Alexander Dumas
Die Gräfin Charny
Alexander Dumas

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfundfünfzigstes Kapitel

Der 26. Dezember brach an und fand den König auf alles, selbst auf den Tod, vorbereitet.

Die Königin hatte erfahren, daß der König zum zweiten Male vor dem Konvent erscheinen werde. Das Rasseln der Trommeln und der militärische Lärm hätte sie über die Maßen erschrecken können, wenn es Cléry nicht gelungen wäre, sie darauf vorzubereiten.

Um zehn Uhr morgens stieg der König mit Chambon und Santerre in den Wagen. Im Sitzungsgebäude des Konvents angekommen, mußte er eine Stunde warten. Es waren eben Verhandlungen im Gange, denen der König nicht beiwohnen durfte. Ein Schlüssel, den er am 12. Dezember seinem Kammerdiener übergeben hatte, war diesem abgenommen worden. Man war auf den Gedanken gekommen, diesen Schlüssel an dem eisernen Schrank zu versuchen, und er hatte wirklich gepaßt.

Man hatte dem König den Schlüssel gezeigt.

»Ich kenne ihn nicht«, hatte er geantwortet.

Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er ihn selbst verfertigt.

In derlei Verhältnissen fehlte dem König jede Selbstverleugnung und Seelengröße.

Als die Verhandlung zu Ende war, zeigte der Präsident der Versammlung an, daß der Angeklagte mit seinen Verteidigern bereit sei, vor den Schranken zu erscheinen.

Der König erschien in Begleitung seiner Verteidiger Malesherbes, Tronchet und Desèze.

»Ludwig,« sagte der Präsident, »der Konvent hat beschlossen, Sie heute anzuhören.«

»Mein Rechtsbeistand wird meine Verteidigung lesen«, antwortete der König.

Tiefe Stille folgte; die ganze Versammlung meinte, dem König, dessen Macht gebrochen war, dem Manne, dessen Leben an einem dünnen Faden hing, könne man wohl einige Stunden Gehör schenken. Vielleicht war der Konvent auf eine große, lebhafte Diskussion gefaßt: wer konnte wissen, ob nicht das Königtum sich plötzlich aufrichten und einige jener inhaltschweren, ergreifenden Worte, die nach Jahrhunderten noch wiederholt werden, sprechen würde.

Diese Erwartung ging nicht in Erfüllung, die Verteidigungsrede des Advokaten Desèze war eben – Advokatenrede und nichts weiter.

Der Verteidiger hätte zum Herzen und nicht zu dem klügelnden Verstande sprechen sollen.

Dann sprach Ludwig XVI.

»Meine Herren,« sagte er, »Sie haben meine Verteidigung gehört, ich will sie nicht wiederholen; ich spreche vielleicht zum letzten Male zu Ihnen, daß mein Gewissen rein ist und daß meine Verteidiger ebenfalls die reine Wahrheit gesagt haben.

Eine öffentliche Prüfung meines Verhaltens habe ich nie gefürchtet, aber mit tiefem Schmerz habe ich in den Anklageakten die Beschuldigung gefunden, ich hätte das Blut des Volkes vergossen und das traurige Ereignis vom 10. August sei meine Schuld.

Die vielfältigen Beweise von Zuneigung zu dem Volke, die ich jederzeit gegeben habe, sind eine tatsächliche Widerlegung dieser Beschuldigung; mein ganzes Verhalten scheint mir darzutun, wie wenig ich die Gefahr fürchtete, um das Blut des Volkes zu schonen.«

Eine andere Antwort wußte der Nachfolger von sechzig Königen, wußte der Enkel Ludwigs des Heiligen, Heinrichs IV. und Ludwigs XIV. seinen Anklägern nicht zu geben!

Er hinterließ der Nachwelt nichts, nicht einmal einen gegen seine Henker geschleuderten Fluch!

Der Konvent fragte daher ganz erstaunt:

»Haben Sie sonst nichts zu Ihrer Verteidigung zu sagen?«

»Nein«, antwortete der König,

»Sie können sich entfernen.«

Ludwig verließ den Sitzungssaal und wurde in ein anderes Zimmer geführt.

Hier schloß er den Advokaten Desèze in seine Arme, und als er bemerkte, daß dieser in Schweiß gebadet war, trieb er ihn an, die Wäsche zu wechseln, und wärmte selbst das Hemd, das der Advokat anzog.

Um fünf Uhr fuhr er in den Temple zurück.

Das Jahr 1793 begann. Der streng bewachte König hatte nur noch einen Diener bei sich. Während er am Neujahrsmorgen traurig über seine Verlassenheit nachsann, trat Cléry an sein Bett und sagte leise:

»Sire, erlauben Sie mir, meine wärmsten Wünsche für das baldige Ende Ihrer Leiden auszudrücken.«

Dann stand der König auf und kleidete sich an. In diesem Augenblick traten die Kommissare ein. Ludwig trat auf einen zu und sagte: »Sie können mir einen großen Dienst erweisen. Ich bitte Sie, erkundigen Sie sich in meinem Namen nach dem Befinden meiner Familie und bringen Sie ihr meine Glückwünsche zum neuen Jahre.«

»Ich gehe«, antwortete der Kommissar, der sichtlich gerührt war.

»Ich danke Ihnen,« sagte der König; »Gott wird es Ihnen vergelten, was Sie für mich tun.«

Am 16. Januar sollte das Urteil gesprochen werden.

Die große, furchtbare Sitzung, die zweiundsiebzig Stunden dauerte, begann.

Der Saal bot einen sonderbaren Anblick, der mit dem Gegenstand der Verhandlung wenig im Einklang stand. Wer nicht wußte, welch ein furchtbares Drama aufgeführt werden sollte, hätte es nicht ahnen können. Der Hintergrund des Saales bestand aus Logen, in denen hübsche, in Samt und Pelzwerk gekleidete Damen saßen und Orange und Gefrorenes aßen. Die Männer begrüßten sie, plauderten eine Weile mit ihnen, gingen auf ihre Plätze zurück und winkten einander zu; es war wie in einem italienischen Schauspielhause.

Die Seite des »Berges«Sitz der radikalen Partei. zumal machte sich durch ihre Eleganz bemerkbar; unter den Montagnards saßen ja die Millionäre: der Herzog von Orleans, Lepelletier, de Saint-Fargeau, Hérault de Séchelles, Anacharsis, Clooty, der Marquis von Châteauneuf.

Alle diese Herren hatten Logen für ihre Mätressen, die mit dreifarbigen Bändern aufgeputzt und mit Eintrittskarten oder Empfehlungsschreiben versehen erschienen.

Die oberen, für das Volk bestimmten Tribünen wurden während der drei Tage nicht leer; man zechte wie in einer Schenke, man aß wie in einem Speisehause und sprach wie in einem Klub.

Auf die erste Frage: »Ist Ludwig schuldig?« antworteten 693 Stimmen mit Ja.

Auf die zweite Frage: »Soll über den Beschluß des Konvents das Urteil des Volkes eingeholt werden?« stimmten 281 Stimmen für die Berufung an das Volk; 432 Stimmen stimmten dagegen.

Dann kam die dritte, die Hauptfrage, die entscheidende, verhängnisvolle Frage: »Zu welcher Strafe soll er verurteilt werden?«

An diese Frage kam man am dritten Tage um acht Uhr abends. Es war ein kalter, trüber, regnerischer Wintertag. Man war ermüdet, abgespannt, des langen Harrens überdrüssig; bei den handelnden Personen wie bei den Zuschauern waren die Kräfte nach fünfundvierzigstündiger Sitzung erschöpft.

Jeder einzelne Deputierte bestieg die Rednertribüne und sprach eines der vier Urteile: Gefängnis; Deportation; Todesstrafe mit Aufschub oder Berufung an das Volk; Todesstrafe ohne Aufschub, ohne Berufung.

Jede Äußerung des Beifalls oder der Mißbilligung war untersagt worden, und dennoch murrte das Volk, sooft ein anderes Urteil als »Tod« gesprochen wurde.

Einmal indes wurde dieses Schreckenswort mit Murren und Pfeifen aufgenommen, nämlich als Philipp Egalité die Rednertribüne bestieg und sagte:

»Ich habe nur meine Pflicht vor Augen, und in der Überzeugung, daß jeder, der gegen die Volkssouveränität etwas unternommen hat oder künftig noch unternehmen wird, den Tod verdient, stimme ich für den Tod.«

Mitten in diesem letzten Akte des furchtbaren Dramas ließ sich ein kranker Deputierter, namens Duchâtel, auf die Tribüne tragen; als er mit Schlafrock und Nachtmütze erschien, fing die Versammlung an, zu lachen.

Vergniaud, der am 10. August Präsident gewesen war, führte auch noch am 17. Januar den Vorsitz. Er hatte die Absetzung des Königs verkündet, und hatte nun auch den Tod zu verkünden.

»Bürger,« sagte er, »ihr werdet einen großen Akt der Gerechtigkeit üben; ich hoffe, daß die Humanität euch bestimmen wird, das tiefste Schweigen zu beobachten; wenn die Gerechtigkeit gesprochen hat, muß auch die Humanität ihre Rechte geltend machen.«

Er las das Ergebnis der Abstimmung. Von 721 Deputierten hatten 334 für Verbannung oder Gefängnis und 387 für den Tod mit oder ohne Aufschub gestimmt. Für den Tod waren daher 53 Stimmen mehr als für die Verbannung. Wenn man von diesen 53 Stimmen die 46 abrechnete, die für den Tod mit Aufschub gestimmt hatten, so blieb für die sofortige Vollziehung der Todesstrafe eine Mehrheit von sieben Stimmen.

»Bürger,« sagte Vergniaud mit dem Ausdruck tiefen Schmerzes, »ich erkläre im Namen des Konvents, daß Ludwig Capet zum Tode verurteilt worden ist.«

Die Abstimmung hatte am Abend des 19. Dezember begonnen, aber erst Sonntag, den 20., um drei Uhr früh verkündete Vergniaud das Urteil.

Ludwig XVI. wußte, daß sein Schicksal entschieden wurde, und in seinem einsamen Zimmer, fern von seiner Familie, die er in den letzten Tagen nicht hatte sehen wollen, um seinen Geist zu kasteien, wie ein sündhafter Mönch seinen Leib kasteit, legte er mit wenigstens scheinbarer Gleichgültigkeit sein Leben oder seinen Tod in Gottes Hand.

Am Sonntagmorgen um sechs Uhr erschien Malesherbes. Der König war schon aufgestanden.

»Nun?« fragte Ludwig XVI, als er ihn bemerkte.

Malesherbes schwieg, aber der Gefangene sah an dem traurigen Gesicht des Greises, daß er keine Hoffnung mehr habe.

»Zum Tode,« sagte Ludwig, »ich wußte es wohl.«

Er brach in Tränen aus und schloß Malesherbes in seine Arme.

»Herr von Malesherbes,« setzte er hinzu, »ich versichere Sie, daß ich seit zwei Tagen unablässig nachsinne, ob ich im Laufe meiner Regierung den kleinsten Vorwurf von meinen Untertanen verdient habe. Ich schwöre Ihnen mit der vollsten Überzeugung eines Mannes, der bald vor Gott erscheinen wird, daß ich stets das Glück meines Volkes gewollt und nie einen entgegengesetzten Wunsch gehegt habe.«

Alles dieses geschah in Gegenwart Clérys, der bitterlich weinte. Der König, den der Schmerz des treuen Dieners dauerte, führte Herrn von Malesherbes in sein Kabinett und blieb etwa eine Stunde mit ihm allein.

Dann kam er heraus, umarmte seinen Verteidiger noch einmal, bat ihn inständigst, abends wiederzukommen und nahm Abschied von ihm.

Der König hatte Tränen in den Augen.

»Der gute Alte hatte mich tief gerührt«, sagte er zu Cléry, als er wieder in sein Zimmer kam. »Aber was fehlt Ihnen denn?«

Der Kammerdiener zitterte am ganzen Leibe, seitdem er von Malesherbes, den er im Vorzimmer empfangen, erfahren hatte, daß der König zum Tode verurteilt worden sei.

Um seinem Herrn den Zustand, in welchem er sich befand, soviel als möglich zu verbergen, holte er das Rasierzeug und traf alle Vorkehrungen zum Ankleiden.

Der König seifte sich den Bart selbst ein und Cléry stand vor ihm, das Becken mit beiden Händen haltend.

Plötzlich wurde Ludwig XVI. sehr blaß. Cléry fürchtete, er könnte ohnmächtig werden, und stellte das Rasierbecken auf einen Tisch, um seinen Herrn nötigenfalls zu halten; aber der König faßte seine beiden Hände und sprach seinem Diener Mut ein.

Dann rasierte er sich ganz ruhig.

Ludwig XVI. blieb bis zur Stunde der Tafel in seinem Zimmer. Gegen zwei Uhr tat sich plötzlich die Tür auf und die Exekutivkommission erschien, um dem Gefangenen das Urteil zu verkünden.

An der Spitze waren: Garat, der Justizmmister; Lebrun, der Minister der auswärtigen Angelegenheiten; Grouvelle, Sekretär der Exekutivkommission; der Präsident und der Generalprokurator; der Bürgermeister und der Gemeindeprokurator; der Präsident des Kriminalgerichts und der öffentliche Ankläger und Santerre.

Garat, der den Hut auf dem Kopfe behielt, ergriff das Wort und sagte:

»Ludwig, der Nationalkonvent hat die provisorische Exekutivbehörde beauftragt, Ihnen die Beschlüsse vom 15., 16., 17., 19. und 20. Januar mitzuteilen; der Sekretär wird sie Ihnen vorlesen.«

Grouvelle faltete das Dekret auseinander und las mit zitternder Stimme:

Erster Artikel. Der Konvent erklärt Ludwig Capet, den letzten König der Franzosen, der Verschwörung gegen die Freiheit der Nation und frevelhafter Anschläge gegen die allgemeine Sicherheit des Staates schuldig.

Zweiter Artikel. Der Nationalconvent beschließt, daß Ludwig Capet die Todesstrafe erleiden soll.

Dritter Artikel. Der Nationalkonvent erklärt die von den Verteidigern Ludwig Capets eingereichte Berufung an das Volk für null und nichtig.

Vierter Artikel. Die provisorische Exekutivbehörde hat Ludwig Capet im Laufe des Tages mit dem gegenwärtigen Beschlusse bekanntzumachen und die nötigen Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die Vollziehung desselben binnen vierundzwanzig Stunden zu veranlassen, und sodann unmittelbar nach der Vollstreckung des Urteiles dem Nationalkonvent von allem Bericht zu erstatten.

Während dieser Ablesung blieb das Gesicht des Königs vollkommen ruhig, nur zwei Gefühle waren in seinen Zügen deutlich zu lesen.

Bei den Worten: »der Verschwörung schuldig«, schwebte ein verächtliches Lächeln auf seinen Lippen, und als der Sekretär las: »daß Ludwig Capet die Todesstrafe erleiden soll«, blickte der Verurteilte zum Himmel auf.

Dann trat der König auf den Sekretär zu, nahm ihm das Dekret aus der Hand, legte es zusammen, steckte es in sein Portefeuille, und nahm ein anderes Papier heraus, das er dem Minister Garat überreichte.

»Herr Justizminister,« sagte er, »ich bitte Sie, dieses Schreiben sogleich dem Nationalkonvent zu übergeben.«

Als der Minister zu zögern schien, setzte der König hinzu:

»Ich will es Ihnen vorlesen.«

Er las mit fester, sicherer Stimme:

»Ich wünsche einen Aufschub von drei Tagen, um mich vorzubereiten, vor Gott zu erscheinen. Zu diesem Zwecke bitte ich um die Erlaubnis, mit der Person, die ich den Kommissaren des Gemeinderates nennen werde, ungehindert sprechen zu können, jedoch unter der Bedingung, daß diese Person für den Liebesdienst, den sie mir erweisen wird, nichts zu fürchten hat.

»Ich wünsche von der beständigen Überwachung, mit der mich der Gemeinderat seit einigen Tagen belästigt, von jetzt an befreit zu sein.

»Ich wünsche in dieser Zwischenzeit meine Familie ohne Zeugen zu sehen, und ersuche den Nationalkonvent, sich sogleich meiner Familie anzunehmen und ihr die freie Wahl ihres künftigen Aufenthaltes zu gestatten.

»Alle Personen, die mir nahegestanden, empfehle ich der Wohltätigkeit der Nation; viele derselben sind mittellos und müssen sich, da sie keine Besoldung mehr erhalten, in Not befinden; viele Greise, Frauen und Kinder hatten keine andere Hilfsquelle als ihre Pension.

Geschrieben im Turme des Temple am 20. Januar 1793.

Ludwig.«

Garat nahm den Brief und versprach, denselben augenblicklich dem Konvent zu übergeben.

Der König zog nun noch einmal sein Portefeuille hervor und nahm einen kleinen Zettel heraus.

»Hier ist die Adresse der Person, die ich zu sprechen wünsche,« sagte er, »falls der Konvent meinem Wunsche entspricht.«

Die von der Prinzessin Elisabeth geschriebene Adresse lautete: »Mr. Edgeworth de Firmont, Nr. 485, Rue du Bac.«

Der König trat nun einen Schritt zurück wie vormals, wenn er Audienz gab und die betreffenden Personen entließ.

Die Minister und ihre Begleiter entfernten sich.

»Cléry«, sagte der König zu seinem Kammerdiener, der sich kaum aufrechthalten konnte, und sich an die Wand lehnte. »Cléry, laß mein Mittagessen kommen.«

Cléry ging in das Speisezimmer; er fand daselbst zwei Munizipalbeamte, die ihm eine Verordnung vorlasen, durch welche dem Gefangenen verboten wurde, sich der Messer und Gabel zu bedienen. Nur ein Messer sollte dem Kammerdiener anvertraut werden, um in Gegenwart der Kommissare für seinen Herrn das Brot und Fleisch zu zerschneiden.

Die Verordnung wurde auch dem König vorgelesen, da es Cléry nicht über sich gewinnen konnte, ihn von dieser Maßregel in Kenntnis zu setzen.

Der König brach sein Brot mit den Fingern und zerschnitt das Fleisch mit dem Löffel. Gegen seine Gewohnheit aß er wenig und blieb nur einige Minuten bei Tische.

Um sechs Uhr wurde der Justizminister gemeldet; Santerre kam einige Augenblicke früher.

Der König stand auf, um ihn zu empfangen.

»Mein Herr,« sagte der Justizminister, »ich habe Ihren Brief dem Konvent übergeben und bin beauftragt worden, Ihnen folgende Antwort zu bringen:

»Es steht Ludwig frei, irgendeinen Geistlichen, den er zu sprechen wünscht, zu sich kommen zu lassen; sowie auch seine Familie ohne Zeugen zu sehen.

»Die stets großmütige und gerechte Nation wird sich seiner Familie annehmen.

»Die Gläubiger seines Hauses werden angemessene Entschädigungen erhalten.

»Der Nationalkonvent geht, ohne das Gesuch um Aufschub zu berücksichtigen, zur Tagesordnung über.«

Der König machte eine leichte Kopfbewegung, und der Minister entfernte sich.

Aber die Kommissare hielten ihn zurück.

»Minister,« fragten sie, »wie kann Ludwig seine Familie sehen?«

»Ohne Zeugen«, antwortete Garat.

»Das geht nicht an; auf Befehl des Gemeinderates dürfen wir ihn Tag und Nacht nicht aus den Augen lassen.«

Die Sache war in der Tat etwas mißlich. Man einigte sich dahin, daß der König seine Familie im Eßzimmer empfangen sollte, um durch das in der Wand befindliche Fenster gesehen werden zu können, aber die Tür sollte geschlossen werden, damit die draußenstehenden Kommissare das Gespräch nicht hören könnten.

Unterdessen sagte der König zu seinem Kammerdiener:

»Sehen Sie zu, ob der Justizminister noch da ist, und rufen Sie ihn zurück.«

Der Justizminister sprach noch mit den Beamten.

Er ging wieder hinein.

»Herr Minister,« sagte Ludwig XVI., »ich habe vergessen, Sie zu fragen, ob man Herrn Edgeworth zu Hause gefunden hat, und ob ich ihn sprechen kann.«

»Ich habe ihn in meinem Wagen mitgebracht,« sagte Garat, »er ist in der Kanzlei und wird sogleich heraufkommen.«

In demselben Augenblick erschien Edgeworth in der Tür.

 


 << zurück weiter >>