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Angesteckt sind schon die Lichter,
Seht, da kommt mit schwankem Schritt
Unser menschenscheuer Dichter,
Unser Waldeseremit.
Wiederum sechs lange Stunden
War er aus der Welt verschwunden,
Nein, so einsam und allein –
Wo soll da die Kurzweil sein?
»Einsam war ich, nicht alleine,
Denn da draußen im Revier
Flüstern Winde, reden Steine,
Plaudert jedes Blatt mit mir;
All dies Lauschen, Lispeln, Fragen,
Länger konnt ichs nicht ertragen,
Leib und Seele müd gehetzt,
Jagte michs nach Haus zuletzt.
»Als ich kaum ins Freie blickte,
Hub die Unterhaltung an,
Jeder Halm im Felde nickte,
Jede Blum im Wiesenplan,
Vögel grüßten von den Zweigen,
Mückchen übten sich im Geigen,
Luft im Laub und Grill im Gras,
Jedes wußte dies und das.
»Dann durchs Dörflein giengs – verlassen
Stand es, weil man draußen mäht, –
Hühner gackern auf den Gassen
Und der Hahn vom Miste kräht,
Aber in der Mittagsstille
Trug mir eine Dorfidylle
Das geschwätz'ge Brunnenrohr
Im Vorüberwandern vor.
»Nun durch weiche Wiesenmatten
Schlich ich einem Bache nach,
Warf mich hin im Erlenschatten,
Wo ich Ruhe mir versprach,
Doch mit reizenden Novellen
Unterhielten mich die Wellen,
Daß ich Ort und Zeit vergaß,
Wie im Traum verzaubert saß.
»Drauf empor an Felsenpfaden,
Wo die schwarzen Tannen stehn,
Hört ich düstere Balladen
Durch die schwanken Wipfel wehn;
Dohlen krächzten, Raben flogen
Um der Burg verfall'ne Bogen,
Fragten, wo die Ritter hin,
Daß sie nicht zu Felde ziehn?
»Dann vom Fels am Waldessaume
Schaut' ich nach der Wolken Flug,
Die am lichten Himmelsraume
Leis der Wind vorübertrug,
Und die Rosenwölkchen ballten
Sich zu himmlischen Gestalten,
Wiesen mit erhab'ner Hand
In ein gold'nes Wunderland.
»Und ein Lüftchen halb verloren
Irrte von den Bergen her,
Raunte leis mir in die Ohren
Eine langverschollne Mär,
Sang vom Röslein auf der Heide,
Von verklung'nem Glück und Leide
Eine sanfte Elegie,
Daß mir ward, ich weiß nicht wie.
»Dämmrung sank aus stillen Lüften,
Mahnte mich zur Wiederkehr,
Nebel stieg aus Thal und Klüften,
Wald und Flur war menschenleer,
Aber horch! im Wandertakte
Meiner eignen Schritte packte
Ein halbfertig Liedchen mich:
»»Reime mich, sonst freß ich dich!««
»Und ein bunter Schwarm von Versen,
Bild an Bild und Reim auf Reim,
Hängte mir sich an die Fersen,
Jagte mich im Sturme heim;
Jetzt bei eurem Tischgeplapper,
Teller – Messer – Glas – geklapper
Kann ich endlich wieder mein,
Einsam und alleine sein!«