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Ein Stückchen von Ulrich dem Vielgeliebten.
Ulrich auch, »der Vielgeliebte«,
Zählt zu unsern guten Herrn,
Baute Kirchen, sprach und übte
Recht und auch wohl Gnade gern.
Einst auf Hohenurachs Veste
Hielt er einen Sommer Haus,
Herrn und Knechte, Koch und Gäste
Gingen fleißig ein und aus.
Just an einem schönen Morgen
Saß der Herr in frischer Luft,
Ledig der Regentensorgen
Labt er sich an Waldesduft.
Saß abseits am kleinen Pförtlein,
Wo die alte Linde blüht,
Ihm zu Fuß das Zwingergärtlein,
Drin Levkoy und Rose glüht.
Oben auf den Buchenwäldern
Schwamm der Himmel dunkelblau,
Drunten zwischen grünen Feldern
Lag das Städtchen altersgrau.
Und ihn freuts, dem Waldesrauschen,
Freuts, dem fernen Wasserfall,
Freuts, des Habichts Schrei zu lauschen
Und im Thal dem Peitschenknall.
Sieh da, mit bedächt'gen Tritten
Durch den innern Schloßhof quer
Kommt ein Rathsherr angeschritten
Grade nach dem Pförtlein her.
Da's den gnäd'gen Herrn erblickte,
Der ihm guten Morgen bot,
Ei wie sich das Männlein bückte,
Ward vor Ehrfurcht feuerroth!
Doch dieweils bergabe schwänzelt,
Schon im Rücken Brück und Thor, –
Schau, was um die Waden tänzelt
Unterm Mäntelein hervor?
Ists die blanke Seitenwehre,
Die im Sonnenscheine glänzt? –
Nein, ein Hecht bei meiner Ehre,
Silberschuppig, langgeschwänzt!
Steht es so in unsrer Küche?
In den Bart Herr Ulrich sprach,
Wart, ich komm euch auf die Schliche!
Ruft ihm »Prosit Mahlzeit!« nach;
»Aber künftig laß dir sagen –
Stiehlst du was für deinen Tisch,
Mußt ein' längern Mantel tragen
Oder einen kürzern Fisch!«
(Aus einer alten Chronik nach dem Wochenblatt
»Furchtlos und treu«.)
Ein Hochzeitsscherz.
Anno Dom. 1511.
( Geschichtlich.)
Als der Herzog Ulrich kam,
Hochzeitsfest zu feiern
Mit Sabina lobesam,
Herzogin zu Bayern:
Kurzweil gab's zu Stuttgart viel,
Tanz, Banket und Ritterspiel,
Herrlich war der Kirchgang.
Herzog Ulrich, wohlgebaut,
Stark vor allen Rittern,
Düsterschön die hohe Braut,
– Wem Die zürnt, mag zittern! –
Also schritt zum Wormser Dom,
Ragend aus des Volkes Strom,
Königin Brunhilde.
Abends als der Tanz begann
Bei der Fackeln Glanze,
Schau, wer ist der kleine Mann,
Der sie führt zum Tanze?
Felix, Graf von Werdenberg,
Zierlich schritt er wie ein Zwerg
An der Hoheit Seite.
Waldburg-Truchseß stand im Ring
Hoch wie eine Tanne,
Da die Braut vorübergieng
Mit dem kleinen Manne,
Strich den Bart und rief ihm zu:
– Stand mit ihm auf du und du –
»Werdenberger, streck dich!«
Lustig war des Fests Verlauf,
Zu des Brautpaars Ehre
Aß man hundert Ochsen auf,
Brach sechshundert Speere,
Trank an Wein zehn Fuder aus,
Wohl verdaut ward Wein und Schmaus
Bis auf Einen Brocken. –
Frühling war's, der Waldburg zu,
Hinter sich drei Knappen,
Lenkt der Graf in guter Ruh
Heimwärts seinen Rappen.
Funkelnd wie ein Edelstein
Glänzt im Abendsonnenschein
Schon sein Schloß von ferne.
Plötzlich aus dem Tannenwald
Brechen zwanzig Knechte,
Tückisch war der Hinterhalt,
Kurz ist das Gefechte,
Blutend sinkt der Graf vom Roß,
Flugs zerstoben ist der Troß,
Still wird's auf der Heide.
Blutigroth in Dunst und Dampf
Geht die Sonne nieder,
Stumm und starr im Todeskrampf
Streckt der Graf die Glieder,
Hinten dort am Waldessaum
Murmelt einer hinter'm Baum:
»Waldburg-Truchseß, streck dich!«
Die gute Mutter.
Des alten Losers Eheweib
War kerngesund an Seel und Leib;
Auf einer Kelter hielt er Haus
Zu Stuttgart gleich vorm Thore draus.
Da nun Prinz Ulrich war geboren,
Zur Amme hat man sie erkoren,
Auch nährte sie so trefflich gut
Das edel junge Fürstenblut,
Daß es, wie männiglich bekannt,
Der stärkste Ritter ward im Land,
Dem oft sein überschäumend Blut
Zu Kopfe stieg wie Feuersglut.
Als nun das Herrlein ausgesäugt:
Zwölf Söhne hat sie noch gezeugt,
Zum guten Schluß zwei Töchter dann
Mit Loser, ihrem wackern Mann.
Da solches vor den Herzog kam,
Mit Wohlgefallen der's vernahm
Und ehrte gern das brave Weib,
So kerngesund an Seel und Leib,
Doch weil zurzeit gestiftet worden
Kein Kronen-, Friedrichs-, Olga-Orden,
Zudacht' er ihr zu beßrem Ruhm
Ein fürstlich Privilegium.
Weshalb er sie ins Schloß berief
Und schenkt' ihr einen Gnadenbrief,
Gezeichnet mit höchsteigner Hand,
Drauf ihr das Recht verschrieben stand:
Dieweil sie gar ein frommes Weib,
So kerngesund an Seel und Leib,
Des Herzogs Gnaden wohl gesäugt,
Zwölf Knaben in der Eh' gezeugt: –
Ein Sünder dem der Stab gebrochen,
Es sei nach Jahren oder Wochen,
Legt sie für ihn ein Fürwort ein,
Geschenkt soll ihm das Leben sein.
Drauf fragt der Fürst sie freundlich aus
Nach Mann und Kindern, Hof und Haus,
Die Loserin giebt wohl Bescheid,
Bedankt sich, küßt dem Herrn das Kleid,
Und kehrt, vergnügt mit ihrem Glück,
In ihre Kelter still zurück.
Und morgens früh am dritten Tag
Thuts an die Thür ein' harten Schlag:
»Ach! wendet, Frau, mein schweres Leid,
Und thut an mir Barmherzigkeit,
Mein Mann soll in drei Tagen hangen,
Hat einen kleinen Raub begangen;
So thut an ihm die Gnade groß
Und bittet ihn vom Herzog los,
Der Euch zu eurer Tugend Ehren
Ein Menschenleben will gewähren!«
Das Weiblein sinnt und kämpft: »Ach nein,
Frau Nachbarin, es kann nicht sein,
Ich muß den Gnadenbrief noch sparen,
Für größern Jammer aufbewahren.«
Und abermal nach dreien Wochen
Thäts schüchtern an die Thüre pochen,
Eintritt ein Mägdlein bleich vor Harm:
»Frau Pathin, ach daß Gott erbarm,
Mein Liebster hat ein' Herrn erschlagen,
Drum soll er sterben in drei Tagen;
So thut an ihm die Gnade groß
Und bittet ihn vom Schwerte los,
Erbarmt Euch sein um Christi Blut,
Im Himmel kommt es Euch zu gut!«
Das Weiblein sinnt und kämpft: »Ach nein,
Ach, liebes Kind, es kann nicht sein,
Ich muß den Gnadenbrief noch sparen,
Für größern Jammer aufbewahren!«
Drei Monde – stürzt sich durch die Thür
Unangeklopft ein Weib herfür:
»Ach! traute Freundin, welches Leid,
Ach thu' an mir Barmherzigkeit!
Mein Sohn hat seinen Freund erstochen,
Drum ward ihm heut der Stab gebrochen,
Und bitt'st du ihn nicht los vom Rad,
So stirbt er morgen ohne Gnad!«
Das Weiblein sinnt und kämpft: »Ach nein,
Ach liebstes Herz, es kann nicht sein,
Ich muß den Gnadenbrief noch sparen,
Für größern Jammer aufbewahren!«
»»Für größern Jammer? schwerers Leid
Giebts nimmer in der Christenheit!
Ach willst du deinen Schatz vergraben,
Soll niemand davon Segen haben?
Ach fühlst du nichts von meinem Schmerz,
Hast du nicht selbst ein Mutterherz?««
»Ein Mutterherz? Gewiß, gewiß!
Da steckt ja just das Hinderniß!
Zwölf liebe Söhne hab ich auch,
Wer weiß, wann ichs für selbe brauch'?
Sie sind mein eigen Fleisch und Blut,
So frisch und jung, so brav und gut!
Drum muß ich noch die Gnade sparen,
Für größern Jammer aufbewahren!«
Und als sie drauf nach vielen Jahren
Zusamt den Söhnen Tods verfahren, –
Die Gnade war umsonst gespart,
Schlug leider keiner aus der Art,
Dieweil doch sonst zu jeder Frist
Bei Zwölfen auch ein Unkraut ist.
* * *
Anmerkung: Diese vom Verfasser nach mündlicher Mitteilung eines hohen Staatsmannes früher frei behandelte Anekdote ist nun auf Grund der »Stuttgarter Chronik von Dr. Julius Hartmann« geschichtsgetreuer umgearbeitet.
Furchtlos und treu.
»
Furchtlos und treu« heißt Württembergs Devise,
Sie gilt am Thron und gilt im Bürgerhaus.
Wer weist uns eine schön're auf als diese,
Wir rufen kühn sie in die Welt hinaus.
Geschrieben stets auf stolzentrolltem Bande
Mit goldner Schrift an unsres Heerschilds Rande,
Dran sprungbereit wachhalten Hirsch und Leu:
»Furchtlos und treu.«
»Furchtlos und treu« – so hieltens unsre Alten,
Im Frieden mild und unverzagt im Feld;
Ihr kennt sie wohl, die stolzen Steingestalten,
Von Kopf zu Fuß ein jeder Zoll ein Held,
Mit Schild und Helm die Wirtemberger Grafen,
Die dort im Chor in Stuttgarts Kirche schlafen,
Des Reichs Sturmfahnenträger frank und frei,
»Furchtlos und treu.«
»Furchtlos und treu« – So hielt es der Erlauchte,
Graf Eberhard im Bund mit Volk und Land,
Als Burg an Burg auf Stuttgarts Bergen rauchte:
Des Kaisers Zorn hielt Fürst und Bürger Stand,
Und brach im Sturm das Mauerwerk zu Stücken,
Kühn drängten sich die Bürger in die Lücken
Und bauten über Nacht die Mauer neu,
»Furchtlos und treu.«
»Furchtlos und treu« – Ihr wißt vom alten Greiner,
Dem Rauschebart; im Kampfe fiel sein Sohn,
Doch Er: »Mein Sohn ist wie der Andern einer,
Frisch in den Feind! Seht hin, sie fliehen schon!«
Drum hat ihn auch in seinen alten Tagen
Der Hirt auf seinem Rücken gern getragen,
Dem Feind zum Tort, durch Wald und Wüstenei,
»Furchtlos und treu.«
»Furchtlos und treu« – Noch einer durft's erproben,
Ein frommer Herr, Graf Eberhard im Bart,
Und laut im stolzen Fürstenkreise loben
Zu Worms am Rhein des Wirtembergers Art:
»Ich kann mein Haupt in finstern Waldgehegen
In seinen Schooß dem ärmsten Manne legen,
Er hütet mein – drum schlaf ich ohne Scheu, –
»Furchtlos und treu.«
»Furchtlos und treu« – So haben sie's bewiesen
Von altersher in Liebe wie in Leid.
Drum dürft' es wohl zum Wappenspruch erkiesen
Haus Württemberg für jetzt und allezeit.
Wenn Fürst und Volk nach diesem Spruch sich halten,
Wird unsern Schild kein Feindeshieb zerspalten,
Und immer wird das alte Lob uns neu:
»Furchtlos und treu.«
»Furchtlos und treu« – Mich dünkt, der Spruch kann gelten!
Als Losungswort für jedes Christenblut,
Landein und aus, wir wollen keinen schelten,
Der also spricht und also denkt und thut.
Furchtlos bestehn trotz allen Feindsgewalten
Und treu zu Gott und guten Freunden halten –
So lebt man schön, so stirbt man ohne Reu,
»Furchtlos und treu.«