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»Meine Cousine muß sehr reich sein,« bemerkte der Marchese, und er ließ die Zügel lose auf dem Hals des Pferdes ruhen, als sie den steilen Burgweg hinaufritten.
»Entweder ist's die Signora oder ihr Sohn,« gab der Priester zurück. »Der Knabe hat ein feines Gesicht, so schön wie das eines Mädchens.«
»Er ist das Bild seiner Mutter, als sie sechzehn Jahre zählte. Ich erinnere mich noch deutlich an sie, ein schlankes Mädchen mit großen, herrlichen Augen voller Glanz und Lachen. Ich machte einmal einen Besuch bei meiner Tante; dort brachten Carlotta und ich manchen langen Tag mit dem alten Beppo, dem Gondolier, auf der Lagune zu. Sie sang wundervoll und ihre Stimme klang auf dem Wasser wie Nachtigallengesang.«
Der Priester schaute scharf unter seinen überhängenden Augenbraunen nach seinem Gefährten und ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Der Knabe ist kein so feuriger Katholik, wie seine Mutter,« bemerkte er.
»Das scheint kaum möglich zu sein – Carlottas Sohn – denn sie ist der Kirche so glühend ergeben, als es eine Frau nur sein kann, die in derselben geboren und erzogen ist.«
»Um die Wahrheit zu sagen,« fuhr der Priester fort, »ich bin sicher, daß er ein verkappter Protestant ist.«
»Ein Protestant!« rief der Marchese aus; »das macht die Sache nur um so verwickelter.«
»Das ist sehr einfach. Ist er ein Protestant, so muß er mit dem Pöbel leiden, mit dem er sich in so närrischer Weise verbunden hat. Im Falle das Eigentum sein ist,« und sorgfältig prüfte er bei diesen Worten das Gesicht seines Begleiters, »so würde die Sache nicht schwierig sein. Das Eigentum der Evangelischen ist sehr leicht in Beschlag genommen, und durch ein Wort des Kaisers könnte es mit einem Federstrich auf die Mutter übertragen werden.«
»Ich dachte nicht an das Geld,« sagte der Marchese, und doch strafte die Röte in seinem Gesicht ihn der Lüge. –
Der Herzog von Alba war mit einigen seiner vertrautesten Freunde und den Führern des Heeres in einem großen, bequemen Hause nahe am Burgthor einquartiert. Peter von Reuß hätte den Günstling Kaiser Karls des Fünften gerne im Schlosse selbst beherbergt, doch der sonst so anmaßende Spanier war weise genug, sich anders zu entscheiden, wohl wissend, daß es seinem hohen Herrn besser zusagen würde, wenn er das Schloß für seine Person selbst in Beschlag nehmen könnte. Durch den Hof dieses Hauses und durch einen verdeckten Eingang ritt der jesuitische Schwarzrock mit dem Marchese. Nachdem sie abgestiegen waren, übergaben sie die Pferde den Knechten und gingen auf der Linken des Hofes eine steinerne Wendeltreppe hinauf. Das Summen und Lachen vieler Stimmen drang an ihre Ohren.
»Der Herzog ist heute in vorzüglicher Stimmung,« wisperte der Marchese. Der Priester nickte stumm mit dem Kopfe. Während er in diesem Hause weilte, hielt er es nicht für ratsam, über den Liebling Karls des Fünften irgend ein Urteil abzugeben. Selbst die Wände haben manchmal Ohren. Es war nur ein Mensch in der ganzen Welt, vor dem der Priester sich fürchtete, nämlich dieser verschlossene, finstere Spanier, der ihm selbst so ähnlich war in der düsteren Glut des Hasses und der Rachsucht. Als sie eine große, viereckige Stube betraten, fanden die Ankommenden ein Dutzend Männer um einen Tisch sitzen, obenan der Herzog. Er rief ihnen entgegen: »Setzt Euch, Ihr Nachzügler; das Mittagessen ist aufgetragen. Der Marchese di San Marzano muß im Hause seiner Cousine eine große Anziehungskraft gefunden haben, daß er die Stunde der Mahlzeit vergessen hat. Ist die Dame noch immer so liebenswürdig, mein Freund?« Er winkte dem Marquis, an seiner Seite Platz zu nehmen, während der Priester sich auf dem leeren Stuhl zur Rechten des Herzogs niederließ.
»Das ist sie gewißlich, Euer Gnaden,« antwortete der Marquis, allerdings nicht besonders freundlich.
Der Herzog lachte und sprach gedämpft, während er freundschaftlich auf des Ritters Arm klopfte: »Laß es gut sein, Alberto, Du führst mich in Bälde bei ihr ein; doch diese Gesellen hier lassen wir dann schön daheim.«
Der Marquis hatte kein Wort zur Erwiderung, sondern half sich stillschweigend, indem er Fleisch aus einer vor ihm stehenden Platte nahm und zu essen begann; dann und wann sprach er einem mächtigen Humpen zu, der neben ihm stand. Man hätte wohl kaum einen größeren Gegensatz finden können, als ihn die beiden Männer darboten. Der Herzog von Alba war zu dieser Zeit neununddreißig Jahre alt, sehr hoch und mager, mit einem langen, fahlen Gesicht, aus dem ein Paar kohlrabenschwarze Augen geheimnisvoll glänzten. Schwarz waren auch sein Haar und Bart und nur leicht mit Grau durchschossen. Ohne besondere Achtsamkeit in der Kleidung zu verraten, trug er oft kostbare Gewänder mit einer gewissen genialen Nachlässigkeit. Er war jetzt in seinen Hauskleidern, trug einen schweren Samtmantel und hatte einen breiten, schwarzen Pelzkragen über sich geworfen, um sich vor Erkältung zu schützen. Von Kind auf mit den Schrecken des Krieges vertraut, war er jetzt einer der berühmtesten Feldherren Europas. Er war ein Mann, der nie nachgab; kein Funken von Barmherzigkeit fand sich in seinem Herzen; und doch hat er erst zwanzig Jahre später durch sein berüchtigtes Vorgehen in den Niederlanden seinen Namen auf immer geschwärzt. Des Herzogs dämonischer Haß gegen die Protestanten und sein unersättlicher Ehrgeiz ließen ihn solche dunkle Thaten verrichten, wie sie einzigartig in der Geschichte dastehen. In den späteren Jahren diente er Philipp von Spanien, wie er jetzt Karl dem Fünften diente, und er stellte nicht nur seinen militärischen Scharfsinn in deren Dienst, sondern auch die verwerflichsten Eigenschaften seines Charakters.
Dem schmollenden Freunde schenkte der Herzog gar keine Aufmerksamkeit weiter; er zog den Mantel etwas fester um sich und schaute durch das Fenster auf die Stadt hinab. »Was für ein barbarisches Wetter!« rief er aus. »Es wundert mich nicht, daß die Deutschen so ruhig und ernst sind. Wie könnte es anders sein! O, Spanien, geliebtes Spanien, wann werde ich dich wiederschauen?«
»O, Italien, geliebtes Italien, wann werde ich dich wiederschauen?« kam es nun von den Lippen des Marquis, der sich von seiner schlechten Laune erholt hatte. Keine Schatten waren mehr auf seinem schönen Gesicht wahrzunehmen. Er sah fünfzehn und nicht blos vier Jahre jünger aus, als der in seinen Samtmantel eingewickelte Mann mit seinem vernarbten und durchfurchten Angesicht. »Nimm dir Flügel und fliege nach deiner geliebten Heimat, wie Du es vor zehn Jahren von Ungarn aus gethan hast,« fuhr Alberto lachend fort.
Auch der Herzog lachte. »Erinnerst Du Dich an meinen wahnsinnigen Ritt?« entgegnete er. »Damals war ich jung und es ist lange her. Wie meine Pferde schäumten und ihre Augen blutdurchschossen wurden, je näher wir dem Ziele kamen! Zwei brachen tot unter mir zusammen. Doch was machte das aus? Sie waren ja blos das Mittel zum Zweck. Der Kaiser gewährte mir drei Wochen Urlaub und von Ungarn nach Spanien ist's eine weite Strecke. Da galt es Berge zu erklimmen und manchmal war der Weg steinig und felsig, doch Angela, mein schönes Weib, wartete meiner; ich achtete all dieser Schwierigkeiten kaum. Arme Angela!«
Der Herzog senkte sein Haupt während eines Augenblicks; der Pater bekreuzte sich und murmelte salbungsvoll: »Möge ihre Seele im Frieden ruhen!«
»Ich danke Euch, Vater,« sagte der finstere Spanier. Dann leuchtete sein Angesicht wieder auf. »Ich hatte drei Wochen Urlaub und ich legte die Strecke nach Spanien in siebenzehn Tagen und Nächten zurück. Das war ein Ritt, bei meiner Treu! Einen ganzen Tag konnte ich daheim zubringen. Die Orangen- und Citronenbäume standen in voller Blüte und die Springbrunnen plätscherten im Hof, während ich mich mit Angela unterhielt.«
Von draußen ertönte lautes Klopfen und der Herzog erwehrte sich seiner melancholischen Stimmung, die sich über ihn geschlichen hatte. »Oeffnet die Thüre,« rief er, »und schürt das Feuer.« Er weilte nicht länger mehr im süßen Duft und in den balsamischen Lüften seines so innig geliebten Spaniens, sondern im frostigen Klima Deutschlands.
Ein Page öffnete die Thüre und ein anderer brachte das Feuer mit so guter Wirkung in Gang, daß die Holzscheite in hellen Flammen aufloderten. Der Page meldete seinem Herrn: »Ein Bote vom Schloß, Euer Hoheit; Jakob Engel ist sein Name, ein Mann der Schloßwache.«
»Laß ihn eintreten. Ich hatte heute morgen viel zu thun,« wandte er sich zu Vater Antonio. »Alle möglichen Besucher stellten sich ein; der Bürgermeister und seine Räte, einfältig aussehende Menschen, die sich aber augenscheinlich im Reichtum wälzen, denn die Goldketten, die sie trugen, waren doppelt so schwer, wie die meine, und diese wurde mir vom Kaiser selbst verehrt nach unserm erfolgreichen Feldzug gegen die Türken.«
»Nürnberg ist eine reiche Stadt,« antwortete der Priester.
»Man sollte diesen Herren mit ihren unermeßlichen Schätzen zur Ader lassen,« kam es scharf aus dem Munde des Herzogs. »Etwas davon soll unser sein, ehrwürdiger Vater, ehe wir diese kalte Stadt verlassen.« Auf dem Antlitze des Priesters gab sich ein Lächeln kund, das die Härte milderte, die sonst auf seinem ernsten Gesicht ruhte.
Während dieser Zeit wartete Jakob Engel geduldig. Die Unterredung war ihm ein böhmisches Dorf, denn sie wurde in spanischer Sprache geführt, die der Priester ebenso fließend sprach, wie seine, die italienische. Jakobs kleine, tiefliegende Augen waren auf den Herzog von Alba gerichtet, den kaiserlichen Feldherrn, von dem er so viel gehört hatte. Er überlegte, wie am besten den Weg zu seinem Herzen zu finden, um schneller dessen Gunst zu erlangen. Als Jakob sah, wie der Herzog die kostbare, goldene Kette hervorzog und sie beliebäugelte, dachte er schmunzelnd an seinen eigenen kleinen Schatz glänzender Goldstücke, den er in einer verborgenen Lücke der alten Schloßmauer versteckt hatte, in einer Ritze, die von Epheuranken dicht überwachsen war.
»Was ist Dein Anliegen?« frug der Herzog so plötzlich, daß Jakob unwillkürlich emporschnellte.
»Der Schloßhauptmann läßt anfragen, ob Euer Gnaden für heute noch weitere Befehle hätten.«
»Warum zeigt er sich nicht selbst hier?« frug herrisch der stolze Spanier.
Die verkniffenen Augen Jakobs blinzelten. Vielleicht wäre es ein leichtes, Peter von Reuß aus seiner ehrenvollen Stellung, die er innehatte, zu verdrängen und den Platz für sich selbst zu sichern. Deshalb war er aber nicht gekommen. Er verfolgte zunächst ein anderes Ziel. »Es war dies mein Fehler, Euer Hoheit. Ich wollte Euch in einer besonderen Sache sprechen. Könnte ich Euch einen Augenblick allein sehen?«
»Wenn sie von Wichtigkeit ist?«
»Ja, Euer Gnaden.«
Der Herzog musterte Jakobs Erscheinung etwas sorgfältiger. Er war entschieden nicht der Mann, der sich ihm leicht eingeschmeichelt haben würde. Jedoch war es weise zu wissen, was in seiner Umgebung etwa vorgehen mochte. Der Marquis von San Marzano erhob sich, um mit den andern die Stube zu verlassen, als der Herzog ihn aufhielt. »Gehe nicht, Alberto; ich ziehe es vor, daß der Vater und Du hier bleibt. Ihr könnt des Zeuge sein, was er zu sagen hat, und mir vielleicht guten Rat geben.« Das klang sehr einnehmend, doch der Marquis wußte nur zu wohl, was dies zu bedeuten hatte, nämlich: »Dieser Mensch ist mir fremd; ich möchte nicht mit ihm allein sein.« Der Marquis ließ sich in einiger Entfernung auf einen Stuhl nieder und der Herzog wandte sich wieder an Jakob. »Nun laß mich Dein Anliegen hören und befasse Dich so kurz wie möglich.« Jakob trat ein wenig näher und sprach sehr rasch auf deutsch, mit welcher Sprache alle drei Herren wohl vertraut waren. »In der verflossenen Nacht, als Euer Gnaden und die Truppen des Kaisers in die Stadt einzogen, tagte im Rathaus eine Versammlung der Ratsherren, um zu beraten, ob es weise wäre, dem Kurfürsten von Sachsen Hilfe angedeihen zu lassen.«
Beim Nennen dieses Namens schloß sich der Mund des Herzogs fester zusammen. Scharf faßte er das runzelige Angesicht Jakobs ins Auge.
»Die Beratung zog sich sehr lange hinaus und die meisten der Ratsherren erklärten sich zu Gunsten des Vorschlags, dem protestantischen Führer Hilfe zu schaffen. Da ertönten die Fanfaren der Trompeten und die Versammlung löste sich hastig auf, ohne zu einem Entschluß gekommen zu sein.«
»Denkst Du, daß sie noch immer gesonnen sind, dem Verräter Hilfe zu schicken?« frug der Herzog, während ein sprödes Lächeln über sein Gesicht glitt.
Jakob grinste – in mancher Beziehung waren diese beiden Männer einander ähnlicher, als es auf den ersten Anblick scheinen konnte. »Sie sind heute morgen beinahe alle ausgesprochen zu Gunsten des Kaisers,« war Jakobs Antwort.
»Um so besser für den Rat,« sagte der Herzog in deutsch, und zu Vater Antonio gewandt, fügte er in spanisch hinzu: »Diese Männer weilten heute morgen eine Stunde lang hier, doch sagten sie kein Wort von einer solchen Zusammenkunft. Sie waren voller Hingebung für den Kaiser und seine Sache. Ich sage Euch, Vater Antonio, wir werden mehr als eine goldene Kette von diesen verehrten Stadtvätern zum Lohne bekommen und der Heilige Vater soll dabei nicht leer ausgehen. Da muß wohl eine kurfürstliche Gesandtschaft an den Rat da gewesen sein,« fuhr er fort, indem er sich wieder an Jakob wandte. »Wo sind die Gesellen?«
»Es war eine Gesandtschaft da, doch bestand sie bloß aus einem Mann, oder besser gesagt einem Jungen, denn er ist nur neunzehn Jahre alt. Ich stelle mir vor, daß der Kurfürst gerade jetzt nicht viele seiner Männer entbehren kann.« Das verwitterte Gesicht Jakobs verzog sich zu einer häßlichen Grimasse.
»Ein Junge! Der Kurfürst muß großes Vertrauen in ihn setzen, wenn er ihn mit einer solch wichtigen Botschaft betraut.«
»Ich habe gehört, daß er bei Johann Friedrich in besonderem Ansehen steht,« entgegnete Jakob. »Dazu ist er mit Nürnberg sehr gut bekannt und der Bürgermeister ist ihm sehr zugethan, denn er war immer ein guter Junge.« Jakobs Stimme schlug hier einen bissigen Ton an, so daß alle drei Männer ihn scharf beobachteten.
»Er haßt ihn aus guten Gründen,« wisperte der Herzog zu Vater Antonio, der bejahend nickte.
»Was ist der Name des Boten?«
»Ulrich von Reuß, Euer Gnaden.«
»Von Reuß? Ist das nicht auch der Name des Schloßhauptmanns?«
»Es ist sein einziger Sohn, mein Herr,« und schadenfroh blitzte es um den frechen Mund.
»Aber er ist ein Ketzer und sein Vater ein treuer Katholik.«
Jakob verneigte sich. »Er ist dem Vater davongelaufen, um mit den Protestanten gemeine Sache zu machen, Euer Gnaden.«
Der Herzog erhob sich und ging mit auf dem Rücken verschränkten Händen auf und ab. »Da darf keine Zeit verdrechselt werden,« sagte er plötzlich. »Spute Dich und verliere keinen Augenblick, bis Du alle Wachtposten angewiesen hast, den jungen Mann ja nicht aus dem Nest entschlüpfen zu lassen. Bist Du sicher, daß er noch nicht ausgeflogen ist?«
»Vor einer Stunde war er noch im Hause des Schuhmachermeisters Hans Sachs.«
»In dieser Stunde mag er aber schon über alle Berge sein, denn er hat Lunte gerochen.« Die Stimme des Herzogs verriet eine innere Erregung. »Warum hast Du mir das nicht früher gemeldet?«
»Ich sprach zweimal vor, doch jedesmal wurde mir der Zutritt verweigert.«
»Ich werde den Haftbefehl mit eigener Hand schreiben,« sagte der Herzog und setzte sich, um sofort dem Wort die That folgen zu lassen.
»Ist das nicht der Meister Hans Sachs, von dem Du sprachst?« wandte sich der Pater an Jakob.
»Ich hörte, daß er ein Meistersänger sei; doch ich habe selbst nie seine Reimereien gelesen und trage auch kein Verlangen darnach.«
»Er hat nicht gering Unheil angerichtet durch seine Schwänke auf die Kirche und ihre Priester,« setzte erklärend der Pater hinzu. »Er hat wirklich große Gaben und ist einer der angesehensten seiner Zunft. Die ›Wittenbergische Nachtigall‹ wurde in allen deutschen Gauen gelesen und fand selbst ihren Weg nach Rom. Was Luther gepredigt, das hat Sachs gesungen.«
Der Herzog erhob sich. »Hier nimm dies und verliere keine Zeit. Dieser Bursche muß in unsere Hände kommen. Hat er Nürnberg hinter sich, so setze ihm nach. Wenn er erst seit einer Stunde fort ist, kann er nicht weit sein. Ich erwarte noch heute nachmittag die Kunde, daß er dingfest ist.«
Jakob salutierte und verließ das Zimmer.
»Ein Schuft,« sagte der Herzog, »doch ein Mann, der nützlich sein kann. Es wird ein herrlicher Streich sein, wenn wir den Boten unseres allweisen Johann Friedrich abfangen. Nun, des Kurfürsten Tage sind gezählt. Wer weiß, welch wertvolle Information uns durch diesen jungen Ketzer zuteil werden mag! Sonderbar, daß er ein Sohn von diesem alten, gestrengen Graubart auf dem Schloß sein soll!«
»Mag sein, daß dieser Kundschafter nicht so leicht durch die Folter zum Sprechen zu bringen ist, wie Ihr denkt,« sagte der Marquis. »Ich habe nicht wenige dieser Menschen standhaft bis zum Tode gesehen. Es ist merkwürdig, wie viel sie aushalten können.«
»Wenn die Geschichten von der Folterkammer auf dem Nürnberger Schloß wahr sind,« bemerkte der Herzog mit einem seltsamen Lächeln, indem er seine kleinen Augen schloß und seine Stirne runzelte, »dann herrscht kein Mangel an solchen Werkzeugen, mit denen man ihn zur Vernunft bringen kann.«
Auch der Priester zeigte dieses Lächeln, das nichts Gutes verhieß. Alberto schauderte. »Folterkammern sind nicht mein Lieblingsthema,« sagte er.
»Da Du ein getreuer Sohn der Kirche bist, so brauchst Du Dich auch nicht zu fürchten,« wandte sich der Herzog zu ihm, und er klopfte ihm freundlich auf die Schulter.