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Als Wandersmann und Sommergast
Hielt ich in einem Dörflein Rast
Und ließ vom Schall der Sonntagsglocken
Ins off'ne Gotteshaus mich locken,
Für Geist und Herz auf Wanderwegen
Zu holen einen Sabbatsegen.
Die Orgel klang nicht völlig rein,
Das Kirchenlied nicht allzufein,
Insonderheit der Schülerchor
Zerriß mir mit Geschrei das Ohr.
Die Kirchenluft erschien mir dumpf,
Auch die Gesichter etwas stumpf.
Die Männer steckten mit Behagen
In frischgewasch'nen Hemdekragen,
Die Weiber sah'n aus steifem Mieder
Auf ihr Gesangbuch steif hernieder.
Gar nüchtern war des Kirchleins Bau,
Die Tünche weiß, die Tücher blau,
Und in der alten Mauer Mitten
Stilwidrig Fenster eingeschnitten;
Ich dachte dies, ich dachte das,
Dieweil ich mir die Räume maß.
Zur Kanzel nun der Pfarrer trat
In fadenscheinigem Ornat;
Nicht ganz korrekt sein Kanzelton,
Nicht sehr gesalbt war sein Sermon,
Mich däucht', er gab, um hauszuhalten,
Für diesmal einen von den »alten«;
Es war nicht gut, es war nicht schlecht,
Doch schien's den Leutchen eben recht,
Denn weniger um Herzerhebung
Und um des Geistes Neubelebung
Schien's den Andächtigen zu thun,
Als von der »Heuet« auszuruhn.
Mich aber wollt' in solchen Mauern
Die gold'ne Morgenstunde dauern,
Von der Empore, da ich saß,
Schielt' ich hinaus durchs Fensterglas,
Wo frisch die hohen Linden rauschten,
Die Schwalben schwirrend Grüße tauschten
Und auf der sommergrünen Au'
Der Himmel schwamm tiefdunkelblau.
Da kam im Morgensonnenschein
Durch ein zerbrochen Fensterlein
Ein Sommerlüftchen hergesäuselt,
Das kühlend mir die Locken kräuselt
Und mit der Linden Duft gemischt
Mir köstlich Leib und Seel' erfrischt.
»Wie groß ist des Allmächt'gen Güte!«
So klang mir's leise durch's Gemüthe;
»Der Geist ist wie des Windes Wehen,
Siehst ihn nicht kommen und nicht gehen,
Doch hörest du sein Sausen wohl
Und wirst durch ihn der Freude voll.«
Da ward das Kirchlein mir so traulich,
Die Predigt löblich und erbaulich,
Die Leute lieb in all' den Stühlen,
Daß ich mich mußt' als Bruder fühlen,
Ich sang den Schlußvers kräftig mit
Und fürbas ging's mit munt'rem Schritt.
– Von oben muß der Segen kommen,
Des Menschen Kunst mag wenig frommen,
Der Geist ist's, der das Leben schafft,
Zeigt auch in Schwachen seine Kraft.
* * *
Nur daß der Pfarrer recht es fasse,
Dem Geist nicht alles überlasse,
Sein Amt als Sämann redlich thu,
Dann gibt der Herr den Segen zu.