Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Den stolzen klingt mein Psalter nicht,
Die bunt in Gärten prangen;
Sie sind gefeiert im Gedicht,
Seitdem Poeten sangen.
Den kleinen, die am Wege stehn,
Den armen und geringen,
Die blühn und welken unbesehn,
Möcht ich mein Grüßchen bringen.
Seht zu, spricht Gott, verachtet nicht
Mir eins von diesen kleinen,
Auch ihnen darf mein Angesicht,
Mein Sonnenauge scheinen!
War doch mein König Salomon
Dem Ysop an der Mauer
Wie Cedern auf dem Libanon
Ein liebender Beschauer.
Sinds doch die Lilien auf dem Feld,
Die Blümlein auf der Heide,
Die euch der Heiland vorgestellt
Zu Aug- und Seelenweide!
Ihr Sternlein weiß am grünen Rain,
Habt ihr euch schon erschlossen,
Da kaum im Märzensonnenschein
Der letzte Schnee zerflossen?
Hat man vom Glashaus euch gebracht?
Wie, oder seid ihr über Nacht
Vom Himmel gar gefallen?
Wir kommen nicht vom gläsern Haus,
Vom Himmel her noch minder,
Wir schlüpfen aus dem Boden aus,
Des Frühlings erste Kinder,
Wir haben weiße Kräglein an,
Ein rosenrothes Säumchen dran,
Und drin ein goldnes Knöpfchen.
Gänsblümchen sind wir, wohlbekannt
Als Einfalt von dem Lande,
Auch Margueritchen zubenannt
Und nicht von hohem Stande,
Wir brauchen keine Stubenluft,
Wir hauchen keinen Balsamduft,
Wie herrliche Narzissen.
Doch hinter'm Dorf auf grünem Plan,
Wo kleine Kinder spielen,
Da sehn wir gern das Spiel mit an
Auf unsern kurzen Stielen,
Und sind wir selber arm und klein,
Doch freu'n wir uns im Sonnenschein
Wie Kinder unsres Lebens.
Hier an besonnter Halde
Am heimlichstillen Platz,
Im frühlingsgrünen Walde
O seht welch goldner Schatz!
O seht, o seht aufs Osterfest
Von goldnen Schlüsselblumen
Ein ganzes volles Nest!
Die Erde war verschlossen,
Die Bächlein gingen nicht,
Kein Gräslein konnte sprossen,
Kein Blümlein kam ans Licht;
Nun brechen sie in Haufen vor,
Die goldnen Schlüsselblumen
Sie schlossen auf das Thor.
Der Himmel war vermauert
mit Wolken trüb und grau;
nun hat er ausgetrauert,
nun glänzt er wieder blau; –
Daß Erd und Himmel aufgethan,
Die goldnen Schlüsselblumen
Sie kündens fröhlich an.
Nun, Kinder, kommt zur Stelle
Und sucht und sammelt ein!
Wie leuchten sie so helle,
Wie duften sie so fein!
Thut euch einmal das Hälschen weh,
Labt euch von Schlüsselblumen
Ein allerliebster Thee.
Wer legt' auf meines Bettes Decke,
Dieweil ich schlief, den Veilchenstrauß?
Mit freudigem Verlangen strecke
Nach ihm die matte Hand ich aus;
Mir zuckt es wonnig durch die Glieder,
Mir ist's als hört' ich Lerchenlieder,
Als brächten diese Veilchen wieder
Den ganzen Frühling mir ins Haus.
O laßt mich Leib und Seele laben
An diesem frischen süßen Duft
Und Stirn und Lippen tief begraben
Im Dunkel dieser Blumengruft;
O laßt mich draus die Tröstung lesen:
»Bist winterlang so krank gewesen,
Sollst mit dem Frühling neu genesen
In Sonnenschein und Himmelsluft!«
Ach! diese holden Düfte mahnen
Mich an entschwundne Seligkeit,
Sie hauchen mir ins Herz ein Ahnen
Von einer neuen schönen Zeit;
Mich trösten diese sanften Veilchen:
Herz, hoffe nur und wart' ein Weilchen,
Auch dir ist dein bescheidnes Theilchen
Von Glück noch in der Welt bereit!
Im Schatten der Buchen
Durch Büsche voll Thau's
Den stillsten Pfad zu suchen,
Macht ich mich früh heraus.
Noch ist es im Walde
So feierlich still,
Wie wenns am Sonntag balde
Zur Kirche läuten will.
Die Stämme sie steigen
Wie Pfeiler empor,
Die Aeste sich verzweigen
Zum hohen Kirchenchor.
Goldlichter sie malen
Sich zitternd im Gras,
Wie bunte Sonnenstrahlen
Durch rundlich Fensterglas.
Und schau, dort im Dunkel,
Im hintersten Dom,
Welch heimliches Gefunkel,
Welch köstliches Arom!
Chorknäblein bewegen
Sich, scheint es, im Kreis,
Im heilgen Dienste regen
Sie sittig sich und leis.
Sie tragen Chorröcklein
So schneeig und rein
Und rühren Silberglöcklein
So wunderhell und fein.
Rauchfäßchen sie schwingen
Nach heiligem Brauch,
Draus holde Düfte dringen
Wie süßer Opferrauch.
Jetzt wandelt ein Rauschen
Die Wipfel entlang,
Mir ists als dürft ich lauschen
Erhabnem Orgelklang.
Die Bäume sie neigen
Und beugen sich fromm,
Es flüstert in den Zweigen,
Als ob der Priester komm';
Als ob mit Gebete
Zum hohen Altar
Er auf die Stufen träte
So hehr und wunderbar.
Ich kann ihn nicht sehen,
Hör' nicht, was er sprach,
Doch heil'ge Worte gehen
Mir tief im Herzen nach.
Mit Amen und Segen
Beschließt er das Amt,
Maiglöcklein sich bewegen
Und läuten insgesamt.
Ist's ein Streifchen Sonnenschein, das im grünen Saatfeld glänzt,
Wo der Himmel morgengrau dort den Horizont begrenzt?
Nein, mit Wind und Wolkenzug wär es längst vorbeigerückt;
Schau, ein blühend Rapsfeld ist's, das die Flur so heiter schmückt!
Daß aufs neu im jungen Jahr Sonne sei der Erde hold,
Deß zum Pfande schenkt sie ihr dieser Blüten Sonnengold.
Rastend am Wiesenrain
Lieg ich schon lange,
Rosiger Abendschein
Streift mir die Wange,
Flimmert die Flur entlang,
Schafft daß am Wiesenhang
Jegliches Blümelein
Lieblicher prange.
Säuselnder Abendwind
Will im Verschweben
Schmeichelnd mein Haar geschwind
Lüften und heben,
Kräuselt die Wiesenflur,
Wie er darüber fuhr,
Lässet sie leis und lind
Zittern und beben.
Das ist ein Spielen
Von Blättern und Stielen,
Von Gräsern ein Nicken,
Von Halmen ein Bücken,
Ein Schaukeln und Schimmern,
Ein Gaukeln und Flimmern,
Ein Lispeln und Rauschen,
Ein Grüßevertauschen,
Ein Plaudern und Flüstern
Als wie von Geschwistern.
Mit Federnelken kosen
Die schlanken Skabiosen,
Zunicken sich im Winde
Die Wicke und die Winde,
Es beugt sich die Kamille
Zur duftenden Vanille,
Schafgarbe neigt die Dolden
Zur Dotterblume golden,
Dem Herrgottsbrötchen locken
Die blauen Wiesenglocken,
Mit dem gelben Löwenzahn
Plaudert leis der Thymian,
Mit dem Gänseblümchen spricht
Traulich das Vergißmeinnicht,
Alle sind sich wohlbekannt,
Nachbarskinder, blutsverwandt.
Mir auch seid ihr wohlbekannt,
Jugendfreunde, wahlverwandt,
Schlichte Kinder der Natur,
Blumen auf des Dorfes Flur,
Seit ich einst als Knabe klein
Wandelte am Wiesenrain;
Reichtet mir bis an die Brust,
Alle brach ich euch mit Lust,
Daß die kleine Kinderhand
Kaum den vollen Strauß umspannt.
Mitten im Blumenzelt
Lieg ich und schaue
Abwärts ins Wiesenfeld,
Aufwärts ins Blaue,
Rückwärts in alte Zeit,
Ach wie so weit, so weit,
Bis in der Kinderwelt
Güldene Aue.
Gott grüß dich am thauigen Morgen,
Dornröschen im schattigen Wald,
Wie lugst du so schelmisch verborgen
Am Felsen aus finsterem Spalt,
Dein Kleidchen so leicht und so luftig,
Es glänzt keine Seide so fein,
Dein Odem so süß und so duftig,
Wie Düfte von blühendem Wein!
Die Rose, die Fürstin der Frauen,
Sie pranget dort unten im Thal,
Sie lässet im Garten sich schauen,
Sie füllet mit Düften den Saal;
Du bist auf den Bergen geboren,
Die Tochter der ländlichen Flur,
So erfreut nach des Hofs Leonoren
Uns Gretchens naive Natur.
Die Rose sie wiegt sich im Garten
Auf des Rasens gepolstertem Sammt,
Sie tränken, sie putzen und warten
Ist des Gärtners beschworenes Amt;
Du blühest am Dornengehege
Auf moosigem Felsengestein,
Brauchst keinen Diener zur Pflege
Und nährst dich und schmückst dich allein.
Die Rose sie kam wie sie sagen
Aus Kaisergärten von Rom,
Drum weiß sie so stolz sich zu tragen,
Drum haucht sie so köstlich Arom;
Du aber im Schatten der Eichen
Germanischem Boden entblüht,
Bist der deutschen Maid zu vergleichen
Mit dem frommen, dem schlichten Gemüt.
Die Rose sie gleichet der Dame,
Für welche der Ritter turniert
Und deren gepriesener Name
Die Lieder des Troubadour ziert;
Du bist weder Dame noch Zofe,
Bist des Försters rothwangiges Kind,
Das ferne vom Schloß und vom Hofe
Der junge Jägersmann minnt.
Die Rose mit schwellendem Busen
Ist ein prächtig gerundet Gedicht,
Wie sinnend im Haine der Musen
Der treffliche Meister es flicht;
Du mit fünf Blättchen im Kreise
Kunstlos zum Kelche gefügt,
Bist des Volkslieds muntere Weise,
Dran Hirtin und Hirt sich vergnügt.
Die hundertblättrige Rose
Sie gleicht dem verschlungnen Roman,
Er führt zu dem süßesten Loose
Verliebte auf wechselnder Bahn;
Du bist wie das holde Geplauder
Des Märchens, das lose geschürzt
Mit heimlichem seligem Schauder
Den Kindern ein Stündlein verkürzt. –
Ade denn und fröhlichen Morgen,
Dornröschen, holdseliges Kind,
Blüh heimlich im Walde verborgen,
Geschaukelt vom schmeichelnden Wind,
Bis pürschend auf rüstigem Gange
Dich der junge Jäger entdeckt,
Dich grüßet mit muntrem Gesange
Und keck auf sein Hütchen dich steckt.
Vergißmeinnicht
Das Kindlein schleicht am Wiesenbach
Den Blumen nach,
Da winkt ein Blümlein himmelblau,
Beperlt von Thau.
Fünf Blättchen stehn gereiht als Stern
Um goldnen Kern.
Das Blümlein spricht zum Kind: »Ich bitt,
O nimm mich mit!
Ich bleibe dir daheim am Tisch
Im Glase frisch,
Ich blühe dir allmorgens neu
In stiller Treu,
Mein Herz ist fromm und sanft mein Licht,
Vergiß mein nicht!«
* * *
Der Jüngling greift im Wandermuth
Nach Stab und Hut,
Ihn zieht es fern vom Vaterhaus
Zur Welt hinaus,
Und Freund um Freund die Hand ihm bot:
»Behüt dich Gott!«
Ein Mägdlein still bei Seite stund,
Es schweigt ihr Mund,
Ihr Auge schimmert himmelblau,
Beperlt von Thau:
»Dein denk ich alle Morgen neu
In stiller Treu,
Mein Herz ist fromm und sanft mein Licht,
Vergiß mein nicht!«
* * *
Es steht der Mann im Weltgewühl,
Der Tag ist schwül,
Der Hammer pocht, die Räder drehn,
Die Mühlen gehn,
Zum Beten hat er wenig Zeit
In Müh und Streit,
Zum Himmel blickt er kaum hinauf
Im Tageslauf.
Da bricht ein Fleckchen Himmelblau
Durchs Wolkengrau:
»Dir lebt ein Gott, deß Lieb und Treu
Allmorgens neu,
Drum himmelan dein Angesicht,
Vergiß mein nicht!«
* * *
Still sitzt der Greis im Kämmerlein
Bei Lampenschein,
Er liest, es blättert leis die Hand
Im alten Band,
Und plötzlich aus dem Auge feucht
Ein Tropfen schleicht,
Er fand ein Blümlein welk und platt,
Versteckt im Blatt.
Der Zeit gedenkt er still und treu,
Wo's frisch und neu,
Der Hand gedenkt er tiefbewegt,
Die's eingelegt;
Das blasse blaue Blümlein spricht:
»Vergiß mein nicht!«
Schau, wie am Raine
Leise die feine
Blume sich wiegt!
Aber o Wunder, die Blume hat Flügel,
Ueber den Rain und den buschigen Hügel
Schimmernd ein silberner Schmetterling fliegt!
Schöne Sylphide,
Freude und Friede
Wünsch ich dir nach,
Wenn du die sonnigen Lüfte durchgaukelst,
Wenn du auf schwankendem Kelche dich schaukelst,
Schwingest dich über den blinkenden Bach.
Wo auf den Auen
Blüten zu schauen,
Kommt ihr daher,
Kommt ihr geflügelten Blumen geflogen,
Kommet ihr farbigen Segel gezogen,
Schwimmt durch der Lüfte krystallenes Meer!
Silbernen Schimmers,
Goldenen Flimmers,
Bräunlich geflammt,
Zierliche bläuliche Fittige regend,
Purpurgeränderte Fächer bewegend,
Feierlich schwebend im dunkelsten Sammt!
Sonnige Felder,
Schattige Wälder,
Felsige Kluft!
Selbst bei der Alpen verkümmerten Moosen
Sah ich auf einsamen Heiden euch kosen,
Leichte, genügsame Kinder der Luft!
Honig zu naschen,
Neckend sich haschen,
Fröhliches Spiel!
Jetzt in den duftenden Kelch sich versenken,
Jetzt in die sonnigen Lüfte sich schwenken,
Wie es der wechselnden Laune gefiel!
Früh mit der Sonne,
Trunken von Wonne
Gaukeln ins Feld,
Offene Tafel im Freien zu halten,
Abends die Flügel im Schlummer zu falten,
Rosen zum Polster und Lilien zum Zelt!
Glücklicher Falter,
Weißt nichts von Alter,
Siechtum und Not;
Sonnige Tage und wonnige Stunden,
Dann mit dem Sommer verweht und verschwunden,
Leicht ist dein Leben und sanft ist dein Tod!
Also durchs Leben
Spielend zu schweben,
Wurde mir nicht;
Möchten nur über den irdischen Grüften,
Seele, dir einstens die Flügel sich lüften,
Auf dich zu schwingen ins himmlische Licht!
(Löwenzahn.)
Luftige Lichtlein
Stehen im Feld zuhauf,
Windige Wichtlein,
Blast euch nicht auf!
Wehet ein Windlein,
Machts euch im Nu garaus,
Bricht euch ein Kindlein,
Bläst es euch aus!
Nebelgewoben
Dunstiger Strahlenkranz,
Plötzlich zerstoben
Alle der Glanz!
Leichtes Gelichter,
Nichts für den Hausgebrauch,
Bin so ein Dichter
Leider ja auch!
* * *
Goldige Sterne,
Zwar nicht vom feinsten Gold,
Seh' euch doch gerne,
Bin euch doch hold!
Weidet ein Rindlein,
Geht ihr so mit im Schmaus,
Spielet ein Kindlein,
Fügts euch zum Strauß.
Seid ihr mit Nichten
Sterne vom ersten Rang,
Selber fürs Dichten
Kaum von Belang,
Könnt ihr nicht werden
Sterne am Himmelszelt:
Ist doch auf Erden
Platz noch im Feld!
(Rotblühender Klee.)
Herrgottsbrot, Herrgottsbrot,
Blühst im Klee so rund und rot;
Manna wächst auf allen Fluren
Für viel tausend Kreaturen,
Keine leidet Hungersnot.
Bienchen irrt, Mückchen schwirrt,
Bis da satt ein jedes wird,
Falter, der im Felde gaukelt,
Käfer, der am Halme schaukelt,
Jedes zecht bei seinem Wirt.
Kindelein, greif nur drein,
Dein auch soll dies Blümchen sein,
Läßt dich aus verborgnen Flaschen
Honig schlürfen, Zucker naschen,
Gelt, das schmeckt so wunderfein?
Herrgottsbrot, Herrgottsbrot,
Nein da hat es keine Not,
Manna wächst auf allen Fluren
Für viel tausend Kreaturen,
Das der Herrgott selber bot!
Wie an der Distel Purpurblüte
Der Silberfalter durstig hängt
Und schwelgend in des Honigs Güte
Stets tiefer in den Kelch sich drängt!
Mir däucht durch solchen feinen Zecher
Die rauhe Pflanze hochgeehrt,
Zum auserlesnen Nektarbecher
Freund Langohrs Leibgericht verklärt.
Mir däucht, es kann die schlichte Blume
Im Grunde doch nicht so gemein
Und trotz der Einfalt altem Ruhme
Der Graue doch so dumm nicht sein.
Doch freilich beut dieselbe Schüssel
Nicht jedem Gast denselben Schmaus:
Die Distel kaut des Esels Rüssel,
Der Falter sog den Honig draus.
Glänzt dort am Weg ein Weiher,
Ein himmelblauer See?
Verlor den blauen Schleier
Im Gras dort eine Fee?
Behüte Kind, behüte,
Komm näher nur und schau:
Das Flachsfeld steht in Blüte,
Drum schimmerts himmelblau.
Das Blau ist ausgegossen
So duftig wie ein Hauch,
Bald aber ist's zerflossen
Wie leichter Nebelrauch;
Auf daß der Stengel wachse,
Macht ihm die Blüte Raum,
Sein Lenz verfliegt dem Flachse
Gleichwie ein Morgentraum.
In Tagen dann und Wochen
Da gehts ihm an den Hals,
Nun wird der Flachs gebrochen,
Das Dorf ist voll des Schalls;
Dann gehn die Mägdlein spinnen,
Der Weber webt den Lein,
Der Bleicher bleicht das Linnen
Mit Guß und Sonnenschein.
Drum ist's ihm nicht zum Schaden,
Ob auch der Blust verweht,
Wird nur ein guter Faden
Im Winter draus gedreht;
Und wird auch dir die Blüte
Der Jugend abgestreift:
Wenn nur zu rechter Güte
Der innre Mensch dir reift!
Laue, linde
Sommerwinde,
Wiegt mein Mohnfeld leicht und leis,
Daß die blanken
Blüten schwanken,
Rosenrot und lilienweiß!
Junisonne,
Sommerwonne
Stehn auf ihrer Höhe schon,
Deiner Fahnen
Leises Mahnen,
Wohl vernehm ich's, bunter Mohn!
Sinnend steh ich,
Träumend seh ich
Weit ins Land vom Wiesensaum:
Winde weben,
Blüten beben
– Und das Leben ist ein Traum. –
Ich bin das junge Bohnenblütchen,
Ein hübsches Kind, ein lustig Blut,
Mein feuerrotes Sommerhütchen,
Stehts nicht zum grünen Kleid mir gut?
Der Küchengarten dient zum Nutzen,
Das Aschenbrödel schafft am Herd,
Doch Sonntags sich ein bischen putzen,
Sei braven Mägden unverwehrt.
Es stehn drei Skabiosen
Am hohen Wiesenrain
Bei linder Lüfte Kosen
Im Sommersonnenschein;
Die Schwestern drei, die schlanken,
Sie wanken und sie schwanken
Wie träumend in Gedanken,
Einsam, doch nicht allein.
Des Wegs kein Käfer schwirrte,
Der nicht ihr Haupt beflog,
Durchs Feld kein Bienlein irrte,
Das nicht ein bischen sog,
Die Hummel schwärmte summend
Und bremste brünstig brummend
Und grub sich ein verstummend,
Daß sich der Stengel bog.
Auch kamen guter Dinge
Auf leichter Flügelpost
Die muntern Schmetterlinge
Und holten süßen Most,
Ein kleiner himmelblauer,
Ein großer silbergrauer,
Ein schwarzer gar in Trauer
Sprach ein und trank sich Trost.
Ich selber sah sie gerne,
Ging ich des Wegs vorbei,
Ich kannte sie von ferne
Und grüßte alle drei,
Sie nickten leicht und leise
Nach feiner Mädchen Weise
Und wünschten Glück zur Reise
Und knicksten nach der Reih'.
Nun sagt, ihr schönen Schwestern,
Was euch zuleid geschah?
Es war ja doch noch gestern
Daß ich euch aufrecht sah!
– Die eine brach ein Kindlein,
Die andre fraß ein Rindlein,
Die dritte knickt' ein Windlein
Und keine ist mehr da. –
Blühendes Kartoffelkraut,
Sanft vom Sommerwind umkost,
Immer, wann ich dich geschaut,
Warst du mir ein Augentrost,
Mit der Büsche Laubgezelt,
Mit der Blüten Röthlichblau
Hebst du wie ein Blumenfeld
Dich hervor aus grüner Au.
Nun da schon der Rosenstrauch
Ab den ersten Purpur streift,
In des Juli warmem Hauch
Schon am Baum die Birne reift,
Längst der Vögel Sang verstummt,
Nur der Falter nascht im Klee,
Nur durchs Feld die Biene summt,
Sagt der Sommer bald Ade.
Doch indem die Blüte fällt,
Räumt sie gern der Frucht den Platz,
So auch du, mein blühend Feld,
Hütest einen goldnen Schatz,
Unter dir im Erdengrund
Wächst willkommne Hausmannskost,
Eine Frucht, gesund und rund,
Alt und jung zum Magentrost.
Wenn ich drum in Sommers Pracht
Durch die blühnden Fluren geh,
Denk ich gern der Winternacht,
Da dies Feld bedeckt mit Schnee,
Doch am Tisch bei Lampenschein
Sitzen Kindlein Kopf an Kopf,
Froh begrüßt dich groß und klein,
Dampfender Kartoffeltopf!
In des Kornfelds Gassen drinnen
Welch ein buntes Völkchen, schau!
Schnitter, scheints, und Schnitterinnen,
Westchen roth und Röckchen blau!
Doch zu so rüstigen ländlichen Thaten
Scheinen die Leutlein zu kurz mir gerathen,
Erst in der Nähe nun seh ichs genau.
Seid gegrüßt, ihr blauen Sterne,
Sei willkommen, rother Mohn!
Sah euch ja von kindauf gerne,
Brach euch oft als Knabe schon!
Aber warum statt in Wald und in Heide
Steckt ihr am liebsten im schwülen Getreide?
Sagts, und ich sing euch ein Liedchen zum Lohn!
»Daß die Frucht im Feld sich bräune,
Muß die Sonne drückend glühn,
Daß mit Korn sich füllt die Scheune,
Muß der Schnitter hart sich mühn;
Arbeit und Müh ist des Sterblichen Leben,
Aber sein Aug und sein Herz zu erheben,
Dürfen wir zwischen den Garben erblühn.«
»Ackerschnallen sind wir Rothen,
Muntres Völklein, leichtes Blut,
Lieb und Lust ist nicht verboten,
Gott gefällt ein froher Muth!
Lassen von Lüften des Sommers uns wiegen,
Lassen die seidenen Mäntelein fliegen,
Steht uns der feurige Scharlach nicht gut?«
»Wir Cyanen sind die Blauen,
Fromme Kinder der Natur,
Uns beglückts, emporzuschauen
Von der niedern Ackerflur,
Freun uns des Himmels, deß Farbe wir tragen,
Träumen von schöneren, seligen Tagen
Dort in den Feldern von lichtem Azur.«
– Wohl, so freut euch eurer Farben,
Sonnt euch in des Sommers Glanz,
Mäht man dann die goldnen Garben,
Windet man den Erntekranz:
Sollet ihr prangen am schwankenden Wagen,
Soll euch die lieblichste Schnitterin tragen
Unter der Linde beim festlichen Tanz.
(Silene inflata.)
Schäfertäschchen, Schäfertäschchen,
Schwankst am Stiel so voll und rund!
Führst ein Tröpfchen Wein im Fläschchen?
Birgst ein bischen Brot im Grund?
Eine kleine Schnabelweide
Für den Wandrer auf der Heide?
Laß ich gleich dein Pfröpfchen knallen
Auf dem Rücken meiner Hand,
Doch mir will es kaum gefallen,
Was ich da zum Imbiß fand:
Winzig klein ein Dutzend Ei'chen,
Die zu keinem Frühstück reichen.
Nein, ein Trunk aus diesen Krügen,
Nein, ein Schmaus von solchem Mahl,
Meinem Durst wills kaum genügen,
Meinem Hunger däuchts zu schmal;
Elfen sind die rechten Zecher
Für so luftigleichte Becher.
Schau' ein Paar von Schmetterlingen
Gaukelt her im Morgenwind
Auf citronengelben Schwingen,
Setzen sich zu Tisch geschwind,
Wohl bekomms! wie hübsch sie naschen
Und bezecht sich neckend haschen!
Doch im Dörflein dort im Grunde,
Wo der weiße Kirchthurm winkt,
Giebts ein Tischlein, wo mirs munde,
Giebts ein Krüglein, das mir blinkt.
Jedem Gast in seiner Weise
Gönnt die Erde Trank und Speise.
(Feldquendel.)
Nun ists genug gestiegen!
Hier auf der hohen Heide
Welch heitre Augenweide,
Die Luft wie frisch und rein!
Wie schön im Gras zu liegen
Und Wälder, Felder, Auen
Zu Füßen sich zu schauen
Im Abendsonnenschein!
Die Blicke laß ich schweifen,
Die Finger spielen lose
Indeß im weichen Moose,
Drauf Haupt und Rücken ruhn,
Und wie sie um sich greifen,
Zerpflücken und zerkrumen
Sie Kräuter, Gras und Blumen,
Unwissend was sie thun.
Wie duftet da so kräftig
Als wie von Arzeneien
Und edlen Spezereien
Ein Rüchlein durch die Luft!
Von Blumen, dran geschäftig
Die Finger sich gerieben,
Ist ihnen hangen blieben
Der würzereiche Duft.
Sei herzlich mir gesegnet
Und dankbarlich gerühmet,
Das meinen Sitz umblümet,
Du edles Heidekraut! So oft du mir begegnet,
Am Pfade mir genicket,
Hast du mein Aug erquicket
Und hast mein Herz erbaut!
Du blühst in frommer Stille
So einsam und bescheiden
Auf öden Bergesheiden,
Von Himmelsluft genährt,
Doch in der schlichten Hülle
Sind würzereiche Säfte
Und edle Heilungskräfte
Vom Schöpfer dir bescheert.
Du schmückest das Gefilde
Von keinem Aug betrachtet,
Vom Wandrer kaum beachtet,
Der dich mit Füßen tritt;
Doch giebst du sanft und milde
Dem Fuß der dich zerdrückte,
Der Hand die dich zerpflückte,
Noch Wohlgerüche mit!
Ich bin das Felsennägelein
Im purpurrothen Kleide,
Ich steh' im Sturm und Sonnenschein
Auf hoher grüner Heide,
Ich seh auf meiner Bergesflur
Den Jäger und den Hirten nur
Und Schäflein auf der Waide.
Da drunten tief im Unterland
Da hab ich eine Muhme
Von feinem Duft und hohem Stand
Und weltbekanntem Ruhme:
Die Nelke prangt im Gartenbeet
In voller Pracht und Majestät,
Des Sommers schönste Blume.
Ich bin kein zärtlich Mutterkind,
Hab niemand, mich zu pflegen,
Mich wiegt allein der Sommerwind,
Mich wäscht allein der Regen,
Ich lebe nur von Licht und Luft,
Bin ohne Glanz und ohne Duft,
Doch lustig allerwegen.
Ich bin ein leichter Springinsfeld
Und weiß von keinen Sorgen,
Ein fröhlicher Guckindiewelt,
Zufrieden heut wie morgen,
Ob Sonne scheint, ob Wolken ziehn,
Ich blüh' und welke unbeschrie'n,
Vor aller Welt verborgen.
Glockenblumen
Blaue Blumen auf der Mauer,
Wo die Burgruine steht,
Die ihr in des Windes Schauer
Lispelnd hin und wieder weht,
Eurer Glocken leis Geläute
Mahnt mich an verklungnes Glück,
Zaubert mir, als wär' es heute,
Längst entschwundne Zeit zurück.
Da ich als ein kleiner Knabe,
Plaudernd mit Großmütterlein, –
Ach sie schläft nun längst im Grabe –
Wandelte durch Flur und Hain:
Blaue Glocken, euch vor allen
Lobte sie im Wiesenstrauß,
Und ich trug ihr zu Gefallen
Euch als Lieblinge nach Haus. –
Dann in muntern Jugendjahren
Da wir einst in buntem Reih'n
Auf der Burg beisammen waren,
Kletternd über Stock und Stein, –
Einen Strauß von blauen Glocken
Hab ich hoch am Fels gepflückt,
Einer Maid in goldnen Locken
Scherzend in die Hand gedrückt.
Und sie steckt' ihn still ans Herze,
Und die Nacht war sternenklar,
Fröhlich mit Gesang und Scherze
Schwärmte heim die muntre Schaar;
Ich vergaß die leichte Gabe,
Aber sie vergaß sie nicht, –
Sie auch birgt nun längst im Grabe
Unter Blumen ihr Gesicht. –
Wenn ich dann bergauf und unter
Oft mit meinen Kindern schritt, –
Einer ach! vor allen munter
Wandelte, der jüngste, mit,
Der mir blaue Glocken pflückte,
Wo er sie am Wege fand,
Froh mir in die Hand sie drückte,
Mit der kleinen Knabenhand.
Ach der holde gute Knabe
Schläft nun auch schon lang im Grab
Und ich geh an meinem Stabe
Einsam oft bergauf und ab;
Nickt ihr dann am Wegessaume,
Blaue Glocken, altvertraut, –
Leis umweht mich wie im Traume
Ferner Heimatglockenlaut.
Ich steh am Weg und warte
Im blassen, blauen Kleid,
Indeß ich hofft' und harrte,
Vergieng die Sommerzeit,
Und immer, immer kommt er nicht,
Der Liebste der mich sucht und bricht,
Ich steh am Weg und warte
Im blassen, blauen Kleid.
Ich bin kein feines Fräle,
Kein zart Vergißmeinnicht,
Nach mir fragt keine Seele,
Mir huldigt kein Gedicht,
Ich bin nur eine arme Magd,
Die viel verträgt und wenig klagt,
Ich bin kein feines Fräle,
Kein zart Vergißmeinnicht.
Ich blühe nicht im Garten
Und nicht im grünen Hain,
Am Wege muß ich warten,
Am dürren Ackerrain,
Gebückt am Boden wankt mein Haupt,
Vom Wind gezaust, vom Weg bestaubt,
Ich blühe nicht im Garten
Und nicht im grünen Hain.
Mein Röcklein ist zerrissen
Mir armem Haidekind,
Zerrissen und zerschlissen
Vom Regen und vom Wind.
Schon ziehn die Wolken rauh und grau,
Doch blickt mein Aug noch himmelblau,
Mein Röcklein ist zerrissen
Vom Regen und vom Wind.
Ich steh am Weg und warte
In stiller Lieb und Treu,
Ich hoffte und ich harrte
Und spüre keine Reu,
Und ob im Herbst ich sterben muß,
Im Winter gar verderben muß:
Ich steh am Weg und warte
In stiller Lieb und Treu.
Blühst du wieder, Herbstzeitlose,
Blaßgefärbte, düftelose,
Großgewiegt vom rauhen Wind,
Du des Sommers letztes Kind?
Blühst auf herbstlich feuchten Matten
In des Waldthals stillen Schatten,
Wo die grauen Weiden stehn,
Wo die leisen Bächlein gehn.
Blühst auf blumenleeren Auen,
Nicht zum Pflücken, nur zum Schauen,
Arm an Reiz und klein von Wuchs,
Nackt und bar des Blätterschmucks.
Sollst ja Gift im Kelche führen,
Ich bekam es nie zu spüren,
Fühle nur ein süßes Weh,
Wenn ich deine Farben seh'.
Wenn im Lenz die Veilchen blühen,
Rosen duften, Nelken glühen,
Mitten in des Jahres Pracht,–
Niemand hätte deiner Acht.
Aber nun das Jahr im Sterben,
Schon die Wälder sich entfärben:
Vom geschor'nen Wiesenplan
Blickst du mich noch tröstlich an.
Lenz und Sommer sind verronnen,
Durchgeschwelgt des Jahres Wonnen,
Vom verrauschten Freudenfest
Schlürf' ich noch den letzten Rest;
Schlürf' aus diesen kleinen Kelchen
Mit den zarten Fußgestellchen
Noch zum Schluß mit stillem Dank
Wehmuthsvoll den Abschiedstrank.