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Einundzwanzigstes Kapitel.

Am 30. Mai 1790 bot sich den um die Kirchenthür zu Foxholm versammelten Dorfbewohnern ein hübscher Anblick. Die Sonne schien hell auf das thauige Gras, die Luft war belebt von dem Gesumme der Bienen und dem Gezwitscher der Vögel, die buschigen blühenden Kastanien und die lebendigen Hecken schienen sich in der Runde zu schaaren, um zu hören, warum die Kirchenglocken so lustig klangen, als Maynard Gilfil mit glückstrahlendem Gesicht, Tina am Arm, aus der alten gothischen Kirchenthür heraustrat. Tinas Gesichtchen war noch immer blaß, und es lag eine gedämpfte Melancholie darin, wie in dem Gesicht eines Menschen, der zum letztenmale mit Freunden speist und offenen Ohres des Zeichens wartet, das ihn wegrufen wird. Aber die winzige Hand ruhte mit dem Druck befriedigter Zuneigung auf Maynards Ann, und die dunkeln Augen begegneten seinem abwärts gerichteten Blick mit schüchterner, erwiedernder Liebe. – Es war kein Zug von Brautjungfern da; nur die hübsche Mrs. Heron lehnte an dem Arme eines brünetten jungen, zu Foxholm bis dato unbekannten Mannes und hielt an der andern Hand den kleinen Ozzy, der weniger über seine neue Sammetmütze und -Jacke als darüber frohlockte, daß er Tin-Tins Brautführer war.

Ganz zuletzt kam ein Paar, das die Dörfler noch viel neugieriger betrachteten als das Brautpaar: ein feiner alter Herr, der um sich sah mit scharfen Blicken, welche die bewußten Taugenichtse unter ihnen niederdrückten, und eine stattliche Dame in blau und weißem Seidenkleid, die sicher der Königin Charlotte gleichen mußte.

»Na, das ist, was ich ein Bild heiße«, sagte der alter »Mester« Ford, ein echter Staffordshirer Patriarch, der sich auf einen Stock stützte und den Kopf stark nach einer Seite geneigt hielt, mit der Miene eines Mannes, der wenig Hoffnung auf die gegenwärtige Generation setzte, aber ihr auf alle Fälle die Wohlthat seiner Kritik angedeihen lassen wollte. »Die jungen Männer heutzutage, sie sind arme weiche Dinger – sie sehen ganz gut aus, aber sie werden nicht aushalten, sie werden nicht aushalten. Da ist gar keiner, der den Kopf so trägt wie jener Sir Cris'fer Chuvrell.«

»Ich wett' Euch zwei Kannen«, sagte ein Anderer von den Älteren, »daß der Junge da, der mit des Pfarrers Frau geht, Sir Cris'fers Sohn ist – er sieht ihm ähnlich.«

»Nein, Ihr werdet das wetten mit Einem, der ebenso ein Narr ist wie Ihr seid; er hat gar keinen Sohn. Wie ich höre, ist es der Neffe, der ihn beerben wird. Der Kutscher, der im ›Weißen Roß‹ einstellt, sagte mir, daß noch ein anderer Neffe da war, ein viel schönerer Bursche noch wie der da, und der starb an einem Schlaganfall, ganz plötzlich, und so ist der Junge da auf den grünen Zweig gekommen.«

An der Kirchenthür stand Mr. Bates in einem neuen Anzug, bereit, Worte guter Vorbedeutung zu sprechen, als Braut und Bräutigam sich näherten. Er hatte den ganzen Weg von Cheverel Manor hierher gemacht, um Miß Tina wieder glücklich zu sehen, und würde in einem Zustand ungemischter Freude sich befunden haben, wenn nicht die Inferiorität der Hochzeitssträuße, im Vergleich zu dem, was er aus dem Garten des Manor hätte liefern können, gewesen wäre.

»Gott der Allmächtige segne Euch Beide, und sende Euch langes Leben und Glück«, waren des guten Gärtners ziemlich zitternde Worte.

»Ich danke Ihnen, Onkel Bates; erinnern Sie sich immer an Tina«, sagte die süße, tiefe Stimme, die zum letztenmale an Mr. Bates' Ohr schlug.

Die Hochzeitsreise war eine Route auf Umwegen nach Shepperton, wo Mr. Gilfil vor einigen Monaten als Vikar eingeführt worden war. Diese Pfründe war ihm durch die Verwendung eines alten Freundes verliehen worden, der einigen Anspruch auf die Dankbarkeit der Familie Oldinport hatte; und es war eine Genugthuung sowohl für Maynard als Sir Christopher, daß sich sobald in einiger Entfernung vom Manor ein Heim dargeboten hatte, wohin er Caterina bringen konnte. Denn man hatte es noch nicht für rathsam gehalten, daß sie den Schauplatz ihrer Leiden besuche, da ihre Gesundheit noch immer zu zart war, um zu dem geringsten Risico schmerzlicher Erregung zu ermuthigen. In einem oder zwei Jahren vielleicht, wenn der alte Mr. Crichlay, der Rektor von Cumbermoor, eine Welt der Gicht verlassen haben und Caterina sehr wahrscheinlich glückliche Mutter sein würde, konnte Maynard ruhig seinen Aufenthalt zu Cumbermoor nehmen, und Tina würde nichts als Zufriedenheit empfinden, wenn sie einen neuen »kleinen schwarzäugigen Affen« in der Gallerie und den Gärten des Manor auf und abrennen sähe. Eine Mutter fürchtet keine Erinnerungen – jene Schatten sind alle verschwunden vor dem Dämmerlicht eines Kindeslächelns.

In dieser Hoffnung und in dem Genuß der hingebenden Zärtlichkeit Tinas kostete Mr. Gilfil einige wenige Monate vollkommenen Glücks. Sie war dazu gelangt, sich ganz auf seine Liebe zu stützen und das Leben schön zu finden um seinetwillen. Ihre fortdauernde Schlaffheit und ihr Mangel an thätiger Theilnahme war eine natürliche Folge körperlicher Schwäche, und die Aussicht auf ihr Mutterwerden war ein neuer Grund, das Beste zu hoffen.

Aber die zarte Pflanze war zu schwer verletzt, und in dem Bemühen eine Knospe zu treiben starb sie.

Tina starb, und Maynard Gilfils Liebe ging mit ihr für immer zur ewigen Ruhe ein.



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