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Fünfundfünfzigstes Kapitel.

John Willet, der in dem verwüsteten Schenkstübchen allein zurückblieb, stierte noch immer um sich her – allerdings mit wachen Augen, aber all' sein geistiges Vermögen lag in einem tiefen, traumlosen Schlafe. Er sah auf das Gemach, das seit Jahren, und sogar noch vor einer Stunde, der Stolz seines Herzens gewesen war, aber auch nicht eine einzige Muskel bewegte sich in seinem Gesicht. Die Nacht draußen blickte schwarz und kalt durch die traurigen Löcher in den Fensterscheiben; die kostbaren Flüssigkeiten, die nun beinahe ausgelaufen waren, tröpfelten noch mit hohlem Tone auf den Boden; der Maibaum guckte kläglich durch den zertrümmerten Fensterrahmen, wie das Bugspriet eines gescheiterten Schiffes; der Stubenboden hätte mit dem Grunde des Meeres verglichen werden können, so voll lag er von köstlichen Bruchstücken. Der Wind rauschte herein, die alten Thüren krachten und knarrten in ihren Angeln, die Kerzen flatterten niederträufelnd und machten lange Leichenhemden; die heiteren, tiefrothen Vorhänge flatterten müßig auf die Straße hinaus; selbst die wackeren Holländerfäßchen, die leer und umgeworfen in den dunkeln Stubenecken lagen, schienen blos die Hüllen lustiger Brüder zu seyn, deren Jovialität entschwunden war, und die keine freundliche Gluth mehr anzufachen vermochten. John sah diese Verwüstung und sah sie doch nicht. Er war vollkommen zufrieden, dasitzen und sie anstarren zu können, ohne mehr Unwillen oder Ungemächlichkeit in seinen Banden zu empfinden, als wären sie seine Ehrenkleider gewesen. So weit er persönlich dabei betheiligt war, lag die alte Zeit im Schnarchen und die Welt stand stille. Außer dem Tröpfeln der Fässer, dem Rauschen der leichteren Trümmerstücke unter dem Einflusse des eindringenden Windes und dem eintönigen Knarren der offenen Thüren herrschte ringsum tiefe Ruhe, und die eben erwähnten Töne machten, wie das nächtliche Picken einer Todtenuhr, das Schweigen nur noch tiefer und nachdrücklicher. Aber Ruhe oder Lärmen, dieß war John ganz dasselbe. Wenn eine Batterie schweren Geschützes aufgefahren wäre und vor dem Fenster draußen zu spielen angefangen hätte, so würde er auch hieraus sich nichts gemacht haben. Er war weit über alles Erschrecken hinaus. Nicht einmal ein Gespenst hätte ihm etwas anhaben können.

Endlich hörte er aber einen Fußtritt, einen hastigen und doch vorsichtigen Fußtritt, der sich dem Hause näherte. Er machte Halt, kam dann wieder vorwärts und schien das ganze Haus zu umkreisen. Sodann kam er unter das Fenster und ein Kopf schaute herein.

Er stach in dem grellen Lichte der träufelnden Kerzen scharf gegen die außen herrschende Dunkelheit ab. Ein bleiches, abgezehrtes, welkes Gesicht; die Augen – was man übrigens der Magerkeit zuschreiben mußte – unnatürlich groß und funkelnd, das Haar ein mit Grau vermischtes Schwarz. Er warf einen spähenden Blick durch das Gemach, und dann fragte eine tiefe Stimme:

»Seyd Ihr allein in diesem Hause?«

John gab kein Zeichen, obgleich er die zweimal wiederholte Frage deutlich hörte. Nach einer kurzen Pause stieg der Mann durch das Fenster herein. Auch hierüber war John nicht im Geringsten überrascht. Im Laufe der letzten Stunde war man so viel durch das Fenster aus- und eingegangen, daß er die Thüre ganz vergessen hatte; es war ihm, als sey es von seiner Kindheit an nie anders gehalten worden.

Der Mann trug einen großen, dunkeln, fadenscheinigen Mantel und einen niedergekrampten Hut; er trat auf John zu und schaute ihn an. John gab dieses Compliment mit Zinsen zurück.

»Wie lange habt Ihr so dagesessen?« fragte der Mann.

John dachte darüber nah, brachte aber nichts heraus.

»Welche Richtung hat der Haufen eingeschlagen?«

Einige wirre, spekulative Gedanken über den Schnitt der Stiefel des Fremden zuckten Herrn Willet zufällig durch das Gehirn, machten sich aber wieder hastig von dannen und ließen ihn wieder in seinem früheren Zustande.

»Ihr würdet gut daran thun, zu sprechen,« sagte der Mann, »damit Ihr wenigstens eine ganze Haut behaltet, denn sonst ist Euch doch nichts übrig geblieben, woran man sein Müthchen kühlen könnte. Welchen Weg haben sie eingeschlagen?«

»Diesen,« entgegnete John, der auf einmal seine Stimme wieder fand, indem er mit dem Kopfe in die ganz entgegengesetzte Seite nickte, denn seine Hände waren so fest gebunden, daß er nicht deuten konnte.

»Ihr lügt!« sagte der Mann mit einer zornigen und drohenden Geberde. »Ich komme aus dieser Richtung. Ihr wollt mich verrathen.«

Es fiel so sehr in die Augen, John's Starrheit sey keine erkünstelte, sondern das Ergebniß dessen, was kürzlich unter seinem Dache vorgegangen, daß der Mann, der schon auf ihn loschlagen wollte, die Hand zurückzog und sich abwandte.

John sah ihm nach, ohne daß auch nur eine Muskelfaser in seinem Gesichte gezuckt hätte. Der Mann ergriff ein Glas, hielt es unter eines der kleinen Fässer, bis er einige Tropfen damit aufgefangen hatte, und trank sie gierig aus. Dann warf er es ungeduldig zu Boden, nahm das Fäßchen in die Hände und goß den Inhalt vollends in seine Kehle. Sofort machte er sich über einige Stückchen Brod und Fleisch her, die in dem Gemache umher zerstreut lagen, und verschlang sie mit großer Gefräßigkeit, wobei er nur hin und wieder inne hielt, um auf ein eingebildetes Geräusch draußen zu horchen. Nachdem er sich in dieser hastigen Weise erquickt hatte, erhob er ein anderes Fäßchen zu seinen Lippen; dann drückte er sich den Hut in die Stirne, als wäre er im Begriffe, das Haus zu verlassen und wandte sich noch einmal an John.

»Wo sind Eure Dienstboten?«

Es schwebte Herrn Willet dunkel vor, daß er gehört hatte, wie ihnen die Aufrührer zuriefen, sie sollten den Schlüssel der Stube, in welcher sie sich befänden, zum Fenster herauswerfen. Er entgegnete daher:

»Eingeschlossen.«

»Gut für sie, wenn sie sich ruhig verhalten, und auch Euch möchte ich ein Gleiches rathen,« sagte der Mann. »Aber jetzt zeigt mir den Weg, den der Haufen einschlug.«

Dießmal winkte Herr Willet richtig. Der Fremde eilte nach der Thüre, als ihm plötzlich auf den Flügeln des Windes der laute und hastige Ton einer Lärmglocke entgegendrang, worauf ein heller und lebhafter Lichtstrom folgte, der nicht nur die ganze Stube, sondern auch die Landschaft rings umher erleuchtete.

Es war nicht der plötzliche Uebergang der Nacht in dieses schreckliche Licht, es war nicht das ferne Gejubel und Triumphgeschrei, es war nicht dieser schreckliche Eingriff in den stillen Frieden der Nacht, was den Mann zurückschreckte, als ob ihn ein Blitzstrahl getroffen hätte. Es war die Glocke. Wenn das gräßlichste Gespenst, das sich des Menschen Geist je in seinen wildesten Träumen ausgemalt, vor ihn hingetreten wäre, so hätte er bei dessen Berührung nicht entsetzter zurückwanken können, als dieß bei dem ersten Klange jener lauten Eisenstimme der Fall war. Mit hervorquellenden Augen, convulsivisch zitternden Gliedern und einem schrecklich anzuschauenden Gesichte, erhob er den einen Arm hoch in die Luft, während er mit der andern Hand irgend ein Traumgesicht abzuwehren schien, auf das er losstieß, als hielte er ein Messer in der Hand, mit welchem er ihm das Herz durchbohrte. Er fuhr sich in die Haare, hielt die Ohren zu, raste wie ein Wahnsinniger im Kreise herum, stieß dann einen entsetzten Schrei aus und eilte von hinnen. Aber die Glocke läutete fort und schien ihn zu verfolgen – stets lauter und lauter, hitziger und hitziger. Der Feuerschein wurde heller, das Gebrüll der Stimmen tiefer; das Krachen schwerer, einstürzender Massen erschütterte die Luft, glänzende Ströme von Funken zuckten gen Himmel; aber lauter als alles – schneller zum Himmel steigend, tausendmal ungestümer und wüthender – schreckliche Geheimnisse nach langem Schweigen verkündend – die Sprache der Todten redend – tönte die Glocke – die Glocke!

Welcher Gespensterspuck hätte diese entsetzliche Jagd und Flucht übertreffen können? Und wäre eine Legion Geister seiner Fährte gefolgt, er hätte es leichter ertragen. Sie hätten einen Anfang und ein Ende haben müssen, aber hier war der ganze Raum damit angefüllt. Die eine ihn hetzende Stimme war allenthalben: sie tönte in der Erde, in der Luft, schüttelte das lange Gras und bebte unter den zitternden Bäumen. Das Echo fing sie auf, die Eule heulte bei den auf dem Winde einhergetragenen Klängen, die Nachtigall blieb stumm und verbarg sich unter den dichtesten Zweigen. Die Stimme schien das zürnende Feuer zu stacheln, aufzuwühlen und es zum Wahnsinn zu; alles war in ein einziges, vorherrschendes Roth gekleidet; die Gluth war allenthalben – die ganze Natur in Blut getränkt; und noch immer der erbarmenlose Ruf jener entsetzlichen Stimme – der Glocke – der Glocke!

Sie hörte endlich auf – aber nicht in seinen Ohren. Das Todtengeläute tönte in seinem Herzen fort. Kein Menschenwerk hatte je eine Stimme, wie dieses, das hier schallte und mit seinen Warnerufen unablässig gen Himmel schrie. Wer konnte diese Glocke hören, ohne zu verstehen, was sie sagte! Jeder Ton rief Mord – grausamer, unerbittlicher, wilder Mord – Mord an einem vertrauensvollen Manne, geübt von Einem, der des Hingeschlachteten volles Vertrauen besaß. Die Klänge läuteten die Schatten aus ihren Gräbern. Welch ein Gesicht war das, in welchem sich ein freundliches Lächeln zu dem Blicke eines halb ungläubigen Entsetzens umwandelte; welches einen Augenblick in Schmerzenszügen erstarrte und dann wieder in einen flehentlichen Aufblick zum Himmel überging, und dann hülflos, mit aufwärts gekehrten Augen, wie die todten Hirsche zur Erde sank, denen er so oft als ein kleines Kind zugesehen hatte, dabei sich bebend und schaudernd an eine Schürze haltend – es war schrecklich, jetzt daran zu denken!

Er sank auf den Boden, wälzte sich darauf, als wollte er sich eine Stelle ausgraben, um sich darin zu verbergen, und bedeckte sich Gesicht und Ohren. Aber nein, nein, nein – hundert Mauern und eherne Dächer hätten den Ton jener Glocke nicht ausschließen können, denn sie redete die Stimme der erzürnten Gottheit, vor der das ganze, weite Weltall ihm keinen Schutz bieten konnte!

Während er auf und nieder stürzte, ohne zu wissen, wohin er sich wenden sollte, und während er niedergekauert auf der Erde lag, ging das entsetzliche Werk der Empörer seinen raschen Gang. Als sie den Maibaum verlassen hatten, sammelten sie sich zu einem consolidirten Haufen und rückten raschen Schrittes auf den Kaninchenhag los. Da ihnen das Gerücht ihrer Annäherung vorausgegangen war, so fanden sie die Gartenthore fest verschlossen, die Fensterladen verriegelt und das Haus in tiefes Dunkel begraben. In keinem Theile des Gebäudes war Licht zu sehen. Nachdem sie eine Weile vergebens an den Klingeln gezerrt und gegen die Eisengitter geschlagen hatten, wichen sie, ein wenig zurück, um zu recognosciren und sich über die besten Maßregeln zu berathen.

Letzteres bedurfte keiner langen Frist, denn durch den Branntwein zur Wuth gereizt und durch die glücklichen Erfolge ihrer Unthaten ermuthigt, waren sie auf die verzweifeltsten Schritte gefaßt. Sobald das Commandowort zu Umringung des Hauses gegeben war, kletterten einige über das Gitter oder ließen sich in den feuchten Graben hinunter, von wo aus sie die Gartenmauer hinanklommen, während andere die festen Eisenstangen niederhieben, die sie als Waffen benützten, während sie sich dadurch zugleich eine Bresche verschafften. Nachdem sie das Haus vollständig umzingelt hatten, wurde eine kleine Anzahl ausgeschickt, um einen Schuppen im Garten, wo Werkzeug lag, zu erbrechen, und unterdeß begnügten sich die Uebrigen, heftig an die Thüren zu schlagen und denen drinnen zuzurufen, sie sollten, wenn ihnen ihr Leben lieb sey, herunterkommen und öffnen.

Auf diese wiederholten Aufforderungen folgte keine Antwort; und da die abgeschickte Abtheilung mit einem Vorrath von Aexten, Spaten und Hauen zurückkam, so kämpfte sich diese nebst den Vielen, welche bereits ähnliche Waffen besaßen, in die vorderste Reihe, um die Thüren und Fenster zu erbrechen. Bis jetzt hatten sie nicht mehr als ein Dutzend brennender Fackeln unter sich gehabt, sobald aber die Vorbereitungen so weit gediehen waren, wurden Feuerbrände vertheilt, die mit solcher Schnelligkeit von Hand zu Hand gingen, daß in einer Minute wenigstens zwei Drittheile der ganzen brüllenden Masse damit versehen waren. Mit lautem Hurrah wirbelten sie diese über ihren Köpfen und brachen nun gegen Thüren und Fenster los.

Unter dem Donner der schweren Schläge, dem Klirren der zerbrochenen Scheiben, dem Geschrei und den Flüchen des Pöbels und dem ganzen Lärm und Getümmel des Auftritts hielten sich Hugh und seine Freunde an die Thüre unter dem Erker, durch welche Herr Haredale kürzlich ihn und den alten John Willet eingelassen hatte, und hier boten sie ihre vereinigte Kraft auf. Es war eine starke, alte Eichenthüre, durch gute Riegel und einen schweren Querbalken geschützt; aber bald stürzte sie krachend auf die enge Treppe zurück und bildete gewissermaßen eine Platform, welche das Eindringen der Empörer in die obern Gemächer erleichterte. Fast in demselben Augenblicke war auch ein Dutzend anderer Punkte erobert, und an jedem derselben brach das Gesindel wie Meereswogen ein.

Etliche bewaffnete Dienstleute waren in der Halle aufgestellt und feuerten auf die heranstürzenden Empörer ungefähr ein halb Dutzend Schüsse ab. Dieß wollte jedoch nicht viel verfangen, und da die Brut wie ein Heer von Teufeln andrängte, so dachten sie an nichts weiter, als an ihre eigene Sicherheit, und zogen sich unter dem Donnerrufe ihrer Angreifer zurück, hoffend, in der Verwirrung von den Rebellen als ihres Gleichen genommen zu werden. Diese Kriegslist hatte auch guten Erfolg, bei einem alten Manne ausgenommen, von dem man nachher nie wieder hörte. Der Sage nach wurde ihm mit einer Eisenstange der Schädel eingeschlagen (einer seiner Kameraden erzählte, er habe ihn fallen sehen) und dann sein Leichnam in den Flammen verbrannt.

Da die Belagerer nun in völligem Besitze des Hauses waren, so verbreiteten sie sich in demselben von dem Dache an bis zu dem Keller hinunter, wo sie allenthalben rüstig ihr Teufelswerk übten. Während kleine Abtheilungen unter den Fenstern Freudenfeuer anzündeten, zertrümmerten andere die Möbel und warfen die Bruchstücke durch die Fenster, um die Flamme unten zu nähren. Wo die Maueröffnungen (man konnte sie nicht länger Fenster nennen) groß genug waren, schleuderte man ganze Tische, Kommoden, Betten, Spiegel und Gemälde in das Feuer, während jeder neue Zuwachs von Brennmaterial mit Geheul, Jubel,und Zetergeschrei aufgenommen wurde, die der Brunst neue Schrecken und Entsetzen verliehen. Sobald diejenigen, welche Aexte hatten, ihre Wuth an dem beweglichen Geräthe ausgelassen hatten, hieben und rissen sie Thüren und Fenstereinfassungen heraus, brachen die Fußböden auf und hackten das Gebälke durch, so daß diejenigen, welche in den obern Räumen weilten, in einem Haufen von Trümmern begraben wurden. Einige durchsuchten  die Kommoden, Kisten, Koffer, Schreibpulte und Wandschränke nach Juwelen, Silbergeschirr und Gold, während andere, die weniger auf Gewinn erpicht, dagegen mehr zerstörungstoll waren, ohne Untersuchung alles sammt und sonders in den Hofraum hinunterwarfen und den unten Stehenden zuriefen, es in's Feuer zu werfen. Einige, die in den Kellern gewesen und die Fußböden eingeschlagen hatten, sprangen in hellem Wahnsinn hin und her, steckten alles in Brand – oft sogar die Kleider ihrer Freunde – und das Gebäude loderte bald an so vielen Orten, daß Manche keine Zeit mehr fanden, zu entkommen: man sah sie mit schlaffen Händen und geschwärzten Gesichtern leblos an den Fenstern hängen, zu welchen sie gekrochen waren, bis sie von dem Flammenmeere aufgesaugt und verzehrt waren. Je mehr das Feuer prasselte und wüthete; desto wilder und grausamer wurden die Menschen, als wären sie durch das Element, in welchem sie sich bewegten, zu eigentlichen Teufeln geworden und hätten ihr irdisches Wesen gegen Eigenschaften vertauscht, die in der Hölle entzückend sind.

Die Feuermasse, welche Zimmer und Gänge durch die Risse in den zerbröckelnden Mauern glühroth durchscheinen ließ; die Nebenflammen, die mit langgespaltenen Zungen außen an den Ziegeln und Rinnen hinaufleckten und eilten, sich mit dem Glutmeere innen zu vereinigen; der Wiederschein, der auf die zuschauenden Elenden, welche immer noch Brennmaterial beischafften, niederfiel; das Brausen des zornigen Elements, welches so licht und hoch aufloderte, daß es in seiner Gefräßigkeit sogar den Rauch zu verschlucken schien; die Funken, welche der Wind wie einen Feuerregen dahintrug; das lautlose Zusammenbrechen großer; hölzerner Balken, welche wie Federn auf den Aschenhaufen niederfielen und in Staub und Funken zerstoben; das unheimliche Roth des Himmels in seinem Gegensatze zu dem tiefen Dunkel, das rings umher herrschte; die Bloßstellung jedes kleinen Winkels, welchen vielleicht heimischer Brauch zu einem geheiligten Orte gemacht hatte, vor rohen, gemeinen Gafferblicken, und die Zerstörung so manches kleinen Lieblinggeräthes, das durch Erinnerung aus der Vergangenheit lieb und theuer geworden war, durch barbarische Hände: alles dieses fand statt – nicht unter mitleidigen Blicken und dem Gemurmel freundlicher Theilnahme, sondern unter viehischem Jubel und Triumphgeschrei, so daß selbst die Ratten, welche zu lange in dem alten Hause geblieben waren, als Wesen erschienen, die Anspruch auf das Erbarmen der früheren Inwohner hatten. Kurz, das Ganze bildete eine Scene, die kein Augenzeuge, wenn er nicht an dem Schauderwerke mitwirkte, sein ganzes Leben über vergessen konnte.

Aber wo waren diese Zeugen? Die Lärmglocke klang lange, und zwar von keiner schwachen oder zögernden Hand gezogen; aber keine Seele ließ sich blicken. Einige von den Mordbrennern sagten, als es aufgehört, hätten sie das Gekreisch von Weibern gehört und Frauenkleider in der Luft flattern sehen; wie wenn ein Haufen Männer widerstrebende Gestalten forttrüge. Niemand konnte in einem solchen Aufruhr mit Gewißheit versichern, ob diese Angabe wahr oder falsch sey; aber wo war Hugh? Wer von ihnen hatte ihn seit dem Erbrechen der Thüren gesehen? Der Ruf nach ihm verbreitete sich durch den ganzen Haufen. Wo war Hugh?

»Hier!« rief er mit heiserer Stimme, athemlos und rauchschwarz aus der Dunkelheit auftauchend. »Wir haben Alles gethan, was wir konnten; das Feuer brennt von sich selbst fort, und wenn auch etwas zurückbleibt, wo es nicht hinkommen kann, so ist es doch nichts, als ein Trümmerhaufen. Zerstreut Euch, Jungen, so lange es noch geheuer ist; geht auf verschiedenen Wegen zurück und sammelt Euch wieder an dem gewöhnlichen Orte.«

Mit diesen Worten verschwand er abermals – ganz gegen seine Gewohnheit, denn er war immer der Erste beim Vorrücken, und der Letzte beim Abzug – und überließ es den Uebrigen, ihm nach Hause zu folgen, oder nicht.

Es war keine leichte Aufgabe, eine solche Bande zum Abzuge zu bewegen. Wenn man die Thore von Bedlam weit aufgerissen hätte, so würden sie keine solchen Tollhäusler ausgespieen haben, als man hier in Folge einer solchen Nacht sah. Es waren Kerle darunter, die auf Blumenbeeten tanzten und trappelten, als ob sie menschliche Feinde niederträten, und die Blüthen von ihren Stängeln abrissen, wie Wilde, die Menschenhälse umdrehen. Andere warfen ihre angezündeten Fackeln in die Luft und fingen sie mit ihren Köpfen und Gesichtern wieder auf, wobei sie tiefe, abscheuliche Brandmale holten. Andere eilten durch die Flammen, und plätscherten darin mit ihren Händen; als ob sie's mit Wasser zu thun hätten. Wieder Andere mußten mit Gewalt zurück gehalten werden, ein tödtliches Gelüste durch tolles Hineinstürzen in das Feuer zu büßen. Auf dem Schädel eines dem Ansehen nach kaum zwanzigjährigen Betrunkenen, der mit einer an den Mund gesetzten Flasche auf dem Boden lag, floß das Blei des Daches, weißglühend wie ein flüssiger Feuerregen, nieder, und schmolz ihm den Kopf wie Wachs zusammen. Als sich die zerstreuten Haufen vereinigten, mußten Manche – zwar noch lebend, aber wie mit glühenden Eisen gesengt – aus den Kellern gezogen und von den Andern auf den Schultern fortgetragen werden. Letztere suchten dann die Besinnungslosen unterwegs mit frechen Scherzen zu wecken, und ließen sie dann, wenn sie todt waren, in den Vorhallen der Spitäler liegen. Aber von der ganzen heulenden Menge wußte nicht Einer was von Erbarmen. Keinen schmerzte der Anblick; und nicht Einer fühlte sich durch die wilde, sinnlose, thörichte Wuth gesättigt.

Langsam, in kleinen Haufen, mit heiseren Hurrah's und ihrem gewöhnlichen Rufen verlor sich endlich das Gesindel. Die letzten paar rothäugigen Nachzügler wankten hinten drein; das ferne Geschrei derjenigen, welche sich zuriefen und den Anderen, welche sie vermißten, pfiffen, wurde schwächer und schwächer; endlich erstarrten auch diese Töne, und ringsum herrschte tiefes Schweigen.

In der That ein Schweigen. Die Flammenstrahlen waren zu einem zuckenden, blitzenden Leuchten zusammengesunken, und die milden Sterne, die jetzt erst sichtbar wurden, flimmerten auf den schwarzen Trümmerhaufen nieder. Ein dichter Rauch umlagerte noch die Brandstätte, als wollte er sie vor den Augen des Himmels verbergen; und sogar der Wind scheute sich, ihn aufzustören. Kahle Wände, ein Dach, gegen den Himmel offen stehend – Gemächer, in denen die geliebten Todten manchen und manchen schönen Tag zu neuem Leben und neuer Thatkraft aufgestanden waren; wo so viele Theuren in Trauer und Freude geweilt; an die sich so viele Gedanken und Hoffnungen, Schmerzen und Wechsel geknüpft – Alles dahin. Nichts übrig, als eine öde, traurige Leere – ein rauchender Staub- und Aschenhaufen – die Stille und Einsamkeit der äußersten Verödung.



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