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Tübingen. August 1887.
Wir standen an der heilgen Stätte,
Wo friedevoll in Gottes Hut
Im stillen, frischbekränzten Bette
Dein theurer Staub beim Staube ruht;
Doch nun auf sommergrünen Auen
Im sonnenhellen Lustgefild
Laß uns begrüßen und beschauen,
Geliebte, dein lebendig Bild!
Du ruhst ja nicht im kühlen Grunde
Als Todte nur bei Todten dort,
Du redest mit beredtem Munde
Zu Lebenden lebendig fort;
Du blicktest gern mit offnem Auge
Hinaus in Gottes schöne Welt,
Drum däucht uns auch, dein Denkmal tauge
Am besten hier ins freie Feld.
Hier wo entlang den Rebenhügeln
Dein heimatlicher Neckar rauscht,
Der Vögel Chor auf leichten Flügeln
Im Lindengang die Grüße tauscht,
Wo heitre Dörflein freundlich blinken
Durch Korn und Obstwald allenthalb
Und fern im blauen Dufte winken
Die Berge deiner Schwabenalb;
Hier wo mit ihrem Schloßgemäuer
Die Musenstadt herüberschaut,
Drin manche Dichtung die uns theuer
Dir deine Muse hat vertraut,
Drin mancher Gast von nah und ferne
Dein immer gastlich Haus belebt, –
Hier hoffen wir, daß oft und gerne
Dein Geist um diesen Denkstein schwebt.
Wenn Kinder hier in Maientagen
Sich tummeln auf dem Wiesenplan
Und Veilchen suchen, Falter jagen:
Gern schaust du dir ihr Spiel mit an;
Wenn Alte sich im Herbste sonnen
Auf stiller Bank in guter Ruh
Und denken alter Frühlingswonnen:
So nickst du ihnen freundlich zu.
Wenn Mädchen auf der Wiese wandeln
In bunter Reih, zu Zwei'n und Zwei'n, –
Was sie in Scherz und Ernst verhandeln,
Du kennst es wohl und lächelst drein,
Und wenn Gesang der Musensöhne
Herüberschallt vom grünen Wöhrd:
Dich stören nicht die muntern Töne,
Du hast sie immer gern gehört.
So möge bis zu fernen Tagen,
Ein Schmuck für diese schöne Flur,
Dies Denkmal dein Gedächtniß tragen
Und deines Geistes Frohnatur,
Ja noch den spätsten Enkeln werde
Zum Zeugniß der Ottilienstein:
»O wunderschön ist Gottes Erde
Und werth, darauf vergnügt zu sein!«