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Die jüdische Kolonie in Elephantine in Ägypten verehrte wie die eingeborenen Juden die Himmelskönigin (Anath), über die ausführlich gesprochen wird bei Jeremia 44.

In den asiatischen und ägyptischen Religionen wird die Mutter Gottes so verwandelt, daß sie außer der Erzeugerin des Sohnes zugleich seine Geliebte wird. In den Evangelien ist, wie wir sahen, umgekehrt eine Verstimmung seitens des Sohnes gegen die Mutter festgehalten, eine Verstimmung, die ihn als von allen irdischen Verbindungen losgelöst bezeichnen und zum reinen Geist stempeln soll. Während der Entwicklung der römischen Kirche wurde im Laufe der Zeit dieses Mißverhältnis ganz verwischt. In der künstlerischen Darstellung hegt der Sohn Zärtlichkeit oder Andacht für die Mutter.

Auffallend ist, daß die Frauen, die Jesus durch Bewunderung oder Anbetung nahestehen, wie die Mutter Maria heißen, so die Schwester Marthas und Maria Magdalena. Die Mütter des Gottes in Asien haben, wie es scheint, stets Namen, die mit Ma beginnen. Man kennt (sagt der Orientalist P. Jensen) Maria, Mariamna, Maritala (die Mutter Krishnas), Mariana von Mariandynium in Bithynien, Mandane, die Mutter des Cyrus, der von den Juden als Messias des Herrn aufgefaßt wurde. Bei Jesaia steht (45, 1): »Also spricht der Ewige von seinem Gesalbten, von Cyrus.«

Vielleicht liegt sogar Mythologie in dem Namen Maria. Daß aber die Jesusgestalt als solche so völlig in Vergessenheit geriet, daß nicht ein einziger von den Evangelisten ihn gesehen hat, ja nicht einmal Paulus, außer in einer Vision, wird ja weniger auffällig, wenn die Gestalt selbst eine Sagenfigur ist.

Er hat nicht eine geschriebene Zeile hinterlassen. Vielleicht konnte er gar nicht schreiben. An der schönen Stelle im vierten Evangelium, die als spätere Hinzufügung anerkannt ist, schreibt er in den Sand. Aber irgendeiner von seinen Zuhörern oder Anhängern muß doch haben schreiben können. Waren ihnen seine Worte so teuer, weshalb schrieben sie denn nie auf, was er sagte? Warum begnügten sie sich damit, Bruchstücke aus dem Talmud und volkstümliche Redensarten oder Gleichnisse zusammenzuflicken und ihm in den Mund zu legen? Sie haben uns nicht einmal mitgeteilt, wo er zu wohnen pflegte. Dagegen erzählen sie, daß er sich bald von einem Aussätzigen, bald von Martha und Maria, zwei Frauen, einladen ließ, die Allegorien teils des Judentums, das in Zeremoniell und äußerlicher Werkheiligkeit aufging, teils der heidnisch-christlichen Empfänglichkeit für eine neue Lehre, mit der der Evangelist übereinstimmt, zu sein scheinen.

Selbst die schönsten uns von Jesus berichteten Erzählungen haben in der Phantasie der Evangelisten keine feste Form angenommen. So kommt die Legende von der Salbung Jesu durch das Weib in vielerlei Gestalt vor.

Und nicht einmal das Weib ist immer dasselbe. Bei Markus (14, 3) kommt ein ungenanntes Weib, als Jesus in Simon des Aussätzigen Hause bei Tische sitzt, und trägt in der Hand ein Alabastergefäß mit unverfälschtem köstlichen Nardenwasser, zerbricht das Gefäß, gießt den Inhalt auf sein Haupt und muß dafür die empörte Kritik der Anwesenden ertragen; bei Matthäus sind es die Jünger selbst, die hier kritisieren.

Bei Lukas 7, 36 ff. ist Simon der Aussätzige zum Pharisäer geworden – was zeigt, daß man sich das Verhältnis Jesu zu den Pharisäern nicht immer gleich schlecht gedacht hat. Es ist ihm ja auch Matthäus 23, 3 in den Mund gelegt: »Alles nun, was sie (die Pharisäer) euch sagen, das ihr halten solltet, das haltet und tut's!« Das Weib ist zu einer stadtbekannten »Sünderin« geworden. Sie netzt seine Füße mit ihren Tränen, trocknet sie mit ihrem Haar, küßt sie ihm dann und salbt sie mit ihrer Salbe.

Bei Johannes (12, 3) ist die Szenerie verändert. Jesus ißt bei Lazarus, den er von den Toten erweckt hat, und hier ist es Martha, die seine Füße mit der kostbaren Salbe salbt und mit ihrem Haar trocknet. Hier sind es wieder die Jünger, die im Namen der Armen knurren.

Es sollte an dieser Stelle vielleicht darauf aufmerksam gemacht werden, eine wie starke soziale Bewegung hinter dem ursprünglichen Christentum stand, und wie ein frühes kommunistisches Element offenbar allmählich zurückgedrängt wurde, als die christlichen Gemeinden mit der Zeit viele Wohlhabende umfaßten und zumal, als das Christentum Staatsreligion wurde.

Daß man anfangs jeden Luxus gehaßt hat, davon zeugt der Zorn der Jünger darüber, daß das Weib die kostbare Salbe an Jesus verschwendet. Wie groß der Unwille gegen die Reichen gewesen ist, verrät sich in den Worten, die Jesus (Markus 10, 25) in den Mund gelegt werden: »Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher ins Reich Gottes komme«, und in der Forderung Jesu an den Jüngling: Er soll all sein Hab und Gut für die Armen verkaufen (Markus 10, 21). Sehr bezeichnend in dieser Beziehung ist auch die Parabel (Lukas 16, 19) von dem reichen Mann, der in die Hölle kommt, während der arme Lazarus nach seinem Tode von Engeln in Abrahams Schoß getragen wird. Es dürfte kaum ein Zweifel herrschen, daß, wenn es in der Bergpredigt heißt: »Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich«, die Wörter im Geiste eine spätere Hinzufügung aus der Zeit ist, als der Kommunismus nicht mehr beliebt war, sondern eine Gefahr zu werden begann.

Wie vieles, was von dem nicht denkenden Leser als Geschichte aufgefaßt wird, Allegorie ist, so muß in dem scheinbar Historischen auch viel Astrologie stecken.

Es ist ja schon bezeichnend, daß der längste Tag des Jahres dem Johannes geweiht, der kürzeste, an dem das Licht über das Dunkel zu siegen beginnt, zum Tage Jesu, zu Weihnachten, dem Tage seiner Geburt geworden ist.

Bezeichnend für die astrologische Bedeutung dieser alten Sagen ist auch die beständige Verschiebung von Ostern. Man muß sich darüber wundern, daß Paulus den bekehrten Griechen und Römern nicht einen bestimmten Tag zur Heilighaltung gab. Während die katholische Kirche genau zu wissen behauptet, an welchem Tage Petrus und Paulus in Rom hingerichtet wurden, kennt die Kirche nicht den Tag, an dem Jesus gekreuzigt wurde – was doch von größerem Gewicht war.


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