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Aus der Mappe eines alten Mannes.

Immer noch froh.

» Kannst du so jugendlich froh noch die heitere Stunde genießen,
      Silberlockiger Greis, welchem die letzte so nah?«
Da ich als Jüngling keck mich der goldenen Stunden erfreute,
      Konnte nicht ebensogut jede die letzte mir sein?

Tolerant.

» Nimmst du's denn nicht mehr so streng wie einst mit der heiligen Wahrheit,
Daß mit dem Ketzergeschlecht nun du so säuberlich fährst?«
Weil ich je länger je strenger die heilige Wahrheit verehre,
Wird mit den Jahren mir stets schwerer ein Ketzergericht.

Er kann nicht enden.

» Nochmals von Liedern ein Strauß? und botest uns jüngst doch den »»letzten««,
Bringst ja doch neues uns kaum, hast dich nun endlich erschöpft!«
Haltet's dem Alter zu gut, redselig heißt's und vergeßlich,
Tischt euch zum drittenmal auf, was es schon zweimal erzählt.

Zweierlei Maß.

Jüngst als ein Stümper mich schalt, – stolz warf ichs in den Papierkorb,
»Weil zu erhaben mein Flug seinem beschränkten Verstand.«

Als mich ein Stümper gelobt, – vergnüglich schloß ichs ins Pult ein,
»Weil so vortrefflich mein Werk, daß es die Kinder verstehn.«

Bald ausgespannt.

Matter wird öfters der Muth und schwerer die Last des Berufes,
      Aber ich strafe mich selbst: Bist du nicht nächstens am Ziel?
Was ist noch schwer in der Welt gegenüber der großen Entscheidung,
      Welcher ein jeglicher Tag näher und näher dich rückt?
Was ist der Klage noch werth im Blick auf die selige Ruhe,
      Die nach den Lasten des Tags sicher der Abend dir bringt?
Ja oft hüpft mir das Herz – schier dünkt mich mein Muth zu vermessen –
      Wie wenn das Schuljahr uns einst sich zum Ende geneigt:
Jegliches Pensum schien, auch das schwerere, nur noch ein Spiel uns,
      Standst du doch schon vor der Thür, goldene Ferienzeit!

Stoßseufzer.

Lasset, o laßt mir nun Ruh, schon dämmert mir tiefer der Abend,
      Wo man sich selber noch gern, gerne den Seinen gehört.
Liebe ja ist mir genug und Ehre zu viel nur geworden,
      Nimmer vergeß ich, wie wohl Gott mir und Menschen gethan.
Aber der schriftliche Drang verehrender Männlein und Fräulein
      Macht mir die Liebe zur Last, Dank zur erdrückenden Schuld.
Thurmhoch häuft sich der Tisch, kein Briefebeschwerer von Marmor
      Zwingt mir den wachsenden Berg wartender Briefe zu Thal.
Und Manuskripte nun gar, mir gütigst zu lesen, zu loben
      Und von Verlag zu Verlag bettelzubieten vertraut!
»Kühn wohl sei das Begehr, doch der friedsame Sänger der Palmen« –
      Gleicht ja dem frommen Kameel, knieend empfängt es die Last.
Jetzt versteh ich das Wort, daß niemand unter den Palmen
      Ungestraft sich ergeht: seit ich es selber erfuhr.
Nicht durch des Löwen Gebiß, noch der Schlange tückischen Ansprung,
      Schlimmer als Schlangen und Leu'n dräut ein Gedichtmanuskript!
Seufzend begrüß ich die Post, ja Gott verzeih mir die Sünde,
      Oft schon mit gröblichem Wort warf ich beiseit ein Paket. –
Nehm' ich ein Buch noch zur Hand, so seiens die alten, die Meister,
      Die mich als Jüngling entzückt, dran sich mein Alter verjüngt!
Aber die Stilübung halbfertiger Dutzendpoeten, –
      Kinder, mich macht sie nicht froh, Kinder, und euch nicht berühmt! –
Tauch' ich die Feder noch ein, gern thät' ichs im Dienste der Muse,
      Wenn sie dem alternden Freund seltnen Besuch noch vergönnt,
Aber es sträubt sich der Kiel, euch künstlich verblümt zu eröffnen,
      Was ihr nicht gerne vernehmt, wenn ihrs nicht selber entdeckt.
– Also murrt' ich schon oft und beschloß, mein Herz zu verhärten,
      Doch kein Sterblicher flieht seinem beschiednen Geschick.
Zögernd eröffn' ich die Schnur und blättre und lese und sieh doch:
      Oft noch im Haufen von Spreu lohnt mich ein Körnlein von Gold.
Ungern greif ich zum Kiel und schreibe mich wärmer und wärmer,
      Sieh! und ein hoffendes Herz dankt mir ein freundliches Wort.

Unter den Alpen.

» O glückseliger Mann, du weiltest am Fuße der Alpen,
      Jungfrau, Eiger und Mönch sahn dir ins Fenster herein.
Lockten sie auch dich hinauf, die gepriesenen Höhn zu besteigen?
      Sahst du vom schwindelnden Grat stolz auf die Lande herab?« –
So hoch wagt ich mich nicht, der Jugend ließ ich den Alpstock
      Nebst dem benagelten Schuh und dem umschleierten Hut.
Mir genügt' es, im Gras auf der blumigen Matte zu liegen
      Und an den silbernen Höhn waiden von unten den Blick.
Mir behagt' es, in Ruh die balsamischen Lüfte zu trinken,
      Welche die Gletscher von fern kühlend hernieder gesandt.
So mit dem Erdball selbst durch den Äther gewirbelt zu fliegen
      Tausend von Meilen im Nu, schien Motion mir genug. –
»Wohl, doch schwangst du gewiß dich empor auf den Flügeln des Liedes,
      Pflagst mit den Geistern der Luft manches vertraute Gespräch,
Bringst Bergpsalmen uns heim, entsprungen auf heiligen Bergen,
      Bringst uns das Edelweiß frommer Gesänge zurück?« –
Dieß auch lag mir zu hoch, ich horchte nur stumm der Lawine,
      Wenn sich ihr Donner im Thal zehnmal gebrochen verlor,
Schüchtern erstarb mir das Wort vor des Alls majestätischem Schweigen
      Und der bewundernde Psalm wurde zum stillen Gebet.
Nur wenn gemächlichen Schritts ich die grünenden Matten durchschweifte,
      Oft vom geschwäzigen Lauf silberner Quellen gekreuzt,
An den Gehöften vorbei mit dem breitumschattenden Vordach,
      Drunter im Gärtchen am Haus Rosen und Nelken erglühn,
Tauscht' ich im Gehen den Gruß mit dem milchbelasteten Senner,
      Der von der Alme herab trug den erquicklichen Trank,
Oder dem rosigen Kind, dem barfuß trippelnden Flachshaar,
      Das Erdbeeren im Krug uns für die Tafel gehäuft,
Ja mit den Blumen im Gras, die üppig blühend wie nirgends
      Mir vom Raine am Weg freundliche Grüße genickt.
Und so kam es, daß ich statt Alpenrosen zu brechen,
      Nur »Feldblumen« zum Strauß unter den Alpen gepflückt.
Sich zu bescheiden geziemt an Leib und Seele dem Alter,
      Selber der Genius schwebt endlich gesenkteren Flugs.

Ein guter Kamerad.

 

»Kann dir die Hand nicht geben,
Bleib du im ew'gen Leben
Mein guter Kamerad.«

Uhland.

 

Wackerer Reisekumpan, wir theilten von Jugend an treulich
      Manche vergnügliche Fahrt, manchen beschwerlichen Gang;
Standen auf Alpenhöhn vor der Jungfrau blendendem Antlitz,
      Warfen am Nordseestrand uns in der Wogen Gebraus;
Staunten zum Mastenwald in Hamburgs lärmendem Hafen,
      Staunten zu Mailands Dom Schulter an Schulter empor;
Jauchzten im Morgenthau entgegen der herrlichen Sonne,
      Suchten bei Donner und Blitz Abends ein schirmendes Dach;
Tranken aus Einem Krug an manchem gemüthlichen Wirthstisch,
      Lachten vereint den Verdruß schlechter Spelunken hinweg.
Mählich wurden wir alt, und merktens kaum, denn alljährlich
      Hat uns der holden Natur zaubrischer Bronnen verjüngt.
Doch nimmt alles ein End; jüngst schnürt' ich wieder mein Bündel,
      Wonnig erglänzte der Mai, aber du bliebest zurück,
Denn du bereitetest dich zu andrer, zu größerer Reise,
      Schicktest von ferne mir noch dein Lebewohl auf den Weg.
Weiterhin setzt' ich den Stab als je wir zusammen gewandert,
      Schöneres schaut' ich als je wir miteinander gesehn,
Trunken noch komm ich zurück, da empfängt mich die traurige Zeitung:
      Während ich fröhlich geschwärmt, giengst du den ernstesten Gang,
Reistest voran in das Land, das unbekannte, von dannen
      Kein rückkehrender Gast Kunde bis heute gebracht.
Aber es ist nicht auf lang; wir bestellen uns wieder wie oftmals:
      »Reise nur heute voraus, morgen schon komm' ich dir nach!«

An J. G. Fischer

zum siebzigsten Geburtstag.

Siebenzig Jahre Du auch? Doch aufrecht noch und gerade
      Seh' ich mit Jünglingsschritt über die Berge Dich gehn.
Kenn' ich die Brünnlein doch, daraus unalternde Jugend
      Heimlich von Tage zu Tag Du Dir zu schöpfen gewohnt.
Ein Jungbrunn die Natur, mit der Du im Bunde wie Merlin
      Wachsen hörest das Gras, Sprachen der Vögel verstehst;
Drum so oft sich im Lenz die schwellenden Knospen entfalten,
      Fühlst süßschauernd auch Du Leib Dir und Seele verjüngt.
Ein Jungbrunnen Dein Volk, mit dem Du in Treue verwachsen,
      Tief in der Heimat Grund kräftige Wurzeln gesenkt;
Drum was im Guten und Bösen die Seele des Volkes beweget,
      Macht dir in Liebe und Zorn jugendlich wallen das Blut.
Ein Jungbrunnen der Born des Wahren, des Guten und Schönen,
      Drein Du Dich durstigen Geists lehrend und lernend vertiefst;
Wer das Panier der Idee wie Du kampfmuthig emporhält,
      Hebt zu den Sternen das Haupt, beugt vor den Jahren sich nicht.
Also den Kopf nur empor und die Brust heraus, und so hoff' ich,
      Oft noch begegnen wir uns, wenn wir uns einsam ergehn,
Sei's daß den Bopserwald die Frühlingssonne durchleuchtet,
      Sei's daß der Weinsteig Laub golden im Herbste sich färbt.


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