Ludwig Ganghofer
Die Martinsklause
Ludwig Ganghofer

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4

Hochbeladen standen die vier Saumtiere inmitten der Wiese, jedes von einem Knecht am Leitzaum gehalten. Bruder Wampo, schon den Stab in der Hand, machte ein verdutztes Gesicht, als er den Kastellan davonreiten sah. Er trat zu Eberwein. »Der Haunsperger reitet heim? Wer soll uns führen jetzt?«

»Eigel, der Kohlmann. Wo ist er?«

Wampo und Schweiker riefen den Namen des Alten nach allen Richtungen, umsonst, es ließ sich keine Antwort hören. »Er ist nimmer da, Herr,« jammerte Wampo, »jetzt hat uns der auch noch sitzen lassen, der weißhaarige Tropf!« Aus Eberweins Augen traf ihn ein mahnender Blick. »Verzeihet das schieche Wort, Herr, es ist mir nur so herausgerutscht! Aber wer soll uns führen jetzt?«

»Einer, ohne dessen Wissen kein Schritt geschieht. Es liegt der offene Weg vor uns, wir wollen ihm folgen.«

Die Fahrt begann, und Schweiker eröffnete den Zug, dem schmalen Waldpfad folgend, auf dem die Tochter Wazes davongeritten war. Eberwein stand noch, den Stab in der Hand, und wartete auf Waldram; als der Pater kam, hingen Eberweins Augen mit Sorge an dem bleichen Gesicht des Mönches. »Waldram? Erzählte dir der Haunsperger, daß wir in Unmut schieden?«

»Nein!« Waldram schritt vorüber.

Ein bitteres Lächeln glitt über Eberweins Lippen. Er wollte folgen, aber da stockte schon der Zug, und man hörte die laute Stimme Schweikers: »Herr, wir wissen nimmer weiter. Da scheidet sich der Weg. Welcher ist der richtige?«

Man fragte die Führer der Saumtiere; sie waren Salzburger Leute, doch keiner von ihnen hatte den Berchtesgaden je betreten. Eberwein lauschte nach der Richtung, aus der das Gemurmel der Ache sich hören ließ, und spähte in das dichte, hohe Gestrüpp, das jeden Ausblick verwehrte.

Schweiker kraute sich hinter den Ohren und brummte: »Was tun jetzt?«

»Wart ein lützel,« kicherte Wampo, »ich werd's gleich wissen.« Mit flinken Händen brach er von einem Buchenstrauch zwei dürre Reiser, das eine kurz und gerade, das andere länger und krumm. Zwischen den hohlen Händen schüttelte er die Stäbchen und warf sie gegen die Wegscheide; das krumme fiel zur Linken, das gerade zur Rechten. »Schau,« rief der Bruder, »dort hinaus müssen wir, nach der Rechten!« Lachend sprang er auf das Hölzlein zu, um es von der Erde zu heben. Da traf ein derber Schlag seine Finger.

Pater Waldram hatte den Stab geschwungen. Mit zornrotem Gesicht stand er vor dem erschrockenen Bruder. »Heide, du! Willst du Runen werfen?« Wieder wollte er schlagen.

Eberwein fing den Stab. »Waldram!«

»Laß meinen strafenden Arm! Weißt du nicht, was dem gebührt, der Gottes Kleid trägt und wie ein Heide tut?«

»Und du, Waldram, weißt du nicht, was Christus von jenem sagt, der seinen Bruder schlägt?«

»Streitest du wider Gott mit Gottes eigenem Wort? So billige das Teufelsspiel und folge dem Weg, den euch die Hölle gewiesen! Ich folge dem Pfade Gottes.« Mit dem Stabe vortastend, folgte er dem linkshin führenden Wege.

Eberwein stand vor Wampo und schüttelte den Kopf. »Bruder! Bruder!«

»Ach, Herr,« Wampo fuhr mit der Zunge über die brennenden Knöchel, »ich hab nit an Wute und Run gedacht, hab nur gemeint, es kann der liebe Gott die Reiser doch auch so fallen lassen, wie er will.« Wieder fuhr die breite Zunge über den roten Striemen.

Eberwein mußte sich abwenden, um sein Lächeln zu verbergen. Da zupfte ihn Schweiker am Ärmel und flüsterte: »Herr, wir müssen nach rechts hinaus. Auf der Linksseit liegt das Wasser.«

»Wir müssen Waldram folgen, gleichviel wohin!«

Der Zug setzte sich nach der Linken in Bewegung. Den langen Stab unter dem Arme schleifend, brummend und die geschwollenen Finger netzend, trollte Bruder Wampo hinter Eberwein und Schweiker einher.

Sie erreichten die Ache und überschritten den Bach in seichter Furt. Zwischen hohem, dichtem Gestrüpp von Erlen und Weiden wand sich der schmale Pfad; der Boden war feucht, und zuweilen sperrten trübe Pfützen den Weg. Eine Stunde währte die Wanderung; es wurde immer schwieriger, einen Pfad zu unterscheiden, und immer dichter traten die Büsche aneinander, so daß die Saumtiere mit ihrer Ladung sich nur mühselig hindurchzwängten. Und schließlich verschwand jede Spur eines Weges.

Waldram, der den Zug geführt, stand eingekeilt zwischen wirrem Gezweig und suchte sich vorwärts zu kämpfen. Bald versagten seinem erschöpften Körper die Kräfte. Wo er stand, ließ er sich niedersinken. Eberwein kam zu ihm. »Was ist dir? Hat eine Schwäche dich befallen?«

Bleich und zitternd richtete Waldram sich auf. »Geh! Ich hab dich nicht gerufen zu meiner Hilfe.« Er faßte das Kreuz an seinem Gürtel und warf sich in die Büsche.

Eberwein hielt ihn zurück. »Ich bitte dich, Waldram, bleib und raste! Wir wollen den verlorenen Pfad wieder suchen.« Er wandte sich und rief die beiden Brüder; der eine sollte nach rechts, der andere nach links durch das Buschwerk dringen; er selbst gedachte in gerader Richtung zu suchen.

Bruder Wampo blies die Backen auf und fuhr mit dem Kuttenärmel vom Nacken bis zur Stirn. »In Gottes Namen!« Er begann sich zwischen dichtem Gezweig hindurchzuwinden. Das war harte Arbeit. Bruder Wampo brauchte Raum, und nicht immer gaben die Äste gerne nach. Ranken umwickelten seine Füße, dürre Äste spreizten die Falten seiner Kutte auseinander, und stachliges Gezweig verfing sich in seinem Gewand. Gelang es ihm, sich zu lösen, und fand er etwas freiere Bahn, dann tauchte er wieder bis an die Knie in Sumpf und Schlamm. Seufzer und Stoßgebetlein wechselten auf seinen Lippen, und in glitzernden Perlen troff ihm der Schweiß über Nase und Ohren. Sehnsüchtig spähte er nach allen Seiten. Im Schlamm gewahrte er Spuren von Tritten. »Da müssen doch Leut gegangen sein! Oder Küh? Oder Geißen?« Seufzend schüttelte er das runde, von Tropfen überronnene Köpfl und arbeitete sich weiter. Wieder geriet er in Sumpf und rettete sich auf einen Stein, der wie eine kleine weiße Insel aus dem Schlamm hervorragte. Aber wie nun weiter? Aus einem Wuste dürrer Blätter lugte ein schwarzer Klotz. Wohl ein vermoderter Baumstrunk? Mit beiden Händen faßte Wampo zwei hängende Äste und gab sich einen kühnen Schwung. »Hopsa!« Glücklich erreichte er den Klotz – aber das schwarze Ding unter ihm wurde jählings lebendig, sprang auf und rannte grunzend davon, während Bruder Wampo rücklings niederpurzelte in den Schlamm, Arme und Füße in die Höhe streckte und mit zeternder Stimme schrie: » Me salva domine! Unter mir tut die Höll sich auf und will mich schlingen! Hilfe! Hilfe!«

Da ging ein Rascheln, Knacken, Surren und Grunzen los in allen Büschen, überall ward es lebendig unter den welken Blättern, und nach allen Richtungen stoben die aus ihrem Mittagsschläfchen aufgescheuchten Wildschweine durch einander in wirrer Flucht, mit breiten borstigen Rücken und dicken Köpfen, alte und junge. Schreiend raffte Wampo sich auf und überkollerte sich wieder; zwei Frischlinge waren ihm zwischen die Beine gefahren. Quieksend rannte das eine Tierchen davon, während Wampo mühsam sich aufrichtete, triefend von Schlamm. Im fernen Gebüsch verstummte das Brechen und Rauschen, und der Bruder, zum Himmel aufblickend, stand mit seitwärts gestreckten Armen und gespreizten Fingern: »Herr! Deine Straf hat flinke Füß gehabt! Schön hast du mich eingetaucht für mein sündiges Hölzlspiel!« Da rührte sich etwas vor seinen Füßen, ein ganz klein wenig nur, dann war's wieder ruhig. Starr blickte Wampo zu Boden und sah eine behaarte Ohrmuschel aus dem Schlamm hervorlugen. »Ei, ei, ei!« Mit beiden Händen griff er zu und hob einen Frischling auf, den er im Sturz erdrückt hatte mit seines Leibes Gewicht. Nur einen Augenblick besann er sich, dann schwang er das Tierchen hurtig über die Schulter. »Das gibt einen guten Braten auf die Nacht!« Freundlich zwinkerte er zum Himmel auf. »Gott schickt halt doch mit aller Not auch allweil einen Trost.«

Es rauschte in den Büschen. »Bruder, Bruder!« klang die Stimme Eberweins, der mit zwei Knechten kam, von Wampos jammervollem Geschrei herbeigerufen. Es hatte weithin durch Gebüsch und Wald geklungen.

Auch bis an Schweikers Ohr. Der hatte in lichterem Gebüsch einen Hügel erstiegen, als er das Geschrei vernahm. In Besorgnis lauschte er und wollte schon zurückkehren; da hörte er das laute Gelächter der Knechte, und beruhigt schritt er weiter. Immer lichter standen die Büsche auf dem steiler werdenden Gehänge, über das er emporstieg. Er hoffte eine Höhe zu erreichen, die ihm einen freien Ausblick über das dicht bewachsene Tal gewähren möchte.

Da klang ein Jodelruf, hell und rein wie ein Geigenstrich, und dann setzte eine singende Mädchenstimme ein. Der munteren Weise folgend, erreichte Schweizer einen freien, von Geröll überschütteten Hang. Nun stand er und riß die blauen Augen auf. Das heitere Lied und der frische Laut der Stimme hatte in Schweiker die Erwartung eines freundlichen Anblicks erweckt. Und was fand er? Im spärlichen Schatten eines Dornstrauches saß eine kleine schmächtige Gestalt, mit einem grauen Kittel bekleidet. Der Kopf war von wirrem, dick verfilztem Haar umstarrt, das keine Farbe zu haben schien. War es blond, braun oder grau? Und das Gesicht? War es hübsch oder häßlich? Schweiker grübelte, aber eine Lösung dieser Frage wollte ihm nicht gelingen. Gesicht und Arme des Mädchens, alles an ihm, was der Kittel zu sehen gab, war so ausgiebig mit Schmutz bedeckt, als wär es die Gewohnheit dieses sonderbaren Menschenkindes, an jedem Morgen ein saftiges Schlammbad aufzusuchen. Neben dem Mädchen lag ein zottiger Geißbock und hielt den bärtigen Kopf mit dem krummen Gehörn an die Hirtin angeschmiegt; weiter draußen auf dem Hang, zwischen sonnigem Geröll, weideten vier gefleckte Ziegen. Sie hoben, als Schweiker unter den Büschen hervortrat, die Köpfe und kamen neugierig näher. Der Bock sprang auf und meckerte, als wollte er fragen: Was ist das für einer? Kurz entschlossen ging er auf Schweiker zu, streckte den Hals und schnupperte an der Kutte. Der Geruch der Frömmigkeit schien ihm nicht zu behagen; er schüttelte den Kopf, daß der Bart wackelte, machte ein paar hopsende Sprünge, blieb wieder stehen und blickte schief an dem Mönch hinauf.

Langsam hatte sich die Hirtin erhoben; sie schien erschrocken, der Stecken in ihren Händen zitterte, und die Augen waren aufgerissen, daß man rings um die Sterne das Weiße sah.

»Grüß dich Gott, Kindl!« sagte Schweiker und streckte zum Gruß die Hand. Die Hirtin zitterte und schaute. »Grüß dich Gott, Kindl!« wiederholte Schweiker. Die Hirtin schwieg. »So gib mir den Gruß doch heim!« Keine Antwort. »Aber so red doch! Mußt ja doch reden können, ich hab dich ja singen hören.« Keine Antwort. Schweiker schüttelte den Kopf. »Aber Kindl, warum bist du so ungut zu mir? Red doch ein Wörtl!« Die Hirtin bewegte den Mund, aber es wollte kein Laut über ihre Zunge.

Schweiker kraute sich hinter den Ohren. »Da muß ich schon selber schauen, wo ein Weg geht.« Einen stummen Blick noch warf er auf den sprachlosen Schmutzfink, schüttelte den Kopf und stieg über den freien Hang hinauf. Die Hirtin stand wie angewurzelt; doch langsam drehte sie das Gesicht.

Nun stand der Mönch, auf seinen Stab gestützt, in heller Sonne; sein Bart und Blondhaar schimmerte wie Silber. Er spähte in das Tal hinunter; zwischen wirrem Buschwerk sah er zuweilen ein Stück der Ache blitzen. Auch hörte er die Stimmen Wampos und der Knechte, und am Schwanken der hohen Buschwipfel erkannte er die Stelle, an der sie sich befanden. Jetzt sah er auch, daß ein Ausweg aus dem Gestrüpp nicht schwer zu finden war. Schief gegen den ansteigenden Hügel mußte der Zug sich halten; so konnte man eine kleine Blöße erreichen, von der ein deutlich sichtbarer Weg hinausführte gegen einen lichteren Hochwald. Dem freien Hang, auf welchem Schweiker stand, lag dieser Wald noch näher; so dachte er, daß es am besten wäre, wenn er durch den Wald hinunterstiege und seinen Leuten auf dem Weg entgegenkäme, den sie nehmen mußten.

Kaum hatte er den Wald erreicht, da hörte er hinter sich ein Knacken und Brechen; als er sich umblickte, stand die Hirtin vor ihm, und die Ziegen kamen ihr nachgerannt.

Schweiker lachte, spreizte den Stab vor sich hin und legte das Kinn auf die Hände. »Kindl, warum laufst du mir nach?«

»Hast du was fragen wollen?« sagte die Hirtin mit hellem und weichem Stimmlein.

»Schau, jetzt kannst du auf einmal reden! Aber was ich fragen hab wollen, weiß ich schon. Vergeltsgott, Kindl! Wer bist du? Und wie heißt du?«

»Hinzula heiß ich.«

»Uuh! Das ist ein schöner Nam! Der gefallt mir besser als –« Schweiker hatte sagen wollen: besser als du! Doch er verschluckte das Wort. »Und wem gehörst du, Kindl?«

»Dem Greinwalder.«

»Und wo hauset der?«

»Da droben!« Die Hirtin deutete mit dem Stecken durch den Wald hinauf.

»Gelt, Kindl, du hast wohl keine Mutter nimmer?«

»Freilich hab ich eine. Warum fragst du so?«

»Ich hab halt gemeint – sag, Kindl, wie lang hast du dich nimmer gewaschen?«

»Vier Jahr.« Das sagte sie so kurzweg, als wär's eine selbstverständliche Antwort.

Bruder Schweiker brach in Gelächter aus. Die Hirtin schien verlegen zu werden und stotterte: »Weißt, ich darf halt nit!«

»Wer verbietet's denn?«

»Die Mutter.«

Schweiker hörte zu lachen auf und schüttelte den Kopf. »Kindl, Kindl, du bist ein kleines Saubartele, aber deine Mutter ist ein großes!«

»Warum tust du schelten drüber? Es muß doch sein. Und warum sagst du allweil Kindl zu mir?« Die Hirtin hob zögernd das Gesicht. »Ich bin doch schon eine Dirn!« Sie streckte sich; unter dem mürben Kittel verrieten sich die schüchtern sprossenden Formen des jungen Körpers.

Bruder Schweiker wurde rot bis unter die Haare. »So? Eine Dirn? Das ist schwer zu merken gewesen. Bist ja schier noch so klein wie ein Kindl. Mußt halt noch ein lützel wachsen, gelt? Und jetzt behüt dich Gott!« Schweiker nickte zum Gruß und ging davon.

Hinzula sprang ihm nach. »Und du? Wer bist denn du?«

»Ich?« Bruder Schweiker machte ein ernstes Gesicht. »Ich bin ein Gottesmann. Und jetzt bauen wir im Berchtesgaden eine Klaus und ein Kirchl daneben. Paß nur auf, wirst das Glöckl schon läuten hören! Nachher komm und bet für deine junge Seel!« Er machte mit der Hand das Kreuzzeichen über Hinzulas Gesicht und schritt dem Tal entgegen.

Als er zwischen den Bäumen schon die Helle der Lichtung gewahrte, blickte er über die Schulter zurück. Dort oben, immer noch auf dem gleichen Fleck, stand unbeweglich die Hirtin. »Eine Dirn? Und hat sich vier Jahr lang nimmer gewaschen!« Er schüttelte den Kopf und begann zu grübeln. »Was hat sie nur sagen wollen mit dem Wort: Es muß doch sein?« Schweiker blickte auf. Er war irr gegangen. Richtig, dort drüben lag die Blöße. Nun schritt er eilig aus und hörte auch bald die Stimmen der Seinen. Durch das wirre Buschwerk kämpfte er sich zu ihnen. »Ich hab einen guten Weg gefunden.«

Bruder Wampo tat einen tiefen Seufzer. »Gott sei Dank!«

Da fielen Schweikers Blicke auf ihn. »Bruder, wie schaust du aus! Wie der Hinzula aus dem Gesicht geschnitten!«

»Wen du meinst mit der Hinzula, weiß ich nit. Aber wenn sie ausschaut wie ich, dann kann einem grausen vor ihr.«

Nun lachten sie alle.

»Aber red doch,« fragte Schweiker, »was ist denn geschehen?«

Wampo erzählte sein Abenteuer; den erbeuteten Frischling von der Erde hebend, sagte er: »Einen Weg bin ich suchen gegangen und hab ein Ferkel gefunden.«

Schweiker schmunzelte. »Da haben wir es allbeid gleich getroffen!« Er suchte aus der Ladung die Axt hervor und begann im Gestrüpp einen Pfad für die Saumtiere auszuhauen. Die Arbeit ging ihm flink vonstatten, jeder Hieb gab aus; aber es währte doch eine Stunde, bis der Zug die Blöße erreichte und den Wald gewann. Eine Strecke zogen sie den Saum entlang und gerieten in eine kleine, freundliche Talmulde. Schweiker, der den Zug geführt, blieb stehen und spähte umher. »Was suchst du?« fragte Eberwein.

»Ich schau mir das Platzl an und mein', wir könnten ein besseres nit finden für die Nachtrast. Die Sonn geht hinter die Berg, und Wolken steigen auf, die mir nit gefallen. Eh ein paar Stund vergehen, haben wir ein Unwetter, und ich fürcht, ein grobes.«

»So laß uns bleiben!«

Der Platz war gut gewählt, nach allen Seiten gegen Wind und Sturm geschützt: im Rücken der ansteigende Wald mit riesigen Bäumen, hohes Gestrüpp zur Rechten und Linken, und im Vordergrund die von blühendem Heidekraut überwucherte Mulde, an der die rauschende Ache vorüberfloß. Drüben stieg ein dichtbewachsener Hügel auf, der sich an die Waldgehänge des Untersberges mit einer welligen Hochfläche anlehnte, aus deren dunklen Fichtenwipfeln zwei mächtige Felsblöcke emporragten.

Nun gab es Arbeit. Man nahm den Saumtieren die Ladung ab, und während die Knechte sich anschickten, zwei Reisighütten aufzurichten, ging Schweiker mit der Axt in den Wald, um feste Stangen für die Zelte zu holen. Als er zurückkam, die langen Hölzer schleppend, zog Wampo aus einem der Ballen eine frische Kutte hervor. »So, Bruder, jetzt reit ich mich in die Schwemm! Und dann wird fein aufgekocht. Wenn die Zelt stehen, sei so gut, mach ein Feuer und such mir ein Eisen heraus, mit dem ich das Ferkel brennen kann. Das soll ein Brätlein werden, daß dir das Wasser auf der Zung zusammenläuft.«

Er zwinkerte mit den Augen und sprang durch das blühende Heidekraut. Vor dem Ufer der Ache blieb er stehen und schnitt eine bedenkliche Miene; wohin er blickte, überall sah er im Bach nur Schaum und Wirbel. Einen ruhigen Tümpel suchend, folgte er dem Ufer und verschwand hinter dichten Büschen.


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