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Siebenundfünfzigstes Kapitel.

Barnaby fuhr fort, bewaffnet, wie wir gesehen haben, vor der Stallthüre auf und nieder zu gehen –  froh, daß er wieder einmal allein war, um sich nach Herzenslust der ungewohnten Stille und Ruhe erfreuen zu können. Nach dem Lärm und Tumult, in welchem er die letzten zwei Tage verbrachte, hatte der Friede und die Einsamkeit einen tausendfach höheren Reiz für ihn. Er fühlte sich vollkommen glücklich, und während er sinnend, an seine Fahnenstange gelehnt, da stand, strahlte ein heiteres Lächeln über sein Gesicht, denn nur frohe Gesichte traten ihm vor die Seele.

Hatte er denn keine Gedanken für sie, deren einzige Lust er war, und die er, ohne es zu wissen, in so bittere Sorgen, in so tiefes Herzeleid gestürzt hatte? Allerdings. Sie war ja das Herz aller seiner schönen Hoffnungen und seiner stolzen Gedanken. Sie war es, der alle diese Ehren und Auszeichnungen Freude und Gewinn bereiten sollten. Mit welcher Wonne mußte sie die Kunde von der Tapferkeit ihres armen Kindes vernehmen! Ah! das wußte er ja, ohne daß es ihm Hugh zu sagen brauchte. Und welcher Hochgenuß lag in dem Bewußtseyn, daß sie so glücklich lebte und mit so viel Stolz anhörte – er vergegenwärtigte sich dabei ihr Gesicht, wenn ihr derartige Nachrichten mitgetheilt wurden – daß er in so hoher Achtung stand: ein Kühner unter den Kühnsten, den Alle mit ihrem Vertrauen beehrten. Und wenn nach allen diesen Kämpfen, aus denen der gute Lord als Sieger über seine Feinde hervorgehen mußte, der Frieden wiederkehrte, und er und sie reich waren, mit welcher Seligkeit konnten sie dann von den unruhigen Zeiten sprechen, in denen er sich als Soldat ausgezeichnet; und wenn sie dann allein in dem ruhigen Zwielicht beisammen saßen und sie nicht mehr für den kommenden Morgen ängstlich bekümmert seyn mußten – welche Luft lag da nicht in dem Gedanken, daß dieß sein Werk sey – sein – des armen, thörichten Barnaby's Werk. Wie er sie dann auf die Wange pätschelte und mit heiterem Lachen zu ihr sagte: »Bin ich jetzt noch thöricht, Mutter – bin ich noch thöricht?«

Mit leichterem Schritt und Herzen, mit Augen, die nur noch heller strahlten, weil eine glückliche Thräne sie für einen Augenblick getrübt hatte, nahm Barnaby seinen Spaziergang wieder auf, ein heiteres Liedchen vor sich hin singend, während er auf seinem ruhigen Posten Wache hielt.

Greif, der Gefährte und Theilhaber seines Dienstes, der sich sonst lieber in der Sonne wärmte, zog es heute vor, in dem Stall herum zu spazieren; er machte sich dabei viel zu schaffen, indem er bald das Stroh aus einander warf, unter dem er einen oder den andern kleinen Gegenstand, der zufällig liegen geblieben war, versteckte, oder Hughs Lager besuchte, das ein besonderes Interesse für ihn zu haben schien. Hin und wieder schaute Barnaby hinein und rief ihm, worauf er herangehüpft kam; aber er that dieß blos aus Nachsicht mit der Schwäche seines Gebieters und kehrte bald wieder zu seiner gravitätischen Beschäftigung zurück, mit dem Schnabel das Stroh untersuchend, und dann schnell wieder die Stelle bedeckend, als flüstere er der Erde Geheimnisse zu und begrabe sie sodann. Dabei war er beständig auf der Lauer und that, sobald Barnaby vorbeikam, als schaue er nach den Wolken und führe durchaus gar nichts im Schilde: kurz, er benahm sich in vielfacher Hinsicht weit nachdenksamer, tiefsinniger und geheimnißvoller, als sonst.

Als der Tag zur Neige ging, entschloß sich Barnaby, der kein Verbot erhalten hatte, auf seinem Posten zu essen und zu trinken, sondern im Gegentheil mit einer Flasche Bier und einem Korb voll Mundvorrath versehen worden war, sein Fasten zu brechen, denn er hatte seit dem Morgen nichts zu sich genommen. Zu diesem Ende setzte er sich vor der Thüre auf den Boden nieder, legte für den Fall eines Angriffs oder einer Ueberraschung sein Banner quer über die Kniee und rief Greif zum Mahle.

Dieser Aufforderung leistete der Vogel mit großer Behendigkeit Folge, und rief, während er sich an der Seite seines Herrn aufpflanzte: »Ich bin ein Teufel, ich bin ein Teufel, ich bin ein Polly, ich bin ein Kessel, ich bin ein Protestant, kein Pabstthum!« Diesen letzteren Spruch hatte er von der edlen Genossenschaft, unter der er sich in der letzten Zeit aufgehalten, gelernt, und er entledigte sich desselben mit ungemeinem Nachdruck.

»Wohl gesprochen, Greif!« sagte sein Gebieter, indem er ihn mit den leckersten Bissen fütterte. »Wohl gesprochen, alter Knabe!«

»Nichts da von Sterben, bau, wau, wau, hellauf, Greif, Greif, Greif. Hollah! Wir wollen Alle Thee haben, ich bin ein Protestant, ein Kessel, kein Pabstthum!« rief der Rabe.

»Gordon für immer, Greif,« rief Barnaby.

Der Rabe legte den Kopf auf den Boden und blickte seitwärts nach seinem Herrn auf, als wollte er sprechen: »Sag' mir das noch einmal.«

Da Barnaby diese Geberde vollkommen verstand, so wiederholte er den Satz zu vielen Malen. Der Vogel horchte mit vieler Aufmerksamkeit, hin und wieder mit leiser Stimme das Feldgeschrei des Volks repetirend, als wollte er diese beiden Phrasen mit einander vergleichen und versuchen, ob er sich dadurch nicht zu einer neuen Vollkommenheit verhelfen könne; dann schlug er auch mit den Flügeln, oder bellte, und hin und wieder zog er in einer Art von Verzweiflung mit außerordentlicher Bosheit eine Menge Korkstöpsel aus.

Barnaby war so sehr mit seinem Liebling beschäftigt, daß er im Anfange die Annäherung zweier Personen nicht gewahr wurde, die auf einem Fußpfade gerade auf seinen Posten zuritten. Sobald er sie jedoch bemerkte (dieß geschah jedoch erst, als sie kaum noch fünfzig Schritte von ihm entfernt waren), sprang er hastig auf, befahl Greif, nach dem Stall zurückzukehren, umfaßte sein Banner mit beiden Händen und wartete ab, ob er es mit Freunden oder Feinden zu thun habe.

Er hatte sich kaum in Positur gesetzt, als er entdeckte, daß die Herankommenden aus einem Gentleman und seinem Diener bestanden, und fast in demselben Augenblicke erkannte er in der Person des Ersteren Lord George Gordon, vor welchem er den Hut abnahm und die Augen zu Boden schlug.

»Guten Tag!« sagte Lord George, ohne sein Pferd zu zügeln, bis er dicht an der Seite der Schildwache stand. »Nun?«

»Alles ruhig, Sir; alles in Sicherheit!« rief Barnaby. »Die Andern sind fort – in dieser Richtung. Eine große Anzahl!«

»So?« sagte Lord George, ihn gedankenvoll in's Auge fassend. »Und Ihr? –«

»Oh! Sie ließen mich hier auf dem Posten – ich soll Wache stehen – alles in Sicherheit erhalten, bis sie wieder zurückkommen. Ich thu' es. Sir, um Euretwillen. Ihr seyd ein guter Herr, ein freundlicher Herr – ja, das seyd Ihr. Ihr habt viele Feinde gegen Euch; aber wir nehmen's wohl mit ihnen auf – habt keine Furcht!«

»Was ist denn das dort?« fragte Lord George, auf den Raben deutend, der zur Stallthüre herausguckte, aber noch immer, wie es schien, Barnaby gedankenvoll und in einiger Verlegenheit betrachtend.

»Ei, wißt Ihr das nicht?« entgegnete Barnaby mit einem verwunderten Lachen. »Nicht zu wissen, was das ist! Natürlich ein Vogel. Mein Vogel – mein Freund – Greif.«

»Ein Teufel, ein Kessel, ein Greif, ein Polly, ein Protestant – kein Pabstthum!« rief der Rabe.

»Demungeachtet,« fügte Barnaby mit sanfter Stimme bei, indem er seine Hand auf den Hals von Lord George's Pferd legte, »mögt Ihr in der That Grund haben, mich zu fragen, was er ist, denn bisweilen bin ich auch verlegen darüber – und ich bin daran gewöhnt – ihn mir blos als Vogel zu denken. Ha, ha, ha! Er ist mein lieber Bruder; Greif ist immer bei mir – immer plaudernd – immer vergnügt – he, Greif?«

Der Rabe antwortete durch ein zärtliches Krächzen, hüpfte auf seines Gebieters hingehaltenen Arm und ließ sich von ihm mit der Miene vollkommener Gleichgültigkeit liebkosen, indem er zugleich sein ruhiges, neugieriges Auge bald auf Lord George, bald auf dessen Diener haften ließ.

Lord George biß sich verwirrt in die Nägel, sah eine Weile schweigend auf Barnaby, winkte dann seinem Diener und sagte:

»Komm hieher, John.«

John Grueby langte mit der Hand an seinen Hut und kam näher.

»Hast du diesen jungen Menschen früher schon gesehen?« fragte sein Gebieter mit leiser Stimme.

»Zweimal, Mylord,« antwortete John. »Ich sah ihn gestern Nacht und am Sonnabend in dem Gedränge.«

»Kam – kam es dir vor, als ob etwas Neues oder Sonderbares in seinem Benehmen liege?« fuhr Lord George stotternd fort.

»Er ist verrückt,« sagte John mit nachdrücklicher Kürze.

»Und warum hältst du ihn für verrückt?« versetzte sein Gebieter im Tone des Aergers. »Sey nicht so freigebig mit solchen Bezeichnungen. Warum hältst du ihn für verrückt?«

»Mylord,« antwortete John Grueby, »schaut nur auf seinen Anzug, schaut auf seine Augen, schaut auf sein unruhiges Wesen, hört sein ›Kein Pabstthum‹ schreien. Rein verrückt, Mylord.«

»Wenn sich also einer nicht wie die andern kleidet,« entgegnete Lord George unmuthig, indem er einen Blick auf sich selber warf, »zufälligerweise in seiner Haltung und in seinem Wesen etwas Ungewöhnliches hat und auf die Seite der großen Sache tritt, die der Verderbte und Ungläubige verläßt, so muß er gleich für verrückt gelten, he?«

»Nein, total, toll verrückt, Mylord,« entgegnete der unbewegliche John.

»Und das sagst du mir in's Gesicht?« rief sein Gebieter, sich rasch nach ihm umwendend.

»Jedem, Mylord, der mich darnach fragt,« antwortete John.

»Ich finde, daß Gashford Recht hatte,« sagte Lord George. »Ich glaubte, er sey von Vorurtheilen befangen, obgleich ich einen Mann seines Gleichen hätte besser kennen sollen, um etwas der Art für möglich zu halten.«

»Herr Gashford wird nie ein gutes Wort für mich einlegen,« versetzte John, achtungsvoll an seinen Hut greifend, »und ich begehre es auch nicht.«

»Du bist ein übelgesinnter, höchst undankbarer Mensch,« sagte George; »ein Spion, wie ich bemerke. Herr Gashford hat vollkommen Recht, und ich hätte vorweg davon überzeugt seyn können. Es ist ein Fehler von mir, daß ich dich in meinen Diensten behalten habe. Es war eine stillschweigende Kränkung, eine Verletzung meines auserlesenen und vertrautesten Freundes, daß ich dich nicht auf der Stelle entließ, als du damals zu Westminster für den Mann, der ihn schmähte, Partei nahmst. Du hast deinen Abschied – ja, sobald wir zu Hause anlangen. Je bälder, desto besser.«

»Wenn es so weit gekommen ist, so bin ich auch der gleichen Meinung, Mylord. Mögt Ihr immerhin Herrn Gashford's Willen thun. Ich bin indeß überzeugt, Mylord, Ihr kennt mich besser, als daß Ihr mich für einen Spion halten könntet. Ich verstehe mich nicht auf Eure großen Sachen, und halte mich eben auf die Seite dessen, der einzeln steht, wenn ein paar hundert gegen ihn anrennen; auch hoffe ich, daß dieß immer der Fall seyn wird.«

»Du hast genug gesagt,« entgegnete Lord George, ihm zurückwinkend, »ich verlange nicht mehr zu hören.«

»Wenn Ihr mich noch ein Wort beifügen lassen wollt,« erwiederte John Grueby, »so möchte ich diesem thörichten Burschen da den Rath geben, nicht länger hierzu bleiben. Die Proklamation ist bereits in vielen Händen, und man weiß wohl, daß er in den darin berührten Händeln betheiligt war. Er würde besser thun, sich einen Schlupfwinkel aufzusuchen, wo er sich bergen kann – der arme Mensch.«

»Ihr hört, was dieser Mann sagt?« rief Lord George, sich an Barnaby wendend, der während dieses Zwiegesprächs verwundert zugesehen hatte. »Er glaubt, Ihr könntet Euch fürchten, auf Eurem Posten zu bleiben, und würdet vielleicht gegen Euren Willen hier festgehalten. Was sagt Ihr dazu?«

»Ich glaube, junger Mensch,« sagte John als Erörterung,« daß Soldaten ausrücken und Euch festnehmen dürften; und wenn dieß geschieht, werdet Ihr sicher an dem Hals aufgehängt, bis Ihr todt – todt – todt seyd. Auch halte ich es für besser, Ihr macht, daß Ihr so schnell als möglich von hier fortkommt. Das ist meine Meinung.«

»Er ist ein Feigherziger, Greif, eine Memme!« rief Barnaby, den Raben auf den Boden setzend und seine Fahne schulternd. »Mögen sie kommen! Gordon für immer! Mögen sie kommen!«

»Ja!« sagte Lord George. »Mögen sie kommen! Wir wollen sehen, wer es wagen wird, eine Macht wie die unsrige anzugreifen – die feierliche Verbindung eines ganzen Volkes. Dieser Mann ein Verrückter? Ihr habt brav gesprochen – ganz wie ein Held. Ich bin stolz darauf, der Führer solcher Männer zu seyn.«

Barnaby's Herz pochte hoch in seiner Brust, als er diese Worte hörte. Er führte Lord George's Hand an seine Lippen, klopfte auf die Mähne des Pferdes, als hätte sich die Liebe und Bewunderung, die er gegen den Mann hegte, auch auf dessen Thier ausgedehnt, entrollte seine Fahne, schwang sie stolz in der Luft und fing wieder an, auf und ab zu schreiten.

Lord George's Augen und Wangen leuchteten und glühten; er nahm seinen Hut ab, schwenkte ihn über seinem Haupte und sagte ihm ein triumphirendes Lebewohl. Dann ritt er in raschem Trabe weiter, noch einen ärgerlichen Blick zurückwerfend, um zu sehen, ob ihm sein Diener folge. Der ehrliche John spornte sein Thier und ritt seinem Gebieter nach, aber nicht, ehe er zuvor Barnaby mit vielen bezeichnenden Geberden bedeutet hatte, daß er sich flüchtig machen solle; er fuhr sogar damit fort, bis die Windungen des Weges ihn den Blicken der beharrlich sich weigernden Schildwache entzogen.

Sich selbst überlassen, mit noch höherer Meinung von der Wichtigkeit seines Postens und begeistert durch die besondere Aufmerksamkeit und Ermuthigung seines Führers, spazierte Barnaby, mehr in einer wonnigen Verzückung, als in wachem Zustande, auf und nieder. Das Sonnenlicht rings umher strahlte auch in seiner Seele wieder. Er hatte jetzt nur noch einen nicht gestillten Wunsch. Wenn doch sie ihn sehen könnte!

Der Tag neigte sich seinem Ende zu; die Hitze wich allmälig der Kühle des Abends; ein leichter Wind erhob sich, fächelte durch sein langes Haar und rauschte lustig in dem Banner über seinem Haupte. Es war eine Freiheit und Frische in diesem Tone, welche in genauem Einklang mit seiner Stimmung stand. Er war glücklicher, als je.

Er lehnte sich eben an den Schaft seiner Fahne, schaute der untergehenden Sonne zu und machte sich eben Gedanken darüber, daß er in diesem Augenblicke über begrabenem Golde Schildwache stehe, als zwei oder drei Gestalten in der Ferne auftauchten, rasch auf das Haus zukamen und mit ihren Händen winkten, als wollten sie die Bewohner drängen, einer nahenden Gefahr auszuweichen. Je näher sie kamen, desto angelegentlicher wurden ihre Geberden, und sobald sie sich in Hörweite befanden, rief der Vorderste, daß Soldaten heranzögen.

Bei diesen Worten rollte Barnaby seine Fahne zusammen und band sie um den Schaft. Das Herz schlug ihm hoch bei diesem Geschäfte, aber er fürchtete sich nicht und dachte eben so wenig an Flucht, als die Stange selbst. Die befreundeten Flüchtlinge eilten, nachdem sie ihn von der Gefahr benachrichtigt, an ihm vorbei und huschten in das Haus, wo unmittelbar darauf die größte Verwirrung stattfand. Drinnen verschlossen sie hastig Zimmer und Thüren und drängten ihn durch Blicke und Zeichen, hin und wieder auch durch Zurufe, ohne Zeitverlust zu fliehen; er aber schüttelte entrüstet den Kopf und pflanzte sich nur um so fester auf seinem Posten auf. Da er sich nicht bewegen lassen wollte, so nahmen die Warner auf ihre eigene Sicherheit Bedacht und entfernten sich eiligst, nur ein altes Weib in dem Hause zurücklassend.

Bis jetzt hatte sich keine Spur gezeigt, daß die Kunde eine bessere Begründung habe, als die Furcht der Ueberbringer. Der Stiefel war indeß kaum fünf Minuten verlassen, als über die Felder her ein Männerhaufen kam, der – wie man leicht aus dem Glanze der Waffen und Montirungsgarnituren im Sonnenstrahl und aus der Regelmäßigkeit ihres Anrückens, das in geschlossener Reihe geschah, entnehmen konnte – aus Soldaten bestand. In sehr kurzer Zeit erkannte Barnaby darin eine starke Abtheilung der Garde zu Fuß, die von zwei Herren in Civil und einer kleinen Anzahl von Reitern begleitet war. Letztere bildeten den Nachzug und bestanden nur aus sechs oder acht Pferden.

Sie marschirten gleichförmig an, ohne im Näherkommen das Tempo ihrer Schritte zu beschleunigen – lautlos und durchaus keine Spur von Aufregung oder Furcht verrathend. Obgleich sich dieß, wie sogar Barnaby wußte, bei regulären Truppen von selber verstand, so lag darin doch etwas besonders Eindrucksvolles und Verblüffendes für einen Menschen, der nur an den Tumult eines undisciplinirten Pöbels gewöhnt war. Demungeachtet aber behauptete er mit nicht weniger Entschlossenheit seinen Posten, und keine Spur von Beklommenheit verrieth sich in seinen Mienen.

Sie rückten in den Hof und machten Halt. Der commandirende Offizier schickte eine Ordonnanz an die Cavalleristen, von denen einer heranritt. Sie wechselten einige Worte und blickten auf Barnaby, der sich wohl noch des Mannes erinnerte, den er zu Westminster vom Pferde gestoßen hatte und den er jetzt hier vor seinen Augen sah. Der Cavallerist erhielt bald seine Entlassung, salutirte und ritt zu seinen Kameraden zurück, die seitlich in kurzer Entfernung aufgestellt waren.

Dann commandirte der Offizier zu Ladung der Gewehre. Das dumpfe Aufstoßen der Musketenkolben auf den Boden und das rasche Klirren der Ladstöcke in den Läufen war für Barnaby eine Erleichterung, obgleich er wußte, welche todbringende Bedeutung diese Töne hatten. Sobald diese Manipulation vorüber war, wurde wieder commandirt und die Soldaten hatten im Nu einen eingliedigen Kreis um Haus und Stallungen gebildet, das Ganze etwa in einer Entfernung von ungefähr einem halben Dutzend Ellen umzingelnd, denn so kam wenigstens Barnaby die Entfernung zwischen ihm und den Soldaten vor. Die Reiterei verblieb auf ihrer früherer Stelle.

Die zwei Herren in Civil, die sich inzwischen ferne gehalten hatten, ritten nun an die Seite des Offiziers heran. Die Proklamation wurde hervorgezogen, von einem der beiden Beamten verlesen und der Offizier forderte Barnaby auf, sich zu ergeben.

Er gab keine Antwort, sondern trat in die Thüre, vor welcher er Wache gehalten hatte, und hielt seine Fahne quer davor, um sie zu schützen. Es herrschte tiefe Stille; dann wurde er zum zweiten Mal aufgefordert, sich zu ergeben.

Noch immer keine Antwort. In der That hatte er auch genug zu thun, die Augen an dem Halbdutzend Männer, die unmittelbar vor ihm standen, auf- und ablaufen zu lassen und zu einem raschen Entschluß zu kommen, welchen er zunächst aufs Korn nehmen wollte, wenn sie auf ihn eindrängen. Er richtete sein Augenmerk auf einen in der Mitte, fest entschlossen, diesen Kerl niederzuschlagen, und wenn er dafür selbst in Stücke zerhauen werden sollte.

Wieder eine Todtenstille und noch einmal dieselbe Stimme, die seine Ergebung forderte.

Im nächsten Augenblicke war er in den Stall zurückgewichen, wo er wie ein Rasender um sich schlug. Zwei der Soldaten lagen ausgestreckt zu seinen Füßen; der eine, den er sich gemerkt hatte, zuerst – denn darauf hatte er sogar in der Hitze und in dem Getümmel des Kampfes Acht gehabt. Ein zweiter Schlag – und noch einer; dann aber stürzte er – überwältigt – durch einen schweren Stoß eines Gewehrkolbens auf der Brust verwundet, (er sah die Waffe im Fallen) – athemlos – und war ein Gefangener.

Ein Ausruf der Ueberraschung von Seiten des Offiziers brachte ihn einigermaßen wieder zu sich. Er sah sich um. Greif, der den ganzen Nachmittag im Geheimen gearbeitet und der jetzt, da Jedermanns Aufmerksamkeit von ihm abgelenkt war, seine Anstrengung verdoppelte, hatte die Streu von Hugh's Lager weggezupft und den losen Grund mit seinem Eisenschnabel aufgewühlt, Das Loch war achtloserweise bis an den Rand angefüllt und nur mit etwas Erde bedeckt worden. Goldene Schalen, Löffel, Leuchter, Guineen – der ganze Reichthum war dem Auge blos gelegt.

Man brachte Spaten und einen Sack herbei, grub Alles aus, was hier verborgen war, und schaffte mehr weg, als zwei Mann zu lüpfen vermochten. Dann legte man Barnaby Handschellen an, band ihm die Arme, durchsuchte ihn und nahm ihm Alles weg, was sich bei ihm vorfand. Niemand fragte ihn. Niemand machte ihm Vorwürfe oder schien sich überhaupt viel um ihn zu kümmern. Die zwei betäubten Soldaten, die er niedergeschlagen, wurden von ihren Kameraden in derselben geregelten Weise, in welcher alles Uebrige geschah, fortgeschafft. Schließlich wurde er unter der Bewachung von vier Mann mit aufgepflanzten Bajonetten zurückgelassen, während der Offizier in eigener Person eine Durchsuchung des Hauses, wie auch der Nebengebäude, anordnete.

Dieß war bald geschehen. Die Soldaten stellten sich wieder in dem Hofe auf. Barnaby wurde von seiner Wache hinausgebracht und mußte sich an einer Stelle, wo für ihn Raum gelassen war, in Reihe und Glied stellen. Die Andern schlossen sich rings um ihn an, und so ging der Zug, den Gefangenen in der Mitte, weiter.

Als sie in die Straßen von London kamen, fühlte er bald, daß er eigentlich als ein Schaustück betrachtet wurde, denn so oft er während des raschen Marsches in die Höhe blickte, konnte er Leute bemerken, die, freilich etwas zu spät, an die Fenster eilten und sie aufrissen, um ihm nachzusehen. Bisweilen traf er auf ein glotzendes Gesicht hinter den Köpfen seiner Umgebung oder unter den Armen seiner Führer durch, oder auf einen Burschen, der von einem Frachtwagen oder einem Kutschenbocke auf ihn herunterguckte. Aber dieß war Alles, was er durch die ihn umringenden Soldaten sehen konnte. Sogar der Lärm in den Straßen schien gedämpft, und die Luft wehte ihn dumpf und heiß an, wie der krankmachende Athem eines Ofens.

Trab, trab. Trab, trab. Kopf aufrecht, Brust heraus. Mann für Mann in gleichem Schritt und Tritt – Alles so ordonnanz- und regelmäßig – Niemand sah auf ihn – Niemand schien seiner Anwesenheit bewußt zu seyn – er konnte kaum glauben, daß er ein Gefangener sey. Aber während er dieß dachte, fühlte er, wie die Handschellen seine Gelenke quetschten und der Strick seine Arme an die Seite preßte: die geladenen Gewehre nach seinem Kopfe gerichtet; die kalten, scharfen, blanken Bajonnetspitzen ihm zugekehrt – schon der bloße Anblick brachte den warmen Strom des Lebens in dem hülflosen Gebundenen zum Gerinnen.



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