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Kapitel IX

»Doch wer ist das? dacht' er, der miese Wicht
Mit seinem bösen, unfeinen Gesicht!
Hammond nennt man ihn – eines Menschen Nam'
Für einen Teufel! – Was bin ich so zahm
Und würge nicht die Schlange? – Vorsicht sagt:
Prüf' seine Kraft; dann sei die Tat gewagt.«

CRABBE.

Am nächsten Morgen nahm der Bankier nach dem Frühstück sein Pferd – einen schnell trabenden Hackney Der Hackney ist eine elegante und leichte Karossierpferdrasse. – Anm.d.Übers. – und, lediglich die Nachricht hinterlassen, er müsse in Geschäften aufs Land und werde zum Essen nicht zurück sein, kehrte den Dächern von C*** den Rücken.

Er ritt langsam, denn es war ein heißer Tag. Die heiter lächelnde Landschaft hätte andere verlockt, am Wege zu verweilen; aber unseren harten, praktischen Weltmann beeinflusste das Wetter mehr als dies liebliche Bild. Er schaute auf die Natur nicht mit dem Auge der Vorstellungskraft; vielleicht hätte ihn eine Eisenbahn, wenn es sie damals dort gegeben hätte, mehr erfreut als die laubbehangenen Wälder, die schattigen Täler und der wechselvolle Fluss, der von Zeit zu Zeit die die Landschaft auf beiden Seiten der Landstraße verschönte. Im Grunde liegt doch eine gewaltige Heuchelei in der gekünstelten Naturbewunderung; – ich glaube nicht, dass auch nur einer von Hundert sich darum kümmert, was sich am Straßenrand befindet, solange die Straße selbst gut ist, die Hügel flach sind und die Mautgebühren gering.

Es war Mittag, viele Meilen waren zurückgelegt, als der Bankier einen grünen Weg abbog und die Geschwindigkeit beschleunigte. Nach einer Drei-Viertel-Stunde erreichte er einen alleinstehenden Gasthof namens »Zum Angler«, – band sein Pferd an, bestellte sein Essen auf sechs Uhr – borgte sich einen Korb für seinen Fisch – und man erkannte nun, dass ein langer Stock, den er mit sich geführt hatte, zu einer Angel ausgezogen werden konnte. Er kontrollierte mit Sorgfalt den Sitz der verschiedenen Gelenke, wie um sicherzustellen, dass das Gerät unterwegs keinen Schaden erlitten habe – prüfte gründlich den Inhalt einer schwarzen Schachtel mit Schnüren und Fliegen – warf sich den Korb über den Rücken, und, während das Pferd sein Maul abwärts bog und mit dem Schwanz wedelte, in der Art jener namenlosen Koketterie, die Pferde mit den Stallknechten treiben – schritt unser werter Angelbruder geschwind durch ein paar grüne Felder, gewann das Flussufer und mit begann mit – allem Anschein nach – ernstem Sportsgeist zu fischen.

Er hatte einen Forelle gefangen, wohl zufällig – denn der erstaunte Fisch war auf der Außenseite seines Maules eingehakt, wahrscheinlich während er auf den Köder – nicht biss, sondern auf ihn schaute, – als der Angler unzufrieden wurde mit der gewählten Stelle; und nach einem Rundblick, wie um sich zu überzeugen, dass er nicht gestört oder beobachtet werden könne (ein der Angelbruderschaft verhasster Gedanke), schlich er rasch das Ufer entlang, verließ endlich den Fluss ganz und schlug einen Pfad ein, der ihn nach einem scharfen Marsch von fast einer Stunde zur Tür einer Hütte brachte. Er klopfte zweimal und trat dann unaufgefordert ein – knapp vor dem Untergang der sommerlichen Sonne war er in seinem Gasthof zurück. Sein schlichtes Mahl, das man, verwundert über die lange Abwesenheit des Anglers und in Erwartung der Fische, die er zum Braten bringen werde, aufgeschoben hatte, war rasch aufgetischt; sein Pferd wurde zur Tür geschafft, und die roten Abendwolken im Westen bekundeten bereits das Entschwinden eines weiteren Tages, als er sich auf den Weg machte und den schnell trabenden Hackney zu einer Geschwindigkeit von vierzehn Meilen die Stunde antrieb.

»Der Gent'man da hat aber 'n netten Gaul«, sagte der Stallknecht, sein Ohr kratzend.

»Oih, – wer is' er denn?«, fragte ein Stallbursche.

»Weiß nich'. War früher scho' ma' da, zweimal, fäng' nie was Richt'jes – sicher 'n großer Angelfreund.«

Inzwischen raste der Bankier voran – Meilenstein auf Meilenstein glitt vorüber – und immer noch griff der gute Hackney, dem kaum ein Härchen sich sträubte, tapfer aus. Indes dunkelte der Abend und Regen zog auf: ein anhaltender Nieselregen, der einen durchnässt, bevor man ihn wahrnimmt. Ein mehr als fünfzigjähriger Gentleman, der empfindlich um sich besorgt ist, mag nicht nass werden; der Regen veranlasste den für Rheumatismus anfälligen Bankier, eine Abkürzung über die Felder zu nehmen. Dieser Weg wies ein, zwei niedrige Hecken auf, aber der Bankier war im Frühling schon einmal dort gewesen kannte jeden Fußbreit des Bodens.

Der Hackney war ein lässiger Springer – und der Reiter saß hinreichend routiniert im Sattel – und zwei gesparte Meilen mochten gerade das drohende Rheuma verhüten: dem zu Folge öffnete unser Freund ein breites Tor und brauste die Felder entlang, ohne irgendwelche Bedenken wegen der Klugheit seiner Entscheidung. Nun stand der erste Sprung bevor – dort stand die Hecke, ihre Höhe war im Dämmerlicht gerade noch erkennbar. Auf der anderen Seite befand sich rechts ein Heuschober, und in dessen Nähe schien es die günstigste Stelle zu geben, um das Hindernis zu überwinden.

Nun war aber, seit der Bankier zuletzt hier gewesen war, auf der anderen Seite der Hecke ein tiefer Entwässerungsgraben ausgehoben worden, den weder Pferd noch Mensch gewahr wurden, so dass der Sprung sich weit gefährlicher gestaltete als angenommen. In Unkenntnis dieses zusätzlichen Hindernisses setzte der Reiter in kurzem Galopp an. Der Bankier befand sich hoch in Luft, die Lenden zurückgebeugt, die Zügel gelockert, seine rechte Hand kunstgerecht angehoben – als das Pferd von Furcht ergriffen wurde wegen etwas, das am Heuschober kauerte – es machte einen Schlenker, stürzte mitten in den Graben und warf seinen Reiter zwei bis drei Yards über den Kopf.

Der Bankier erholte sich schneller als zu erwarten war und lief, nachdem er sich trotz Prellungen und Erschütterungen unversehrt und wohl wieder fand, zu seinem Pferd. Aber dem armen Tier war es nicht so gut ergangen wie seinem Herrn: ein Schulterblatt war entweder herausgedrückt oder schrecklich verrenkt. Es war mühsam aus dem Graben herausgeklettert, und da stand es nun trostlos an der Hecke, so lahm wie einer der Bäume, die in unregelmäßigen Zwischenräumen die Symmetrie der Barriere unterbrach.

Dem Bankier wurde unbehaglich, als er das Ausmaß seines Unglücks erfasste: der Regen steigerte sich – er befand sich noch mehrere Meilen von zu Hause, inmitten unbehauster Felder – noch ein weiterer Sprung lag vor ihm – der gerade überwundene Zaun hinter ihm – und keinen anderen Ausweg zur Hauptstraße kannte er.

Als ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, wurde ihm plötzlich klar, dass er nicht alleine war. Das Dunkle, welches sein Pferd hatte scheuen lassen, erhob sich langsam aus der lauschigen Ecke, die es am Schober in Besitz genommen hatte, und eine ruppige Stimme, die den Bankier bis aufs Knochenmark erschauern ließ, schrie: »Hallo, wer zum Teufel sind Sie?«

Obwohl das Pferd lahmte, setzte der Bankier unverzüglich seinen Fuß in den Steigbügel; bevor er aber aufsteigen konnte, wurde seine Schulter von schwerer Hand gepackt – und als er sich so grimmig wie möglich umwandte, erkannte er – wovon ihm der Klang der Stimme bereits eine Vorahnung vermittelt hatte – die von schlechten Vorzeichen begleiteten, halsabschneiderischen Züge von Luke Darvil.

»Ha! ha! mein alter Leibrentenzahler, mein schlauer Fühlosof »feelosofer« im Original. – Anm.d.Übers. – lustiger alter Knabe – wie geht's? reich mir die Pranke. Wer hätte gedacht, dass wir uns in einer Regennacht an 'nem einsamen Heuschober treffen, mit 'nem tiefen Graben auf der einen Seite, und kein Kaminschlot in Sichtweite? Oh, alter Bursche, ich, Luke Darvil, – ich, der Vagabund – ich, den Sie in die Tretmühle schicken wollten, weil ich arm bin und mich an meine Tochter wandte – ich bin ebenso reich wie Sie jetzt hier sind – und genauso groß, genauso stark, genauso mächtig.«

Und während er sprach, schien Darvil, an sich ein Mann geringerer Größe, so anzuschwellen, dass er einen halben Kopf größer wirkte als der zusammenschrumpfende Bankier, der ohne seine Schuhe fünf Fuß elf Zoll maß.

»Ä-hem!« sagte der reiche Mann sich räuspernd – sein Hals schien ihm sehr belegt: »Mir ist nicht bewusst, Sie wegen Ihrer Armut gekränkt zu haben, lieber Mr. Darvil – ich hoffe es jedenfalls; aber dies ist kaum die rechte Zeit für Gespräche – lassen Sie mich bitte aufsteigen und …«

»Keine Zeit für Gespräche!« unterbrach Darvil verärgert; »für mich is' die Zeit genau richtig: lassen Sie uns nachdenken, – ah ja, ich erzählte Ihnen, falls wir uns 'mal an der Landstraße treffen, dann wär' ich dran mit mein' besten Argumenten.«

»Das glaube ich gern, guter Freund – glaube ich gern …«

»Nix Freund! – Ich will jetzt nicht ›gefreundet‹ sein! Ich sag', das is' jetzt mein Ding hier – Mann gegen Mann – ich bin Ihr Gegner.«

»Aber warum streiten Sie mit mir!« sagte der Bankier schmeichelnd: »Ich habe es mit Ihnen nie böse gemeint, und ich bin sicher, dass Sie es mit mir nicht böse meinen können.«

»Nein! – und warum?« fragte Darvil kalt; »warum glauben Sie, ich könnt' es nicht böse mit Ihnen meinen?«

»Weil Ihre Rente von mir abhängt.«

»Schlau gesagt – lassen Sie uns über diesen Punkt streiten. Mein Leben is' mies, nich' mehr wert als der Erwerb eines Jahres; nun, stell'n Sie sich vor, Sie hätten mehr als vierzig Pfund dabei – es würd' sich für mich eher lohnen, Ihnen mein Messer durch die Gurgel zu ziehen als auf die zehn Pfund im Vierteljahr. Sie seh'n, 's is' alles eine Frage der Berechnung, mein lieber Mr. So und So!«

»Aber«, wandte der Bankier ein, während seine Zähne zu klappern begannen, »ich habe keine vierzig Pfund dabei.«

»Woher weiß ich das? – Sie sagen das so. Nun, in der Stadt da unten gilt Ihr Wort mehr als meins; ich hab' das nie bestritten, wenn Sie mir damit kamen, oder? Aber hier, am Heuschober, gilt mein Wort mehr als Ihres; und wenn ich sag', Sie müssen und werden vierzig Pfund dabei ha'm, dann woll'n wir 'mal seh'n, ob Sie zu widersprechen wagen.«

»Schauen Sie, Darvil«, antworte der Bankier, indem er all seine Energie und seinen Verstand zusammennahm, denn seine moralische Kraft fing jetzt an, seine physische Feigheit zu stützen, und er sprach gefaßt, ja sogar mutig, obwohl sein Herz laut gegen seine Brust tobte und man ihn mit einer Feder hätte niederstrecken können – »die ›Runners‹ aus London sind jetzt schon scharf hinter Ihnen her.«

»Ha! – Sie lügen!«

»Auf meine Ehre: ich spreche die Wahrheit; ich hörte die Neuigkeit gestern abend. Sie verfolgten Ihre Spur bis C***; sie verfolgten sie aus der Stadt heraus; ein Wort von mir hätte Sie in ihre Hand überliefert. Ich sagte nichts – Sie sind sicher – Sie können noch entkommen. Ich werde Ihnen sogar helfen, aus dem Land zu fliehen und die Ihnen von der Natur gesetzte Frist von Jahren sicher und in Frieden zu verleben.«

»Das ha'm Sie damals in dem schnuckeligen Wohnzimmer nich' gesagt; Sie sehen, ich hab' alles unter Kontrolle – geben Sie's zu.«

»Das tu ich«, sagte der Bankier.

Darvil gluckste und rieb sich die Hände.

Der wohlhabende Mann war sich seiner Wichtigkeit wiederum bewusst und fuhr fort: »Das ist die eine Seite der Frage. Andererseits, angenommen, Sie berauben oder ermorden mich: glauben Sie, das mein Tod die Verfolgungswut gegen Sie vermindern wird? Das ganze Land wird sich bewaffnen, und vor Ablauf von vierundzwanzig Stunden werden Sie gejagt wie ein tollwütiger Hund.«

Darvil schwieg, als ob er nachdächte; nach einer Weile erwiderte er: »Tja, Sie sind schließlich doch 'n Schlauberger. Was ha'm Sie dabei? wissen Sie, Sie ha'm neulich heftig gefeilscht – jetzt steh'n die Kurse gut für mich – Barchent is' gestiegen – Kersey is' gefallen.« Stoffe preiswerter bzw. teurer Kleidung. – Anm.d.Übers.

»Alles, was ich dabei habe, gehört Ihnen«, sagte der Bankier bereitwillig.

»Dann geb'n Sie her.«

»Hier«, sagte der Bankier und gab Börse und Brieftasche in Darvils Hände.

»Und die Uhr?«

»Die Uhr? – na gut, hier!«

»Was is' das?«

Des Bankiers Sinne waren von der Furcht geschärft, aber sie waren nicht so scharf wie Darvils: er hörte nichts als das Prasseln des Regens auf den Blättern und das Rauschen des Wasser im nahen Graben. Darvil bückte sich und lauschte – bis er sich mit einem tiefen Atemzug erhob; dann sagte er:

»Ich glaube, es sind Ratten im Schober; sie wer'n im Schlaf über mich weg laufen; aber es sind neckische Tierchen – ich mag sie. Und nun, mein lieber Herr, muss ich leider ein Ende mit Ihnen machen.«

»Gott im Himmel, wie meinen Sie das? Wie?«

»›Mann, es gibt eine andere Welt!‹«, zitierte der Schuft, wobei er des Bankiers feierlichen Ton in ihrem früheren Gespräch nachäffte. »Um so besser für Sie! In jener Welt erzählt man keine Geschichten.«

»Ich schwöre: ich werde Sie niemals verraten.«

»Das wollen Sie tun? – dann schwören Sie's, jetzt.«

»Bei all meinen Hoffnungen im Himmel und auf Erden!«

»Was für 'ne verdammte Memme Sie sind!« rief Darvil in höhnischem Gelächter. »Geh'n Sie – es passiert Ihnen nix. Ich hab' meine gute Laune wieder. Ich lach' Sie aus – mich bringt nämlich niemand zum Zittern. Halten Sie mich meinetwegen für 'n' Schurken! – aber wenn Sie mich fürchten, könn' Sie mich nich' verachten, – Sie respektieren mich ja. Geh'n Sie, sag' ich – hau'n Sie ab!«

Der Bankier war im Begriff zu gehorchen, als plötzlich aus dem Heuschober ein breiter roter Lichtstrahl auf das Paar fiel, und im nächsten Augenblick wurde Darvil von hinten ergriffen; er versuchte sich aus dem Griff eines Mannes frei zu kämpfen, der fast ebenso stark war wie er selbst. Das Licht kam von einer Blendlaterne, die nun auf den Boden gestellt wurde und dabei einen Landmann in einem Bauernkittel und zwei mit Pistolen bewaffnete, kräftige Männer zu Tage förderte – abgesehen von dem, der mit Darvil befasst war.

Diese ganze Szene wirkte wie ein Bühnentrick – wie von einem Blitz erleuchtet – wie bei der Verwandlung im Blendwerk eines Schaustellers – auf die verblüfften Augen des Bankiers. Er stand erstarrt und wie gebannt, die Zügel in der Hand, einen Fuß im Bügel. Einen Augenblick später hatte Darvil seinen Gegner zu Boden geschlagen; er stand etwas entfernt, sein Gesicht gerötet vom Strahl der Blendlaterne, den Angreifern gegenüber – diese grimmigste aller Bestien, ein verzweifelter, in die Enge getriebener Mann! Er hatte bereits seine Pistolen zu ziehen vermocht, in jeder Hand eine – sein flammender Blick unter der gesenkten Stirn flog zwischen den Gegnern hin und her! Schließlich blieb er auf dem einstigen unfreiwilligen Gefährten seiner Einsamkeit haften.

»Also haben Sie mich verraten«, sagte er sehr langsam und richtete seinen Pistolenlauf auf den Kopf des abgesessenen Reiters.

»Nein, nein!« schrie einer der Beamten, denn das waren Darvils Angreifer; »feuern Sie in diese Richtung, Herzchen – dafür werden wir bezahlt. Dieser Herr wusste nichts von alledem.«

»Nichts, – bei Gott!« schrie der aus seiner Erstarrung auffahrende Bankier.

»Dann werd' ich die Kugel sparen«, sagte Darvil; »und denken Sie dran: der erste, der sich mir nähert, is'n toter Mann.«

So geschah es, dass der Räuber und die Beamten über Pistolenschussweite auseinander kamen, und jede der Parteien war auf Vorsicht bedacht.

»Ihre Zeit ist um, Sie famoses Früchtchen!« schrie der Anführer der Abordnung; »Sie haben Ihren Spaß gehabt, und lange genug, mein' ich – jetzt müssen Sie klein beigeben. Legen Sie Ihre Kanonen hin, oder wir machen Hackfleisch aus Ihnen und klauen dem Galgen seinen Vogel!«

Darvil antwortete nicht, und die Beamten, daran gewöhnt, Leben als wohlfeil zu betrachten, bewegten sich – die entsicherten Pistolen erhoben – auf ihn zu.

Darvil feuerte – einer der Männer wankte und fiel. Instinktartig hatte Darvil den herausgegriffen, mit dem er zuvor um sein Leben gerungen hatte. Der Schurke wartete nicht auf die anderen – er wandte sich um und flüchtete die Felder entlang.

»Verdammter Mist, er haut ab!« schrien die anderen beiden und stürzten ihm zur Verfolgung nach. Eine Pause – ein Schuss – noch einer – ein Fluch – ein Ächzen – und alles war ruhig.

»Er hat's jetzt hinter sich«, sagte einer der ›Runners‹ in der Ferne; »sein Spiel ist aus.«

Bei diesen Worten nahm der Bauer, der zuvor hinter dem Heuschober gelauert hatte, die Blendlaterne vom Boden auf und lief zu der Stelle. Der Bankier folgte unwillkürlich.

Da lag Luke Darvil im Gras – noch lebendig, aber ein grässlicher Anblick. Eine Kugel hatte seine Brust durchbohrt, eine andere hatte ihm seinen Kiefer weggeschossen. Seine Augen rollten furchterregend, und er riss das Gras mit seinen Händen aus.

Die Beamten sahen kalt zu. »Er war ein gerissener Bursche!« sagte einer.

»Und hat uns viel Ärger gemacht«, sagte der andere; »schauen wir mal nach Will.«

»Aber er ist noch nicht tot«, warf der Bankier schaudernd ein.

»Sir, er wird keine Minute mehr leben.«

Darvil richtete sich kerzengerade auf – schüttelte seine geballte Faust gegen seine Bezwinger und aus seiner Brust stieg ein gurgelndes Heulen – seine Wunden gestatteten ihm nicht, dieses zu einem Fluch zu artikulieren – damit fiel er platt auf seinen Rücken – ein Leichnam.

»Tut mir leid, Sir«, sagte der ältere Beamte sich abwendend, »Sie sind knapp davon gekommen – aber wie kamen Sie hierhin?«

»Besser gefragt: wie kamen Sie hierher?«

»Der ehrliche Hodge da, mit der Laterne, hatte bemerkt, dass der Kerl sich hinter der Scheune verborgen hielt, als er selbst unterwegs war, um Karnickel-Fallen zu stellen. Er hatte unsere Zeitungsanzeige wegen Watts gesehen und wusste, dass wir in einem Gasthaus ein paar Meilen entfernt waren. Er kam her – führte uns zu der Stelle – wir hörten Stimmen – ließen die Laterne leuchten – und sahen unseren Mann. Hodge, Sie sind ein guter Untertan und lieben die Gerechtigkeit.«

»Jaaa, aber ich will meine Präm'je«, sagte Hodge und zeigte seine Zähne.

»Da wer'n 'w'r schon drüber reden«, sagte der Beamte. »Will, wie geht's dir, Mann?«

»Schlecht«, stöhnte der arme ›Runner‹; ein Schwall von Blut stürzte daraufhin von seinen Lippen.

* * *

Manchen Tag währte es, bis das Ex-Parlamentsmitglied für C*** seinen Geisteszustand so weit restauriert hatte, dass er wieder an Alice denken konnte; wenn er dies tat, dann mit großer Genugtuung darüber, dass es Darvil nicht mehr gab und dass die Nachbarschaft den hingeschiedenen Schurken nur unter dem Namen Peter Watts kannte.


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