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Vorwort zur Ausgabe von 1840

Wie zahlreich die literarischen Werke, mit denen ich, geneigter Leser, deine Aufmerksamkeit behelligt habe, auch immer sein mögen, so veröffentlichte ich, gleichgültig wie man rechnet, nur drei, in denen die Handlung in unsere Zeit versetzt ist und von ihrem Charakter geprägt wird. Deren erstes, Pelham, verfasst in noch jugendlichem Alter, hat die Fehler und vielleicht die Vorzüge, die in einem sehr frühen Lebensabschnitt natürlich sind: – wenn die Neuheit des Lebens selbst die Beobachtung beschleunigt, – wenn wir deutlich sehen und lebendig darstellen, was auf der Oberfläche der Erde liegt, – und wenn es in halber Sympathie für die Narrheiten, die wir verspotten, ein Vergnügen gibt in unseren Gemälden, das für ihre Übertreibungen entschädigt. Indem wir älter werden, beobachten wir weniger, wir reflektieren mehr; und wie Frankenstein zergliedern wir, um zu schaffen.

Zu dem zweiten Gegenwartsroman, Denn The Disowned spielt in der Zeit unserer Großväter, und The Pilgrims of the Rhine hatte nichts mit dem gegenwärtigen Leben zu tun und kann deshalb nicht als Roman bezeichnet werden. den ich nach Verlauf einiger Jahre der Welt vorlegte, bekenne ich mich als Verfasser jetzt zum ersten Mal und nehme ihn (überarbeitet und berichtigt) in dieser Reihe von Neuausgaben auf, Godolphin, – ein Werk, das einem besonderen Teil der Gesellschaft und der Entwicklung einer eigentümlichen Charakterklasse gewidmet ist. Das dritte, das ich nun erneut dem Druck übergebe, ist Ernest Maltravers, Zum Zeitpunkt dieses Vorworts war Night and Morning noch nicht erschienen. – Anm.d.Übers. [Anmerkungen des Übersetzers werden stets durch diesen Zusatz gekennzeichnet; alle anderen stammen vom Verfasser selbst. das reifste und im Ganzen umfassendeste von allen, die ich bislang geschrieben habe.

Bezogen auf die ursprüngliche Idee, die ich bescheiden die philosophische Gestaltung einer sittlichen Erziehung oder Lehrzeit zu nennen wage, mache ich keinen Hehl daraus, dass ich Goethes Wilhelm Meister zu Dank verpflichtet bin. Allerdings bezieht sich die Lehrzeit im Wilhelm Meister eher auf die Theorie der Kunst. In dem schlichteren Plan, den ich mir vorsetzte, betrifft die Lehrzeit eher das praktische Leben. Und unter diesem Gesichtspunkt galt mein Bemühen besonders der Vermeidung all jener Reize, die – in der Sprache der Kritiker – Gestalt finden unter der Überschrift »treffendste Beschreibungen«, »Szenen außerordentlicher Kraft« &c. und die sich herleiten aus heftigen Gegensätzen und Übertreibungen bis hin zur Karikatur. Es war mein Ziel, die eingeführten Personen und die allgemeinen Triebkräfte der Erzählung zu bändigen und zu dämpfen zu jenem Licht und Schatten des Lebens, wie es ist. Mit »Leben, wie es ist« meine ich nicht allein das gewöhnliche und äußere Leben, sondern Leben in all seinen spirituellen und mystischen Eigentümlichkeiten ebenso wie in seinen mehr visuellen und materiellen. Der Gedanke, einen Charakter unter den zur Reife führenden Einflüssen von Zeit und Umständen nicht nur zu beschreiben, sondern zu entwickeln, schließt nicht nur die Lehrzeit von Maltravers ein, sondern durchdringt auch das Fortschreiten von Cæsarini, Ferrers und Alice Darvil.

Die ursprüngliche Konzeption von Alice ist dem wirklichen Leben entnommen – von einer Person, die ich nur zweimal sah, und da war sie nicht mehr jung – aber deren Geschichte auf mich einen tiefen Eindruck hinterließ. In der Frühzeit ihre Unwissenheit und ihr Elternhaus – ihre erste Liebe – die seltsame und anrührende Treue, an der sie festhielt, trotz neuer Bindungen – ihr schließliches Wiedertreffen, in nahezu mittleren Jahren, mit einem, den sie verlor und fast noch als Kind angebetet hatte – all das, wie im Roman gezeigt, ist nicht mehr als die unvollkommene Kopie der wirklichen Abenteuer einer lebenden Frau.

In Hinsicht auf Maltravers selbst muss ich gestehen, dass ich mit nur unzulänglichen Mitteln gegen die große und offensichtliche Schwierigkeit kämpfte, einen Schriftsteller darzustellen, der in unseren eigenen Zeiten lebt, zwischen dessen vorgestellten Werken oder seinem vermeintlichen Genie Bulwers Wortwahl »genius«, noch der Romantik verpflichtet, wird hier nur in Einzelfällen im Wortlaut (»Genius«) beibehalten und zumeist mit »Genie« übersetzt; in dieser Bedeutung ist es nicht zu verwechseln mit »dem Genie« als Bezeichnung für die absolut herausragende Stellung einer Persönlichkeit durch Intellekt und Leistung, sondern ist verwandt mit dem lat. »ingenium« (natürliches, angeborenes Talent). Jemand »hat Genie« heißt also, er verfügt über (besonders künstlerische) Schaffenskraft. – Anm.d.Übers. und denen irgendeines gegenwärtig existierenden der Leser keine Verbindung herstellen kann, weshalb er genötigt ist, entweder die Täuschung beständig mit Geduld zu ertragen, indem er seine Einbildungskraft anstrengt, oder sich untätig dahin treiben zu lassen, den Autor im Buch mit dem Autor des Buches Hinsichtlich dieser letztgenannten Ausführungen amüsierte mich die Leichtgläubigkeit in einer ausländischen Zeitschrift, als ich sah, wie die verschiedenen Abenteuer von Mr. Maltravers ernstlich zur Ausschmückung meines eigenen Lebens verwendet wurden, einschließlich der Verknüpfung mit dem Original der armen Alice Darvil, das inzwischen übrigens wenigstens siebzig Jahre alt sein muss und einen Enkel fast meines Alters hat. zu vermengen. Aber ich gestehe auch: eingedenk dieses Einwandes und doch ungeachtet desselben bildete ich mir ein, dass so vieles bisher nicht Gesagte durch die Lippen und das Leben eines imaginären Schriftstellers unserer Zeit mit Gewinn vermittelt werden könnte, so dass ich im Ganzen zufrieden war, entweder die Einbildungskraft zu fordern oder das Misstrauen des Lesers hervorzurufen. Alles, was mein eigenes Ich in dem Buch geltend macht, sind einige gelegentliche Bemerkungen als natürliches Ergebnis praktischer Erfahrung. Mit dem Leben oder dem Charakter, den Abenteuern oder den Launen, den Irrtümern oder den guten Eigenschaften von Maltravers selbst habe ich nichts zu tun, außer als Erzähler und Erfinder.

E.B.L.


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