Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Kapitel.

Mittlerweile hatte Mr. Gilfil, dem ein schwerer Stein auf dem Herzen lag, auf den Augenblick geharrt, da Caterina, nachdem die beiden älteren Damen ausgefahren, wahrscheinlich in Lady Cheverels Wohnzimmer allein sein würde. Er ging hinauf und klopfte an die Thür.

»Herein«, rief die honigsüße Stimme, die ihn immer durchfuhr, wie das Murmeln rieselnden Wassers den Durstigen.

Er trat ein und fand Caterina in einiger Verwirrung dastehend, als wäre sie aus einer Träumerei emporgeschreckt worden. Sie fühlte sich erleichtert, als sie sah, daß es Maynard war, aber im nächsten Augenblick war sie etwas verdrießlich, daß er gekommen war, sie zu stören und zu erschrecken.

»Oh, Sie sind es, Maynard! Suchen Sie nach Lady Cheverel?«

»Nein, Caterina«, antwortete er ernst; »ich suche Sie. Ich habe Ihnen etwas Besonderes zu sagen. Wollen Sie mich ein halbes Stündchen zu Ihnen setzen lassen?«

»Ja, Sie guter alter Prediger«, sagte Caterina, sich mit gelangweilter Miene niedersetzend; »was gibt's denn?«

Mr. Gilfil setzte sich ihr gegenüber und sagte: »Ich hoffe, Sie werden sich nicht verletzt fühlen, Caterina, durch das, was ich Ihnen sagen will. Ich spreche aus keinem andern Gefühl als wirklicher Zuneigung und Besorgniß für Sie. Ich lasse alles Andere aus dem Spiele. Sie wissen, daß Sie mir mehr sind, als die ganze Welt; aber ich will Ihnen kein Gefühl aufdrängen, das zu erwidern Sie unfähig sind. Ich spreche zu Ihnen als Bruder – der alte Maynard, der Sie vor zehn Jahren ausschalt, weil Sie Ihre Angelschnur verwirrten. Sie werden nicht glauben, daß ich irgend ein gemeines, selbstsüchtiges Motiv habe, wenn ich Dinge erwähne, die Ihnen schmerzlich sind?«

»Nein; ich weiß, daß Sie sehr gut sind«, sagte Caterina zerstreut.

»Aus dem, was ich gestern sah«, fuhr Mr. Gilfil fort, zögernd und leicht erröthend, »muß ich fürchten – bitte, vergeben Sie mir, wenn ich Unrecht habe, Caterina – daß Sie – daß Capitän Wybrow niedrig genug ist, mit Ihren Gefühlen sein Spiel zu treiben, daß er sich erlaubt, noch immer in einer Weise gegen Sie sich zu benehmen, wie es kein Mann thun sollte, der der erklärte Liebhaber einer anderen Frau ist.«

»Was wollen Sie damit sagen, Maynard?« sagte Caterina, welcher der Zorn aus den Augen flammte. »Glauben Sie, daß ich mir von ihm den Hof machen ließe? Welches Recht haben Sie, das von mir zu denken? Was wollen Sie gestern Abend gesehen haben?«

»Seien Sie nicht böse, Caterina. Ich argwöhne nicht, daß Sie etwas Unrechtes thun. Ich vermuthe nur, daß jener herzlose Laffe sich derart benimmt, daß er Gefühle in Ihnen wachruft, die nicht nur Ihren Seelenfrieden zerstören, sondern auch zu sehr schlimmen Folgen in Bezug auf Andere führen können. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß Miß Asher die Augen offen hält in Bezug auf das, was zwischen Ihnen und Capitän Wybrow vorgeht, und ich bin sicher, daß sie eifersüchtig auf Sie wird. Bitte, seien Sie recht vorsichtig, Caterina, und versuchen Sie es, sich höflich und gleichgültig gegen ihn zu benehmen. Sie müssen endlich sehen, daß er des Gefühls, das Sie ihm geschenkt, unwerth ist. Er ist mehr beunruhigt, wenn sein Puls einmal zu oft in der Minute schlägt, als über all das Elend, das er Ihnen durch seine thörichte Leichtfertigkeit verursacht hat.«

»Sie sollten nicht so von ihm sprechen, Maynard«, sagte Caterina leidenschaftlich. »Er ist nicht, was Sie denken. Er kümmerte sich einst um mich; er liebte mich einst; aber er mußte thun, was sein Onkel wünschte.«

»O gewiß! Ich weiß, daß er nur aus den tugendhaftesten Beweggründen das thut. was ihm selbst bequem erscheint.«

Mr. Gilfil hielt an. Er fühlte, daß er sich aufrege und so selbst seinen Zweck vereitle. Gleich darauf fuhr er in ruhigem und zärtlichem Tone fort:

»Ich will über das, was ich von ihm denke, nichts mehr sagen, Caterina. Aber ob er Sie liebte oder nicht, sein Verhältniß zu Miß Asher jetzt ist derart, daß irgend welche Liebe, die Sie für ihn nähren, zu nichts als Unheil führen kann. Gott weiß es, ich erwarte nicht, daß Sie augenblicklich aufhören, ihn zu lieben. Zeit und Abwesenheit und das Bestreben, zu thun was recht ist, sind die einzigen Heilmittel. Würden nicht Sir Christopher und Lady Cheverel mißvergnügt und bestürzt sein, wenn Sie Ihre Heimath gerade jetzt zu verlassen wünschten, so würde ich Sie bitten, meiner Schwester einen Besuch abzustatten. Sie und ihr Mann sind gute Geschöpfe und würden Ihnen ihr Haus zu einem Heim machen, aber ich könnte die Sache gerade jetzt nicht vorbringen, ohne einen besonderen Grund anzugeben: und was am meisten von Allem zu fürchten, ist das Auftauchen eines Argwohns in Sir Christophers Gemüth über das in der Vergangenheit Geschehene oder über Ihr gegenwärtiges Gefühl. Sie denken doch auch so, nicht wahr, Tina?«

Mr. Gilfil hielt wieder an, aber Caterina sagte nichts. Sie blickte von ihm weg, zum Fenster hinaus, und ihre Augen füllten sich mit Thränen. Er stand auf, und indem er sich ihr einige Schritte näherte, streckte er ihr die Hand entgegen und sagte:

»Vergeben Sie mir, Caterina, daß ich auf diese Weise mich in Ihre Gefühle eindränge. Ich fürchtete so sehr, Sie möchten nicht gewahren, daß Miß Asher Sie beobachtet. Erinnern Sie sich, ich flehe Sie darum an, daß der Friede der ganzen Familie von der Kraft Ihrer Selbstbeherrschung abhängt. Und sagen Sie mir, ehe ich gehe, daß Sie mir vergeben.«

»Lieber, guter Maynard«, sagte sie, ihre kleine Hand ausstreckend und zwei seiner großen Finger umspannend, während ihr die Thränen aus den Augen stürzten; »ich bin sehr wunderlich gegen Sie. Aber mir bricht das Herz. Ich weiß nicht, was ich thue. Adieu.«

Er beugte sich herab, küßte die kleine Hand und verließ dann das Zimmer.

»Der verfluchte Schurke!« murmelte er zwischen den Zähnen, als er die Thüre hinter sich schloß. »Wäre es nicht um Sir Christophers willen, ich möchte ihn zu Brei zerreiben, um junge Hunde, wie er selbst einer ist, zu vergiften.«



 << zurück weiter >>