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Zehntes Kapitel.

Smaragdus.

Auch das Feld der didactischen Prosa wurde in einer des Zeitalters Karls stilistisch würdigen Weise in ein paar literargeschichtlich nicht unwichtigen Werken bestellt. Ihr Autor ist Smaragdus Smaragdi abbat. monast. S. Michaelis Virdunensis Opera omnia. Accur. Migne. Paris 1851 ( Patrol. lat. T. CII.). – * Smaragdi abbat. Via regia in: D'Achery, Spicilegium. Nova ed. Paris 1723. Tom. I, p. 238 ff. – – Hauréau, Singularités (s. oben S. 70 Anm. 1) p. 100 ff.: Smaragde, abte de Castellion. – Dümmler, N. A. S. 250 ff. – Mabillon, Vetera Analecta, Nova ed. Paris 1723, p. 350 ff. – Keil, De grammaticis quibusdam latin. infimae aetatis. Erlangen (Univers. Progr.) 1868., Abt des Klosters S. Mihiel an der Maas, das er selbst gegründet, indem er dorthin seine Mönche aus der alten Abtei auf dem Berge Castellion, die ein paar Stunden von da entfernt lag, übersiedelte. Er war zuerst Magister der Klosterschule. Eine Frucht dieser Wirksamkeit war ein Commentar zu der Grammatik des Donat, welchen er auf die Bitte seiner Schüler zwischen 800 und 805 verfasste. Im letzteren Jahre wird er schon in einer Urkunde als Abt genannt S. Hauréau p. 103.; was den terminus a quo aber betrifft, so wird unter den Beispielen der Grammatik Karl als Kaiser bezeichnet Ergo si placet, sic istae quatuor propriorum nominum species iam hodie apud nos teneantur, ut dicamus praenomen Imperator, et sit illi proprium dignitatis, quod nulli alio in suo convenit regno; dicamus Karolus, et sit illi proprium, quod accepit in baptismo; dicamus Francus, et sit illi appellativum in genere suo; dicamus Prudens, et sit illi agnomen appellativum accidens ei extrinsecus. Mabillon l. l. p. 358.. – Durch seine Gelehrsamkeit Karl empfohlen, wurde er von ihm 809 mit der Abfassung einer Denkschrift über die Lehre vom Ausgehn des heiligen Geistes betraut, und im Verein mit drei andern Prälaten zu der von Leo III. deshalb gehaltenen 109 Synode nach Rom gesandt, deren Protocoll er redigirte. Auch der Gunst Ludwigs des Frommen erfreute er sich, welcher dem neuen Kloster manche Privilegien gewährte. Smaragdus lebte bis gegen Ende des dritten Jahrzehnts des neunten Jahrhunderts.

Smaragdus verläugnet in allen seinen Werken, obgleich ein paar von allgemeinerem Interesse sind, nicht den Theologen, selbst nicht in seiner grammatischen Schrift, ja ihre Originalität ruht gerade in diesem Umstand. Smaragdus nimmt nämlich die Beispiele zur Illustration der Regeln vornehmlich aus der heil. Schrift, oder doch aus kirchlichen Schriftstellern. Er thut dies, wie die Vorrede zeigt, in der Absicht, um den Trägen, welche das Studium der Grammatik unter dem Vorwand vernachlässigten, dass in ihr nur heidnische Namen vorkämen und von Gott nicht die Rede sei, diese Entschuldigung zu nehmen; sein Werk soll das dulce mit dem utile verbinden, »der himmlische Honig« soll dem Anfänger die Herbe der Wissenschaft mildern. Sed ut dulciter tiro auctoritatem artis cum coelestis mellis dulcedine facilius possit glutire, scripturas arti, artem vero nectimus scripturis, ne aut grammaticae artis pondere pressus aut divinarum scripturarum mole gravatus desidiosus lector excusationis invenire possit anfractus. Keil, l. l. p. 20. Es ist also gleichsam eine christianisirte Grammatik. Smaragdus sucht aber auch noch in andrer Weise das Studium für seine Zeit anziehender zu machen, indem er, wie oben bemerkt, auch Beispiele aus der Gegenwart nimmt und nicht wenige Eigennamen der Franken und Gothen erklärt. S. Massmann, Gothica minora, in Haupt's Zeitschrift f. deutsch. Alterth. Bd. I, S. 398 ff. Dass die etymologische Erklärung oft eine falsche ist, nimmt um so weniger Wunder, als sich unter den lateinischen Etymologien jener Zeit und auch des Smaragd noch haarsträubendere finden, z. B. erklärt er: Verbum a verberatione et bombum nomen accepit; bombus enim sonus dicitur. Accepit a verberatione primam syllabam ver et a bombo ultimam bum! Hauréau p. 110. – Indessen zeigen die germanischen Etymologien doch eine solche Kenntniss der Sprache, dass man Smaragd für einen Germanen halten möchte.

Von Smaragds andern Werken interessiren uns hier nur das Diadema monachorum und die Via regia . Das erstere hat eine weite Verbreitung gefunden und ist, nachdem es durch das ganze Mittelalter in Ansehn geblieben, im 16. und 17. Jahrhundert wiederholt gedruckt worden. Es ist, wie die Vorrede sagt, eine Blumenlese von Aussprüchen der Väter, namentlich 110 aus den Collationes patrum (des Cassian) wie auch von »verschiedenen Doctoren« – vornehmlich ist Gregor der Grosse benutzt –, welche Dicta die allgemeinen Pflichten des Christen, wie die besondern des Mönches betreffen. Sie sind, natürlich mit eigenen Zuthaten und vielen Bibelstellen, von Smaragd in 100 Kapiteln zusammengestellt. Das Buch war, wie er in der Vorrede bemerkt, zur Abendlectüre der Mönche bestimmt, ebenso wie die Regel Benedicts zur Lesung am Morgen. Diese von Smaragd getroffene Anordnung Volumus ut iste libellus ad eorum (sc. monachorum) capitulum quotidie legatur vespertinum. zeigt allein schon, dass er als Abt es verfasste. – Die Ausführung in den einzelnen Kapiteln ist eine recht gewandte und ansprechende, zumal der Ausdruck einfach und klar und belebt ist; die einzelnen Kapitel stehen freilich meist in nur loser oder auch gar keiner Verbindung, so dass die Composition des Ganzen manches zu wünschen übrig lässt.

In einer nahen, jedoch wenig beachteten Beziehung zu diesem Werk steht das andre erwähnte. Es behandelt, auch in einer Reihe von Kapiteln (32), die Pflichten des Königs; aber es zeigt nicht bloss eine ähnliche Anlage als das Diadema, indem im Anfang dieselben Tugenden und in derselben Reihenfolge behandelt werden, sondern es finden sich auch ganze Partien allgemeinerer Natur wörtlich aus ihm entlehnt. Das umgekehrte Verhältniss lässt sich nicht annehmen. Die Königsstrasse ist aber die, welche der irdische König einschlagen muss, um zum Lande der Verheissung, zu dem himmlischen Reiche zu gelangen, dieselbe welche schon die Könige des alten Bundes gewandert haben: so sagt uns der Autor in der Widmungsepistel, die er an den König, dem er das Werk übersendet, richtet. Et tibi ergo, nobilissime rex, si vis ad supernam feliciter promissionis tendere patriam, diligenter regia quaerenda est via; quia, cum sis rex in terra, ad coelorum properans regna per regiam debes currere viam. Trita etenim est et antiquitus sanctorum regum vestigiis confricata. Derselbe ist, wie im ersten Kapitel bemerkt wird, schon als kleines Kind auf den Thron gehoben. Diligens etenim Dominus, o mitissime rex, creavit te et vivificavit, nutrivit et custodivit, et ad lavacrum regenerationis perduxit, renovavit, gubernavit et ad intelligibilem perduxit aetatem; et dum adhuc parvulus esses, regali te sede sublimiter evexit. Auch die gesperrt gedruckten Worte können in diesem Zusammenhang allein auf einen König passen, der noch nicht alt ist. Er hat seine Laufbahn gut begonnen, aber das genügt 111 nicht, er muss auch so fortfahren. – Es ist klar, dass nur von einem jüngeren Mann die Rede sein kann, nur einem solchen gegenüber erscheint auch ein Werk dieser Art schicklich, und so sind auch die späteren ähnlichen, wie die des Jonas und Sedulius S. darüber weiter unten., an junge Könige gerichtet. Es ist hiernach mir unzweifelhaft, dass dies Buch Ludwig als König von Aquitanien gewidmet ist, der ja auch als kleiner dreijähriger Knabe schon von dem Papste selbst in Rom gekrönt war. S. die Vita Hludovici von dem Astronomen, c. 4. – An Ludwig haben auch schon andre wie der erste Herausgeber d'Achery gedacht, aber, wie es scheint, nur an ihn als Kaiser. Dass an Karl den Grossen nicht gedacht werden kann, wie dies noch von Hauréau geschieht, wird sich wohl von selbst aus meiner obigen Darlegung ergeben. – Bei dem Abhängigkeitsverhältnisse von dem Diadema ist die Abfassungszeit der Via regia zwischen 806 und 813 zu setzen.

Der Inhalt dieses Werks, das schon als das erste seiner Art von Bedeutung ist, und auch für jene Zeit durch seinen Stil sich empfiehlt, ist der folgende. Der Verfasser handelt zuerst von der Liebe Gottes und des Nächsten, dann von der Erfüllung der Gebote Gottes, die jene verlangt, hierauf von der Furcht Gottes und von der heiligen Weisheit, deren Anfang die Gottesfurcht ist, danach von der Klugheit, der Einfalt und der Geduld: es sind dies die ersten sieben Kapitel, die Cap. 4–10 des Diadema entsprechen; nunmehr wendet sich unser Autor zu den specielleren königlichen Tugenden und Pflichten, indem er von der Gerechtigkeit spricht, von der Beschirmung der Waisen, Wittwen und Armen, von dem Erbarmen, durch dessen Werke Gott zu ehren ist, wobei denn besonders der Zehnten und Erstlinge, die der König ihm, d. h. der Kirche schulde, gedacht wird (c. 12): so soll er Schätze im Himmel sich anhäufen, der irdischen aber sich nicht rühmen, sondern vor Gott sich demüthigen, hierdurch erlange er den Frieden. Für das Haus Gottes soll der König Eifer zeigen und die Schäden der Kirche, wenn sich solche finden, verbessern. Si quid forte perversum in Ecclesia videris Christi, satage corrigere et emendare non cesses c. 18. Milde und Berathschlagung werden dann 112 noch empfohlen. – Nunmehr geht Smaragd (c. 21) zur Warnung vor den Fehlern über. Der Stolz, der Satan zu Falle brachte, hat auch hier den Vortritt; Eifersucht und Neid folgen: gegen die erstere ist Herzensgüte, gegen den andern brüderliche Liebe das Heilmittel. Der König soll ferner nicht Böses mit Bösem vergelten, den Zorn unterdrücken, Schmeichler nicht anhören, sich vor Geiz und Habsucht hüten. Er soll die Richter anhalten, keine Belohnung für die Gerechtigkeit zu verlangen (c. 28), und verhindern, dass in seinem Reiche Knechtschaft stattfinde (c. 30) Prohibe ergo, clementissime rex, ne in regno tuo captivitas fiat. ; ein jeder soll, Gottes Gebot gehorchend, die Knechte freilassen in Anbetracht, dass sie nicht die Natur ihm unterwarf, sondern die Schuld, denn wir sind gleich geschaffen. Vere obedire debet homo Deo et eius praeceptis, in quantum ille possibilitatem dederit, obedire: et inter alia praecepta salutaria et opera recta, propter nimiam illius charitatem unusquisque liberos debet dimittere servos, considerans quia non illi eos natura subegit, sed culpa; conditione enim aequaliter creati sumus. – Kurz darauf heisst es, der König solle Gott ehren, »indem er aus den Knechten Freie mache« ( ex illis – sc. servis – liberos faciendo). – Nach einer kurzen Recapitulation des Inhalts des Werks ermahnt dann noch der Verfasser den König die Hülfe und den Schutz Gottes sich durch das Gebet zu suchen. So schliesst dies Buch mit einer Empfehlung des Gebets, wie das Diadema mit einer solchen beginnt.

Die rein theologischen Werke des Smaragdus sind ein sehr umfangreicher Commentar zu den sonntäglichen Episteln und Evangelien, welchen er im Vorwort Liber comitis , wohl als Begleiter des Priesters, nennt, eine Compilation aus sehr verschiedenen Kirchenvätern mit besonderer Berücksichtigung der allegorischen Erklärung, und ein Commentar zur Regel des heil. Benedict, welchen in Veranlassung der Klosterreform der Achener Synode v. J. 817 Smaragd verfasste. Beide Werke sind mit einem metrischen Prooemium geschmückt, das des ersteren in Hexametern, das andre in Distichen. Auch eine Hymne des Smaragd auf Christus in trochäischen catal. Tetrametern, die aber, wie der öfter eintretende Reim lehrt, in Kurzzeilen aufgelöst, Strophen von sechs Versen bilden, hat sich erhalten. Erschienen in Hagens Carmina medii aevi p. 93 ff. 113

 


 


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