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So ist denn der Sohn auf Erden, wie schon in den ersten Zeilen des Evangeliums mitgeteilt wird, die Offenbarung des ewigen Logos. Er hat als solcher Los und Teil an den göttlichen Eigenschaften, ist insofern Gott, eines mit Gott. Anderseits ist er (als der Sohn, der alles vom Vater hat) diesem untergeordnet, der Vater ist größer als er.

Doch als einziger Sohn ( monogen) ist er nicht nur der heißgeliebte Sohn, er ist das einzige, vollendete Beispiel der göttlichen Fortpflanzung des Geschlechtes, aus dem Gottes Söhne hervorgehen.

Das Wort wird durch die Verkörperung Sohn. Festgehalten wird die Begrenzung jedoch nicht. Als Jesus sich nach seiner Auferstehung offenbart, sagt er, indem er die Jünger anhaucht: »Nehmet hin den heiligen Geist« (20, 22); und als er den ungläubigen Thomas überzeugt hat, und dieser einfach zu ihm sagt: » Mein Herr und mein Gott!« antwortet Jesus nicht mit einem Protest, sondern sagt nur: »Dieweil du mich gesehen hast, Thomas, so glaubest du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.«

Was das Johannesevangelium denn in zahlreichen Formen einprägen will, ist die natürliche Ohnmacht des Menschen zur Erreichung der Erlösung und die Mitteilung des ewigen Lebens durch das fördernde Wort der Gottheit.

Hierauf gehen alle Erzählungen und alle Verkündungen hinaus. So die Heilung des Sohnes des königlichen Dieners (4, 50). Jesus braucht nicht einmal den Sterbenden zu sehen, der krank in Kapernaum liegt, während der Heiland sich selbst in Kana befindet. Er wirkt aus der Ferne und sagt zu dem geängstigten Vater: »Dein Kind lebt.« Die Erzählung ist also rein symbolisch, prägt die Wirkung des Glaubens ein.

Ebenfalls ist in der Erzählung von der Samaritanerin alles symbolisch: Der Gegensatz zwischen dem Wasser im Brunnen und dem von Jesus geschenkten Wasser des Lebens. Der Zweck der Erzählung ist, einzuprägen, wie gleichgültig es ist, wo man anbetet. Worauf es ankommt, ist, in Geist und Wahrheit anzubeten. Die Jünger sagen: Rabbi, iß! Aber Jesus weist sie mit den Worten ab: »Meine Speise ist die, daß ich tue den Willen des, der mich gesandt hat.« Hieran schließt sich der Ausspruch von der Ernte, der wieder sinnbildlich ist. In vier Monaten ist Erntezeit: »Wer da schneidet, der empfängt Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben.« Darauf folgt nun die ohne allzu große Schwierigkeit erreichte Bekehrung der Samaritaner, indem sie ausrufen: »Dieser ist wahrlich Christus, der Welt Heiland.«

Die herrliche Stelle von dem milden Urteil Jesu über das beim Ehebruch ergriffene Weib, das nach dem 5. Buche Moses 22, 22 gesteinigt werden soll, hat ursprünglich gar nicht dem Johannesevangelium angehört, sondern ist eine spätere Einschiebung, die in den ältesten und besten Handschriften nicht zu finden ist und durch die ungeschickte Einfügung den Zusammenhang stört. Der Ausgang der Erzählung, die Rettung des Weibes, ist zudem außerordentlich unwahrscheinlich. Die Henker haben sich ganz sicher für rein genug gehalten, sie haben ihre Beute nicht losgelassen, weil ein Mann ohne Autorität sie aufforderte, das Gesetz zu brechen und Gnade für Recht ergehen zu lassen. Es folgt hier (8, 12) der Ausruf Jesu: » Ich bin das Licht der Welt.« Besser begründet mit der sinnbildlichen Heilung des Blindgeborenen durch Jesus erscheint diese Äußerung übermenschlichen Selbstgefühls (9,5) zum zweitenmal: »Ich bin das Licht der Welt.«


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