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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Das war die letzte schreckliche Krisis der Versuchung, die Janet durchzumachen hatte. Das Wohlwollen ihrer Nachbarn, die hilfreiche Sympathie der Freunde, die ihre religiösen Gefühle theilten, die von Mr. Tryan ihr angerathenen Beschäftigungen wirkten mit ihren starken spontanen Impulsen zu Werken der Liebe und Barmherzigkeit zusammen, ihre Tage mit ruhigem geselligem Verkehr und barmherzigen Bemühungen zu erfüllen. Dazu strebte ihre von Natur gesunde und kräftige Constitution im Verein mit der zunehmenden Kraft der Gewohnheit dahin, wieder ins Gleichgewicht zu kommen und sie frei zu machen von jener körperlichen Reizbarkeit, welche die geringste lasterhafte Gewohnheit stets zurückläßt. Der Gefangene fühlt, wo das Eisen ihn gedrückt hat, lange nachdem seine Fesseln gelöst worden sind.

Da waren immer nachbarliche Besuche zu machen und zu empfangen: und wie die Monate verflossen, begann eine genauere Vertrautheit mit Janets jetzigem Ich selbst aus so strengen Gemüthern wie dem Mrs. Phipps' die ungünstigen Eindrücke zu verwischen, welche die letzten Jahre zurückgelassen hatten. Janet erlangte wieder jene Popularität, die ihre Schönheit und Seelengüte ihr errungen hatten, als sie noch ein Mädchen war, und Popularität ist, wie Jedermann weiß, das verwickeltste und sich am meisten vervielfältigende Echo. Selbst antitryanitisches Vorurtheil konnte der Thatsache nicht widerstehen, daß Janet Dempster eine ganz andere Frau geworden war – wie die bestaubte, geknickte, sonnenverbrannte Pflanze sich ändert, wenn sanfter Regen auf sie gefallen – und daß diese Aenderung Mr. Tryan zuzuschreiben war. Das letzte noch vorhandene Naserümpfen gegen den evangelischen Curaten begann zu ersterben; und wenn auch sehr viel von der Empfindung, das es hervorgerufen, noch zurückblieb, herrschte doch das einschüchternde Bewußtsein, daß der Ausdruck solcher Empfindung wirkungslos bleiben würde – Späße jener Art hatten aufgehört, den Sinn der Milbyer zu kitzeln. Selbst Mr. Butt und Mr. Tomlinson fühlten insgeheim, wenn sie Mr. Tryan bleich und abgezehrt die Straße entlang gehen sahen, daß dieser Mann etwas Anderes als jenes sehr natürliche und leichtverständliche Ding – ein Windbeutel – war; daß es in der That unmöglich war, ihn vom Standpunkt des Magens und Geldbeutels aus zu beurtheilen. Wie sie auch ihre Theorie wanden und streckten, sie wollte auf Mr. Tryan nicht passen, und so schlossen sie – mit jener bemerkenswerthen Aehnlichkeit betreffs der seelischen Vorgänge, die man häufig zwischen einfachen Menschen und Philosophen bemerken kann – daß es um so besser sei, je weniger sie von ihm sagten.

Unter allen freundnachbarlichen Freuden Janets war ihr nichts lieber, als im Weißen Hause früh den Thee zu nehmen und dann mit Mr. Jerome durch den altmodischen Obst- und Blumengarten zu schlendern. Es gab endlosen Stoff zum Geplauder zwischen ihr und dem guten alten Mann, denn Janet fand jene echte Freude an menschlicher Genossenschaft, welche ein Interesse hat an allen persönlichen Details, die warm von aufrichtigen Lippen kommen: dazu hatten sie ein gemeinsames Interesse an gutmüthigen Plänen zur Unterstützung ihrer ärmeren Nachbarn. Ein großes Ziel von Mr. Jeromes Barmherzigkeitsakten war, wie er oft sagte, »fleißige Männer und Frauen von der Armenkasse fernzuhalten. Ich gebe lieber zehn Schillinge, um einem armen Mann zu helfen, auf eigenen Füßen zu stehen, als daß ich eine halbe Krone zahle, um ihm einen Bettelstab zu kaufen; es ist sein Ruin, wenn er einmal zur Armenpflege geht. Ich habe schon oft gesehen, wenn man einem Mann auf nachbarliche Weise mit einem Geschenk hilft, es besänftigt ihm das Blut – er rechnet es einem als Güte an; aber die Armenschillinge vergällen es ihm – sie sind ihm nie genug.« Zur Illustration dieser Meinung hatte Mr. Jerome einen großen Vorrath von Details über Leute wie Tim Hardy, den Kohlenfuhrmann, dem »sein Pferd kaput gegangen«, und Sally Butts, »die ihre Mangel verkaufen müsse, obgleich sie ein so anständiges Frauenzimmer sei wie nur eines«; Janet war stets sehr geneigt, solchen Details zu lauschen, und man würde sich kaum ein hübscheres Gemälde vorstellen können als den freundlichen, weißhaarigen alten Mann, der diese Bruchstücke aus seiner einfachen Erfahrung erzählte, während er mit leichtgebeugtem Rücken zwischen den Moosrosen und Obstspalieren dahinschritt, während Janet in ihrer Wittwenhaube, die dunkeln Augen vor Interesse glänzend, lauschend ihm zur Seite ging und die kleine Lizzie, deren Hütchen tief im Nacken hing, vor ihnen hertrippelte. Mrs. Jerome lehnte gewöhnlich dieses langsame Umherschlendern ab und bemerkte oft: »Es gibt keinen Zweiten wie Mr. Jerome, wenn er einmal mit Mrs. Dempster ins Plaudern kommt: es bedeutet ihm gar nichts, ob wir um vier Uhr oder um fünf Uhr Thee trinken; er würde so fort machen bis Sechs, wenn man ihn gewähren ließe.« Indessen, selbst Mrs. Jerome konnte nicht leugnen, daß Janet eine sehr angenehme Frau sei: »Sie sagt immer, sie bekommen nirgends solche eingemachte Gurken wie die meinen; ich weiß das recht gut – andere Leute kaufen sie in Läden – dicke, ungesunde Dinger, man könnte ebensogut einen Waschschwamm essen.«

Der Anblick der kleinen Lizzie erregte oft in Janet ein Gefühl der Kinderlosigkeit, die eine verhängnißvolle Lücke in ihrem Leben verursacht hatte. Sie dachte manchmal, daß es vielleicht unter ihres Mannes entfernten Verwandten Kinder gebe, bei deren Erziehung sie mithelfen – vielleicht ein kleines Mädchen, das sie adoptiren könne; und sie gab sich selbst das Versprechen, eines Tags eine Cousine von ihm auszukundschaften – eine verheirathete Frau, die er seit vielen Jahren aus dem Gesicht verloren hatte.

Aber für jetzt waren Herz und Hände zu voll, als daß sie jenen Plan hätte ausführen können. Zu ihrer großen Betrübniß war ihr Plan, Mrs. Pettifer auf Holly Mount einzurichten, durch die Entdeckung verzögert worden, daß einige Reparaturen notwendig wären, um das Haus bewohnbar zu machen: und erst als der September begonnen hatte, ward ihr die Genugtuung, ihre alte Freundin behaglich untergebracht und die für Mr. Tryan bestimmten Zimmer hübsch und traulich nach Herzenslust eingerichtet zu sehen. Sie hatte verschiedene seiner besten Freunde ins Vertrauen gezogen, die ihrem Plan, ihn zu bewegen, Mrs. Wagstaffs schmutziges Haus und zweifelhafte Küche zu verlassen, besten Erfolg wünschten. Daß er einem solchen Wechsel zustimme, wurde mehr und mehr ein Gegenstand der Besorgniß für seine Zuhörer; denn obgleich man noch keine entschiedeneren Symptome an ihm beobachten konnte als zunehmende Abmagerung, einen kurzen trockenen Husten und eine gelegentliche Kurzathmigkeit, fühlte man doch, daß die Erfüllung von Mr. Pratts Prophezeihung nicht mehr lange auf sich warten lassen könne, und daß dies hartnäckige Beharren in Anstrengung und Vernachlässigung seiner selbst bald durch ein totales Versagen aller Kraft geradezu abgeschnitten werden müsse. Irgend welche Hoffnungen, daß der Einfluß von Mr. Tryans Vater und Schwester ihn dazu vermögen würden, seine Lebensweise zu ändern – daß sie vielleicht zu ihm ziehen würden, oder daß wenigstens seine Schwester zu einem Besuch kommen und die Gründe, welche auf andern Lippen nichts bewirkt, von den ihrigen überzeugender klingen würden – waren jetzt vollkommen zerstört. Sein Vater hatte kürzlich einen Anfall von Lähmung gehabt und konnte die Pflege seiner einzigen Tochter nicht entbehren. Bei Mr. Tryans Rückkehr von einem Besuch bei seinem Vater war Miß Linnet sehr begierig zu erfahren, ob seine Schwester nicht in ihn gedrungen sei, einen Luftwechsel zu versuchen. Aus seinen Antworten merkte sie, daß Miß Tryan wünschte, er solle seine Curatie aufgeben und reisen oder wenigstens nach der Südküste von Devonshire gehen.

»Und weshalb wollen Sie das nicht thun?« fragte Miß Linnet; »Sie könnten gesund und kräftig zu uns zurückkommen und noch viele Jahre der nützlichen Wirksamkeit vor sich haben.«

»Nein«, antwortete er ruhig, »ich glaube, die Leute legen solchen Maßregeln mehr Bedeutung bei, als gerechtfertigt ist. Ich sehe nicht, welchem guten Zweck dadurch gedient wird, daß ich zu Nizza sterbe, statt unter meinen Freunden und bei meiner Arbeit. Ich kann Milby nicht verlassen – wenigstens werde ich es nicht freiwillig thun.«

Aber obgleich er in diesem Punkte unerschütterlich blieb, war er doch genöthigt worden, seinen Nachmittagsgottesdienst am Sonntag aufzugeben und Mr. Parrs Anerbieten, ihm bei seiner Abendbetstunde Hilfe zu leisten, anzunehmen, sowie auch seine Werktagsarbeiten einzuschränken; und er hatte sogar an Mr. Prendergast geschrieben, um ihn zu bitten, er möge einen andern Curaten für den Paddiforder Distrikt aufstellen, in der Weise, daß der neue Curat den Gehalt empfangen und Mr. Tryan so lange mit ihm zusammenwirken würde, als er dazu fähig wäre. Die Hoffnungsseligkeit, die eine fast ständige Begleiterin der Auszehrung ist, hatte nicht die Wirkung, ihn über die Natur seiner Krankheit zu täuschen, oder ihn einer schließlichen Genesung entgegensehen zu lassen. Er glaubte selbst, daß er die Auszehrung habe, und hatte noch nie den Wunsch gehegt, dem frühen Tode zu entgehen, den er seit einiger Zeit für wahrscheinlich hielt. Selbst krankhafte Hoffnungen pflegen ihre Richtung von der starken, gewohnheitsmäßigen Sinnesrichtung zu erhalten, und Mr. Tryan war der Tod seit Jahren nur als das Niederlegen einer Bürde erschienen, unter der er manchmal ohnmächtig zusammensank. Er war nur sanguinisch betreffs seiner Arbeitskraft: er schmeichelte sich, in der nächsten Woche thun zu können, wozu er in der einen Woche unfähig war, und wollte nicht zugeben, daß, wenn er sich eines Theils seiner Arbeit enthalte, er derselben dauernd entsage. Er hatte in der letzten Zeit Mr. Jerome dadurch erfreut, daß er endlich den ihm längst angebotenen »Kastanienbraunen« entliehen hatte; und er fand eine solche Wohlthat in dem beständigen Reiten statt Gehen, daß er zu denken begann, er würde bald einen Theil der Arbeit, die er hatte fallen lassen, wieder aufnehmen können.

Das war ein glücklicher Nachmittag für Janet, als sie endlich, nachdem sie eine Woche mit ihrer Mutter und Mrs. Pettifer angestrengt beschäftigt gewesen, Holly Mount vom Dachfirst bis zum Keller in bester Ordnung sah. Es war ein altes Backsteingebäude, mit zwei Giebeln in der Front und zwei gestutzten Stechpalmbäumen, welche die Gartenthür flankirten; ein einfacher, anheimelnder Wohnsitz, den ruhige Leute leicht lieb gewinnen konnten: und jetzt war Alles gescheuert und gefegt und mit Teppichen belegt und möblirt, so daß es innen wirklich recht gemüthlich aussah. Als nichts mehr zu thun war, ergötzte sich Janet daran, Mr. Tryans Studirzimmer zu überschauen, sich zuerst in den Lehnstuhl zu setzen und dann einen Augenblick aufs Sopha zu legen, damit sie sich einen genauen Begriff von der Ruhe machen könne, die er auf diesen wohlgepolsterten Möbeln finden werde, zu deren Auswahl sie sich eigens nach Rotherby begeben hatte.

»Nun, Mutter«, sagte sie, als sie ihren Überblick beendigt hatte, »Du hast Deine Sache so gut gemacht, wie nur irgend eine Feenmutter oder Feenpathin, die jemals einen Kürbis in Wagen und Pferde verwandelt Anspielung auf das Cinderella- bzw. ›Aschputtel‹-Märchen. – Anm.d.Hrsg.. Du bleibst hier und trinkst gemüthlich Thee mit Mrs. Pettifer, während ich zu Mrs. Linnet gehe. Ich muß Mary und Rebecca die gute Nachricht mittheilen, daß mir der Zolleinnehmer das Versprechen gegeben hat, er werde Mrs. Wagstaffs Wohnung miethen, wenn Mr. Tryan auszieht. Sie werden recht froh sein, das zu hören, weil sie glaubten, er werde ihre Armuth als einen Einwand gegen seinen Auszug benutzen.«

»Aber, mein Kind«, sagte Mrs. Raynor, deren immer ruhiges Gesicht jetzt ein glückliches war, »trinke zuerst eine Tasse Thee mit uns. Du wirst vielleicht Mrs. Linnets Theestunde verfehlen.«

»Nein, ich bin zu erregt, um noch Thee zu trinken. Ich bin wie ein Kind mit einem neuen Puppenhaus. Das Gehen in der freien Luft wird mir gut thun.«

So brach sie denn auf. Holly Mount war etwa ein halbes Stündchen von jener äußersten Spitze von Paddiford Common entfernt, wo Mrs. Linnets Haus zwischen Bohnenbäumen und Fliedersträuchen eingenestelt war. Janets Weg dorthin ging eine kleine Weile längs der Landstraße hin und führte sie dann in eine von tiefen Radspuren durchschnittene Gasse, die sich durch einen flachen Wiesen- und Weideplatz wand, während in der Front das rauchige Paddiford und weiter zur Linken die Mutterstadt Milby lag. Da war keine Reihe von Silberweiden vorhanden, die den Lauf eines Stromes bezeichnete – keine Gruppe von Zwergföhren, deren Stämme sich in den wagrechten Sonnenstrahlen rötheten – nichts, was die blumenlose Eintönigkeit von Gras und Hecke unterbrochen hätte, außer hie und da einer Eiche oder Ulme oder einigen zerstreuten Kühen. Eine sehr gewöhnliche Scene, in der That. Aber welche Scene war je gewöhnlich im Lichte der sinkenden Sonne, wenn die Farbe von ihrem nachmittägigen Schlaf erwacht ist und die langen Schatten uns Ehrfurcht einflößen wie eine offenbarte Erscheinung? Und überdies, welche Scene ist gewöhnlich für ein Auge, das erfüllt ist von ruhig heiterer Fröhlichkeit und Alles mit seiner eigenen Freude verklärt?

Und Janet war gerade jetzt sehr glücklich. Wie sie die holperige Gasse entlang ging im lebhaftem Schritt, spielte ein halbes Lächeln unschuldigen, gütigen Triumphs um ihre Lippen. Sie freute sich im voraus über den erwarteten Erfolg ihrer Ueberredungsgabe, und für jetzt war ihre schmerzliche Besorgniß über Mr. Tryans Gesundheit in den Hintergrund gedrängt. Aber sie war in der Gasse noch nicht weit vorwärts gekommen, als sie den Hufschlag eines Pferdes vernahm, das im Schritt hinter ihr herkam. Ohne rückwärts zu blicken, trat sie zur Seite, um Platz zu machen, und bemerkte nicht, daß das Pferd einen Augenblick anhielt und dann in etwas rascherer Gangart näher kam. In weniger als einer Minute hörte sie eine wohlbekannte Stimme sagen »Mrs. Dempster«; und als sie sich umwandte, stand Mr. Tryan dicht neben ihr, sein Pferd am Zügel haltend. Es schien ihr ganz natürlich, daß er da war. Ihr Geist war so voll von seiner Person in jenem Augenblick, daß sein wirklicher Anblick nur wie ein lebhafterer Gedanke war und sie sich – wie wir dessen fähig sind, wenn das Gefühl uns zwingt, wahr zu sein – mit einer totalen Außerachtlassung aller Höflichkeitsformen benahm. Sie sah ihn blos an mit einer geringen Verstärkung des Lächelns, das bereits auf ihrem Gesicht lag. Er sagte freundlich: »Nehmen Sie meinen Arm!« und dann schritten sie eine Weile schweigend dahin.

Er brach das Schweigen zuerst. »Sie wollen nach Paddiford gehen?«

Die Frage rief Janet ins Gedächtniß zurück, daß dies eine unerwartet günstige Gelegenheit sei, ihr Ueberredungswerk zu beginnen, und daß sie dieselbe thörichterweise versäume.

»Ja«, sagte sie, »ich wollte zu Mrs. Linnet gehen. Ich weiß, Miß Linnet würde es gerne hören, daß unsere Freundin Mrs. Pettifer jetzt ganz untergebracht ist in ihrem neuen Haus. Sie hat Mrs. Pettifer so lieb wie ich – beinahe; ich werde nicht zugestehen, daß Jemand sie ganz so lieben könne, denn Niemand hat so guten Grund dazu wie ich. Aber jetzt braucht die gute Frau einen Miether, denn Sie wissen, daß sie nicht ganz allein in einem so großen Hause wohnen kann. Aber ich wußte, als ich sie überredete, dorthin zu gehen, daß sie ganz sicher einen solchen finden würde – es müßte so angenehm bei ihr zu leben sein; und ich wollte nicht haben, daß sie den Rest ihrer Tage in jenem traurigen Winkel verbringt, wo sie Jedem zu Gebote steht, der Nutzen von ihr ziehen will.« –

»Ja«, sagte Mr. Tryan, »ich verstehe Ihr Gefühl vollkommen; ich wundere mich nicht, daß Sie soviel Achtung für sie hegen.

»Gut, aber jetzt müssen ihre andern Freunde mir beistehen. Da ist sie jetzt, mit drei Zimmern zu vermiethen, vollständig eingerichtet, und Alles in Ordnung; und ich kenne Jemanden, der eine ebenso gute Meinung von ihr hat wie ich selbst, und der überall Gutes thun würde – Jedem, der ihn kennt, sowohl als auch Mrs. Pettifer, wenn er bei ihr Wohnung nehmen wollte. Er würde gewisse unbehagliche Gemächer verlassen, die bereits ein Anderer begehrt hat und sogleich nehmen würde; und dann würde er reine Luft athmen auf Holly Mount und Mrs. Pettifers Herz erfreuen, indem er sich von ihr pflegen ließe, und alle seine Freunde trösten, die ganz unglücklich sind seinetwegen.«

Mr. Tryan durchschaute Alles augenblicklich – er sah, daß Alles um seinetwillen geschehen war. Er konnte nicht böse sein; er konnte nicht Nein sagen; er konnte dem Gefühl nicht widerstehen, daß das Leben eine neue Süßigkeit für ihn habe und daß er es gern ein wenig verlängert sehen möchte – nur ein wenig, um größere Sicherheit betreffs Janet zu fühlen. Als sie zu Ende gesprochen, sah sie ihn mit zweifelhaftem, forschendem Blicke an. Er sah sie nicht an; seine Augen waren niedergeschlagen; aber der Ausdruck seines Gesichts ermuthigte sie, und sie sagte in heiterem Tone der Bitte: –

»Sie werden zu ihr ziehen, nicht wahr? Ich weiß es. Sie werden jetzt mit mir umkehren und sich das Haus ansehen.«

Er sah sie jetzt an und lächelte. Es liegt ein unaussprechliches Gemisch von Traurigkeit und Sanftmuth in dem Lächeln eines durch langsame Auszehrung zugespitzten und gebleichten Gesichts. Jenes Lächeln Mr. Tryans schnitt der armen Janet durch's Herz; sie las darin gleichzeitig die Versicherung dankbarer Zuneigung und die Prophezeihung eines nahen Todes. Die Thränen traten ihr in die Augen; sie wendeten sich nun, ohne zu sprechen, und gingen wieder zurück das Gäßchen entlang.



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