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Aber nicht nur auf den Ursprung der Bergpredigt, auch auf den Umstand, daß man die Zahl der Apostel mit zwölf festsetzte, fiel neues Licht, als Philotheos Bryennios, Erzbischof von Nikomedien, im Jahre 1873 in einer Bibliothek, die dem Kloster des Heiligen Grabes im griechischen Viertel von Konstantinopel gehörte, einige alte Handschriften entdeckte, unter denen sich die berühmte Didache befand, die er im Jahre 1883 herausgab. Niemand hat die Echtheit der Handschrift in Zweifel gezogen. Daß in der ältesten Kirche eine Die Lehren der zwölf Apostel genannte Schrift existierte, wußten Eusebius und Athanasius. Aber es hat schon seine Gründe, daß die Kirche lange Zeit nicht gewünscht hat, die Didache ans Tageslicht zu ziehen. Es ist, wie es scheint, eine Art offizieller Akte gewesen, die der Hohepriester für die im Römischen Reiche verstreuten Juden verfaßt hat. In den ersten entscheidenden Kapiteln, sechs an der Zahl, ist keine Rücksicht auf das Christentum genommen, wie auch der Name Jesus nirgends genannt wird. Der Schluß der kleinen Schrift ist dann einer kirchlichen Umkalfakterung unterzogen worden.

Das entscheidende ist jedoch, daß wir hier offenbar an der wichtigsten Quelle dessen stehen, was im Evangelium zur Bergpredigt wird, und das im Grunde den Kapiteln 4 und 5 von Jesus Sirach nahe verwandt ist.

Hier als Probe der Anfang: »Es gibt zwei Wege, den des Lebens und den des Todes, und groß ist der Unterschied zwischen den beiden Wegen. Der Weg des Lebens ist dieser: Fürs erste, du sollst den Gott lieben, der dich erschaffen, fürs zweite, deinen Nächsten wie dich selbst, und Dinge, die du nicht willst, daß andere dir tun, die sollst du nicht andern tun. Die Lehre, die du hieraus ziehen sollst, ist diese: Segne, die dich verfluchen! Du sollst beten für deine Feinde und fasten für die, die dich verfolgen, denn welchen Dank hast du, liebst du die, die dich lieben! Tun Fremde nicht dasselbe? Aber liebe, die dich hassen, und du wirst keinen Feind haben. Enthalte dich fleischlicher und weltlicher Lust. Gibt jemand dir einen Schlag auf deine rechte Wange, so kehre ihm auch die andere Seite zu, und du wirst vollkommen werden. Zwingt dich jemand, eine Meile zu gehen, so gehe zwei mit ihm, nimmt jemand deinen Mantel, so gib ihm auch dein Gewand. Nimmt jemand dir, was dein ist, so fordere es nicht zurück, du kannst es auch nicht (vermutlich, weil der Jude im fremden Lande rechtlos ist). Jedem, der dich bittet, gib, und fordere es nicht zurück, denn der Vater wünscht, daß du allen von seinen eigenen freien Gaben geben sollst (?). Gesegnet ist, wer gemäß dem Gebote gibt, denn er ist ohne Schuld. Weh dem, der empfängt! Empfängt einer, der bedürftig ist, so ist er ohne Schuld, wer aber nicht bedürftig ist, soll Rechenschaft ablegen, weshalb und zu welchem Zwecke er nahm, und wenn er unter die Fuchtel kommt, soll er verhört werden, was er tat, und soll nicht frei ausgehen, ehe er nicht den letzten Heller bezahlt hat. Und auch darüber ist gesagt worden: Laß deine Almosen in deinen Händen brennen, bis du weißt, wem du geben sollst.«

Selbst das Vaterunser ist, wie jetzt allgemein anerkannt, keine neutestamentarische Schöpfung, sondern eine Kompilation nach alttestamentarischem Vorbild.


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