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Wache auf, mein holdes Mädchen, Nachtigall ruft an den Morgen,
Hat die ganze Nacht gesungen, dort im Lindenbaum verborgen,
Hat ihr Lied im Lindenbaume durchgeübt die ganze Nacht
Und zum Fest am frühen Morgen dir das Ständchen schon gebracht.
Wache auf zum Wiegenfeste, horch! es klopft am Kammerfenster!
Fürchte nichts! es sind nicht Diebe, sind auch keine Nachtgespenster,
Ist der Mai, der muntre Knabe, der, das Haar von Thau betropft,
Mit dem morgenrothen Finger an die Scheiben leise klopft.
Ist der Mai, mein Liebesbote, den ich ausgesandt zu sorgen
Für ein hübsches Festgeschenke auf des Liebchens Festesmorgen;
Tritt ans Fenster, laß dir zeigen, was mein Bote dir gebracht,
Mustre seine Herrlichkeiten, sprich, ob er dirs recht gemacht!
Blumensträuße, Blütenzweige sind das erste Angebinde,
Das man bringt so süßem Mädchen, das man beut so holdem Kinde;
Schau die Blumen, die er brachte! Rosen, Veilchen ohne Zahl,
In den Gärten, auf den Wiesen, auf den Bergen und im Thal.
Auch mit feinen Wohlgerüchen und mit köstlichen Essenzen
Weiß ich, daß so hübsche Dämchen gerne Haar und Kleid durchlenzen;
Drum so flutet dir entgegen Rosenduft und Lenzarom,
Dir zu Ehren ausgegossen ein berauschend süßer Strom.
Aber mehr als leichte Düfte, mehr als flücht'gen Blumenschimmer
Liebt ein schönes Kind zum Schmucke Perlen und Juwelenflimmer;
Drum so schau die Perlenschnüre, Diamant und Edelstein,
Die, am Boden ausgestreuet funkeln rings im Morgenschein.
Schau ich an dein zierlich Köpfchen, deiner Stirne reinen Bogen,
Wünscht ich ihn mit goldnem Stirnband königlich schon oft umzogen;
Drum, o Liebchen, um die Stirne schlingt sich, wenn es dir genehm,
Aus dem reinsten Sonnengolde dir ein blitzend Diadem.
Seh ich an dein zartes Füßchen, möcht ich Teppiche dir breiten,
Drauf du mögest weich und linde gleichwie ein Prinzeßchen schreiten;
Drum den grünen Sammetteppich hat der Mai auf Flur und Land
Dir, mit Blumen reich durchwirket, holde Fürstin, ausgespannt.
Doch durchwallt im Sonnenscheine mein geliebtes Kind die Matten,
Braucht es eines Schleierflores, sein Gesichtchen zu beschatten,
Drum aus lichten Frühlingswolken und aus Sonnenduft gewebt,
Sieh! welch wunderzarter Schleier durch die blauen Lüfte schwebt!
Bist du mailich nun vom Scheitel bis zur Sohle ausgeschmücket,
Weih' ich dir noch eine Gabe, welche Geist und Herz erquicket,
Bring' ein schönes Buch der Lieder, bring' ein köstlich Festgedicht,
Das in hundert holden Weisen zärtlich dir zum Herzen spricht.
Dieses schöne Buch der Lieder, tausendblättrig aufgeschlagen,
Mit den muntern Lerchentrillern, süßen Nachtigallenklagen,
Dieses göttliche Gedichte ist er selbst, der holde Mai,
Und wenn du von mir eins wünschest, hast du's hier noch nebenbei.