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Einundsechzigstes Kapitel.

In derselbigen Nacht – denn in Zeiten der Verwirrung und Rebellion häufen sich die Ereignisse in einem solchen Grade, daß oft mehr als die Hauptabschnitte eines ganzen Lebens in die engen Grenzen von vierundzwanzig Stunden zusammengedrängt werden – in derselbigen Nacht führte Herr Haredale seinen Gefangenen, den er unter Beihülfe des Küsters gebunden und auf sein Pferd gesetzt hatte, nach Chigwell, um sich daselbst ein Fuhrwerk zu verschaffen, mittelst dessen er denselben rasch nach London vor einen Friedensrichter schaffen konnte. Der ordnungslose Zustand der Stadt war, wie er wohl wußte, ein zureichender Grund für das Ansinnen, daß der Mörder noch vor Tagesanbruch in das Gefängniß gesetzt werde, da Niemand für die Sicherheit eines der Wachhäuser oder der gewöhnlichen Detentionsplätze bürgen konnte; und einen Gefangenen durch die Straßen zu führen, wenn sich der Pöbel schon wieder umtrieb, wäre nicht nur ein sehr gefährliches Wagniß gewesen, sondern würde das Gesindel schon vornweg zu einem Befreiungsversuche gereizt haben. Er überließ die Führung des Pferdes dem Küster, ging dicht neben dem Mörder her, und in dieser Ordnung erreichten sie gegen Mitternacht das Dorf.

Die Einwohner waren alle wach und auf, denn sie fürchteten in ihren Betten verbrannt zu werden, und suchten sich durch gemeinschaftliches Wachen zu trösten und zu beruhigen. Einige der rüstigsten waren bewaffnet und hatten sich auf dem Rasen zu einem Haufen versammelt. Herr Haredale redete diese Männer, die ihn wohl kannten, an, erzählte ihnen kürzlich, was vorgefallen, und erbat sich ihren Beistand, um den Verbrecher vor Tagesanbruch nach London bringen zu können.

Aber Niemand unter ihnen getraute sich, auch nur einen Finger für ihn zu rühren; denn die Rebellen hatten, als sie durch das Dorf zogen, Jedem, der bei Löschung des Feuers Hülfe leiste, oder ihm, wie auch was immer für einem andern Katholiken, irgendwie beistehe, mit der grausamsten Rache bedroht, welche sie an ihrem Leben sowohl, als an ihrem Eigenthum zu nehmen gedachten. Sie hatten sich nur zum Schutze des Ortes versammelt und mochten sich nicht selbst dadurch in Gefahr stürzen, daß sie ihm an die Hand gingen. Dieß sagten sie ihm nicht ohne Stocken und Bedauern, während sie sich ferne im Mondscheine hielten und mit furchtsamen Blicken nach dem gespenstigen Reiter hinsahen, der mit auf die Brust gesenktem Kopfe und tief in die Stirne gedrücktem Hute stumm und bewegungslos auf dem Pferde saß.

Da Herr Haredale fand, es sey unmöglich, sie zu überreden, und überhaupt nach dem, was sie von der Wuth des Gesindels gesehen hatten, kaum Worte dafür aufzubringen wußte, so bat er sie, ihn wenigstens ungehindert für sich handeln zu lassen und ihm die einzige Chaise nebst den paar Pferden, die in dem Orte aufzutreiben waren, abzutreten. Auch dieses ging nicht ohne einige Schwierigkeit; aber endlich sagten sie ihm, er solle thun, was er wolle, und in's Himmels Namen machen, daß er nur fortkomme.

Er überließ dem Küster den Zügel des Pferdes, zog die Chaise mit eigenen Händen heraus und würde auch die Pferde selbst eingeschirrt haben, wenn nicht der Postillion des Dorfes – ein weichherziger, landstreicherischer Thunichtgut – durch seinen leidenschaftlichen Ernst gerührt worden wäre. Er warf die Heugabel, mit der er sich bewaffnet hatte, weg und schwur, die Rebellen sollten, wenn sie Lust dazu hätten, ihn lieber in kleine Kochstücke zerhacken, ehe er dastehen und zusehen könne, wie ein ehrenhafter Gentleman, der nichts Unrechtes gethan habe, sich in einer solchen äußersten Noth befinde, ohne daß Jemand sich dazu hergebe, ihm zu helfen. Herr Haredale drückte ihm warm die Hand und dankte ihm auf's Herzlichste. In fünf Minuten war die Chaise bereit und der Bruder Liederlich im Sattel. Der Mörder wurde hereingebracht, die Blenden aufgezogen, der Küster nahm seinen Sitz auf dem Bock. Herr Haredale, der sein Pferd bestiegen, ritt dicht neben dem Schlage, und so brachen sie in todtenstiller Nacht schweigend nach London auf.

Die Bestürzung war so außerordentlich, daß sogar die Pferde, welche den Flammen des Kaninchenhags entkommen waren, keine Freunde finden konnten, die ihnen Obdach gegeben hätten. Sie begegneten ihnen an dem Wege, wo sie das kurze Gras abweideten, und der Postillion sagte ihnen, die armen Thiere seyen anfangs nach dem Dorfe gesprungen, aber von dort fortgetrieben worden, damit sie nicht die Nahe des Pöbelhaufens auf die Einwohner leiten möchten.

Auch beschränkte sich dieses Gefühl nicht blos auf kleine Orte, wo die Leute so furchtsam, erschrocken und unschlüssig waren; denn als sie in die Nähe von London kamen, trafen sie im grauen Dämmerlichte des Morgens auf mehr als eine arme katholische Familie, welche, durch die Drohungen und Warnungen ihrer Nachbarn erschreckt, die Stadt zu Fuße verlassen hatten; auch erfuhren sie durch dieselben, sie hätten nicht einmal ein Pferd oder einen Wagen zur Fortschaffung ihrer Habe miethen können, und wären daher genöthigt gewesen, alles der Gnade des Pöbelhaufens preiszugeben. In der Nähe von Mileend kamen sie an einem Hause vorbei, dessen Eigenthümer, ein nicht sehr bemittelter Katholik, der sich einen Wagen gemiethet, um in der Nacht seine Möbel fortzuschaffen, Alles auf die Straße herausgebracht hatte, um, sobald das Fuhrwerk anlangte, mit dem Packen keine Zeit zu verlieren. Aber der Mann, mit dem er handelseins geworden war, hatte sich, beunruhigt durch die nächtlichen Feuer und den Anblick der Rebellen, die an seiner Thüre vorbeizogen, geweigert, sein Wort zu halten, und der arme Herr saß mit Frau, Kindern und Magd in offener Straße zitternd unter seinem Eigenthum, mit Bangen der Zukunft des Tages entgegensehend und nicht wissend, wohin er sich wenden oder was er anfangen sollte.

Ebenso verhielt es sich, wie sie hörten, mit den öffentlichen Fuhrwerken. Der panische Schrecken war so groß, daß die Post- und Landkutscher sich fürchteten, Passagiere aufzunehmen, die der verhaßten Religion angehörten. Waren sie den Kutschern bekannt, oder gestanden sie ihren Katholicismus zu, so wurden sie nicht aufgenommen, welche Summe sie auch bieten mochten; und an dem gestrigen Tage hatten sich die Leute sogar gescheut, einen katholischen Bekannten auf der Straße zu grüßen, um nicht von Spionen bemerkt und als Folge davon (wie man es nannte) ausgebrannt zu werden. Ein sanfter alter Mann – ein Priester, dessen Kapelle zerstört worden war, ein schwaches, geduldiges, harmloses Wesen – der sich allein mühsam fortschleppte, um in einiger Entfernung der Stadt sein Glück bei einer der Postkutschen zu versuchen, sagte Herrn Haredale, er fürchte, daß er keine Magistratsperson finden werde, welche die Kühnheit hätte, auf seine Klage einen Verbrecher dem Gefängniß zu überantworten. Aber ungeachtet dieser entmuthigenden Mittheilung zogen sie weiter und erreichten bald nach Sonnenuntergang Mansion-House.

Herr Haredale sprang von seinem Pferde; er brauchte jedoch nicht erst an die Thüre zu pochen, da sie bereits offen war, und hier stand auf der Treppe ein stattlicher alter Mann mit einem sehr rothen, oder vielmehr purpurartigen Gesichte, welcher mit ängstlicher Miene irgend einer unsichtbaren Person oben auf der Treppe Vorstellungen machte, während der Portier allmälig die Thüre zu schließen und so seiner los zu werden suchte. In der größten Ungeduld und in einer seiner Lage natürlichen Aufregung eilte Herr Haredale vorwärts und wollte eben sprechen, als ihm der beleibte alte Herr zuvorkam.

»Mein guter Sir,« sagte er, »ich bitte, wartet zuerst die Antwort ab, die ich erhalten soll. Es ist jetzt das sechstemal, daß ich hier bin, denn ich bin gestern fünfmal hergekommen. Mein Haus ist mit Zerstörung bedroht. Es soll in der nächsten Nacht niedergebrannt werden und wäre wohl schon gestern Nacht ein Raub der Flammen geworden, wenn die mordbrennerische Bande nicht anderweitig zu schaffen gehabt hätte. Ich bitte, laßt zuvor mich Antwort erhalten.«

»Mein guter Sir,« sagte Herr Haredale, den Kopf schüttelnd, »mein Haus ist bis auf den Grund abgebrannt worden, aber Gott verhüte, daß es Euch ebenso ergehen sollte. Holt Euch Euern Bescheid, doch um aller Barmherzigkeit willen, faßt Euch kurz.«

»Nun, Ihr hört dieß, Mylord?« sagte der alte Herr, die Treppe hinaufrufend, an dessen Geländer der Saum eines Schlafrocks flatterte. »Da ist ein Herr, dessen Haus in der letzten Nacht wirklich niedergebrannt wurde.«

»Mein Gott, mein Gott,« versetzte eine ärgerliche Stimme, »ich bedaure das recht sehr, aber was soll ich thun? Ich kann's nicht wieder aufbauen. Der erste Beamte der Stadt kann nicht hingehen und der Leute Häuser wieder aufbauen, mein guter Sir. Das ist ja der helle, blanke Unsinn!«

»Aber der erste Beamte der Stadt kann verhindern, daß der Leute Häuser überhaupt wieder aufgebaut werden müssen, wenn dieser erste Beamte ein Mann und nicht eine bloße Puppe ist – oder etwa nicht, Mylord?« rief der alte Gentleman zornig.

»Ihr benehmt Euch achtungswidrig, Sir,« sagte der Lordmayor – »im mildesten Licht betrachtet, achtungswidrig, wollt' ich sagen.«

»Achtungswidrig, Mylord?« entgegnete der alte Gentleman. »Ich war gestern fünfmal ehrerbietig, aber ich kann's nicht für immer seyn. Die Leute können nicht herstehen und an einem fort ihren unterthänigen Respekt bezeugen, wenn man ihnen die Häuser über ihren Köpfen anzünden will. Was soll ich thun. Mylord? Werde ich Schutz erhalten?«

»Ich habe Euch gestern schon gesagt, Sir,« erwiederte der Lordmayor, »daß Ihr einen Aldermann in Euer Haus nehmen sollt, wenn Euch einer kommen will.«

»Zum Teufel, wozu soll ein Aldermann gut seyn?« versetzte der cholerische alte Herr.

»– Die Menge einzuschüchtern, Sir,« sagte der Lordmayor.

»Gott sey mir gnädig!« wimmerte der alte Herr, indem er sich in einem Zustande possierlicher Verzweiflung die Stirne trocknete. »Schon der Gedanke, einen Aldermann zu schicken, um die Menge einzuschüchtern! Und wenn es eben so viele Säuglinge an der Mutterbrust wären, Mylord, was glaubt Ihr, daß sie sich um einen Aldermann kehren würden? Wollt Ihr kommen?«

»Ich?« entgegnete der Lordmayor mit großem Nachdruck. »Nein, gewiß nicht!«

»Aber was soll ich dann thun?« entgegnete der alte Gentleman. »Bin ich ein Bürger von England? Soll ich die Wohlthaten des Gesetzes genießen? Wird mir etwas dafür, daß ich dem König meine Steuern bezahle?«

»Ich weiß das wahrhaftig nicht,« sagte der Lordmayor. »Schade, daß Ihr ein Katholik seyd. Warum habt Ihr nicht ein Protestant werden können? Damit wäre Euch dieser ganze Handel erspart geblieben. Ich weiß in der That nicht, was da anzufangen ist. – Es stecken große Leute im Hintergrunde dieser Rebellion. Ach du mein Himmel, welche schwere Stellung hat nicht ein öffentlicher Charakter! – Ihr könnt im Laufe dieses Tages wieder ansprechen – wäre es wohl mit einem Hellebardier ausgerichtet? Oder da ist auch Philips, der Constable – der hat gegenwärtig keinen Dienst – er ist noch nicht sehr gebrechlich für einen Mann in seinen Jahren, etwa die Beine ausgenommen. Wenn Ihr ihn dann an ein Fenster stellt, so wird er sich beim Kerzenlicht jung genug ausnehmen und den Haufen gewaltig in Schrecken jagen. – O mein Himmel! – Nun – wir wollen dafür Sorge tragen.«

»Halt!« rief Herr Haredale mit rascher Stimme, indem er die Thüre aufdrückte, welche der Pförtner zu schließen bemüht war; »Lordmayor, ich muß bitten, daß Ihr Euch nicht entfernt. Ich habe einen Mann hier, der vor achtundzwanzig Jahren einen Mord beging. Ein paar Worte von mir und meine Eidesleistung wird Euch berechtigen, ihn der Untersuchungshaft zu übergeben. Ich verlange vor der Hand nichts, als daß er in sicheren Gewahrsam gebracht wird. Die mindeste Zögerung kann die Folgen haben, daß er von den Aufrührern befreit wird.«

»Ach du mein Himmel!« rief der Lordmayor. »Gott sey meiner Seele – und meinem Leibe gnädig! Ach, großer Gott – ei du mein! – Wißt Ihr denn nicht, daß große Personen im Hintergrunde dieser Rebellion stehen? – Nein. Ihr könnt's wahrhaftig nicht wissen.«

»Mylord,« sagte Herr Haredale, »der Ermordete war ein Mann von Stande – war mein Bruder. Er war der Erbe seiner Güter, und es fehlte damals nicht an Lästerungen, die sich zuflüsterten, diese grausame und schändliche Unthat laste auf mir – auf mir, obgleich Gott mein Zeuge ist, daß ich ihn zärtlich liebte. Nach all diesen Jahren voll Dunkel und Elend ist endlich die Zeit gekommen, ihn zu rächen und ein Verbrechen an's Licht zu bringen, das an teuflischer Arglist nicht seines Gleichen hat. Jede Sekunde, die Ihr zögert, löst mehr und mehr die Bande an den blutigen Händen dieses Menschen und begünstigt dessen Entkommen. Mylord, es ist Eure Pflicht, mich zu hören und diese Angelegenheit schleunigst zu bereinigen.«

»Ach, du mein Himmel,« rief der erste Beamte; »das sind keine Geschäftsstunden, müßt Ihr wissen – ich muß mich wundern über Euch – so benimmt sich kein Mann von Bildung – in der That, Ihr könnt nicht wissen, was Brauch ist. – Und ich vermuthe beinahe, daß Ihr auch ein Katholik seyd?«

»Ja, das bin ich,« versetzte Herr Haredale.

»Gott stehe mir bei, ich glaube, die Leute werden mit Gewalt katholisch, um mich zu necken und zu quälen,« rief der Lordmayor. »Ich wollte, Ihr wäret gar nicht hergekommen, denn nächstens stecken sie auch Mansion-House in Brand, und wir werden's Euch Dank wissen müssen. Sperrt Euren Gefangenen ein, Sir – übergebt Ihn einer Wache – und – und sprecht zu einer geeigneteren Zeit wieder vor. Wir wollen dann sehen, was sich thun läßt!«

Ehe noch Herr Haredale antworten konnte, schlug die Thüre zu, und das Vorschieben der Riegel verkündete, daß der Lordmayor sich nach seinem Schlafgemach zurückgezogen hatte, und daher weitere Vorstellungen fruchtlos waren. Die beiden Bittsteller entfernten sich gleichfalls und wurden von dem Portier auf die Straße hinausgeschlossen.

»So werde ich immer abgefertigt,« sagte der alte Gentleman; »ich kann weder Schutz noch Hülfe erhalten. Was habt Ihr im Sinne, Sir?«

»Ich will es anderswo versuchen,« antwortete Herr Haredale, der sich inzwischen wieder in den Sattel geworfen hatte.

»Seyd versichert, ich fühle für Euch – warum sollte ich auch nicht, da wir für eine gemeinschaftliche Sache leiden?« versetzte der alte Gentleman. »Morgen habe ich Euch vielleicht kein Haus mehr anzubieten, deßhalb will ich es thun, so lange ich noch kann. Doch wenn ich's recht überlege,« fügte er bei, indem er sein Taschenbuch, das er während des Sprechens herausgezogen hatte, wieder einsteckte, »so will ich Euch doch keine Karte geben, denn wenn man sie bei Euch findet, so könntet Ihr in Ungelegenheiten gerathen. Ich heiße Langdale – Weinhändler und Destillateur – Holborn Hill – Ihr seyd herzlich willkommen, wenn Ihr bei mir einsprechen wollt.«

Herr Haredale verneigte sich und ritt weiter, sich wie zuvor dicht an den Wagen haltend. Er hatte im Sinne, sich nach der Wohnung des Sir John Fielding zu begeben, der in dem Rufe eines kühnen und thätigen Beamten stand, fest entschlossen, falls ihn die Aufrührer überfallen sollten, den Mörder eigenhändig hinzurichten, ehe er dessen Befreiung zugäbe.

Sie erreichten indeß ohne Störung (denn wir haben gesehen, daß der Pöbel mit tieferen Plänen beschäftigt war) die Wohnung der Magistratsperson und klopften an die Thüre. Es ging ziemlich allgemein das Gerücht, Sir John sey von den Aufrührern in die Acht erklärt worden, weßhalb ein Haufen Diebshäscher die ganze Nacht über in seinem Hause Wache gehalten hatte. Einem derselben theilte Herr Haredale sein Anliegen mit, und da dasselbe dem Manne von hinreichender Wichtigkeit schien, um eine Schlafstörung zu rechtfertigen, so verschaffte er ihm augenblicklich Audienz bei dem Friedensrichter.

Der Mörder wurde ohne Zeitverlust für Newgate bestimmt, ein damals noch ganz neues Gebäude, das erst kürzlich mit ungeheuren Kosten beendigt worden war und für ungemein fest gehalten wurde. Sobald die Vollmacht ausgestellt worden war, banden ihn drei Diebshäscher auf's Neue (er hatte sich, wie es schien, in der Chaise abgekämpft und die Bande seiner Hand losgemacht), steckten ihm einen Knebel in den Mund, damit er, wenn sie dem Gesindel begegnen sollten, nicht um Hülfe rufen könne, und setzten sich mit ihm in den Wagen. Da diese Männer alle gut bewaffnet waren, so bildeten sie eine furchtbare Bedeckung; demungeachtet aber zogen sie die Blenden wieder auf, als ob der Wagen leer sey, und gaben Herrn Haredale die Weisung, voranzureiten, damit es kein Aufsehen errege und nicht den Anschein habe, als gehöre er zu der Equipage.

Die Klugheit dieser Maßregel wurde bald klar; denn als sie durch die City fuhren, kamen sie an mehreren Menschenhaufen vorbei, welche sie sicher angehalten haben würden, wenn sie den Wagen nicht für ganz leer gehalten hätten. Da jedoch die drinnen Befindlichen sich ganz stille verhielten und der Kutscher nur langsam fuhr, um neugierige Fragen zu vermeiden, so erreichten sie das Gefängniß ohne Störung – und einmal dort, hatten sie den Verbrecher bald heraus und in einem Nu wohlbehalten hinter den düstern Mauern untergebracht.

Mit eifrigen Blicken und gespannter Aufmerksamkeit sah Herr Haredale zu, wie er gefesselt und in seine Zelle eingeriegelt wurde. Ja, als er das Gefängniß verließ und auf der offenen Straße draußen stand, befühlte er sogar mit seinen Händen die Eisenbeschläge der Thüre und fuhr über die Steinmauer, um sich zu überzeugen, daß er nicht träume, und sich darüber zu freuen, daß sie so fest, rauh und kalt war. Erst als er dem Gefängniß den Rücken gekehrt hatte und die leeren Straßen hinaufschaute, die an dem heiteren Morgen so still und leblos waren, fühlte er auf's Neue die Centnerlast auf seiner Seele; er ward sich seiner Angst um Diejenigen, die er zu Hause gelassen, auf's Neue bewußt; ach, und diese Heimath wurde jetzt nur noch eine neue Perle in dem langen Rosenkranze seiner Leiden.



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