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Sechstes Kapitel.

An einem Novemberabend, mindestens sechs Monate, nachdem die Gräfin Czerlaski ihre Residenz im Pfarrhause aufgeschlagen, hörte Mrs. Hackit, daß ihre Nachbarin Mrs. Patten einen Anfall ihres alten Leidens, allgemein »Krämpfe« genannt, hätte. Demgemäß setzte sie gegen elf Uhr ihre Sammthaube auf und zog ihren Tuchmantel an mit einer langen Boa und einem Muff, grob genug, um ein Preiswickelkind hineinzustecken; denn Mrs. Hackit regelte ihr Kostüm nach dem Kalender und holte am 1. November ihre Pelzsachen hervor, wie auch das Wetter war. Sie war nicht die Frau, die sich allwöchentlich veränderlichen Vorgängen anbequemte. Wenn die Jahreszeit nicht wußte, was sie zu thun hatte, Mrs. Hackit wußte es. In ihren jungen Tagen herrschte immer kaltes Wetter am Tage der »Pulververschwörung« Der Gunpowder Plot war ein Versuch britischer Katholiken, während der Parlamentseröffnung am 5. November 1605 den protestantischen König von England, Jakob I., seine Familie, die Regierung und alle Parlamentarier zu töten. Die Verschwörung wurde von dem Sprengstoffexperten Guy Fawkes ausgeführt. - Bis heute ist in Großbritannien dieses gescheiterte Attentat nicht vergessen. Man feiert jedes Jahr am 5. November das Scheitern des Komplotts mit einem Straßenumzug in der Guy Fawkes Night, bei dem eine Guy-Fawkes-Puppe verbrannt wird und Feuerwerke entzündet werden. – Anm.d.Hrsg., und sie liebte die neuen Moden nicht.

Und diesen Morgen war das Wetter ganz regelrecht im Einklang mit ihrem Kostüm, denn als sie zwischen den Feldern von Croß Farm hindurchschritt, wurden die gelben Blätter der Ulmen, die sich hell und golden von den tief herabhängenden purpurnen Wolken abhoben, vom kältesten der Novemberwinde über den rasenbewachsenen Pfad gestreut. »Hm«, sagte Mrs. Hackit bei sich, »wir werden vermuthlich einen scharfen Winter bekommen; und wenn so, sollte es mich nicht wundern, wenn es die alte Frau wegnimmt. Man sagt, grüne Weihnachten macht einen fetten Kirchhof; aber das thut weiße Weihnachten auch, was das anbelangt. Wenn der Stuhl wurmstichig genug ist, macht's wenig aus, wer drauf sitzt.«

Bei ihrer Ankunft zu Croß Farm indessen trat ihre Ansicht von Mrs. Pattens Krankheit wieder zurück in den Hintergrund ihrer Phantasie, denn Miß Janet kam ihr mit der Neuigkeit entgegen, daß es Mrs. Patten weit besser gehe, und führte sie ohne vorhergehende Anmeldung in der alten Dame Schlafzimmer. Janet war kaum zu Ende gekommen mit ihrer umständlichen Erzählung, wie der Anfall kam und was ihre Tante dabei fühlte – eine Erzählung, welcher Mrs. Patten in ihrer nettgefalteten Nachthaube mit einer verächtlichen Ergebung in ihrer Nichte historische Ungenauigkeiten zu lauschen schien, indem sie sich damit begnügte, Janet gelegentlich durch ein Kopfschütteln zu verwirren – als das Geklapper von Pferdehufen auf dem Hofpflaster die Ankunft Mr. Pilgrims meldete, dessen hohe, stulpengestiefelte Person sogleich oben erschien. Er fand Mrs. Patten so wohlauf, daß es unnöthig war, feierlich dreinzuschauen. Er konnte, ohne anzustoßen, vom Beileid zum Geplauder übergehen, und die Versuchung, Mrs. Hackits Ohr zu haben, war unwiderstehlich.

»Was das für eine schändliche Geschichte wird mit Ihrem Pastor«, war die Bemerkung, mit welcher er diesen angenehmen Übergang einleitete, indem er sich aus seiner gegen die Patientin geneigten Stellung in den Stuhl zurücklehnte.

»Ach du lieber Gott, ja!« sagte Mrs. Hackit, »schändlich genug. Ich hielt zu Mr. Barton, so lang ich konnte, seiner Frau wegen; aber ich kann solche Geschichten nicht mit ansehen. Es ist mir verhaßt, jenes Weib am Sonntag mit ihnen zur Kirche gehen zu sehen, und wenn Mr. Hackit nicht Kirchenvorstand wäre und ich es nicht für unrecht hielte, den eignen Sprengel zu verlassen, würde ich nach Knebly zur Kirche gehen. Es sind viele in der Pfarrei, die es thun.«

»Ich dachte bislang, Barton wäre nur ein Thor«, bemerkte Mr. Pilgrim in einem Tone, der in sich schloß, er fühle sich einer schwächlichen christlichen Nachsicht bewußt. »Ich dachte im Anfang, er würde von jenen Leuten betrogen und mißleitet. Aber das ist jetzt unmöglich.«

»O, es ist so platt wie die Nase in Ihrem Gesicht«, sagte Mrs. Hackit unbedacht, das Zweideutige in ihrem Vergleich nicht bemerkend, – »kommt nach Milby, läßt sich da nieder, gleichsam wie ein Spatz auf einem Ast, mit ihrem Bruder, wie sie ihn nannte: und dann plötzlich fährt der Bruder ab, und sie wirft sich auf die Bartons. Aber was sie dazu bringt, sich mit einem Pastor zu begnügen, der nicht genug hat, um Weib und Kind zu ernähren, das weiß nur Er dort oben – ich nicht.«

»Mr. Barton mag Anziehungskräfte haben, die wir nicht kennen«, sagte Mr. Pilgrim, der sich etwas auf sein sarkastisches Talent zugutethat. »Die Gräfin hat jetzt keine Zofe, und man sagt, Mr. Barton sei handig in der Mithilfe bei ihrer Toilette – schnürt ihr die Stiefel und so fort.«

»Tolett', laß dich heimgeigen!« sagte Mrs. Hackit, mit indignanter Kühnheit der Metapher; »und das arme Ding versticht sich die Finger bis auf die Knochen für die Kinder – und eins ist wieder auf dem Weg. Was sie alles durchmachen muß! Es thut mir im Herzen weh, daß ich ihr den Rücken kehren muß. Aber sie sollte sich das nicht gefallen lassen.«

»Ja; ich sprach neulich mit Mrs. Farquhar darüber. Sie sagte: »Ich halte Mrs. Barton für eine sehr schwa-a-ache Fra-a-u!« (Mr. Pilgrim citirte das mit langsamem Nachdruck, als dächte er, Mrs. Farquhar habe einen bemerkenswerthen Gedanken geäußert.) »Sie halten es für unmöglich, sie zu sich einzuladen, solange jene zweideutige Person sich bei ihr aufhält.«

»Nun«, bemerkte Miß Gibbs. »Wenn ich eine verheirathete Frau wäre, nichts sollte mich dazu bringen, das zu ertragen, was Mrs. Barton erträgt.«

»Ja, das ist schön gesprochen«, sagte Mrs. Patten, von ihren Kissen her; »alter Jungfern Männer sind immer gut gezogen. Wenn Du eine verheirathete Frau wärst, vielleicht wärst du ebenso thöricht wie bessere Leute.«

»Am meisten wundere ich mich«, bemerkte Mrs. Hackit, »wie die Barton's auskommen. Sie können sich drauf verlassen, von ihr bekommen sie nichts; denn ich höre, er hat Geld bekommen von einer geistlichen Stiftung. Man sagte zuerst, sie speise Mr. Barton ab mit ihren Bemerkungen, sie schreibe an den Kanzler und ihre nobeln Freunde, daß er ihm eine Pfründe verschaffe. Ich weiß aber nicht, was dran wahr oder falsch ist. Mr. Barton hält sich jetzt von unsrem Hause fern, denn ich gab ihm eines Tags meine Meinung zu kosten. Vielleicht schämt er sich vor sich selbst. Er schien mir schrecklich dünn und hager auszusehen letzten Sonntag.«

»O, er muß merken, daß er überall in übeln Geruch kommt. Die Geistlichen sind ganz angeekelt wegen seiner Thorheit. Sie sagen, Carpe würde Barton gern aus dem Vicariat bringen, wenn er könnte; aber er kann das nur thun, wenn er selbst nach Shepperton kommt, da Barton licentirter Curat ist; und das wird er vermuthlich nicht wollen.«

In diesem Augenblick zeigte Mrs. Patten Symptome des Unwohlseins, die Mr. Pilgrim zu beruflicher Aufmerksamkeit zurückriefen: und Mrs. Hackit, die bemerkte, es sei Donnerstag, und sie müsse nach der Butter sehen, sagte Adieu und versprach, bald wieder zu kommen und ihr Strickzeug mitzubringen.

Dieser Donnerstag ist, nebenbei gesagt, der erste im Monat – der Tag, an welchem die Kirchenversammlung im Pfarrhaus zu Milby abgehalten wird; und da der Rev. Amos Barton Gründe hat, derselben nicht beizuwohnen, wird er höchst wahrscheinlich Gegenstand der Unterhaltung zwischen seinen geistlichen Collegen sein. Ich denke also, wir gehen hin und hören, ob Mr. Pilgrim ihre Meinung genau berichtet hat.

Die Versammlung ist heute nicht sehr zahlreich besucht, denn es ist jetzt eine Zeit der Katarrhe und Halsleiden, so daß die exegetischen und theologischen Discussionen, die dem Diner vorangehen, nicht ganz so lebhaft sind wie gewöhnlich: und obgleich eine auf den Brief Judä bezügliche Frage nicht ganz aufgeklärt worden ist – das Schlagen der sechsten Stunde und die gleichzeitige Ankündigung des Diner sind Töne, die Keinem unangenehm klingen.

Angenehm ist es (wenn man eine gute Verdauung hat), einen behaglichen Speisesaal zu betreten, wo die dichtzugezogenen rothen Vorhänge im Zwielichte von Kaminfeuer und Kerzenglanz glühen, wo Glas- und Silbergeräthe auf dem schneeigen Damast glitzern und eine Suppenterrine uns eine Andeutung des Wohlgeruchs gibt, der sogleich hervorströmen wird, um die hungrigen Sinne zu überschwemmen und sie durch die zarte Heimsuchung der Atome vorzubereiten auf den scharfen Geschmack innigerer Berührung! Speciell wenn man Vertrauen hat in die dinergebende Capacität des Wirthes – wenn man weiß, daß er nicht ein Mann ist, der niedrige Begriffe vom Essen und Trinken als einer bloßen Befriedigung von Hunger und Durst nährt und, fühllos für alle die feineren Einflüsse des Gaumens, erwartet, daß sein Gast fröhlich sei bei schlechtgewürzten Saucen und billigstem Marsala. Mr. Ely war solchen Vertrauens besonders würdig und seine Tugenden als Amphitryon hatten vielleicht ebensoviel wie die centrale Lage Milbys zur Wahl seines Hauses als geistlichem Versammlungsorts beigetragen. Er sieht äußerst anmuthig aus am obern Ende seiner Tafel, wie überhaupt bei allen Gelegenheiten, wo er als Präsident oder Vermittler fungirt – ein Mann, der aufmerksam zuzuhören scheint und ein ausgezeichnetes Bindemittel unähnlicher Stoffe ist.

Am andern Ende der Tafel, als »Vice«, sitzt Mr. Fellowes, Rektor und Friedensrichter, ein Mann von imposantem Äußeren mit einer honigsüßen Stimme und der geläufigsten Zunge. Mr. Fellowes erlangte einst eine Pfründe durch den überzeugenden Reiz seiner Conversation und den Redefluß, mit welchem er die Meinungen eines feisten und stotternden Baronets interpretirte, so daß er dem ältlichen Herrn einen sehr schmeichelhaften Begriff von seiner eigenen Weisheit beibrachte. Mr. Fellowes ist ein an Erfolgen reicher Mann und genießt überall das höchste Ansehen – ausgenommen in seinem eigenen Kirchspiel, wo er stets, zweifellos weil seine Pfarrkinder zufällig streitsüchtige Leute sind, in heftiger Fehde liegt mit einem oder zwei Farmern, einem Kohlenbergwerksbesitzer, einem Krämer, der einst Kirchenvorstand war, und einem Schneider, der früher als Küster amtirt hatte.

Zu Mr. Elys Rechten sehen wir einen sehr kleinen Mann mit blassem, etwas aufgedunsenem Gesicht, dessen Haar gerade in die Höhe gebürstet ist, augenscheinlich in der Absicht, ihm eine Größe zu verleihen, die etwas weniger im Mißverhältnisstand zu dem Begriff, den er von seiner eigenen Wichtigkeit hatte, als das ihm durch ein Übersehen der Natur zugetheilte Maß von fünf Fuß drei Zoll. Das ist der Rev. Archibald Duke, ein sehr magenschwacher und evangelistisch gesinnter Mann, der die Menschheit und ihre Aussichten vom düstersten Standpunkt aus betrachtet und den immensen Absatz der » Pickwick Papers« Berühmter Dickens'scher Roman. für einen der stärksten Beweise der Erbsünde hält. Unglücklicherweise, obgleich Mr. Duke mit keiner Familie belastet war, pflegte seine jährliche Ausgabe das jährliche Einkommen beträchtlich zu überschreiten; und die hieraus resultirenden unangenehmen Umstände, zusammen mit schweren Fleischfrühstücken, mögen wohl zu seinen verzweifelten Weltanschauungen beigetragen haben.

Ihm zunächst saß Mr. Furneß, ein schlanker junger Mann, mit blondem Haar und Backenbart, der zu Cambridge blos um seines Genies willen durchgefallen war; ich weiß wenigstens, daß er bald nachher einen Band Gedichte veröffentlichte, die von vielen jungen Damen seiner Bekanntschaft als besonders schön gerühmt wurden. Mr. Furneß hielt nur selbstverfaßte Predigten, wie Jeder von leidlicher kritischer Schärfe durch Vergleich mit seinen Gedichten hätte feststellen können: in beiden war eine Fülle von Metapher und Gleichniß, die gänzlich original und nicht im geringsten von irgend einer Ähnlichkeit zwischen den verglichenen Dingen geborgt war.

Zu Mr. Furneß' Linken sehen wir Mr. Pugh, einen andern jungen Vikar, von viel weniger ausgeprägter Charakteristik. Er hatte keine Gedichte veröffentlicht: er war nicht einmal durchgefallen; er hatte einen hübschen schwarzen Backenbart und eine blasse Gesichtsfarbe: hielt Betstunden und eine Predigt jeden Sonntag zweimal und konnte täglich gesehen werden, wie er zu seinen geistlichen Pflichten eilte in einer weißen Cravatte, einem wohlgebürsteten Hut, einem vollkommen schwarzen Anzug und wohlgewichsten Stiefeln – eine Ausrüstung, die er wahrscheinlich für geeignet hielt, seinen Pfarrkindern den Geist des Christenthums hieroglyphisch zu versinnbildlichen.

Mr. Pughs vis-à-vis ist der Rev. Martin Cleves, ein etwa vierzigjähriger Mann – mittelgroß, breitschulterig, mit einer nachlässig geknüpften Halsbinde, breiten, unregelmäßigen Zügen und einem großen Kopf, dicht bedeckt mit schlichtem, braunem Haar. Für einen oberflächlichen Blick ist Mr. Cleves der Gewöhnlichste und am wenigsten geistlich Aussehende von der ganzen Gesellschaft; doch seltsam: – das ist der echte Pfarrpriester, der geliebte Seelenhirte, consultirt von seiner Heerde, deren volles Vertrauen er genießt; ein Geistlicher, der nicht mit dem Leichenbesorger associirt ist, sondern den man für den sichersten Helfer in jeder Verlegenheit hält, für einen Ermahner, der eher ermuthigend zuspricht, als strenge bestraft. Mr. Cleves versteht die wunderbare Kunst, Predigten zu halten, die der Stellmacher und der Grobschmied verstehen kann; nicht weil er gewöhnliches Gewäsch daherschwätzt, sondern weil er einen Spaten Spaten nennen kann und weiß, wie man die Gedanken ihres Wortflitters entkleidet. Man sehe ihn nur aufmerksam an, und man wird merken, daß sein Gesicht ein sehr interessantes ist – daß viel Humor und Gefühl in seinen grauen Augen spielt und um die Winkel seines nicht fein geschnittenen Mundes: – ein Mann, wie man merkt, der höchst wahrscheinlich der härter arbeitenden Abtheilung der bürgerlichen Klasse entsprossen ist und ererbte Sympathien besitzt für das schicksalsreiche Leben des Volkes. Er versammelt die arbeitenden Männer in seiner Pfarrei am Montag Abend und hält ihnen eine Art unterhaltenden Vortrags über praktisch nützliche Dinge, indem er ihnen Geschichten erzählt, oder ausgewählte Stellen aus einem angenehm geschriebenen Buche vorliest und sie erklärt; und wenn man den erstbesten Arbeiter oder Handwerker in Tripplegade fragen würde, was der Pfarrer für ein Mann sei, er würde sagen: – »Ein ausnehmend kluger, gefühlvoller, von der Brust sprechender Herr; und sehr freundlich und gutmüthig obendrein.« Doch trotz alledem ist er vielleicht der beste »Grieche« in der Versammlung, wenn wir Mr. Baird, den jungen Mann zu seiner Linken, ausnehmen.

Mr. Baird hat seitdem eine bedeutende Berühmtheit als origineller Schriftsteller und Vorleser in der Hauptstadt erlangt, aber zu jener Zeit predigte er gewöhnlich in einer kleinen Kirche, die fast wie eine Scheune aussah, zu einer Gemeinde, die aus drei reichen Farmern und ihren Dienstboten, etwa fünfzehn Arbeitern und der entsprechenden Anzahl von Frauen und Kindern bestand. Die reichen Farmer meinten, daß er »sehr hochgelahrt« sei: wenn man sie aber nach einer genaueren Beschreibung gefragt hätte, würden sie gesagt haben, er sehe aus wie ein »schmalgesichtiger Mann mit einem merkwürdigen Augenaufschlag.«

Sieben im ganzen: gerade eine hübsche Anzahl für eine Dinergesellschaft, angenommen, daß jeder Einzelne angenehm ist, denn davon hängt alles ab. Während des Diners übernahm Mr. Fellowes die Leitung der Conversation, welche sich stark in der Richtung von Mangoldwurzeln und Fruchtwechsel bewegte; denn Mr. Fellowes und Mr. Cleves bebauten ihre Scholle selbst. Auch Mr. Ely hatte einigen Sinn für Landwirthschaft, und selbst den Rev. Archibald Duke machte der Besitz eines Kartoffelackers empfänglich für jene Klasse weltlicher Dinge. Die zwei jungen Curaten unterhielten nebenher ein kleines Geplauder während dieser Discussionen, die ihre unbepfründeten Gemüther nur wenig interessirten; und der ungemein überlegen aussehende und etwas kurzsichtige Mr. Baird schien etwas zerstreut zuzuhören, da er wenig mehr von Mangoldwurzeln und Kartoffeln wußte, als daß sie irgend eine Form des »Bedingten« wären.

»Was doch das Farmen bei Lord Watling für ein Steckenpferd ist!« sagte Mr. Fellowes, als das Tischtuch weggenommen wurde. »Ich ging letzten Sommer mit ihm über seine Farm zu Tetterley. Es ist wirklich eine Musterfarm, ausgezeichnete Milchwirthschaft, Weide und Weizenboden, und so prächtige Farmbaulichkeiten. Ein theures Steckenpferd indessen. Ich glaube, er setzt ein hübsches Stück Geld dabei zu. Er hat eine große Vorliebe für schwarzes Vieh und sendet seinen versoffenen alten schottischen Gutsverwalter jedes Jahr, mit Hunderten in der Tasche, nach Schottland, um solche Thiere zu kaufen.«

»Apropos«, sagte Mr. Ely, »wissen Sie, wer der Mann ist, dem Lord Watling die Bramhiller Pfründe verliehen hat?«

»Ein Mann Namens Sargent. Ich kenne ihn von Oxford her. Sein Bruder ist Anwalt und war Lord Watling in jener häßlichen Brounsellaffaire nützlich. Und deshalb erhielt Sargent die Pfründe.«

»Sargent«, sagte Mr. Ely, »ich kenne ihn. Ist er nicht ein prahlerischer, geschwätziger Gesell; hat Reisen in Mesopotamien geschrieben, oder etwas Derartiges?«

»Der ist es.«

»Er war einmal in Witherington, als Bagshawe's Vikar. Er kam dort in ziemlich schlechten Geruch, durch irgend einen Skandal wegen einer Liebelei, glaub' ich.«

»Da wir von Skandal sprechen«, erwiederte Mr. Fellowes, »haben Sie die letzte Geschichte über Barton schon gehört? Nisbett sagte mir neulich, daß er um Sechs mit der Gräfin allein dinirt, während Mrs. Barton in der Küche als Köchin fungirt.«

»Eine ziemlich apocryphe Autorität, dieser Nisbett«, sagte Mr. Ely.

»Ah«, sagte Mr. Cleves, mit einem gutmüthigen Augenzwinkern, »verlassen Sie sich darauf, das ist eine entstellte Lesart. Der Originaltext lautet, daß sie alle zusammen mit Sechsen diniren – mit sechs Kindern nämlich, und daß Mrs. Barton eine vorzügliche Köchin ist.«

»Ich wünsche, das Zusammenspeisen möchte das Schlimmste an der traurigen Geschichte sein,« sagte der Rev. Archibald Duke in einem Tone, der in sich schloß, daß sein Wunsch eine starke Redefigur war.

»Nun«, sagte Mr. Fellowes, sein Glas füllend und spaßhaft dreinschauend. »Barton ist sicher entweder der leichtgläubigste Mensch in der Welt, oder er hat irgend ein verborgenes Geheimniß – einen oder den andern Liebestrank, um sich in den Augen einer schönen Dame reizend zu machen. Wir können nicht alle Eroberungen machen, wenn unsre Häßlichkeit über ihre Blüthe hinaus ist.«

»Die Dame scheint ihn beim allerersten Angriff erobert zu haben«, sagte Mr. Ely. »Ich war bei Granby eines Abends sehr belustigt, als er uns die Geschichte von den Abenteuern ihres Gatten erzählte. Er sagte, ›Als sie mir die Geschichte erzählte, fühlte ich, ich weiß nicht was, – ich fühlte es von den Haarspitzen bis zur Fußsohle.‹«

Mr. Ely sprach diese Worte dramatisch, indem er des Rev. Amos' Feuer und symbolische Geberden nachahmte, und Jedermann lachte, ausgenommen Mr. Duke, dessen Ansicht der Dinge nach dem Mahle nicht zur Heiterkeit fähig war. Er sagte, –

»Ich denke, einige von uns sollten Mr. Barton Vorstellungen machen über den Wandel, den er verursacht. Er gefährdet nicht nur die eigene Seele, sondern auch die Seelen seiner Herde.«

»Verlassen Sie sich darauf«, sagte Mr. Cleves, »es gibt eine einfache Erklärung für die ganze Sache, wenn wir sie nur kennen würden. Barton hat mir immer den Eindruck eines rechtschaffenen Mannes gemacht, der die unglückliche Gabe hat, sich durch seine Handlungsweise selbst Unrecht zu thun.«

»Ei, ich konnte Mr. Barton nie gut leiden«, sagte Mr. Fellowes. »Er ist kein Gentleman. Er verkehrte stets auf vertrautem Fuße mit jenem scheinheiligen Prior, der vor kurzem starb; – ein Kerl, der sich in Spirituosen vollsoff und vom Evangelium durch die rothe Nase sprach.«

»Die Gräfin wird ihm wohl einen mehr verfeinerten Geschmack beigebracht haben,« sagte Mr. Ely.

»Nun«, bemerkte Mr. Cleves, »der arme Teufel muß einen harten Stand haben, bei seiner geringen Einnahme und großen Familie. Wir wollen hoffen, die Gräfin sorgt einigermaßen dafür, daß der Topf siedet.«

»Sie nicht«, sagte Mr. Duke; »es sind größere Zeichen von Armuth bei ihnen vorhanden, als jemals.«

»Na, sehen Sie«, erwiederte Mr. Cleves, der manchmal beißend sein konnte und durchaus kein Freund seines ehrwürdigen Collegen Mr. Duke war. »das spricht unter allen Umständen zu Barton's Gunsten. Er könnte ja arm sein, ohne Zeichen von Armuth zu verrathen.«

Mr. Duke wurde ziemlich gelb, was seine Art zu erröthen war, und Mr. Ely kam ihm zu Hilfe, indem er bemerkte, –

»Sie liefern ein hübsches Stück Arbeit an der Sheppertoner Kirche. Dolby, der Architekt, der die Sache in der Hand hat, ist ein sehr geschickter Mann.«

»Er hat auch die Coppletoner Kirche hergerichtet«, sagte Mr. Furneß. »Sie haben sie für die Visitation ausgezeichnet in Stand gesetzt.«

Diese Erwähnung der Visitation erinnerte an den Bischof, und eröffnete einen weiten Kanal, der den Strom des Tadels vollständig ableitete von jener engen Röhre – jenem Capillargefäß, dem Rev. Amos Barton.

Das Gespräch der Geistlichkeit über ihren Bischof gehört zu dem esoterischen Theil ihres Berufs; und so wollen wir sogleich den Speisesaal im Pfarrhaus zu Milby verlassen, damit wir nicht etwa Bemerkungen zu hören bekommen, die, dem Laienverstand nicht angemessen, vielleicht unserem Seelenfrieden gefährlich werden könnten.



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