Karl Gjellerup
Der goldene Zweig
Karl Gjellerup

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Fünftes Kapitel

Menas, der Galeerenführer

Einsam sitzt Tiberius am Rande des Abhanges.

Die Priester haben ihm einen Stuhl dort hingestellt. In diesen ist er zurückgesunken. Die vorgestreckten Hände umspannen die Ecken der breiten gebogenen Lehne, die ihn fast halbkreisförmig umschließt. Die Linke scheint das Eichenholz zerdrücken zu wollen. Das Kinn ruht auf der Brust. Die Augen sind unverwandt mitten in das Becken des Waldkessels gerichtet.

Der Spiegel Dianas schimmert nur matt – als ein etwas hellerer Fleck – aus der purpurnen Tiefe hervor. Vollends vom Goldschmuck, der tagsüber auf seiner Fläche geglänzt hat, können diese spähenden Augen nichts entdecken. Das himmlische Wahrzeichen der keuschen Göttin reicht mit seinem Lichte nicht bis dort hinab; von den sich ringsum erhebenden waldigen Höhen, die der jungfräulichen Jägerin so lieb sind, wird es aufgefangen und eingesogen. Seine Strahlen, oft durch Baumwipfel getrennt und in Bündel gesammelt, schießen zur Rechten über die Schräge hinunter, als ob sie danach lechzten, sich in dem See zu kühlen. Sie kommen aber nicht so weit, sondern springen plötzlich auf das linke Ufer hinüber und baden die ganze Fülle der Laubmassen in ihrem Glanze, wenn sich nicht gerade eine Schlucht voll schwarzer Schatten hineingräbt. Von einer solchen sich abhebend, steht gespenstisch leuchtend die Schleiergestalt der Nymphe Egeria da, und ihre Stimme tönt rauschend herüber: »In die Tiefe hinab, in die Tiefe!«

Und der Nymphenruf zieht hinab in die Tiefe all die Dryadenreigen, den Faunentanz, das Gewimmel von Fabelgetier dort zu seinen Füßen – alles, was bei nüchterner Tagesbeleuchtung Wurzeln und Stämme und Äste eines Olivenhaines sind und selbst dann wie ein verwunschener Wald scheint: trunken vom silbernen Zaubertrank, den die kristallene Schale dort oben überfließen läßt, scheint jetzt der ganze Bacchantenzug sich kopfüber in die Tiefe stürzen zu wollen. Zu wollen, aber nicht zu können; denn irgendein Zauber hat urplötzlich alle Bewegung gelähmt – derselbe zweifelsohne, der sie bis zum rasendsten Taumel gesteigert hat. Man glaubt, die Luft müsse noch kürzlich erfüllt gewesen sein von dem Klange der Syrinx, den Tönen der Doppelflöte, dem Schmettern der Becken und dem Klappern der Krotalen; und diese bacchische Musik sei dann plötzlich in einer alles bannenden Pause verstummt, habe sich in schweigenden Glanz verwandelt.

Aber der Blick des einsamen Zuschauers verirrt sich nicht in das Wirrsal des Haines: achtlos gleitet er über das glitzernde Gewebe der Ölblätter hin; er versucht in die schattige Tiefe zu tauchen – auch er dem Nymphenruf gehorchend – als sei er selber ein Strahl, der das Gesuchte beleuchten könne.

Und, in der Tat, man rühmt ja diesen großen Augen nach, daß ihre Sehkraft das Nachtdunkel zu durchdringen vermöge; als ob es der Natur ebenso schwer wie dem Menschenherzen fiele, diesem Herrscherblick ihre Geheimnisse zu verschleiern.

Und gelingt ihm das Beleuchten des Gesuchten nicht? Zündet er nicht dort unten einen Funken – ja mehrere – an? Oder sind es nur Irrlichter, die sich dort so emsig hin und her bewegen?

Jetzt sind es keine regsamen Lichter mehr. Eine Schnur von mattgoldenen Perlen ist ausgespannt: – das unterste, geschlossene Verdeck der Galeere ist erleuchtet.

Dieser Anblick fesselt Tiberius zu sehr, als daß er die Fußtritte, die sich etwas zögernd nähern, vernommen hätte.

Endlich veranlaßt ein dunkles Gefühl des Mißbehagens Tiberius, sich umzusehen.

Die kräftige Gestalt des Sejanus steht ein paar Schritte rechts von ihm.

»Zürne mir nicht, o Augustus« hebt dieser an, »wenn ich dich in tiefen Gedanken störe. Ich bin so dreist mich einzufinden, bevor du mich rufen ließest. Du wirst aber auch sehen, daß ich schon Vorbereitungen traf, um deine Gedanken auszuführen, die ich hoffentlich richtig erraten habe.«

Tiberius blickt ihn verwundert an. Aber Sejanus hat sich – unzweifelhaft absichtlich – gegen das Mondlicht gestellt, so daß sein Gesicht in Schatten gehüllt ist und dessen Züge unleserlich bleiben, während er selber die des Herrschers vollbeleuchtet vor sich sieht. Sie drücken starkes Mißtrauen aus.

»Du hättest meine geheimen Gedanken erraten?«

»Urteile selbst, ob ich es habe, o Augustus! Von hier bis drüben« – er zeigt mit seinem freien linken Arm hinüber nach dem Felsgestade, wo dieses der goldenen Perlenschnur am nächsten ist: – »von hier bis drüben stehen Prätorianerposten in Rufabstand voneinander. Sprich ein Wort, und in weniger als einer Minute stößt da drüben ein Kahn vom Ufer, und wenn die anderen die angebohrte Galeere verlassen haben, entern meine Leute sie und entführen das Germanenpaar, wohin du befiehlst.«

»So so! Das wären also meine geheimen Gedanken, die du so fein errietest!«

Die Mondstrahlen zeigen deutlich genug die Lächellinien der geschlängelten Lippen. Der Ton der Stimme aber warnt Sejanus, daß der Grund nicht ganz sicher sei.

»Wie könnt' ich, o Herr, daran zweifeln, daß du, als du dem Centurio den Befehl gabst, im Sinne hattest, diese gierigen Priester zu hintergehen und das Leben des herrlichen Mädchens – und wohl auch das des Jünglings – zu retten. Denn anscheinend wäre ja, was das Staatswohl betrifft, dem Gesetze Genüge getan, und dieser Chatte ist in der Tat ein sehr brauchbarer Soldat.«

»Ein vortrefflicher Gedanke, gewiß! Und du erkennst ihn als den meinen? Meinen Befehl hast du aber nicht erwarten können, so sehr drängt es dich, mir deinen Diensteifer zu zeigen und mir eine Geliebte zuzuführen, die freilich lieber mit einem anderen sterben will, als an meinem Hofe zu leben und die höchste Stellung dort einzunehmen.«

»Auf den Willen des Mädchens kommt es wenig an. Sie bleibt begehrenswert, denn ihr weißer Körper ist aus dem Stoff geknetet, den die Götter für die Wonne der Fürsten und Herrscher schufen – mehr noch: – für den Herrn der Welt, den göttlichen Augustus Tiberius! Mußten sie nicht für dich einen kostbareren Stoff wählen, als für die Könige und Satrapen? Und so griffen sie denn hinauf in den hohen Norden, das Land der Hyperboräer, wo Greifen das reinste Gold bewachen, dessen Glanz noch im Haare dieses Frauenbildes schimmert.«

Tiberius lacht leise in sich hinein: –

»Ei, du wirst ja ein wahrer Ovidius und übertreibst, wie die Dichter es immer tun. Denn das Chattenland ist freilich noch lange keine hyperboräische Gegend, da vielmehr Boreas in seinen Wäldern recht ungestüm haust. Ja ja, du verstehst dich auf diese Dinge und gönnst mir das Beste. Das hab' ich schon heute mittag gemerkt, als du dies holde Hyperboräerkind mit dem Rhodoswein zu mir in dein Ruhezimmer schicktest. Du warst fast übereifrig bemüht, Wünschen zuvorzukommen, die ich mir kaum selber gestand.«

»Möge mir das öfters vergönnt sein! Möge es mir, als getreuem Diener meines Herrn, recht oft gelingen, dir die Hälfte des Weges zu ersparen!«

»Lobenswert! Eine sehr rühmliche Gesinnung! Nur bei dieser Gelegenheit – – ja, mein guter Sejanus, hast du denn nie gehört, was Sextus Pompejus seinem Galeerenführer Menas bei einer ähnlichen Gelegenheit zur Antwort gab?«

»Ich entsinne mich dessen nicht.«

»Auch damals handelte es sich um eine Galeere, wenn auch keine goldene. Es war bei Misenum zur Zeit des Triumvirates. Pompejus gab meinem Vater, damals nur erst Cajus Cäsar Octavanius, und seinen beiden Mitregenten, Marcus Antonius und Lepidus, ein Gastmahl am Bord seiner Galeere. Als sie nun tafelten, nahm Menas Pompejus zur Seite und flüsterte ihm zu: ›Soll ich dich zum Herrn der Welt machen?‹ ›Wie würdest du das fertig bringen?‹ fragte Pompejus. Menas antwortete: ›Sage ein Wort, und ich lasse die Ankertaue kappen.‹ Da sprach Pompejus: ›Dies hättest du tun sollen, ohne mich erst zu befragen. Bei mir wäre das Verrat, bei dir getreuer Dienst.‹«

Hätte das Mondlicht das Antlitz des Sejanus beleuchtet, so würde Tiberius gesehen haben, wie das Blut sich in die Wange, ja bis in die Schläfen ergoß. ›Sollte ich wohl gar,‹ fragt er sich, ›durch zu große Vorsicht mir die Gelegenheit haben entschlüpfen lassen, mir ein großes Verdienst zu verschaffen und vielleicht mit einem kühnen Griff das nächste Ziel meiner Wünsche, die Hand Julias, zu erlangen?‹

»Mich dünkt, o Augustus,« antwortete er etwas zögernd, »daß Pompejus seinem Flottenführer doch zu viel zumutete. Hier handelt es sich nicht einmal um Verrat, und dennoch würde ich mich nicht erkühnt haben, so eigenmächtig vorzugehen. Denn wer dürfte sich rühmen, deine innersten Gedanken zu erraten?«

»Du hast den springenden Punkt nicht recht erfaßt, Sejanus. Menas hätte tun sollen, meinte sein Herr, was dieser auch nicht mit seinem geheimsten Gedanken gestreift hatte.«

»Das mochte allenfalls bei einem Sextus Pompejus zu wagen sein, an dessen Gedanken nicht viel gelegen war. Bei einem Tiberius nimmermehr.«

Der Herrscher nickt lächelnd: –

»Da magst du recht haben. Weiß ich doch selber nicht, wie ich das aufgenommen hätte – was eben Pompejus wußte.«

Sein Blick ruht auf dem See, auf der Galeere.

Über der langen Schnur von mattgoldenen Perlen hat sich eine zweite gespannt, und darüber glitzert ein kurzes Muster wie von blank poliertem Gold – und verlängert sich schnell nach rechts: die Lampen einer offenen Galerie.

Ja – wenn das geschähe! und noch könnte es geschehen!

›Man könnte die beiden in Nacht und Nebel nach Ostia schaffen und auf einem Schiffe nach dem Gestade der Belgier und dann den Rhenus aufwärts bis in ihr Vaterland. Niemand brauchte es zu erfahren – für die Welt wären sie mit der Galeere versunken. Sogar gute Staatskunst wäre es: ich würde ein treu ergebenes Fürstenpaar im Chattenlande haben.‹

Das wäre der Weg gewesen, wenn Sejanus gehandelt hätte – recht verschieden von dem, was sich der diensteifrige Mann gedacht hatte. Ja, wenn er gehandelt hätte!

›Aber es jetzt geschehen lassen – das kann ich nicht. Nicht in diesem Sinne hab' ich ja gesprochen. Und würde ich den beiden dadurch eine Wohltat erweisen? Die Zukunft ist unsicher, niemand kennt die Wege tückischer Götter. Der Sturm kann das Schiff an der Küste Hispanias zerschmettern – kann ihn ins Wellengrab stürzen und sie lebend hinwerfen an einem so unwirtlichen Gestade wie das der Taurischen Diana. Eine schöne Wohltat! Nein, sicher ist nur der Tod, und ein solcher Tod ist ein unvergleichliches Geschenk – unvergleichlich, denn es ist eines, das nicht das Schicksal in der Hand hält, sondern nur ich, den sie den Herrn der Welt nannte. Für diese bin ich's. Nein, da wird nicht hineingepfuscht!‹

So spricht Tiberius zu sich selbst.

Und ist dies die ganze Sprache seines weitläuftigen Geistes? Erwacht nicht in dessen Hintergrunde das Echo jener geheimnisvollen Sibyllenstimme, die das Gedeihen des Cäsarenhauses von dem ungeschmälerten Fortbestehen des uralten Brauches abhängig macht, – erwacht es nicht, dies Echo, und murmelt mahnend, um seinen Entschluß zu beeinflussen? Spricht nicht auch die benachbarte Furcht mit, die beleidigte Diana könne für solchen hinterlistigen Verrat an ihrer Priesterschaft und ihrem Tempelrecht eine furchtbare Rache nehmen? Es sei denn, daß die Waldgöttin mit dem großen Pan, ihrem Herrn und Meister, gestorben wäre – aber wer weiß das?

Gewiß regen sich solche Vorstellungen in den mystischen Untiefen seines Gemütes. Allein er blickt nicht da hinunter. Er will durchaus diese Handlung als eine Wohltat betrachten, so wie er sie selber – sogar mit einem Anfluge des Neides – fühlt.

Denn auch der Gedanke huscht durch die Geheimnistiefe seiner Seele: ›Könnte ich mich jetzt an Bord der Galeere begeben und den beiden zugesellen! – Rufus begleitet mich gern. Das hieße in guter Gesellschaft endigen, die Welt dem Sejanus und dem Hainkönig überlassend – sie sind ihrer wert! ...‹

Und auch der düstere Gedanke kreuzt den Flug des ersteren: ›Nicht ein solches Ende haben dir die Sterne vorgeschrieben. Einsam, wie du gelebt, freundlos, von Verrätern umgeben, mußt du einst von dannen gehen. Und was würde ich denn drüben bei jenen sein? Ein ungeladener, unwillkommener Gast, ein Störer ihrer Zweisamkeit! Auch das nur ein schlechtes Hineinpfuschen in mein eigenes Werk! Oder gesetzt sogar – noch schlimmer! – daß ich ihnen willkommen wäre: daß sie glaubten, ich käme um sie zu begnadigen, und enttäuscht wären, weil ich käme, mit ihnen zu sterben! Denn die Lebensgier ist mächtig und bekommt bald die Oberhand im jungen Blut. Welche pfuscherhafte Komödie würde das sein! ... Ein ungeladener Gast! Und doch leuchtet sie drüben, meine goldene Galeere, als ob sie mich einlüde!‹

Die offene Galerie strahlt bis zum Ende in ihrem vollen Lichterglanz, als er spricht: –

»Man sagt in Rom, ich sei grausam, Sejanus.«

»Einige Übelgesinnte verleumden –«

»Und neidisch.«

»Gnädigster Herr –«

»Ja, ja, ich weiß es wohl. Soll ich doch Germanicus wegen seiner geringen Erfolge in Germanien beneidet und deshalb seiner Laufbahn dort ein Ende gemacht haben. Daß mein Beweggrund das Wohl des Staates war, kann sich niemand denken. Sei's drum! Mag auch sein, daß solche Zungen nicht ganz unrecht haben. Vielleicht bin ich grausam. Möglich, daß der Neid in meiner Natur liegt oder durch meinen Lebensgang großgezogen worden ist. Aber so grausam und so neidisch bin ich nicht, daß ich jenen beiden da drüben ihr Glück nicht gönnte ... Du kannst deine Postenkette zurückziehen, Sejanus!«

Der Prätorianerpräfekt beugt seinen sonst so steifen Nacken in hingebender Demut.

»Wie du befiehlst, Augustus. Aber leid tut es mir, daß mir nicht das Los fiel, dir einen solchen Dienst zu leisten.«

Über Tiberius' Lippen huscht ein seltsames hinterhaltiges Lächeln, das Sejanus wohl kennt und das ihn immer beunruhigt.

»Deine Worte erinnern mich daran, daß ich noch in deiner Schuld wegen eines Dienstes bin, von dem du ein schmerzliches Andenken trägst. Du bist bestrebt gewesen, meine Gedanken zu lesen, meinen Wünschen zuvorzukommen. Laß mich ein Gleiches tun. Ich will dir eine Mitteilung machen, durch die sich dein geheimster Wunsch erfüllt.«

»Mein Herr und Gebieter!« stammelt Sejanus und stürzt hervor, wie um sich Tiberius zu Füßen zu werfen. »Ist's möglich – deine hehre Tochter – ich darf hoffen –«

Er will die Hand des Herrschers ergreifen, aber diese erhebt sich abwehrend.

»Sejanus, ich warne dich. Du bist sehr hoch gestiegen, du hast viele Feinde. In das Haus Cäsars hineinzuheiraten, würde dir unversöhnliche Neider verschaffen ... Nein, das war es nicht. Rate noch einmal!«

Der Präfekt beißt sich auf die Lippe. Das Blut hämmert in seiner Schläfe. Aber das Lächeln des Princeps hat etwas Hoffnungerweckendes.

Er wagt es, das Wort auszusprechen.

»So willst du mir die Tribunwürde – –«

»Sejanus! hüte dich! Bedenke die mächtigen Feindschaften! Ich habe dich zu meinem Mitkonsul gemacht. Die tribunizische Gewalt würde dich tatsächlich zum Mitregenten machen. Ich sage nicht: schlage dir diesen Ehrgeiz aus dem Sinn, wie ich dir auch nicht die Hand Julias verweigere. Ich sage nur: dringe nicht auf etwas, was dir zum Bösen ausschlagen könnte ... Wir wollen nichts überstürzen. Dies will wohl erwogen sein ... Aber in der Tat, du rätst schlecht. Nennst du denn das geheime Wünsche, was längst Stadtgespräch Roms sein dürfte?«

Sejanus' Stimme klingt kleinlaut und trotz aller Selbstbeherrschung ein wenig mürrisch, als er antwortet:

»Ich muß es aufgeben, selber zu erraten, was die tiefe Weisheit des Tiberius ersonnen hat, um mich für eine Handlung zu belohnen, die durchaus keinen Lohn verdient. Welcher wohlgesinnte Bürger – und erst recht welcher Soldat – würde nicht gern sein Blut für dich vergießen?«

»Auch habe ich nicht von Belohnung gesprochen. Meine Mitteilung soll nur eine erfreuliche Überraschung für dich sein. Ich gehe nicht nach Rom. Von hier aus kehre ich nach Capreä zurück.«

Es ist sehr schade, daß der Schatten alle feinen Bewegungen im Gesichte des Präfekten so wirksam verhüllt.

Denn – ist dies nun auch eine freudige Botschaft für ihn? Oder ist es wohl gar eine Enttäuschung? Hat er gefürchtet, durch die Anwesenheit des Herrschers in Rom an Macht einzubüßen? Oder hat er umgekehrt gehofft, ihn dort in seine Gewalt zu bekommen? .. Wie weit gehen die Pläne dieses Mannes? ... Der Hainkönig weiß offenbar etwas von den Geheimnissen des Sejanus; das war seinen Worten zu entnehmen. Ob wohl auch die anderen Priester dasselbe wissen? In dem Falle wäre das ein Grund mehr, Rufus mit nach Capreä zu nehmen.

Ob erfreut oder enttäuscht, ist nicht zu ersehen. Eine solche Selbstbeherrschung ist an sich etwas Verdächtiges!

»O Augustus, wie könnte es für mich erfreulich sein, zu erfahren, daß der beglückende Sonnenschein deiner Gegenwart uns verläßt?«

»Der Mond kann zwar die Sonne nicht entbehren, aber er liebt ihre Gegenwart am Himmel nicht. Das ist unter Göttern so, wie viel mehr bei den Menschen! Denn zu den Göttern bist du ja noch nicht erhoben, wenn auch dein Standbild neben dem meinen am Altar unserer Freundschaft steht, wie Agrippas neben dem des Augustus ... Ja, ja, das ist menschlich, Sejanus, und ich verüble dir ein so natürliches Gefühl nicht. Hast du mir doch seinerzeit eifrig zugeredet, Rom zu verlassen und meinen Wohnsitz auf Capreä zu nehmen.«

»Damals, o Herr, warst du von den Anstrengungen des Herrscheramtes sichtlich angegriffen, und ich hoffte, daß die frische Seeluft jener herrlichen Insel dir heilsam sein würde, wie sie weiland deinen göttlichen Vater, den ersten Augustus, so oft stärkte. Und so hat es sich ja, Äsculapius sei gepriesen! auch herausgestellt.«

»Gewißlich! So sehr, daß ich mich schon nach ihrem balsamischen Odem zurücksehne. Es bleibt dabei. Hier trennen sich unsere Wege. Du gehst nach Rom zurück, die Ordnung in der Hauptstadt aufrecht zu erhalten. Deine Macht ist groß – mißbrauche sie nicht! Ich kehre nach meinem Felseneiland zurück, um von seinen Gipfeln aus die Provinzen zu regieren; wie ich hoffen darf, zu ihrem immer wachsenden Heil ... Mache also alles zum Aufbruch bereit.«

»Es soll geschehen, Herr! Hast du noch weitere Befehle?«

»Nur einen. Schicke mir Cajus her.«


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