, wenn du im Herzen des freyen Menschen ehrwürdig bleiben willst!

Aber du wirst staunen mein Bruder, wenn ich dir sage, daß eben diejenigen, von denen wir alle mögliche Hülfe erwarteten, die wir mit einem zärtlichen, von Dank, Hochachtung, Ehrfurcht erfülltem Herzen im Brudernahmen als unsere Obern, unsere Väter erkannten, die ersten am Verderben der Maurerey arbeiten. Doch mein Bruder, politische Rücksichten müssen immer der Maurerey höchst nachtheilig seyn! Es war gefehlt, daß wir blind genug seyn konnten, jene, die Reichthum, Ansehen, Weltgröße hatten, mit Sternen, Orden und Titeln prahlten, zu den Hauptringen an der großen Kette unsers Bruderbundes zu machen. Nur Tugend und Weisheit können unauflösliche Bande flechten. Es ist lächerlich, die kleine, wie ein gelber Nebeldunst dahin schwindende Scheingröße zur Oberaufseherinn über Freye, Tugendhafte und Weise machen zu wollen. Der Große ist nie wahrer Bruder des Kleinern. Sein Herablächeln, seine Verneigungen, seine süßklingenden Worte sind weiter nichts, als eine täuschende Maske, in die er zur beliebigen Abwechslung seinen Stolz auf einige Augenblicke einzukleiden pflegt.

Aus solchen Leuten, doch nein, nicht aus lauter solchen, aber aus vielen solchen Leuten besteht unsere Landesloge; auch diese, da sie an Zahl und Gewicht die wenigen Edlen weit überstimmen, haben sich nun vereint, den vatikanischen Bannstrahl über das Schicksal der Maurerey mit inquisitorischer Entscheidung zu sprechen. Wir hätten es schon längst voraussehen sollen, und keiner sah es voraus, daß wir unter die Hände herrschsüchtiger Despoten gerathen sind.

Gleich nach Erscheinung der Verordnung erging von dem Landsgroßmeister ein Schreiben an sämmtliche Johanneslogen, daß am 20. des 12. von jeder Loge zwey mit unbedingter Vollmacht versehene Deputirte am bestimmten Ort Abends um fünf Uhr erscheinen, von dem nähmlichen Tage an alle Maurerarbeiten eingestellt, den andern Tag darauf alle Acten und Schätze mit einem Siegel verschlossen werden sollen. Diese Befehle gingen voraus, und man berief die Brüder nicht, sich mit ihnen freundschaftlich zu berathschlagen, sondern ihnen weitere Befehle vorzulesen. Was sie aber heimlich, ohne zuvor eine gesetzmäßig zusammenberufene Versammlung zu halten, beschlossen, oder mit einer mehr denn herrschsüchtigen Mönchs-Kabale unter sich unterminirten, war

a) daß alle Johannes-Logen in Wien aufhören sollten,

b) daß zu den drey neuzuerrichtenden Logen von ihnen drey Großmeister bestimmt würden, denen dann frey stünde, ihre Beamten selbst zu wählen.

c) Daß die übrigen Brüder bey den nun schon stehenden Logen ansuchen, und ihre Aufnahme durch die gewöhnliche Ballote bestimmt werden müßte.

Das Patent konnte so was nicht zur Absicht haben, und was es eigentlich beschloß, macht in der Grundverfassung der Maurerey nichts besser und nichts schlechter. Denn wahren Brüdern ist es gleich viel, ob sie sich in diesem, oder jenem Orte versammeln, ob ihr Bund in wenig oder viel Classen untergetheilt ist, ob sie unter der Aufsicht dieses, oder jenes von ihnen gewählten Großmeisters ihre Maurerarbeiten beginnen. Aber herrschsüchtige Brüder ergriffen hier die gewünschte, und von ihnen selbst veranlaßte Gelegenheit, die ganze Maurerey in eine ihrem Stolze, ihrem Eigendünkel, ihren Privatabsichten entsprechendere Gestalt umzuformen. Unter allen Umständen durften sie's nie wagen zu gebiethen. Unter dem Vorwande, den landesfürstlichen Gesetzen zu gehorchen, gebothen sie nun.

Wozu hatten sie nöthig alle Johanneslogen eigenmächtig zu schließen? Seine Majestät wollten aus acht Logen drey haben. Wessen Sache ist es nun, die der Landes-Loge, oder der sämmtlichen Johanneslogen selbst, eine dem allerhöchsten Befehle gemässe Veränderung zu treffen? Würde dieses nicht freundschaftlicher, brüderlicher geschehen, wenn alle Logen, jede durch fünf oder sechs Deputirte, zusammentreten, und sich ohne Zwang, ohne Vorschriften, über ihre Vereinigung berathschlagen könnten?

Die drey Meister für die drey neuen Logen waren schon gewählt, weil man sich durch Erbettlung, Erschmeichlung, und Ertrotzung der Stimmen in den Stand zu setzen wußte, den schwächern Theil zu überstimmen. Man berief die Brüder zur Meisterwahl, und die Meister waren schon gewählt! Was heißt das anders, als etliche hundert Brüder nach Gutdünken an der Nase herumführen.

Die neuen drey Meister müssen also mit jenen eine gleiche Gesinnung haben, von denen sie gewählt worden; diese Meister wählen ihre Beamten, und können also auch nur solche wählen, die mit ihnen einer gleichen Gesinnung sind.

Die übrigen Brüder aber müssen erst bey diesen auf einem solchen Fuße stehenden Logen ansuchen, und ihre Einlassung oder Verwerfung hängt von der blinden Entscheidung der Ballote ab. O pfui! Brüder sollen bey Brüdern ansuchen, um für ihre Brüder erkannt zu werden. Sind wir Maurer nicht alle freye Maurer? Haben wir nicht immer, in brüderlichen Versammlungen ungetheilt alle Rechte der Freymaurerey ausgeübt, alle Vortheile dieser engen Verbindung genossen, die Bürde derselben mit unsern Beyträgen unterstützt? Hat uns nicht selbst die gesammte Maurerey bey unserer Einweihung mit einem hohen unverbrüchlichen Maurereide geschworen, mit uns einen Bund einzugehen, den kein Mensch, keine Macht, kein Verhängniß, kein Gott trennen kann? Was müssen diese Männer für Männer seyn, die mit hohen furchtbaren Eidschwüren, wie ein Kind mit seiner Puppe spielen können? – Und ihr, Brüder, wie sie, von ihnen selbst gut geheißen, anerkannt als solche von einer ganzen Maurerwelt, die wir vielleicht bisher thätigere Hände an dem wohlthätigen Plan unsers Tempelbaues angelegt, wir sollen nun erst ansuchen, bey diesen unbrüderlichen Brüdern, sollen, weil wir nicht denken, wie sie des Schimpfes zwischen Furcht und Hoffnung gewärtig seyn, durch Privatabsichten, durch Partheylichkeit, durch Cabale dieses oder jenes, unter dem Namen eines unächten Bruders ausgeschlossen, dem Vernünftigen zur Verachtung, dem Pöbel zum Hohngelächter bloßgestellt zu werden? Was wird dann die Maurerey anders seyn, als ein oligarchisches Despotencomplot, das jeden andern von sich entfernen wird, der entweder nicht klein genug ist, ihre Herrschsucht mit ähnlichen Gesinnungen zu unterstützen, oder nicht niedrig und entartet genug, ihr Sclave, ihr Speichellecker, ihr Vergötterer zu seyn. Kein edler Maurer wird sich je zu einem solchen alle Gefühle von Freyheit herabwürdigenden Schritt entschließen können! Aber der Fluch der gesammten Maurerey wird einst auf diesen Aufwieglern, diesen Zerstörern des heiligen Tempelbaues ruhen!

Sie sagen: um ihrem Unternehmen einen Anstrich von Verdienst zu geben: Dies sey das einzige Mittel, die Gesellschaft von so vielen unedlen Maurern zu reinigen. So gibt es unedle Maurer? Nun, wenn es solche gibt, wessen Schuld ist es, als eure, daß ihr unwachsam, sorglos, für das Wohl der Maurerey kalt, und gleichgültig genug waret, Unedle als Brüder einzuweihen, oder unedlen, unverbesserlichen Brüdern die Thore unsers Tempels nicht bey Zeiten zu verschließen? Man wird euch Dank wissen, wenn ihr uns von solchen befreyet, sie sind keine Brüder, wie mancher verderblicher Anmasser unter euch kein Bruder ist!

Aber nicht jeder Unedle ist unverbesserlich. Hier kann die Maurerey die Absichten ihrer Wohlthätigkeit im höchsten, glänzendsten Grade zeigen, hier kann sie ein Meisterstück, ein Wunderwerk verüben, wenn sie aus unwürdigen, würdige Brüder macht! Und wie oft gelang ihr dies nicht schon? Ich habe dieses Geständniß aus dem Munde manches Maurers, daß er seine Rückkehr zum Weg der Tugend und Rechtschaffenheit bloß den Ermahnungen, den Warnungen, den Zurechtweisungen, der sanften nachgiebigen Langmuth, den erbaulichen Beyspielen seiner Brüder zu danken habe. Wien selbst kann Männer mit Titeln, Sternen und Ordensbändern aufweisen, die Verschwender, Taugenichtse, Ausschweifer, die Schande ihrer Familie, Greuel ihres Bundes waren, und die nun durch die heiligen, an's Herz greifenden, mit der Unwiderstehlichkeit eines Zaubers alles an sich reißenden Sittenlehren der Maurerey edle, menschenfreundliche Männer, brauchbar für den Staat, und groß für die Gesellschaft geworden sind!

Doch genug für heut, meine Gefühle sind in Empörung! Leb wohl! und nimm Antheil am Schicksale deiner Brüder. Ich bin durch die geheiligte Zahl

Dein u. s. w.

Zweyter Brief.

Den 19. des 12. Abends.

Mein Bruder!

Die gute Sache ist noch nicht so ganz verloren, als ich sie im Taumel des Schreckens für verloren hielt. Es gibt noch Männer von Gewicht, denen das Schicksal der Maurerey am Herzen liegt, und die entschlossen sind, mit einem gestählten Muthe, mit der Herzhaftigkeit eines Löwen alle Kräfte der Möglichkeit aufzubiethen, und dem allgemeinen Verderbnisse entgegen zu arbeiten! Es hat ihnen schon gelungen, manchem getäuschten Bruder die Augen zu öffnen, und ihn von der Parthey der Despoten wegzuziehen, und so können sie, wo nicht auf die Mehrheit, wenigst auf das Gleichgewicht der Stimmen sichere Rechnung machen.

Morgen also treten unter den entgegengesetztesten Meinungen zwey Partheyen zusammen, und vom Siege der einen, oder der andern hängt vielleicht auch die Zukunft eines ganzen Menschengeschlechtes, das Wohl, oder das Verderben der Maurerey in Österreich ab! Jeder Menschenfreund zittert mit bangem Angstgefühl der Entscheidung dieser entsetzlichen Stunde entgegen. Morgen auf den Abend ein mehreres!

Dritter Brief.

Den 20. des 12. Abends.

Mein Bruder!

Die gute Sache siegte, und wenn zugleich die Feinde der guten Sache demüthigen auch siegen heißt, so siegte sie doppelt. Einer von ihnen, der vielleicht hier eine besonders große, und glänzende Rolle zu spielen hoffte, mußte wider seine Erwartung die erbärmlichste von der Welt spielen, denn er wurde gleich anfangs durch Exzeptionen, auf die er nicht vorbereitet war, in eine Lage versetzt, daß er, der alles allein sagen, anordnen, bestimmen, entscheiden wollte, durchaus nichts zu sagen, anzuordnen, zu bestimmen, zu entscheiden hatte.

Daß man die Landesloge hier nicht als Landesloge erkannte, weil der Grund ihrer Gewalt blos die Existenz der Johanneslogen ist, und also, da sie selbe eigenmächtig aufhob, sich selbst aufheben mußte, vereitelte auf einmahl ihr ganzes Cabalensysten..

Männer sprachen hier wie freye Maurer! mit dem warmen Antheil eines Menschenfreundes, mit der Heftigkeit eines beleidigten Gefühles, mit den Machtgründen einer vollen Überzeugung! Ich widerrufe hier, mein Bruder, was ich dir im ersten Briefe gesagt habe! Es traten hier Cavaliers auf, die sich als Maurer, als Brüder, als Freunde des Rechtes, und der Wahrheit in einer auffallenden Größe zeigten! Ohne sie, ohne das Gewicht ihres Ansehens würde die gute Sache wenig oder gar nichts gewonnen haben. Ich habe in meiner Heftigkeit oben beleidigend gesprochen. Ein Cavalier mit einem edlen Maurerherzen ist der Maurerey bey ihrer jetzigen Lage, da ihr's weniger, als sonst möglich ist, sich ganz von politischen Verhältnissen loszureissen, der unentbehrlichste Bruder! Nur werden durch diesen Zufall die Brüder klüger werden, und sich nie wieder der Leitung seichter, leerer, von jedem Thoren auf allen Seiten sich leiten lassenden Köpfe, oder einem stolzen, herabsehenden, eigendünkelnden, im Nebel seiner Phantasie blind, und hungrig nach Größe und Ansehen haschenden Geiste anvertrauen.

Der erste Punct, alle Logen aufzuheben, war sogleich entschieden. Die sechzehn Deputirten der acht Logen traten zusammen, und vereinigten sich durch wechselseitige, freye Einverständnisse. Mit einer einzigen schien es eine Schwierigkeit zu haben, weil sie ohne Geräth, und zugleich mit einer Schuld von sechs hundert Gulden beladen war. Eine andere Loge trat ihr auf der Stelle ihre Geräthschaften als ein Schwestergeschenk ab, und ein edler Bruder war großmüthig genug, die sechshundert Gulden Schulden, ob er gleich nicht zur nämlichen Loge gehörte, auf sich zu nehmen. Die Vereinigung geschah nun so, daß zusammentraten

1) Die »drey Feuer« und »die Wohlthätigkeit.«

2) »Die gekrönte Hoffnung,« »St. Joseph« und »die Beständigkeit.«

3) »Der Palmbaum,« »die drey Adler« und die »wahre Eintracht.«

Über den andern Punct, die aus dem Complotsgremium gewählten Großmeister sich aufdringen lassen zu müssen, war man eben so geschwind fertig, denn die drey vereinten Logen, »zur gekrönten Hoffnung,« »zur Beständigkeit« und zu »St. Joseph« wählten sich auf der Stelle ihren Großmeister, und die Wahl fiel einstimmig auf einen Cavalier, der sich durch eifrige Verfechtung der guten Sache unvergeßliche Verdienste um die Maurerey erworben.

Der streitigste Punct von allen, war das Ansuchen der übrigen Brüder, und die Ballote, und über diese schändliche Forderung konnte man noch nicht ganz einig werden. Aber nie werden ächte Brüder zu einer so schimpflichen Nachgiebigkeit gegen falsche Brüder sich herablassen können.

Man stellte der unbilligen Gegenparthey vor, daß es ungerecht, grausam, gesetzwidrig sey, daß Brüder von Brüdern so sollten behandelt werden. Man wolle, hieß es dagegen, den durch die Ballote ausgeschlossenen Brüdern erlauben, die Loge zu besuchen, nur können sie nicht als Mitglieder erkannt werden.

Auf diese Art, warf man wieder ein, würden Se. Majestät hintergangen werden, wenn selbe das Verzeichniß aller Brüder fordern sollten.

Man kann ja, gab einer zurück, eine doppelte Liste einreichen, nämlich eine der wirklich einverleibten, und eine andere der besuchenden Brüder. Diesen Vorschlag, mein Lieber, hatte ein Bruder die eiserne Unverschämtheit, im Angesichte so edler, würdiger, menschlichgesinnter Brüder zu machen. Was könnten da besuchende Brüder im Auge des Hofes, und der Stadt anders seyn, als für unwürdig erkannte, verstossene, an Ruf und Ehre gebrandmarkte Auswürfe einer Gesellschaft, von deren Menschlichkeit man von jeher so hohe, so heilige Begriffe hatte! Anmassungen, Gährungen, Mißhandlungen von innen sind unedel und verabscheuungswürdig. Aber was für einen Nahmen des Abscheues habe ich dafür, wenn ein Bruder eine ganze Stadt, was sag ich Stadt, ein Reich, halb Europa zum offenbaren Schauplatz der Unverträglichkeit, der Verfolgung, des Bruderhasses machen will!

Er könne sich nicht entschließen, setzte dieser nämlich hinzu, seinen Namen auf einer so zweydeutigen Liste eingeben zu lassen. – So streich deinen Namen aus, Unedler! der Maurer erkennt dich für keinen Bruder! Du hörst es im Augenblicke auf zu seyn, indem der Höllengedanke in deine Seele fuhr, dieses Kabalengewebe anzuspinnen!

Man forderte ihn auf, die unwürdigen Brüder zu nennen, und versprach ihm Genugthuung. Da stand er nun in der erbärmlichen Nacktheit eines überraschten Verläumders, und konnte keine nennen!

Zwo von den neuen Logen waren gegen und eine für die Ballote. Und wenn es wahr ist, daß der stärkere Theil über den schwächern in einer so auffallend gerechten Sache ein Übergewicht vermag, so haben wir auch hierinn schon so viel, als gesiegt.

Die Brüder, welche sich mit besonderem Antheil für das Wohl ihrer Mitbrüder bewarben, sind Sonnenfels, Sauer, Karl Lichtenstein, Paar, Ellinger, Gemmingen. Le Noble, Linden u. s. w.

Aber noch immer fürchtete man, daß dadurch die Despoten noch nicht aufhören, gefährlich zu seyn, ihre Widersacher in einem Berichte an Seine Majestät herabzusetzen, und dadurch eine Vollmacht, die Einrichtung nach ihrem Gutdünken zu treffen, erschleichen werden.

Doch ich kenne unsern Kaiser zu gut, als daß ich dies befürchten sollte. Joseph glaubt keine einseitigen Berichte, indem ihm nur von der gesammten Deputation vollständige Berichte eingereicht werden können. Vielweniger wird er Eingriffe in eine ihrer innern Verfassung nach unschuldige, und nun von ihm selbst in Schutz genommene Gesellschaft machen wollen.

Am Schlusse dieses Briefes muß ich dir noch bekennen, daß ich mich schäme, mich seither zu einer Loge bekannt zu haben, die weil sie sich gelehrter dünkte, als die übrigen, selbe zu beherrschen, ihnen Vorschriften zu machen, sie da und dort zu necken sich anmaßte, von der seit etlichen Jahren alle Unordnung, alles Unheil in der Maurerey herrührte. Mein Wunsch vereinigt sich mit dem allgemeinen Wunsch der ächten Maurer, daß diese Loge eine gelehrte Akademie bleiben, und die friedliche, in sich genügsame, ruhige Maurergesellschaft von Menschenfreunden, und Biedermännern für die Zukunft unangefochten lassen möchte. Leb wohl. Ich bin &c.


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