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Achtzehntes Kapitel.

Historiographie. Heiligenleben und Translationen Ostfranciens.

Es bleibt uns nur noch übrig, die Geschichte der Historiographie Vgl. Waitz, Ueber die Entwicklung der deutschen Historiographie im Mittelalter, in: Schmidts Zeitschr. f. Geschichtswissensch. Bd. 2, S. 39 ff. in diesem Zeitraume zu verfolgen, soweit wir sie nicht schon bei den einzelnen Autoren, deren literarischer Schwerpunkt auf andern Gebieten lag, bereits berührt haben; wir wollen also hier die Werke derer, die nur oder vorzugsweise Geschichtschreiber waren, im Zusammenhang betrachten.

Vier Hauptgattungen der Historiographie dieser Zeit können wir unterscheiden, von welchen drei auch in dem vorausgehenden Zeitraume sich vertreten finden. Die erste, die älteste in der christlich-lateinischen Literatur überhaupt, und die am meisten gepflegte, ist die Vita, die Lebensgeschichte, die seit Einhard in zwei Arten sich scheidet: erstens das 329 Heiligenleben, das noch immer und durch das ganze Mittelalter vorherrscht; von dieser Art haben wir schon manche Werke auch dieses Zeitraums gelegentlich betrachtet. Als eine besondere Species der Vita Sanctorum ist aber anzufügen die Translation, d. h. die Geschichte der Ueberführung der Gebeine der Heiligen, die gewissermassen eine Ergänzung der Vita ist, namentlich durch die Erzählung der Wunder, die von dem Heiligen nach seinem Tode ausgingen; die Translation erscheint daher nicht selten mit der Vita verbunden, aber auch ganz selbständig, wovon ein rechtes Beispiel im vorigen Buche die von Einhard verfasste lieferte. Die zweite Art der Vita ist die weltliche, politische Lebensbeschreibung, die erst mit der Vita Caroli Einhards wieder auftritt. Den Uebergang zu ihr von dem Heiligenleben bilden solche Vitae, die Geistlichen, beziehungsweise selbst Heiligen gewidmet sind, welche zugleich eine politische Rolle gespielt haben, wie die von Paschasius verfassten, welche wir oben bereits behandelten. Seite 236 ff. und 239 ff. Dergleichen Heiligenleben fanden sich ja auch schon viel früher, wie das des heil. Leodegar von dem Mönche von St. Symphorian. S. Bd. I, S. 577 f.

Die zweite Hauptgattung der Historiographie bildet die Geschichtschreibung des Jahrbuchs, die Annalen, und zwar einmal die des Reichs, dann die kleinerer Gebiete, in unserm Zeitraume nur von Bisthümern und Klöstern. Man kann, wie wir schon oben Seite 97 f. bemerkten, zwei Arten der Annalen unterscheiden, die erste ursprüngliche, die eigentlichen, welche Jahr für Jahr gleichzeitig mit den Ereignissen geschrieben werden, die zweite die Annalen im weiteren Sinne, welche auf Grund der ersten die Geschichte der näheren oder ferneren Vergangenheit von Jahr zu Jahr erzählen, und von demselben Verfasser fortgesetzt, auch wieder zu Annalen im engeren Sinne werden können. Mit der zweiten Art der Jahrbücher ist die Chronik identisch. – Diese zweite Hauptgattung der Historiographie kann sich mit der ersten vermischen, indem die Lebensgeschichte, sei es eines einzelnen, wie eines Königs, oder auch mehrerer, wie einer Reihe von Bischöfen oder Aebten, zur Chronik werden kann.

Die dritte Hauptgattung, in der vorigen Periode nicht 330 vertreten ist die Weltchronik, mit der Eusebius-Hieronymus den Anfang machte S. Bd. I, S. 199 ff.; die vierte endlich ist die Nationalgeschichte, wie im vorigen Zeitraume des Paulus Diaconus Langobardengeschichte.

 

Indem ich nun mit der ersten Hauptgattung beginne, gedenke ich zunächst der von mir noch nicht behandelten Heiligenleben dieses Zeitraums, die formell oder inhaltlich von Interesse sind; und beginne mit Ostfrancien. Einige schliessen sich an schon betrachtete an, insofern sie das Leben der Biographen derselben zum Gegenstand haben. Zu ihnen gehört sogleich eins der älteren, die Vita Eigilis , die Lebensbeschreibung jenes Abtes von Fulda, welcher selbst das Leben Sturms geschrieben. S. oben S. 104. Sie ist verfasst von Bruun, genannt Candidus Mabillon, Acta S. S. ord. S. Bened. saec. IV, pars 1, p. 217 ff. – – Wattenbach I, S. 189 f., der schon unter dem Vorgänger Eigils, Ratgar, in Fulda Mönch war. Von dem letzteren zu seiner weiteren Ausbildung zu Einhard gesandt, zeichnete er sich, eines solchen Lehrers würdig, nicht bloss als Gelehrter, sondern auch als Künstler aus. Wie er später unter dem Abte Raban als Magister an der Schule wirkte, so hat er auch die Absis des Grabs des Bonifatius gemalt. Er sagt beides selbst in der Vita metrica Eigilis, c. 17 Ende, in folgenden Versen:
        Quamque (sc. absida) egomet, quondam hac Christi nutritus in aula,
        Presbyter et monachus Bruun vilisque magister
        Depinxi ingenio tenui parvaque Minerva
        Formans expressi varios ferrugine vultus.
Auf Eigils Anregung hatte er das Leben Baugulfs, das leider verloren ist, geschrieben (§. 2). Denselben Dienst wollte er nun Eigil selbst, der ihm besondere Theilnahme geschenkt, leisten, als ihn Raban zu literarischer Thätigkeit aufforderte unter Hinweisung auf sein »in Prosa und Versen verfasstes Werk« über das heilige Kreuz. Dem gemäss behandelte Bruun auch die Vita Eigilis in zwei Büchern, das eine in Prosa, das andre in Hexametern, welche Bücher aber, wie er selbst in der Praefatio des ersten sagt, ein Werk bilden sollten, da auch das eine das andre ergänze; und dies ist in der That auch hier und da der Fall. So ist, obgleich im allgemeinen im 331 zweiten Buche nur wiederholt wird, was das erste in Prosa erzählt, die Beschreibung der Translation der Gebeine des Bonifatius dort (c. 17) weit ausführlicher, worauf auch in der Prosa in demselben Kapitel hingewiesen wird Mit den Worten: sicut in sequenti libro manifestissime continetur.; und so wird auch am Schlusse des zweiten Buchs, und damit allerdings des ganzen Werks ein Lob des Heiligen gegeben, das am Ende der Prosa fehlt. Andrerseits findet sich in der Poesie auch einzelnes weggelassen oder gekürzt. Wie dem ersten Buche eine prosaische Vorrede, geht dem zweiten eine in asklepiadeischen Versen verfasste voraus, in welchen beiden der Autor das Werk seinem Compresbyter Modestus widmet.

Diese Vita ist weit davon entfernt, ein gewöhnliches Heiligenleben zu sein. Sie ist namentlich in dem prosaischen Buche eine wichtige Quelle für die Geschichte des Klosters Fulda, welches damals von so grosser Bedeutung war. Diesem allgemeineren historischen Interesse wird von dem Verfasser besonders Rechnung getragen, der darin nur dem Beispiele seines Helden selbst in dessen Biographie Sturms folgt. S. oben S. 105. So wird die Wahl Eigils zum Abt, die allerdings nach dem auf die Absetzung Ratgars folgenden Interregnum von besonderer Wichtigkeit war, in dem Prosabuche so ausführlich erzählt, dass sie die Hälfte seines Raumes einnimmt. Die erregten Verhandlungen der Mönche unter einander vor der Wahl werden durch Mittheilung ihrer Reden auf das lebendigste geschildert, indem den verschiedenen Wünschen und Erwägungen in ihnen Ausdruck gegeben wird. Als aber nach der Wahl der neue Abt im Gefolge einer Schaar seiner Mönche dem Kaiser sich vorstellt, lässt der Autor den frommen Ludwig zwei lange Reden halten, in welchen derselbe die Mönche und den Abt an ihre Pflichten, namentlich auch die gegenseitigen, erinnert und dabei indirect eine Kritik des Regimentes des abgesetzten Ratgar gibt. Dass diese Reden auf wirklichen Ansprachen Ludwigs beruhen, zeigt der Verfasser selbst in dem Vorworte an: nur hat er letztere rhetorisch weit ausgesponnen und mit theologischer Gelehrsamkeit geschmückt. Auf diese Reden bezieht sich die Stelle im Vorwort, welche beginnt: In quibus (sc. libris) nimirum Ludovici serenissimi Augusti clementiam circa nos factam reverenter expressi, cuius commonitionem atque doctrinam etsi ita ut ab eo prolatae sunt, ad integrum explanare nequivi etc. Wattenbach scheint die Stelle nicht berücksichtigt zu haben, wenn er sagt: »Darauf versucht sich der Verfasser in langen Reden, die man nun einmal nach dem Vorbild des Alterthums als nothwendig betrachtete.« – Hierauf 332 gedenkt Candidus namentlich der bedeutenden Bauten, welche Eigil ausführen liess, genauer; selbst Alter und Kränklichkeit hielten ihn davon nicht ab. Theilte er so auch die Baulust seines Vorgängers, so verfuhr er doch dabei, ganz im Gegensatze zu ihm, durchaus im Einverständniss mit seinen Mönchen, mit denen der milde, gebildete Mann überhaupt in bester Gemeinschaft lebte. Sein reges wissenschaftliches Interesse hatten wir schon früher Gelegenheit zu erwähnen. S. oben S. 122.

 

Dies Feld der Geschichtschreibung hat noch besonders gepflegt ein andrer Fuldaer Mönch, der auch als Annalist sich hervorgethan hat. Es ist Rudolf, der auch ein Schüler des Raban war und in Fulda unterrichtete S. oben S. 179.; er wird bei seinem Tode 865 in den Fulder Reichsannalen als ein berühmter Gelehrter, namentlich Historiker, aber auch Poet bezeichnet Ruodolfus Fuldensis coenobii presbyter et monachus, qui apud totius pene Germaniae partes doctor egregius et insignis floruit historiographus et poeta, atque omnium artium nobilissimus auctor habebatur. Monum. Germ. hist. Script. I, p. 378.; doch haben sich keine Dichtungen von ihm erhalten; seine hervorragende wissenschaftliche Bildung aber wird durch seine historischen Werke bezeugt, denen auch mit Recht Reinheit und Klarheit des Ausdrucks nachgerühmt wird. So von Dümmler, Gesch. d. ostfränk. Reichs Bd. I, S. 877. In welche nahe Beziehungen er zu seinem Könige, Ludwig dem Deutschen, trat, werden wir weiter unten bemerken.

Rudolf verfasste zunächst, und zwar auf das Gebot seines »Abtes« Raban Schon hiernach lässt sich die Zeit der Abfassung ungefähr bestimmen, genauer aber noch dadurch, dass Rudolf hier der Translation der Gebeine der Lioba auf den Petersberg nicht gedenkt (c. 23), welche durch Raban 838 erfolgte. Er erwähnt sie dagegen in der sogen. Vita Rabani c. 47., das Leben der heil. Lioba, Aebtissin von 333 Bischofsheim an der Tauber. Vita S. Liobae in Mabillons Acta S. S. ord. S. Bened. Saec. III, pars 2, pag. 221 ff. – – Rettberg, Kirchengesch. Deutschl. II, S. 336 ff. Sie gehörte zu jenen gelehrten angelsächsischen Frauen, die Bonifatius zur Unterstützung seiner missionaren Thätigkeit nach Deutschland berief, um sie an die Spitze von Klöstern zu stellen; Lioba war dazu eine Verwandte von ihm, und stand zu ihm, wie schon die erhaltene Correspondenz beider zeigt S. epp. Bonif. 23, 91, 93, 97. von welchen der erste von Lioba, in Jaffé's Monum. Moguntina, Berlin 1866., in besonders naher Beziehung. Sie hatte den Schleier in dem Kloster Winbrunn in Britannien genommen, welchem die ausgezeichnete Aebtissin Tetta vorstand. Dieser als ihrer Erzieherin glaubt Rudolf zuerst ausführlicher gedenken zu müssen. Er erzählt dann, wie Lioba, schon bei ihrer Geburt der Kirche geweiht, in dem Kloster als junges Mädchen durch wissenschaftlichen Eifer und sittliches Streben die Liebe ihrer Oberen gewann. Und so musste sie denn ganz besonders berufen sein, die Wünsche des Bonifatius als Aebtissin zu erfüllen. In der That wurde ihr Kloster ein Pflanzstätte von Lehrerinnen ( magistrae) anderer in Deutschland (c. 11). Ihr gelehrter Ruf, ihre Tugenden und ihre liebenswürdige Persönlichkeit führten ihm immer von neuem Töchter der Edlen und solche Matronen, die aus dem Leben sich zurückziehen wollten, zu. Sie liebte dabei auch den Verkehr mit der Aussenwelt: so besuchte sie öfters das Kloster Fulda und den Hof Karls des Grossen, mit dessen Gemalin Hildegard sie sehr befreundet wurde. Im höheren Alter zog sie sich in ein Kloster bei Mainz zurück, wo sie nach einem letzten Besuch bei der Königin starb (wahrscheinlich 779). Sie wurde in Fulda bestattet, wenn auch nicht in demselben Grabe als Bonifatius, wie dieser gewünscht hatte, doch in seiner Nähe; später aber wurden ihre Gebeine in die neue Kirche und dann auf den Petersberg transferirt.

Im Eingange des Buchs erwähnt Rudolf seine Quellen; es sind Aufzeichnungen »ehrwürdiger Männer«, namentlich eines Mönches Mago, auf Grund der Mittheilungen von vier Schülerinnen der Heiligen, sowie mündliche Tradition: die Wahrheit dieser Berichte soll, wie Rudolf meint, nicht bloss durch die Ehrlichkeit ihrer Erstatter, sondern auch durch 334 die Wunder, »die bei den Gebeinen der Heiligen häufig zu geschehen pflegen«, gewährleistet werden. Nichts zeigt besser, wie fest Rudolf an diese Wunder glaubte, und welchen Werth er auf sie legte. Und so werden denn nicht bloss alle Mirakel, die Lioba im Leben wie nach dem Tode vollbrachte – und von denen sich manche sehr leicht natürlich erklären – von ihm ausführlich und mit besonderer Lebendigkeit erzählt, sondern er gedenkt auch solcher von ihrer Lehrerin Tetta.

So handelte Rudolf auch durchaus im Sinne seines Lehrers Raban, und musste daher ganz besonders zu der Abfassung eines Werkes berufen sein, in dem er sich die Aufgabe stellte, die Kräfte und Wunder zu beschreiben, die von den unter Raban in das Fuldaer Gebiet eingeführten Reliquien in der Neuzeit ausgegangen waren. – – scribere nitor virtutes et miracula quae Deus per sanctos suos modernis temporibus facere dignatus est, quorum sacri cineres, regionem nostram illati, quotidie fidelibus causa salutis existunt. c. 1. Es ist dies die sogenannte Vita Rabani . In Mabillons Acta S. S. ord. S. Bened., Saec. IV, pars 2, p. 1 ff. – Ingleichen im 1. Bd. der Opera Rabani. – Der Verfasser beginnt damit, in der Kürze zu zeigen, wie in den Zeiten Ludwigs des Frommen der Reliquienimport von Rom nach Francien in Schwung gekommen (wobei er auch der Einhardischen gedenkt), geht dann auf das Kloster Fulda über und seinen Abt Raban, von dem er namentlich rühmt, dass er viele Kirchen, vornehmlich in den Cellen Fulda's, gebaut habe, welche er durch von allen Seiten her gesammelte Reliquien geweiht hätte (c. 5 Ende). Dies war offenbar das Hauptmotiv von Rabans leidenschaftlichem Reliquiensammeleifer, den vollauf zu befriedigen durch die neue Industrie verschmitzter Italiener, sowohl Geistlicher als Laien, mit heiligen Gebeinen jenseits der Alpen zu handeln, nicht schwer war. Da hatte z. B. der aus der Einhardschen Translation bekannte Diacon Deusdona zu gleicher Zeit einen Schenkel und Fuss des h. Alexander, einen Arm des Felicissimus, ein Haupt der Concordia, einen Zahn des h. Sebastian u. s. w. zu verkaufen. Raban nahm alles, was er bekommen konnte; von irgendwelcher Beglaubigung oder einer Kritik der Aechtheit der Waare ist nirgends die Rede. Den versprochenen und angekündigten Reliquien wurde dann eine festliche Einführung oder auch aus grösserer Ferne eine feierliche Translation durch 335 entgegengesandte Boten zu Theil, unter denen sich ein paarmal auch Rudolf selbst befand, der dann als Augenzeuge von den Wundern, die sich auf dem Wege an dem Sarge begaben, berichten konnte. So c. 19 Ende: caetera (sc. miracula) vero, quae scripturus sum, ipse coram positus vidi, quia ex eis qui ad perferendos sacros cineres missi fuerunt, unus eram. Vgl. auch c. 34. Die Bestattung der Gebeine in den Kirchen und die ihnen von Raban gewidmeten Epigramme werden nicht minder sorgfältig von dem Verfasser erwähnt. Am Schlusse seiner Erzählung aber erklärt er, dass er noch nicht aller von Raban gesammelten Reliquien gedacht, dies jedoch geeigneten Orts später thun wolle (c. 49). Doch hiermit endet das Buch noch nicht, vielmehr kehrt Rudolf noch einmal zu Raban zurück, der als der Sammler der Reliquien gleichsam der Held der Erzählung ist, um zu berichten, wie derselbe nach 20 Jahren seine Abtwürde niedergelegt und sich nun ganz seinen Studien gewidmet; worauf er dann noch eine Liste seiner Werke bis zu diesem Zeitpunkte folgen lässt. Denn das grosse Werk De universo (s. oben S. 134) wird hier nicht erwähnt. Rudolfs Schrift ist aber später verfasst, wie schon in dem Satze, wo von der Zurückgezogenheit Rabans auf dem Petersberg die Rede ist, der Gebrauch des Imperfect zeigt: ibique manens ac deo serviens, coelesti philosophiae vacabat (c. 50 init.). Durch diese drei letzten Kapitel (50–52) erklärt sich denn auch der falsche Titel Vita Rabani, dem man dem Buche seit lange gegeben. Dasselbe enthält übrigens manches nicht bloss für die Biographie Rabans interessante, sondern auch sonst historisch denkwürdige.

Noch eine, und geschichtlich bedeutendere Translation Translatio S. Alexandri ed. Pertz in: Monum. German. histor. Script. T. II, p. 673 ff. übernahm Rudolf zu verfassen, und zwar auf den Wunsch des Translators selbst. Es war dies ein Enkel des berühmten Widukind, Waltbraht, welcher den unversehrten ( integrum) Leib des Märtyrers Alexander, Sohnes der Felicitas, im J. 851 von Rom als Geschenk des Papstes nach Wildeshausen gebracht hatte. Rudolf aber begann nur die Schrift, indem er bloss die Einleitung, welche zur Motivirung des Unternehmens des Waltbraht dient, verfasste. Durch den Tod wurde er an der Fortsetzung gehindert, worauf sein Schüler Meginhard die Schrift vollendete, wie uns dieser in einer Widmung an 336 den Priester Sunderolt, späteren Erzbischof von Mainz, berichtet. Waltbraht, der am Hofe Lothars erzogen, zu dessen Palatinen gehörte, ein frommer Mann, wünschte durch die Reliquien, die er vom Papste selbst erhielt und in seine Heimath schaffte, die zum grossen Theil noch immer im heidnischen Aberglauben befangenen Landsleute zur wahren Religion zu bekehren. Diesen Wunsch zu begründen, beginnt nun Rudolf die Schrift nach kurzer Andeutung der sagenhaften Herkunft der Sachsen, der Lage ihres Gebiets und ihrer Standesverhältnisse – wobei er die leibliche und sittliche Tüchtigkeit der Sachsen rühmt – mit einer Darstellung der heidnischen »Irrthümer«, in welchen sie befangen waren, um dann im dritten Kapitel zu berichten, wie sie von Karl dem Grossen allmählich besiegt, das Christenthum anzunehmen gezwungen wurden, und ihr Haupt Widukind selbst von Karl aus der Taufe gehoben wurde. Fast diese ganze Darstellung besteht aber nur aus wörtlichen Excerpten, in den beiden ersten Kapiteln aus Tacitus' Germania, in dem dritten aus Einhards Vita Caroli, c. 7. – Vom vierten Kapitel an schreibt schon Meginhard, der nun erzählt, wie Waltbraht sein Unternehmen mit der Unterstützung des Kaisers durchführte, der selbst den Papst um die Reliquien bat. Dieses Schreiben, sowie die Geleitsbriefe des Kaisers an seinen Sohn, den König von Italien, und die Primaten dieses Landes, werden hier wörtlich mitgetheilt. Die feierliche Uebergabe der Reliquien durch den Papst, sowie ihre Translation und die obligaten Wunder, die bei derselben und auch nachher von ihnen ausgingen, werden dann im herkömmlichen Stile erzählt.

 

Schon früher hatte aber eine andre Translation nach Sachsen stattgefunden, von der wir auch einen ausführlichen Bericht haben, welcher zu einem Büchlein von mannichfachem historischen Interesse erweitert worden ist. Es ist die i. J. 836 ausgeführte Uebertragung des heil.  Veit Translatio S. Viti in: Monumenta Corbeiensia ed. Jaffé. Berlin 1854. (Tom. I der Bibliotheca rer. germanicar.) pag. 3 ff. von St. Denis nach dem noch nicht lange gegründeten, für die Christianisirung Sachsens so wichtigen Kloster Corvey. Diese Uebertragung ist von einem Mönche des Klosters, der selbst an ihr Theil 337 nahm, ein Jahr darauf geschildert. Aber er, oder ein andrer hat sich mit diesem Berichte nicht begnügt Papebroch ( Acta SS. Iun. T. II) ist der letzteren Ansicht, indem er zwei Verfasser annimmt, der entgegengesetzten Jaffé, dem Enck, De S. Adalhardo, Münster 1873 (Dissert.) zustimmt. Ich halte, allein auf Grund der ganzen Darstellung, die Sache für zweifelhaft; für zweifellos dagegen dass der erste Abschnitt (bis »Anno 836« etc.) erst nach Abfassung des zweiten hinzugefügt ist, wie eine Vergleichung des Schlusses des ersten Abschnittes und des Anfangs des zweiten leicht zeigt., vielmehr hat derselbe zur gründlichen Motivirung eine Erzählung von der Stiftung des Klosters und auch eine Nachricht darüber, wie jene Reliquien nach Westfrancien gekommen waren, vorausgesandt. Ein Laie hatte sie dorthin aus Italien gebracht. Corvey aber war eine Pflanzung Corbie's: dessen berühmter Abt Adalhard S. oben S. 237 ff. hatte zuerst den Gedanken einer solchen gefasst, da unter seinen Mönchen Sachsen sich befanden, die in Corbie ihre Ausbildung erhalten hatten. Nach seiner Verbannung war auch von seinem Nachfolger im Verein mit Adalhards Bruder Wala der Versuch einer Ausführung des Planes gemacht, aber an einem wenig geeigneten Orte. Erst Adalhard selbst war es vorbehalten, nach seiner Rückkehr aus dem Exil die rechte Stätte in dem Gebiete von Höxter aufzufinden und das sächsische Kloster, das neue Corbeia, zu gründen (822–23), dessen erster Abt 826 Warin wurde. Vier Jahre später wurde der Abt von St. Denis, Hilduin, dorthin verbannt; er versprach dem Kloster die Reliquien des heil. Vitus. – Hiernach wird die Translation, die namentlich im Sachsenlande, wo dergleichen noch neu war, grosses Aufsehen machte Igitur post dies aliquot regnum Saxonicum introeuntes ac recto calle gradientes, veniunt in villam, quae Sosat vocatur, ubi maximam multitudinem Saxonum obviam habuerunt, adeo ut incredibilis numerus videretur utriusque sexus. p. 21., ausführlich erzählt mit allen den obligaten wunderbaren Heilungen, welche auch hier vornehmlich Blinde und Lahme betrafen. Bemerkenswerth ist, dass es doch auch nicht an Zweiflern fehlte, die sich, freilich ohne Erfolg nach unserm Autor, genauer erkundigten. Qua de re cum aliqui, ut solet in hac aetate, diffidentiam signi haberent et diligenter inquirerent nomenque ipsius percunctarentur, affuerunt plurimi vicini et cognati, qui eum a multo tempore claudum et in asello victum quaeritantem noverant. p. 19, vgl. auch p. 22. Noch gedenkt derselbe einiger Wunder, die sich 338 am Grabe des Heiligen in Corvey selbst in d. J. 836 und 837 zutrugen, um dann ohne einen äusseren Abschluss sein Werkchen zu endigen, so dass es scheint, als hätte er sich noch eine weitere Fortführung vorbehalten.

 

Eine recht gute Biographie fand der heil. Liudger, erster Bischof von Münster, den wir schon als Verfasser des Lebens des Gregor von Utrecht oben erwähnten; dieselbe ist von einem seiner Verwandten, der auch sein zweiter Nachfolger auf dem Bischofsstuhle war, Altfrid Vita Liudgeri auctore Altfrido ed. Pertz in: Monum. Genn. hist. Script. T. II, p. 403 ff. – – Wattenbach I, S. 199 f. – Rettberg Bd. II, S. 425 ff., auf den Wunsch des von Liudger gegründeten Klosters Werden geschrieben. Wie die an die Mönche desselben gerichtete Widmung zeigt, schrieb Altfrid als Bischof, also zwischen 839 und 849 (in welchem Jahre er starb), und zwar auf Grund von Mittheilungen von Augenzeugen, der nächsten Verwandten und Schüler des Liudger. – Die Biographie ist in drei Bücher – schwerlich aber von dem Verfasser selbst – eingetheilt, von welchen das erste das längste und interessanteste ist, dies bringt die eigentliche Lebensgeschichte, während das zweite die Wunder des Heiligen bei seinem Leben, zugleich mit einer Charakterzeichnung desselben (c. 6) und einer Schilderung seines Todes, das dritte aber die Wunder, die von seinen Reliquien ausgingen, enthält.

Ein besonderes Interesse hat schon die Vorgeschichte des Heiligen. Liudgers Grossvater, Wursing war ein edler Friese, der schon als Heide durch ein tugendhaftes Leben sich auszeichnete. Deshalb von dem Könige Radbod verfolgt, floh er zu den Franken, wo er mit seiner Familie zum Christenthum übertrat. Nach der Eroberung Frieslands durch Karl Martell erhielt Wursing dort ein Beneficium, um den heil. Willibrord in seinem Bekehrungswerke zu unterstützen, mit welchem er, wie später mit Bonifaz, sehr vertraut wurde. Liudger zeigte schon in kindlichen Spielen Liebe zur Wissenschaft (c. 8). Auf seine eigne Bitte übergaben den Knaben die Eltern dem 339 Gregor von Utrecht zum Unterricht. Als er herangewachsen, trat er in Gregors Kloster und nahm an der berühmten Schule desselben Theil. S. oben S. 107. Aber sein wissenschaftliches Streben ging noch weiter: nach York gesandt, lernte er Alcuin und seine Schule kennen, und verlangte nun, zurückgekehrt, diese besuchen zu dürfen, was ihm auch endlich von Gregor, der sich sehr ungern von ihm trennte, bewilligt wurde. Drei ein halb Jahr blieb er bei Alcuin, und nur ein zufälliger Umstand nöthigte ihn, denselben zu verlassen (c. 11). Liudger wirkte dann als Missionar an der Yssel, darauf, nach Gregors Tode, als Presbyter im Gau Ostrache, wo Bonifaz erschlagen worden Vgl. auch Vita Willehadi, c. 2., und zugleich drei Monate des Jahrs an der Utrechter Schule (c. 15). Aus seiner Pfarre nach sieben Jahren durch die Sachsen vertrieben, besuchte er Rom und Montecasino, wo er die Regel des h. Benedict kennen lernte. Nach seiner Heimkehr aber erhielt er von Karl dem Grossen fünf friesische Gaue zur Seelsorge – in welcher Stellung er seine missionare Thätigkeit auch auf Helgoland ausdehnte (c. 19) – später im Anfange des neunten Jahrhunderts auch das neu errichtete Bisthum Münster. So entfaltete Liudger als Lehrer wie als Geistlicher eine ganz ausserordentliche segensreiche Wirksamkeit.

Was nun die beiden von den Mirakeln handelnden Bücher betrifft, so interessirt uns nur der Eingang zu denselben, in welchem der Verfasser gesteht, dass der Dienst der evangelischen Predigt und die Erleuchtung vieler Herzen dem Wunder- und Zeichenthun allerdings vorzuziehen sei. Quamvis praeponendum sit ministerium evangelicae praedicationis et multorum illuminatio cordium operationibus miraculorum ostensionibusque signorum, ad honorem tamen largientis Domini stilo alligari fecimus, quae ab eodem sancto viro facta recolimus. l. II init. So werden denn die Mirakel gleichsam nur als Anhang gegeben. Auch hierin zeigt der Verfasser wieder die höhere Bildung, von welcher das erste Buch durch geschichtlich bedeutenden Inhalt wie klaren und einfachen Ausdruck das beste Zeugniss gibt.

 

Die wichtige Missionsthätigkeit im germanischen Norden, welche die Gründung der Bisthümer Bremen und Hamburg veranlasste, wird in zwei Vitae erzählt, die sich an den Namen 340 des ersten Hamburger Erzbischofs, Ansgar knüpfen, insofern er als der Autor der einen genannt wird und der Held der andern ist. Die erstere ist die Vita Willehadi Ed. Pertz in: Monum. German. hist. Script. T. II, p. 378 ff. – – Rettberg Bd. II, S. 451 ff. – Dehio, Geschichte des Erzbisthums Hamburg-Bremen bis zum Ausgang der Mission. Bd. I. Berlin 1877. S. 12 ff. und Krit. Ausführungen III., eines Northumbriers, Schülers des Alcuin, der, wie andre Angelsachsen, als Missionar nach Friesland kam im Anfang der siebziger Jahre des achten Jahrhunderts. Er wirkte dort mit sehr wechselndem Erfolg, indem das unbesonnene Vorgehen seiner Schüler wieder verdarb, was seine Predigt erreicht hatte, und ihn selbst in die grösste Lebensgefahr brachte. Nach etwa einem Decennium wurde Willehad von Karl dem Grossen zur Mission in dem sächsischen Wichmodesgau berufen. Aber seine Thätigkeit beendete dort bald der letzte Aufstand Widukinds: erst nach dessen Taufe konnte er zur Mission zurückkehren; Karl liess ihn jetzt in Worms selbst zum Bischof weihen. Seinen Sitz nahm Willehad in Bremen, wo er eine Kirche »von wunderbarer Schönheit« baute, und so kann man wohl sagen, dass dies der erste Anfang des Bisthums Bremen war. Willehad aber starb schon zwei Jahre danach, 789.

Diese Vita ist in schlichtem wohl ansprechendem Ausdruck geschrieben und nach 838 verfasst – denn es wird darin (c. 11) der Nachfolger Willehads, Willerich als verstorben erwähnt Vgl. Dehio I b, S. 51. – aber mindestens vor 860, der Translation des Heiligen in die neue Basilika durch Ansgar, da dieser Translation hier nicht gedacht wird, obgleich eine ihr vorausgehende, die durch Bischof Willerich geschah, doch Erwähnung findet. Am Schlusse der Vita beklagt der Verfasser, dass die vielen Wunder, die sich an dem Grabe des Heiligen, sowohl an der einen, wie an der andern Stelle, begeben hätten, nicht aufgezeichnet worden wären. Nur zwei wunderbare Ereignisse hätten in Bremen bisher die Glorie des Heiligen »göttlich offenbart«, nämlich dass sein Stab wie sein Kelch bei Feuersbrünsten unverletzt geblieben waren.

Dieser Vita folgt unmittelbar ein andres Büchlein, worin »die Virtutes et miracula des Heiligen, welche in der Kirche 341 Bremens sich begaben«, berichtet werden; es sind aber nur solche des Jahres 860 So muss man wenigstens annehmen, wenn die am Schluss erwähnte Translation in demselben Jahre stattfand., in welchem überhaupt, wie der Verfasser sagt, dieselben erst zu geschehen begannen. Es ist eine grössere Zahl von Heilungen, namentlich Blinder und Gelähmter, die alle mit Namen und Herkunft genannt werden. Am Schluss wird noch der durch den Verfasser C. 38: Verum nos, ne prolixior narratio onerosa fiat legentibus, haec et alia multa intermisimus – – Corpus autem ipsius sanctum – – nos cum maxima fidelium turma etc. in nova quam tunc dedicavimus, collocavimus basilica. vollzogenen Translation des Heiligen gedacht. Als Autor aber nennt sich in einem bevorwortenden Schreiben, worin die Mittheilung der Wunder gerechtfertigt wird, in ganz officieller Form Ansgar, Bischof von Bremen. Liegt nun hier keine Fälschung vor, so muss Ansgar der Verfasser dieses zweiten Buches sein, während in Betreff des ersten seine Autorschaft mindestens sehr unwahrscheinlich ist. Absolut unmöglich wäre sie nicht; es müsste dann Ansgar die Vita viel früher verfasst haben, als das andre Buch. Dass es ihm beigelegt wurde, erklärt sich leicht, da man schon frühe die beiden Bücher als ein Werk betrachtete. So Adam von Bremen, der allein Ansgar auch als Verfasser der Vita nennt, l. I, c. 33: Ipse enim qui transtulit, et vitam et miracula eius singulis libris comprehendit. Er sagt dies offenbar auf Grund des Schlusses des zweiten Buchs, wo die durch den Autor desselben vollzogene Translation berichtet wird. S. oben Anm. 2.

Ein weit bedeutenderes Werk ist das Leben des heil. Ansgar selbst Vita S. Anskarii ed. Dahlmann in: Monum. German. hist. Scr. T. II, p. 683 ff. – – Dehio a. a. O. S. 42 ff. Krit. Ausführ. VI–IX. – Dümmler, Gesch. des ostfränk. Reichs Bd. I, S. 562 ff., bald nach seinem Tode von seinem liebsten Schüler und Nachfolger in dem Erzbisthum Hamburg, Rimbert und einem Mitschüler desselben verfasst. S. Vita Rimberti c. 9, bei deren Behandlung wir auf Rimbert zurückkommen werden. Es ist den Mönchen von Corbie gewidmet. In die Schule dieses Klosters war Ansgar schon als fünfjähriger Knabe aufgenommen worden. Etwa im zwölften Jahre aber wurde er dort Mönch. Seine religiös extatische Natur gab sich schon frühe in Visionen 342 oder Träumen kund, in welchen seine erregte Phantasie ihm eine unmittelbare Leitung durch die Mächte des Himmels vorspiegelte. Sie kehrten ihm durch das ganze Leben wieder, wenn er in kritischen Lagen sich befand; durch sie wurde er in seinen Entschlüssen befestigt und mit Trost erfüllt. Eins dieser Traumgesichte, das er im dreizehnten Jahre hatte, wies ihm das ideale Ziel seines Lebens (c. 3). Der Tod Karls, des allmächtigen Kaisers, den er selbst in aller seiner Herrlichkeit gesehen, hatte ihn aufs tiefste erschüttert, indem er ihm die ganze Gebrechlichkeit des menschlichen Daseins zeigte. Nicht lange danach sah er im Traume sich gestorben und in die andre Welt versetzt; er stand die Qualen des Fegefeuers aus, dann aber kostete er die Seligkeit des Paradieses, und vernahm die Stimme Gottes, welche ihm zurief: Gehe und mit der Krone des Märtyrthums kehrst du zurück. – Ansgar aber verlor sich nicht im Mysticismus; er war wissenschaftlich so thätig und tüchtig, dass er bereits mit 15 Jahren vom Schüler zum Lehrer wurde, als welcher er sich vortrefflich bewährte. So war niemand mehr zum Missionar berufen, als er. Und für diese Laufbahn erhielt er nach einigen Jahren noch eine besondere Schulung. Er wurde nach dem neu gegründeten Corvey von Adalhard 823 mitgenommen Vgl. oben S. 337., um dort Vorstand der Schule zu werden; zugleich wurde er einstimmig zum Hauptprediger gewählt (c. 6).

Hier galt es nur, das Christenthum Neubekehrter zu kräftigen. Seine eigentlich missionare Thätigkeit aber begann er, als er den Auftrag Ludwigs des Frommen übernahm, den in Ingelheim getauften Dänenkönig in seine Heimath zu begleiten (826). Vier Jahre später folgte er einer andern Aufforderung Ludwigs nach dem fernen, unbekannten Schweden. Trotz aller Widerwärtigkeit im Beginne der Reise, indem kurz vor der Landung Seeräuber ihn seiner ganzen Habe, namentlich der kaiserlichen Geschenke für den schwedischen König und seiner für den Gottesdienst bestimmten Bücher beraubten, (c. 10), blieb der muthige, Gott vertrauende Mann seiner Sendung getreu, die denn auch in Schweden dem Christenthum Bahn brach. Schon war dort die erste Kirche gebaut (c. 11), als Ansgar nach anderthalb Jahren heimkehrte, um dem Kaiser 343 Bericht abzustatten. Dieser, über die Erfolge desselben hoch erfreut, nahm einen Plan Karls des Grossen wieder auf, und errichtete in Hamburg ein Erzbisthum, in welchem die nordische Mission ihre sichere Stütze finden sollte; er verlieh dies Ansgar, der auch in Rom das Pallium und die Ernennung zum päpstlichen Legaten erhielt. In der Schule des von ihm dann in Hamburg gegründeten Klosters suchte er vornehmlich Missionare auszubilden, indem er unter den Dänen und Wenden Knaben zu dem Zwecke aufkaufte (c. 15). Aber der Hamburger Wirksamkeit wurde ein trauriges Ende bereitet, als i. J. 845 dänische Piraten die Stadt überfielen und zerstörten. Ansgar konnte nur sein Leben und die Reliquien retten. Zwei Jahre später erhielt er dagegen von Ludwig dem Deutschen das Bremer Bisthum, mit dem danach auch Hamburg vereinigt wurde (c. 22). Nun nahm Ansgar mit neuem Eifer seine missionare Thätigkeit wieder auf, indem er selbst nach Dänemark und Schweden sich begab und durch die Macht seiner bedeutenden Persönlichkeit, der namentlich auch die Könige jener Länder sich nicht zu entziehen vermochten, das dort unterdessen fast wieder zerstörte Christenthum zu neuem Leben erweckte. Ansgar starb, 64 Jahre alt, 865.

Die merkwürdige Doppelnatur dieses Heiligen, der einerseits ein schwärmerischer Mönch war und das contemplative Einsiedlerleben über alles schätzte, wie er sich denn auch selbst als Bischof zeitweilig gern in die Einsamkeit zurückzog, der andrerseits aber die grösste Thatkraft zu entfalten vermochte und in der Wirksamkeit als Lehrer und Prediger unter den Heiden seine höchste Lebensaufgabe fand, – diese Doppelnatur spiegelt auch seine Biographie wieder, die uns ebensowohl alle seine Visionen, als seine wichtigsten Handlungen berichtet. Ja die ersteren werden von seinem Lieblingsschüler, dem er sie im tiefsten Vertrauen mitgetheilt, mitunter noch ausführlicher und eingehender erzählt. In ihnen musste sich ja nach seiner Anschauung die Bedeutung seines Helden am grössten und unmittelbarsten zeigen. Bieten diese Visionen kein andres als ein psychologisches Interesse, so sind dagegen die historischen Nachrichten, namentlich über die Verhältnisse des germanischen Nordens, die politischen wie religiösen, von unschätzbarem Werthe, der durch die Unbefangenheit der Darstellung und einen einfachen Ausdruck nur erhöht wird. 344

 


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