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Fünftes Kapitel.

Theodulf.

Noch einen Dichter aus der Zeit und dem Kreise Karls des Grossen haben wir zu betrachten, von dem uns Poesien, und sogar in grösserer Zahl, überliefert sind, obgleich auch von ihm manches verloren ist; es ist der Bischof von Orleans, Theodulf. Theodulfi Aurelianensis episcopi opera, J. Sirmondi cura et studio edita notisque illustrata. Paris 1646. 8°. Daraus, aber vermehrt, in: * Sirmondi opera, Tom. II. Paris 1696. fol. – Mabillon, Vetera Analecta. Paris 1675. T. I. p. 386 ff. – – Hauréau, Singularités historiques et littéraires. Paris 1861. – Rzehulka, Theodulf, Bischof von Orleans. (Dissert.) Breslau 1875. – Ebert, Kleine Beitrage zur Geschichte der karolingischen Literatur 1 u. 2. In: Berichte über die Verhandl. der königl. sächs. Ges. d. Wiss. 1878. II. S. 95 ff. – Dümmler, N. A. S. 242 ff. In ihm ist wieder ein anderer germanischer Stamm vertreten, denn er war ein Gothe, als welchen er selbst sich in seinen Gedichten bezeichnet. Opp. l. III, c. 1 und 3. Welches Land aber seine Heimath war, lässt sich nicht mit voller Sicherheit bestimmen, doch kann nur zwischen Septimanien und Spanien die Wahl sein. Ich habe mich für das letztere entschieden. Mit Hauréau p. 37 ff. und Simson, Jahrb. des fränk. Reichs unter Ludwig d. Fr. I, S. 114. – S. meine Motivirung a. a. O. S. 95 ff. Dass von Italien als Heimath gar nicht die Rede sein kann, habe ich dort auch gezeigt.

Auch Theodulf hatte offenbar durch seine ausgezeichnete Bildung sich Karl empfohlen. Den weiten Kreis seiner Studien bezeugen seine Gedichte, namentlich eines (l. IV, c 1), worin er die Autoren, welche seine Lieblingslectüre bildeten, aufführt: da gedenkt er denn neben den grossen Kirchenvätern und dem Encyclopädisten Isidor auch der Schriften der heidnischen Philosophen, die leider nicht mit Namen genannt sind, und 71 neben den angesehensten christlichen Dichtern Es sind Arator, Avitus, Fortunat, Juvencus, Paulin, Sedulius und »Rutilus«, die Form des letzten Namens ist durch den Vers geschützt; an Rutilius Numat. zu denken, verbietet schon der Umstand, dass derselbe nicht nur kein Christ war, sondern sogar als Feind der Christen in seinem Gedichte sich bekundet., unter welchen Prudentius, der metrische Künstler         Diversoque potens prudenter promere plura
        Metro, o Prudenti, noster et ipse parens.
, einen hervorragenden Platz erhält, der Grammatiker Pompeius und Donatus, sowie der Dichter Virgil und Ovid. Obgleich in den Versen der letzteren vieles Frivole ( frivola) sich finde, so sei doch auch sehr viel Wahres darin, unter falscher Hülle verborgen. Theodulf meint damit namentlich die Mythen, deren wahre Bedeutung erst die Philosophen aufgewiesen, nämlich durch die allegorische Erklärung, von der er dann Beispiele gibt. So weiss sich Theodulf nach dem Vorgang des Fulgentius S. Bd. I, S. 453. mit dem heidnischen Elemente der antiken Dichtung abzufinden. Und in der That verdankt er der letzteren nicht wenig. In ihm haben die klassischen Studien eine wahrhaft ästhetische Bildung gereift. Dies zeigt sich namentlich auch in seinem Sinn für die bildende Kunst. So liess er eine prachtvolle Kirche nach dem Muster der Achener Basilika zu Germigny bauen und auf das kostbarste im Innern ausschmücken, sowie andre restauriren; so liess er Handschriften der Bibel verfertigen, die noch heute als kalligraphische Musterstücke bewundert werden, und sie mit Bildern verzieren. S. Delisle, Les Bibles de Théodulfe in der Bibliothèque de l'Ecole des chartes XL. 1879, p. 5 ff. Aber dieser Kunstsinn erscheint nicht bloss im Dienste der Religion; der Bischof schmückte auch seine Tafel durch Aufsätze kunstvoller Werke, im symbolisch-allegorischen Stil der spätrömischen Zeit, um dem Geiste ebenso wie dem Leibe Nahrung zu spenden, wie er selbst in der Beschreibung eines solchen Tafelaufsatzes (der auch mit einem Tellurium verbunden war) sagt. Wie er antike Kunstwerke zu schätzen wusste, zeigt eine andre seiner Dichtungen. S. weiter unten S. 76.

72 Ein Mann von solcher Bildung und solchen Neigungen musste leicht Karl nahe treten. Von seinem Leben haben wir nur sehr lückenhafte Kunde. Dass er am Hofe Karls verkehrte, kann bei seiner genauen Kenntniss desselben nicht bezweifelt werden. Mindestens seit d. J. 788 Dümmler a. a. O. S. 241. stand er dem Bisthum von Orléans und der Abtei von Fleury – wozu noch die von St. Aignan kam – vor, um zum Nutzen der Kirche und des Staats eine bedeutende Wirksamkeit zu entfalten, und zwar ganz in dem Sinne der Bestrebungen Karls, die Sittlichkeit und Bildung des Klerus wie des Volks zu heben. Davon legt recht Zeugniss ab ein an die Presbyter seiner Parochie erlassenes Capitulare. Bei Sirmond l. l. p. 921 ff. Hier wird unter anderm den Geistlichen geboten die Predigt zur Belehrung des Volkes nicht zu vernachlässigen (cap. 28), und in Dörfern und Weilern ( per villas et vicos) Schule zu halten und mit Liebe und unentgeltlich, was besonders eingeschärft wird, die Kinder zu unterrichten (cap. 20). Auch die Klöster seiner Diöcese zu reformiren war er bemüht: so berief er zu dem Zweck nach Mici Mönche von Aniane, wo Benedict Wittiza damals eine Wiederherstellung des gesunkenen Mönchthums in Westfrancien mit Erfolg unternahm. S. über Benedict weiter unten im 5. Buche, wo die Vita desselben behandelt wird.

Eine solche öffentliche Wirksamkeit sowie offenbar auch der strenge Rechtssinn Theodulfs – der sich später auch in einer Aufsehen machenden Streitigkeit mit Alcuin bekundete – fanden eine besondere Anerkennung, als ihm i. J. 798 ein Amt des höchsten Vertrauens, das des Missus dominicus übertragen wurde. Auch wurde Theodulf von Karl berufen in dem Process des Papstes Leo und seiner Feinde in Rom 800 mit zu Gericht zu sitzen. Von dort brachte er dann das Pallium mit. Nach dem Tode Alcuins wurde er auch einer der ersten theologischen Beiräthe des Kaisers, wie er denn in einer denselben lebhaft beschäftigenden dogmatischen Streitfrage, über den Ausgang des h. Geistes, auf Befehl des Kaisers das Material zu ihrer Entscheidung aus den Kirchenvätern sammelte (in der Schrift De spiritu sancto ). Selbständiger 73 abgefasst ist von ihm eine andere, auch durch den Kaiser veranlasste theologische Gelegenheitsschrift: De ordine baptismi , welche aber ausserhalb des Bereichs unserer Aufgabe liegt.

Auch bei Ludwig dem Frommen stand Theodulf im Anfang der Regierung desselben in hohem Ansehen. So sandte ihn Ludwig 816 dem Papste Stephan V., als dieser zur Krönung kam, entgegen. Aber dies gute Verhältniss änderte sich bald vollkommen. Theodulf wurde der Theilnahme an der Verschwörung Bernhards von Italien angeklagt und Ostern 818 aller seiner Würden entsetzt und nach Angers in ein Kloster verbannt. Theodulf läugnete bis zu seinem Ende seine Schuld, obwohl er mit einem blossen Geständniss Begnadigung erkaufen konnte. Jene lässt sich allerdings weder mit seinem früheren Leben, noch mit seinen politischen Grundsätzen vereinen. Vgl. Simson, Jahrb. I, S. 114 f., 122, und 169 f. – S. auch weiter unten. So starb er 821 in der Gefangenschaft.

In formeller Beziehung, sowohl was den sprachlichen Ausdruck als die Versbildung betrifft, nimmt Theodulf unter den Dichtern jener Zeit wohl die erste Stelle ein. Wie hoch er in diesen Beziehungen geschätzt, und wie er noch im 10. Jahrh. als Autorität in Betreff der Quantität betrachtet wurde, zeigt Dümmler a. a. O. S. 241 f. Man sieht an ihm von neuem die besondere Befähigung des gothischen Stammes unter den Germanen, die romanische d. i. die überlieferte christlich lateinische Bildung sich anzueignen. In seinen Gedichten finden wir nicht mehr jene wörtlichen Entlehnungen, jene gehäuften Reminiscenzen aus den antiken Vorbildern, welche an die grammatische Schule erinnern. Freilich ein poetisches Genie ist auch Theodulf nicht, aber er besitzt ein Talent zu schildern, das, unterstützt von seiner formalen Begabung, manche hübsche lebendige Gemälde in seinen Versen entworfen hat. – Auch seine Dichtung schliesst sich zum grössten Theil an die des Fortunat an, wie sie denn auch gleich dieser fast durchaus in Distichen verfasst ist Wo im Folgenden das Metrum nicht angegeben ist, sind daher immer Distichen anzunehmen.; in jüngeren Jahren aber hat sich Theodulf auch den Prudentius zum Muster genommen. Dies war namentlich der Fall in einer grösseren didactischen Dichtung, von der sich aber nur 74 zwei Bruchstücke, das eine wie es scheint ein vollständiger Gesang, erhalten haben. Derselbe Liber V, carmen 3. Die Eintheilung der Gedichte Theodulfs in 6 Bücher (sowie auch gewiss grösstentheils die Anordnung derselben) ist ein Werk Sirmonds wie er in der ersten Anmerkung zu diesem Gedichte l. l. p. 1101 selbst sagt. Die Verszählung Sirmonds, sei hierbei erwähnt, bezieht sich immer auf das Buch, nicht auf das einzelne Carmen., eine Ermahnung an die Priester, insonderheit die Bischöfe, bezeichnet sich selbst als viertes Buch, und deutet im Eingang, wenn auch nur dunkel, den Inhalt der drei vorausgehenden an, die an alle Welt gerichtet sein sollten: danach scheint das erste Buch von der Offenbarung und den Thaten Christi Auf dieses Buch bezieht sich wohl das in den Versus Fiduciae (Zeitschr. f. deutsch. Alterth. N. F. V, S. 143) dem Theodulf gezollte Lob: Teudulfus rutilat mire de arte Iuvenci., das zweite von den Strafen und den Belohnungen der Ewigkeit gehandelt zu haben, indem Himmel und Hölle sich da beschrieben fanden, während dagegen »das dritte den Krieg mit dem furchtbaren Volke zu führen lehrt und die Genossen mit dem möglichen Beistand ausrüstet.« Hier scheint der Kampf mit den Lastern gemeint zu sein, den wir in dem längeren Bruchstücke eines andern Gesanges Theodulfs Ich sage »Gesanges« d. i. Theils einer grösseren Dichtung, dafür spricht das letzte Distichon (u. vgl. v. 362 f). Ging auch in der Handschrift, wie man vermuthen möchte, dies Carmen dem vorher betrachteten voraus, so würde dies die auch schon von Sirmond aufgestellte Ansicht dass wir in demselben das 3. Buch der erwähnten Dichtung besitzen, wohl zur Gewissheit erheben. (l. V, c. 2) in der That wiederfinden. Derselbe behandelte, wie sich aus einem Rückblick darin (v. 364 ff.) ergibt, die sieben Laster: gula, moechia, fraus, avaritia, invidia, tristitia und ira , und als ihren Anführer die superbia , wie ja auch zugleich mit der letztern acht bei den Asketen unterschieden werden So bei Cassian Coenob. instit., s. Bd. I. S. 334, nur erscheinen hier statt fraus und invidia acedia und cenodoxia.; aber das erhaltene Bruchstück beginnt erst mit der tristitia . Gegen diese Feinde, durch welche Satan das Menschengeschlecht sich unterwirft, hat Gott aber diesem in den entgegengesetzten Tugenden Waffen gegeben, gleich einem weisen Arzte der durch das Gegentheil heilt; diese Tugenden sind: ieiunia, pudicitia; der avaritia gegenüber operatio dandi; ferner dilectio domini et fratrum; 75 die tristitia bekämpft brüderlicher Zuspruch, Gebet und die Bibel, ira patientia, superbia das Beispiel Christi, die Furcht vor der Strafe und die hehre Liebe. Das Mittel gegen die fraus aber fehlt. Der Einfluss der Psychomachie des Prudentius ist leicht zu erkennen, aber er erstreckt sich weniger auf Einzelheiten. Obgleich diese Dichtung ein Jugendwerk Theodulfs ist, das er noch als Diacon verfasste S. l. V c. 3 v. 450 ff und vgl. Hauréau l. l. p. 45., zeigt er doch darin schon seine Begabung, so ist u. a. die sehr eingehende Schilderung der sündhaften tristitia vortrefflich. Trotz mancher Schwächen des Ausdrucks. S. z. B. v. 134 ff.
        Est et ei (tristitiae) sine clade dolor, sine nomine moeror,
            Intima sed cordis nubilus error habet.
        Hanc modo somnus habet, modo tarda silentia prensant;
            Ambulat et stertit, murmurat atque tacet.
        Somniat hic oculis residens ignavus apertis,
            Nilque loquens sese dicere multa putat.
        Actus hebes, secessus iners, oblivia pigra
            Sunt, et nil fixum mente vel ore vehit.
        Ut ratis in pelago, cui non est navita, certa
            Ad loca nulla volat, sed vaga oberrat aquas.

Eine andre grössere didactische Dichtung Theodulfs, welche 956 Verse in Distichen zählend das ganze erste Buch der Sirmondschen Ausgabe einnimmt, gehört zu den bedeutendsten und bekanntesten Werken desselben. Sie ist als eine Frucht seiner Thätigkeit als Missus i. J. 798 zu betrachten, wie denn auch dieser Mission darin ausführlich gedacht wird, nur hat die Dichtung dieselbe keineswegs allein zum Gegenstand: vielmehr ist sie eine Ermahnung an die Richter überhaupt und daher nicht mit Unrecht: Paraenesis ad iudices vom ersten Herausgeber betitelt worden. Nämlich von Petrus Daniel (Paris 1598) dem dann Sirmond folgte. Der Titel: Contra iudices , den zwei Codd. bieten, entspricht dem Charakter der Dichtung weniger. Nach einigen allgemeinen Ermahnungen der Richter zur Gerechtigkeit, Milde und Unbestechlichkeit, wobei denn auf Vorbilder und Aussprüche des Alten Testamentes hingewiesen wird, berührt der Dichter die Habgier, die er oft an den Richtern zu tadeln Veranlassung fand (v. 87 ff.): da möge dann mancher von ihnen, meint er, denselben Fehler ihm zugetraut haben. (Man sieht daraus recht wie allgemein verbreitet er damals war). Aber von diesem 76 wenigstens wisse er sich frei: und hier (v. 99) fügt denn der Dichter die Erzählung von seiner Sendung als Missus ein, die also die damals herrschende Bestechlichkeit der Richter und die eigene Unbestechlichkeit erhärten soll. Diese Erzählung, welche bis zu v. 291 sich erstreckt, bildet die interessanteste Partie des Gedichts. In Gemeinschaft mit dem »zukünftigen« Bischof von Lyon, Laidrad als Collegen wird von Theodulf die Fahrt unternommen, deren Aufgabe und Gebiet kurz bezeichnet werden. Narbonne, Arles, Marseille bilden die Hauptstationen. Vornehmlich wird erzählt, welche Versuche sie zu bestechen gemacht wurden, von den Geringen wie von den Grossen; denn keiner glaubt etwas zu erreichen, wenn er nicht gibt (v. 254). Kulturgeschichtlich sehr beachtenswerth sind die Geschenke, die man verspricht oder anbietet. Sie zeigen unter anderm den regen Handelsverkehr Südfrankreichs mit dem moslemischen Spanien. Nicht bloss arabische Goldmünzen, sondern auch Tücher ( pallia) und Cordovanisches Leder werden namentlich aufgeführt. Aber bei den gelehrten Prälaten versuchte man sein Glück auch mit Antiquitäten. Eine prachtvolle Vase, die Theodulf ausführlich mit dem Interesse des Kenners beschreibt (v. 179 ff.), wird ihnen heimlich durch Vermittlung ihres Dieners angeboten. – Nach dieser Digression – und als solche bezeichnet Theodulf selbst die Erzählung von seiner Sendung V. 291 f.:
        Quae errabunda meos paulo est digressa per actus,
            Ad coeptum redeat nostra Camoena melos.
– kehrt er dann zu seiner Ermahnung der Richter zurück. Die Unbestechlichkeit soll ihnen auch nicht erlauben für gerechtes Urtheil Geschenke zu nehmen. Das Recht soll nicht verkauft werden. Der Dichter lässt die Vernunft selbst an die habgierigen Richter eine Standrede halten (v. 338 ff.). Darauf gibt er specielle Vorschriften, wie der Richter um recht zu urtheilen verfahren soll: so soll er durch Gebet sich vorbereiten, frühe am Morgen in gehöriger Nüchternheit seine Thätigkeit beginnen u. s. w. Er warnt ihn vor der Superbia, die er unter dem Bilde Lucifers malt (v. 459 ff.)         Torva oculis, horrenda manu, foedissima rictu,
            Vipereumque caput corpus et omne tumens,
        Mens tumcfacta cui, levis actio, turgida vox est,
            Cui cibus et potus atra venena manent,
        Pro gressu saltus, pro plantis pinna volucris,
            Remige quo labi quivit ab axe poli,
        Et memor antiqui sceleris super aethera facti,
            Utens arte sua qua petit ima Stygis:
        Qua te sublimem, qua celsum sibilet intus,
            Plebibus ut misci dedecuisse putes etc.
und ermahnt ihn zur Leutseligkeit, zur besonderen Berücksichtigung der Armen, Wittwen und Waisen. 77 Aber nicht bloss Humanität, auch Salomonische Weisheit und Menschenkenntniss soll der Richter besitzen, wie für einzelne Fälle gezeigt wird. Noch wird von der Ueberwachung der Anwälte und der eigenen Beisitzer, von der Zeugenvernehmung, dem Eide, sowie der Verhängung der Strafen, wobei vor Grausamkeit gewarnt und zur Milde ermahnt wird, gehandelt. So wird ein lebendiges Bild des damaligen Gerichtswesens mit vielen merkwürdigen Einzelheiten S. z. B. v. 420 ff. gegeben, welches zugleich die humane Gesinnung und Bildung unseres Dichters im hellsten Lichte erscheinen lässt. Auch der Schluss der Dichtung bekundet dieselbe: anhangsweise nämlich (v. 891 ff.) legt der Dichter noch ein beredtes Wort für die Armen und Bedrückten überhaupt ein, indem er die Reichen und Mächtigen daran erinnert, dass jene gleich ihnen Menschen und ihre »Nächsten« sind.

Wir besitzen noch ein kleineres didactisch-beschreibendes Gedicht Theodulfs (von 114 V.), das inhaltlich von besonderem Interesse ist (l. IV, c. 2). Es wird darin ein Bild, welches die sieben freien Künste darstellte, beschrieben, wohl das älteste von dem wir aus dem Mittelalter Nachricht haben. Ein späteres Bild von andrer Composition und Ausführung ist uns aus dem Hortus deliciarum der Herrad von Landsperg erhalten; s. bei Engelhardt, Herrad v. Landsp. Stuttgart 1818. Tafel VIII. Ein Baum war dargestellt: an seiner Wurzel sitzt die Grammatik, also »andeutend dass sie ihn erzeugte und halte.« Von ihr geht der ganze Baum der Wissenschaft aus. Sie hält in der Linken eine Geissel, die Trägen anzutreiben, in der Rechten ein Messer, um die Fehler auszuradiren. Den Kopf aber schmückt ein »Diadem«. Sensus bonus und Opinatio stehen ihr zur Seite. Von dem graden Stamme des Baumes gehen Aeste aus: den rechten haben Rhetorik und Dialektik 78 inne. Die erstere hat ein geflügeltes Löwenhaupt, um die Macht der Beredsamkeit und den leichten Flug der Worte zu bezeichnen; auf der ausgestreckten Rechten trägt sie eine gethürmte Stadt. Während die Rhetorik aber redend steht, sitzt die Dialektik, nicht weit von ihr, lesend, eine Schlange umwindet ihren Leib. Logik und Ethik, die nicht weiter beschrieben sind, folgen dann auf dieser Seite, der letzteren schliessen sich die vier Cardinaltugenden an, Prudentia mit einem Buche, Fortitudo als gewappneter Krieger, Justitia mit Schwert und Palme, Wage und Krone, und Temperies, welche Zügel und Geissel führt. Weiter hinauf auf dem Baume, wahrscheinlich auf der andern Seite, befanden sich Arithmetik Bei ihr wird auch der Physik gedacht, aber in einer mir unverständlichen Weise:
        Arboris at magnae sursum tendebat imago,
            Ibat et in celsum stips bene rectus ei,
        Quem numerorum ulnis ars amplexata tenebat:
            Stare videbantur ramo in utroque pedes.
        Ista manus numeros retinebat, et illa volumen,
            Quam constat matrem, Physica, inesse tuam.
(?) v. 125 ff.
, Musik die Lyra spielend, Geometrie mit Radius und Rotula         Et radius teretem metitur comminus orbem,
            Aetherias zonas et rota quinque tenet.
v. 139 f.
, und hoch über allen Astrologie, die einen Himmelskreis mit Sternbildern über ihr Haupt erhebt.

Kleinere moralisirende Gedichte, namentlich im Anschluss an Bibelsprüche, hat Theodulf nicht wenige verfasst (s. vornehmlich l. VI.), auch ein längeres Gedicht (l. II, c. 1, 1250 V.) über den Inhalt und Werth der Bibel, das er einer noch erhaltenen kostbaren Abschrift derselben, die er anfertigen liess, voraussandte: auf diese Gedichte hier näher einzugehen haben wir aber keine Veranlassung. Eins (l. VI, c. 5) zeigt die für jene Zeit grossen geographischen Kenntnisse unsers Autors. Interessanter sind einige rein beschreibende oder erzählende Gedichte: so jenes (l. IV, c. 3), das den Tafelaufsatz beschreibt, welchen Theodulf selbst hatte anfertigen lassen; ferner drei Gedichte, die er in der Gefangenschaft verfasst und an Bischof Modoin gesandt hat, welche merkwürdige Naturerscheinungen zum Gegenstand haben. Das eine (l. IV, c. 6) erzählt in recht launiger Weise das plötzliche 79 Austrocknen der Sarte bei Le Mans im Februar 820 – ein ähnliches Thema hat auch einmal Fortunat behandelt S. Bd. I, S. 505.; die beiden andern Gedichte (IV, c. 7 u. 8) schildern zwei Schlachten, die sich Heere von Vögeln lieferten (für welche Erzählungen Theodulf selbst seine Gewährsmänner anführt). Die eine soll im Gebiet von Toulouse stattgefunden haben; nachdem viele Vögel getödtet, sei das eine Heer nach Norden zurückgegangen: die andre begab sich an den Ufern der Saone und Rhone, wo Habichte und Kapphähne als Vorkämpfer erscheinen; hier erinnert der Dichter an die Bürgerkriege Roms, und ahnt in diesen wunderbaren Kämpfen Vorzeichen der Zukunft. Die Schilderung ist trefflich, leicht und lebendig. Hier sei angemerkt, dass l. III. c. 10 ein kleines Fragment eines Itinerar (30 Hexameter) sich findet. Ob wirklich von Theodulf? Die Reise berührt hier Limoges und Perigueux.

Die Persönlichkeit Theodulfs und zum Theil auch seine dichterische Begabung tritt uns aber am bedeutendsten in seiner Epistelpoesie entgegen, die auch er gleich den andern Dichtern jener Zeit mit Vorliebe gepflegt hat. Unter diesen Episteln sind einige seiner anziehendsten und schönsten Gedichte, die auch neue Seiten seines Talents und seines Charakters zeigen. Den Vorrang verdient ein längeres Gedicht an Karl den Grossen (l. III, c. 1, 244 V.), welches uns auf das lebendigste mitten in die Gesellschaft seines Hofes einführt, zu der Zeit als diesem ein besonderer Glanz noch verliehen wurde durch die eben dort eingetroffene reiche Beute des Avarenkriegs 796. Der damals abwesende Dichter schildert hier das Leben in der Pfalz, wie er es sich im Geiste nach seinen Erinnerungen aus früherer Zeit ausmalt. Mit einem schwungvollen Triumphgesang auf Karl, der nun auch die Hunnen unterworfen, hebt die Dichtung an. Sein Lob, das der ganze Erdkreis singt, ist unermesslich. Die neue Eroberung ist dem Dichter eine Erweiterung des Reiches Gottes, und wie die Avaren zu dem Christenthum bekehrt werden sollen, so auch die Araber, die, nicht minder grausam und trotzig, von Karl einst noch besiegt vor ihm sich beugen sollen; auch Cordoba soll seine seit lange gesammelten Schätze ihm zu Füssen legen. So werden die schon ein Jahr danach beginnenden spanischen Feldzüge 80 vorausgesagt, welche schliesslich die Eroberung von Barcelona krönte. – Der Dichter erzählt dann in allem Detail, wie nach Beendigung des Rathes und des Gottesdienstes zum festlichen Mahle in der Hofburg geschritten wird, wie dem Könige die Söhne Mantel, Handschuhe und Schwert abnehmen, und die Töchter unter Küssen Blumensträusse überreichen. An sie schliesst sich Liutgarde, die zukünftige Gemalin Karls an, deren Schönheit, Leutseligkeit, Freigebigkeit, sowie gelehrte Bildung hier hoch gerühmt werden. Auch die fromme Schwester Karls, Gisela wird bei seinem Empfange erwähnt. Nachdem dann der Ankunft der Grossen, der Geschäftigkeit des Hofmarschalls, des Tischgebets des Erzcapellans gedacht ist, werden uns die bedeutendsten Persönlichkeiten der Tafelrunde Karls vorgeführt, vor allem die Gelehrten, an ihrer Spitze Alcuin, der auch hier, wie schon früher erwähnt S. oben S. 14., den Ton angibt, dann der gelehrte Kanzler Erchanbald, darauf der »Schotte« (vielleicht der Grammatiker Clemens), den mit beissendem Spott Theodulf auch sonst verfolgt, und ein Gegner desselben, der geschäftige kleine, aber grosssinnige Einhard. Fein und schön ausgedrückt, v. 155 ff.:
        Nardulus huc illuc discurrat perpete gressu,
            Ut formica, tuus pes redit itque frequens;
        Cuius parva domus habitatur hospite magno,
            Res magna et parvi pectoris antra colit.
Alle werden mit Witz und Laune geschildert. Am Schlusse der Tafel, bei welcher Wein und Bier nicht gespart wird, werden Gedichte Theodulfs selbst vorgelesen, die ein starkknochiger Kriegsmann, dem das Haupt schon schwer ist, verwünscht, der boshafte Schotte aber, über den der Dichter hier einen ganzen Hagel von Sarkasmen ergiesst, bald hierhin bald dorthin sich wendend, recensirt.

Noch eine Epistel Theodulfs an Karl besitzen wir (l. III, c. 6), welche den »König« als den Schirm und Trost des Klerus preist, durch ihn besitzen die Bischöfe die geheiligten Rechte, wie dies der Papst Leo selbst erfahren: und hiermit geht Theodulf auf das bekannte Attentat ein. Die bedeutende Stellung, die Karl der Kirche gegenüber einnahm, tritt recht offen in diesem Gedichte hervor: wie Petrus die Schlüssel 81 des Himmels, so soll Karl, sagt Theodulf, die der Kirche führen. Auch an die Königin Liutgard (l. III, c. 5) und an Karls Sohn, Karl (l. VI, c. 25) finden sich Episteln, die aber nicht von Bedeutung sind, sowie an Ludwig den Frommen (l. VI, c. 26), worin der Dichter ihn als Kaiser begrüsst. Dies Gedicht ist in Sirmonds Ausg. mit Unrecht: » Ad Carolum imperatorem« überschrieben, wohl von dem Herausgeber selbst. – Das » Caesar fortissime nate« des viertletzten Verses zeigt klar, dass es an Ludwig und zwar als Mitregenten seines Vaters gerichtet, vielleicht zur Beglückwünschung seiner Ernennung zum Mitkaiser verfasst ist. Uebrigens findet sich auch die richtige Adresse in dem Cod. Harleian. S. Zeitschr. f. deutsch. Alterth. N. F. IX, S. 84 (letzte Zeile). Interessanter sind eine an Benedict von Aniane (l. II, c. 6) Unrichtig Ad monachos S. Benedicti überschrieben., worin Theodulf um eine zweite Sendung von Mönchen nach Mici bittet, und eine andre an seine »Brüder«, welche für ihm dargebrachte Gedichte dankt und zu weiteren Studien die Jünglinge ( pueri) auffordert (l. II, c. 13). In diesem Gedicht (das zu mancher Frage auffordert) wird auch des Grammatikers von Orleans, Wulfin, als Lehrers der Pueri in der Metrik gedacht. Auch ein Begleitbrief zu einem Hochzeitsgeschenk, einem kostbaren Psalter, an eine »Tochter« (offenbar im geistlichen Sinne Obgleich man meist das Gegentheil angenommen hat. S. darüber Rzehulka S. 11 ff.) Gisla, der ihr die Pflichten einer guten Hausfrau einschärft, ist bemerkenswerth (l. III, c. 4).

Von besonderem literargeschichtlichem Werth sind dagegen inhaltlich wie formell die folgenden Episteln. Eine (l. III, c. 3) bezieht sich auf den Dichterhof Karls und ist fast durchaus satirisch, leider wegen der mannichfachen persönlichen Anspielungen, auch einzelner sonst nicht bekannter Verstecknamen grossentheils unverständlich. Theodulf verspottet zunächst hier die vielen Dichterlinge unter dem Bilde von Vögeln, und das ganze Gedicht ist, wie der Schluss zeigt, an einen jungen »Raben« gerichtet Das Gedicht ist ganz mit Unrecht: Ad Angilbertum überschrieben. Das » vatis Homere« im sechsten Vers ist nur ein rhetorischer Imperativ, wie ihn Theodulf gar nicht selten gebraucht., was vielleicht zu dem Bilde die Veranlassung gab: denn dieser corvulus , der schliesslich Corvinianus genannt wird, kann wohl niemand anders als Alcuins 82 Schüler, Raban sein. S. meine oben S. 70 Anm. 1 citirten Kl. Beiträge zur caroling. Lit. 2. – Vielleicht ist unter dem Psittacus, von dem es v. 6 heisst: varias imitatur voce camoenas, Commaculans musas, vatis Homere, tuasNaso zu verstehen. Auch hier wird mit Ehren der Töchter Karls, namentlich ihrer musikalischen Talente gedacht (v. 313 ff.), und andrerseits wieder der Scotus als sottus und coltus verhöhnt (v. 341 ff.). Doch auch viele andre trifft hier der Witz unseres Dichters, welcher auch in dem leichten spielenden Ausdruck dieses Gedichts seine geistige Ueberlegenheit und die Höhe seiner formalen Bildung zeigt. – Einen ganz andern, aber nicht minder bedeutenden Eindruck machen ein paar Episteln, die Theodulf im Gefängniss verfasst hat. Die eine (l. IV, c. 4) ist an den Erzbischof von Bourges, Aiulf gerichtet, der, wie es nach diesem Schreiben scheint, Theodulfs Schüler gewesen war. Unser Dichter rühmt ihn zunächst, dass er die Verheissungen der Jugend erfülle; seine gelehrten Studien würden ihm jetzt als Bischof auch zu statten kommen, namentlich für die Predigt; andre gute Lehren für die Verwaltung seines hohen Amtes – das ihm wohl noch nicht lange übertragen – knüpft er daran. Dann aber bittet er ihn, seines, des Theodulf, Unglücks zu gedenken, und im Gebet ihm beizustehen, indem der Dichter unter Berufung auf Gott und sein Gericht sich unschuldig des Verbrechens des Hochverraths in ausdrücklichster Form erklärt.         Non regi aut proli, non eius, crede, iugali
            Peccavi, ut meritis haec mala tanta veham.
        Crede meis verbis, frater sanctissime, crede,
            Me obiecti haud quaquam criminis esse reum.
        Perderet ut sceptrum, vitam propriumque nepotem:
            Haec tria sum numquam consiliatus ego.
        Addimus et quartum: mihi non fuit illa voluntas
– –
v. 303 ff. Vgl. Simson a. a. O. I, S. 115.
Ergreifender noch malt seine traurige Lage der Gefangene in dem andern Schreiben (l. IV, c. 5), das an den damals so einflussreichen, gelehrten Bischof von Autun, Modoin, der selbst den Musen huldigte, gerichtet ist: es scheint deshalb auch mit besonderer Kunst ausgearbeitet zu sein. Der hübsche Eingang des Gedichts erinnert an den der ersten Elegie der Ovidschen Tristien. Seiner Muse, die er bald Thalia, bald Erato nennt, 83 befiehlt der Dichter, sich schleunigst zu der Wohnung des Modoin zu begeben, und vor ihm niederkniend, schweigend die befreundeten Hände zu küssen. Wenn er sie aber frage, wer sie sei und wem sie gehöre, dann soll sie sprechen, dass sie aus dem Kerker Theodulfs komme, den unbegrenzte Liebe zu ihm erfülle, der dort verbannt, hülflos, arm, traurig, angstvoll, bekümmert und verachtet weilt, ein Leben schlimmer als der Tod. Darauf soll sie ihre Botschaft ausrichten; und nun redet der Dichter in eigener Person weiter, indem er den »liebenden Bruder« beschwört, seiner zu gedenken. Die brüderliche Liebe vergehe ja nicht wie die dunstigen Freuden dieser Welt. Seine Sache sei die aller Bischöfe; was ihm heute geschehen, könne jeden andern morgen treffen. Jeder wird nach seinem Gesetze gerichtet, nur nicht der Bischof; und wer andern Recht sprechen musste, verliert selbst das Recht. Kein Zeuge sei da und kein competenter Richter. Er habe nichts gestanden und sei doch verurtheilt worden. Und selbst wenn er es gethan, so hätte nur der Papst, der ihm das Pallium verliehen, ihn richten können. Mit diesem Brief sandte Theodulf die oben erwähnten drei Gedichte. Wir besitzen auch die Antwort, die Modoin darauf, auch in Distichen gab. Sie findet sich in Sirmonds Ausg. Theodulfs l. IV, c. 9. Die Antwort, als Gedicht unbedeutend, gibt den Rath die Forderung Ludwigs zu erfüllen, und ein Schuldbekenntniss abzulegen, um Begnadigung zu erlangen, obgleich Modoin selbst vorher Theodulf als »unschuldig« bezeichnet, und seinen Sturz seinen Neidern Schuld gibt. – Vgl. auch Rzehulka l. l. S. 55 f.

Dass der Distichendichter Theodulf auch Epigramme verfasst hat, lässt sich von selbst erwarten; doch sind uns im ganzen nicht sehr viele, und darunter wenige bedeutende überliefert. Einzelne sind wirkliche Inschriften, so Grabinschriften, wovon die auf den Pfalzgrafen Helmengald (l. VI, c. 19) die beste, die auf die Königin Fastrade (l. II, c. 11) die unbedeutendste ist. Unter den anderen Epigrammen sind bemerkenswerth ein ganz scherzhaftes (l. VI, c. 22); eins das gegen die Romfahrten gerichtet ist (l. V, c. 4): nicht der Weg der Füsse, sondern des Charakters führe zum Himmel; und am meisten ein längeres (l. III, c. 10) von politischem Inhalt, worin Theodulf gegen eine Theilung der Herrschaft unter Brüder, insbesondere gegen ein dreiköpfiges Regiment, wie es Geryon in 84 sich darstellte, mit speciellem Hinblick auf seine Zeit entschieden sich erklärt. Es beweist dies auch gegen die Schuld des Theodulf.

Als Lyriker hat sich Theodulf nur gelegentlich versucht. Und doch hat grade ein Gedicht, das nur zum Theil einen lyrischen Charakter hat, durch diesen am längsten die Erinnerung an Theodulf in weiteren Kreisen erhalten. Es ist ein auch in Distichen in der Gefangenschaft zu Angers verfasstes Gedicht auf den Palmsonntag (l. III, c. 2). Es beginnt mit einem schönen Lob Christi, worin die Palmenträger sich mit den hebräischen Knaben, die Christus einst Hosianna singend, entgegenzogen, vergleichen; daran reiht sich dann eine Schilderung des Festes in Angers, zu dem aus weiter Umgegend die frommen Schaaren herbeiziehen. Der schwungvolle Eingang des Gedichtes, der Preis Christi, wurde nun als Hymne, zunächst in Angers selbst, dann in der Kirche überhaupt, sogar noch von den Protestanten des 16. Jahrhunderts S. Daniel, Thesaur. hymnolog. I, p. 217., an jenem Festtag gesungen; und an diesen Hymnus knüpfte sich selbst die Sage, dass Theodulf seine Befreiung ihm verdankt habe. S. Simson a. a. O. I, S. 169 f. Ein anderes, auch in Angers Wie der heil. Albinus in der vorletzten Strophe zeigt. verfasstes Gedicht, eine sapphische Ode an Kaiser Ludwig, der darin zum Besuche der Stadt aufgefordert wird, ein Gedicht, das sich bei andern des Theodulf gefunden, kann ihn wohl zum Verfasser haben, obwohl es wenig bedeutend ist. Mabillon hat es zuerst, zugleich mit dem folgenden, aus einem Codex des Klosters Vito (S. Vannes in Verdun) herausgegeben in seinen Vetera Analecta T. I, danach auch bei Sirmond l. l. im Anhang p. 1127 f. Ist es von Theodulf, so wird es im October 818, wo Ludwig die Stadt besuchte, verfasst sein. – Die andre Ode findet sich auch bei Sirmond l. l. p. 1126. Sicherer aber ist ihm beizulegen eine andere sapphische Ode an denselben Kaiser zu seiner Begrüssung, als er Orleans 814 besuchte. Sie ist in einem kräftigen, des Theodulf würdigen Stile gehalten, so dass sie seine Befähigung auch für diese Dichtungsart wohl belegt. Sie bekundet zugleich von neuem die Vielseitigkeit seines poetischen Talentes und seine für jene Zeit zu bewundernde formale Bildung und Gewandtheit. 85

 


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