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Neuntes Kapitel.

Heiligenleben: Eigil, Liudger.

Als Vertreter der Historiographie dieses Zeitalters sind auch zwei Heiligenleben zu nennen, die aber im Gegensatz zu dem Charakter der älteren keine Wunderthäter, sondern zwei um die Kultur sehr verdiente Männer zu ihren Helden haben. Das eine ist das Leben des ersten Abtes von Fulda, Sturmi, verfasst von einem seiner Nachfolger Eigil In: Monum. Germaniae histor. ed. Pertz, Script. T. II, p. 365 ff. – – Rettberg, Kirchengesch. Deutschlands Bd. I, S. 371, 609 ff. – Schwartz, Bemerkungen zu Eigils Nachrichten über die Gründung und Urgeschichte des Klosters Fulda. Progr. zur Feier tausendjähriger Erinnerung an Hrabanus Maurus. Fulda 1856., dem Vorgänger des Raban, in dessen Biographie ich auf ihn zurückkomme. Eigil, der 822 starb, war mehr als 20 Jahre Sturms Schüler gewesen, indem er, ein Verwandter von ihm, schon als Kind dem Kloster Fulda des Unterrichts wegen übergeben worden war: so hat er die noch im achten Jahrhundert verfasste Vita zum Theil auf Grund eigener Erfahrungen geschrieben. Dies sagt Eigil selbst in der Widmung an die Nonne Angildruth, welche ihn zu dem Buche aufgefordert indem sie ihn bat, das 105 Leben des Heiligen und die Anfänge des Klosters Fulda zu erzählen. Poscebas enim – heisst es in der Widmung – ut initia et vitam sancti ac venerabilis abbatis Sturmi tibi exponerem, ac primordia monasterii sancti Salvatoris quod ab eo fundatum atque constitutum est, quodque alio nomine appellatur Fulda, conscriberem, causas quoque eiusdem coenobii, quas res visu vel auditu didicerim, sincere narrarem. Schon durch die letztere Aufgabe, zu der freilich diese Lebensgeschichte von selbst aufforderte, erhielt dieselbe einen höheren allgemeinern Gesichtspunkt, der sie über die gewöhnlichen Vitae Sanctorum emporheben musste. Und so handelt es sich denn in der That in ihr vornehmlich um die Gründung jenes Klosters, welches der erste Sitz wissenschaftlicher Kultur im Inneren Deutschlands werden sollte.

Sturm, von edler Herkunft, stammte aus Baiern; er war in seiner Jugend dem Bonifatius bei seiner dortigen zweiten Anwesenheit zur geistlichen Ausbildung übergeben und von ihm dem Presbyter, späteren Abte, Wigbert in Fritzlar anvertraut worden, bei welchem er die Psalmen auswendig und die Bibel lesen und auslegen lernte. Er wurde dann Presbyter, aber nach ein paar Jahren verlangte es ihn sich ganz der Askese zu widmen, als Eremit zu leben. Bonifaz, der seinem Wunsche Beifall zollte, sandte ihn darauf mit zwei Begleitern, um eine solche Niederlassung zu gründen, in das einsame Waldrevier Buchonia. Sie erbauen sich darauf zuerst in der Gegend von Hersfeld, da wo später das Kloster stand, Hütten und verweilten dort auch längere Zeit. Manseruntque illic tempus non modicum. c. 4. S. über die Streitfrage der Zeit des Aufenthalts. welche eine andre Stelle c. 11 anregt, namentlich Schwartz S. 29 ff. Da erklärte aber Bonifaz diesen Ort, weil zu nahe der sächsischen Grenze, für zu gefährdet, und befahl ihnen tiefer in den Wald einzudringen. In sehr anziehender lebendiger Weise wird nun diese Fahrt, offenbar auf Grund der eigenen Mittheilungen Sturms, erzählt. Da ein Eindringen zu Nachen auf der Fulda stromaufwärts resultatlos bleibt, versucht es Sturm, von neuem von Bonifatius ermuntert, allein auf dem Lande, indem er zu Esel reist. Es ist eine wahre Entdeckungsreise wie in einem Urwald Sicque vir Dei per horrendum solus pergens desertum praeter bestias, quarum ingens in eo fuit abundantia, et avium volatum et ingentes arbores – – nihil cernens – – c. 8. Et tunc quando alicubi noctabat, cum ferro quod manu gestabat, sepem caedendo ligno in gyro composuit, ad tutamen animalis sui, ne ferae, quarum perplura ibi multitudo erat, illud devorarent (c. 7). Diese ferae sind offenbar Wölfe und Bären. mit 106 manchen kleinen Abenteuern, wie einer Begegnung mit badenden Slaven (cap. 7), die noch Heiden, den frommen Pilger verhöhnten. Endlich wird die geeignete Stelle für die Niederlassung, wie Sturm glaubt durch eine göttliche Inspiration, von ihm gefunden. Bonifatius billigt den ausgewählten Ort, erwirbt den Grund und Boden, und erscheint darauf selbst die Urbarmachung des Landes und die ersten Vorbereitungen zum Bau des Klosters zu leiten, der dann von Sturm ausgeführt wird (744). Einige Jahre später unternahm Sturm eine Romfahrt, um das Klosterleben Italiens kennen zu lernen und so sichere Normen für die Einrichtung des eigenen Klosters zu gewinnen. Der Ruf desselben verbreitete sich dann bald weit, ward aber noch wesentlich vermehrt durch die Ueberführung der Gebeine des Bonifatius dorthin von Mainz (wo sie zunächst hingebracht und auch gern behalten worden wären) noch im Jahre seines Todes 755. Die Wunder, welche diese hochverehrten Reliquien vollbrachten, überlässt indess Eigil andern zu berichten. Dagegen erzählt er namentlich noch, wie Sturm die Unabhängigkeit des Klosters gegen den Erzbischof von Mainz, Lull, am Ende siegreich vertheidigte, und die nahen Beziehungen, in welche er zu Karl dem Grossen trat (c. 21), wie er den Sachsen predigte, aber bei einem Einfall derselben mit seinen Mönchen das Kloster verlassen musste, eine Exodus, die auch Eigil selbst mitmachte. Sturm starb im Jahr darauf 779 (17. December) in Fulda.

Wie der Inhalt dieser Vita ein rein historischer ist, so ist auch die Form die einer einfachen schmucklosen Erzählung, fern von aller panegyrischen Ueberladung, aber mit warmer Theilnahme an dem Helden geschrieben; der Verfasser lässt die Thatsachen für sich selber sprechen; hier und da etwas weitläufig, erinnert die Erzählung dann an mündliche Mittheilungen.

Das andre bemerkenswerthe Heiligenleben ist auch einem Missionar gewidmet, der auch mit dem heil. Bonifatius in nächster Beziehung stand: es ist die Vita des heil. 107 Gregor von Utrecht In: Mabillon, Acta Sanctor. ord. S. Benedicti (s. Bd. I, S. 577 Anm. 1) Saec. III, pars 2. – – Rettberg, Kirchengesch. Deutschlands Bd. II, S. 531 ff., verfasst von seinem Schüler Liudger, einem geborenen Friesen, auf dessen eigenes Leben ich im folgenden Buche zurückkomme; hier sei nur bemerkt, dass er seine höhere Ausbildung in York von Alcuin erhielt und als Bischof von Münster 809 starb.

Diese Vita ist zwar schon mehr in dem gewöhnlichen Legendenstil geschrieben, wie auch Wattenbach Deutschl. Geschichtsq.. I, S. 200. meint, hat aber doch einen in mancher Beziehung geschichtlich merkwürdigen Inhalt nicht bloss durch die Persönlichkeit ihres Helden, sondern mehr noch durch die Rolle, welche in ihr Bonifatius spielt; die grössere Hälfte des Buches (bis cap. 13) beschäftigt sich mehr mit ihm als mit Gregor. Der letztere war einer der treusten Schüler desselben. Er stammte, ein Urenkel Dagoberts II., aus dem merowingischen Königsgeschlecht; ein Zufall führte ihn als Knaben mit Bonifaz zusammen, er begeisterte sich alsbald so für denselben, dass er, dem geistlichen Berufe sich zu widmen, sich ihm sogleich anschloss und lange Zeit sein steter Begleiter wurde. Gregor wurde dann um die Mitte des achten Jahrhunderts speciell die Mission in Friesland von König und Papst anvertraut, indem er zwar nicht Bischof, sondern nur Abt vom Martinsmünster in Utrecht wurde. Hier wirkte er namentlich als Vorstand der Schule, welche bald berühmt, aus allen Gegenden Deutschlands Schüler empfing; Franken, Angeln, Friesen, Sachsen, Baiern und Schwaben erhielten hier ihre geistliche Ausbildung, welcher Gregor mit dem grössten, selbst durch Alter und Krankheit ungebrochenen Eifer oblag. Manche Bischöfe hat diese Schule Deutschland gegeben, und zu einer Zeit wo es der geistlichen Hirten sehr bedurfte. Ueber diese damals doppelt verdienstliche Wirksamkeit Gregors gibt leider der Verfasser nur spärliche Andeutungen, während er dagegen der sittlichen Vorzüge desselben ausführlich gedenkt, namentlich seiner Barmherzigkeit und einfachen schlichten Lebensweise; denn wie er im Vorwort anzeigt, will er seinen Lehrer als »frommes und nützliches Beispiel« nicht bloss zu seiner eigenen 108 steten Erinnerung, sondern auch zu andrer Erbauung schildern. Und dies hat er mit aller Wärme dankbarer Liebe gethan, was sich namentlich bei der Schilderung des Lebensendes des Heiligen zeigt. Gregor starb nach Rettberg 775.

 


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