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Dies erinnert an die Züge von Unmenschlichkeit, die die Evangelisten zuweilen Jesus selbst zuschreiben, seine feierliche Verkündung von den ewigen Qualen der Ungerechten, die Härte, die er, ohne daß man den Grund recht versteht, zuweilen und sogar gegen seine Mutter an den Tag legt, Stimmungen, die sich später in der barbarischen Unduldsamkeit der Kirche Bahn brechen, und deren abscheulichste Auswirkung die Ermordung Hypatias im Jahre 415 ist. Die Evangelisten haben nicht gefühlt, daß solche Züge den Zusammenhang der von ihnen dargestellten Jesusgestalt zerstörten und sie auflösten. Bald werden dem Erlöser die Worte »richtet nicht!« in den Mund gelegt, bald ist er selbst geradezu tadelsüchtig. Bald ist er die Milde selbst, die Schonung selbst, lauter Sanftmut und Milde, bald ist er der unbarmherzigste von allen. Zuweilen ist der Widerspruch grell bis zum äußersten. Lukas 22, 36 sagt Jesus zu seinen Jüngern: »Wer nichts hat, verkaufe sein Kleid und kaufe ein Schwert.« Und so kaufen sie denn zwei Schwerter. Aber als Petrus dem Diener des Hohenpriesters, der sich seiner bemächtigen will, das Ohr abschlägt, heilt Jesus durch Handauflegen die Wunde, und an anderer Stelle verurteilt er selbst den Gebrauch des Schwertes. Wer das Schwert zieht, soll durch das Schwert umkommen! Schon in der Bergpredigt heißt es ja: »So dir jemand einen Streich gibt auf deinen rechten Backen, dem biete den anderen auch dar!«

An einer Stelle im Neuen Testament, in Jakobs Brief 5, 11, wird Hiob den ersten Christen als Beispiel anempfohlen. Das ist auffällig, denn offenbar ist die Hiobsgestalt eine von denen gewesen, nach denen sich die Vorstellung von dem leidenden und zuletzt siegreichen Erlöser gebildet hat. Es gibt hier nicht wenige Parallelen. Zwar sagt die Dichtung, daß Hiob kein Israelit war, sondern zu Beni-Kedem gehörte, d. h. Söhne des Ostens, denselben, die später Sarazenen genannt wurden und unter Saladin zur Zeit der Kreuzzüge kämpften. Er gehörte zu Edoms Stamm, und die Bewohner von Theman waren berühmt für ihre Weisen, von denen an vielen Stellen der Bibel die Rede ist.

Aber das macht keinen Unterschied und ist im Buche Hiob nicht zu merken, nur daß der Name Jahve nie im Dialog vorkommt, sondern nur im Rahmen, der keineswegs so alt zu sein scheint. Aber sowohl Hiob wie Jesus sind aus vornehmem Geschlecht gedacht, sie werden beide vom Satan versucht und bestehen beide ohne Wanken die Versuchung, beide werden Leiden und Geringschätzung ausgesetzt, beide mit dem Tode bedroht. Beide erlangen schließlich die höchsten Ehren. Beide sind eine Art Erlöser. Die Ähnlichkeit tritt stark hervor, wenn man Hiobs Äußerungen 29, 12-17 liest: »Denn ich rettete den Armen, der da schrie, und die Waise, die ohn' Beistand, des Verlass'nen Segen kam auf mich, und das Herz der Witwe macht' ich jubeln. Recht war mein Gewand … Auge war ich den Blinden, Fuß den Lahmen ich. Vater war ich den Dürftigen, den Rechtsstreit des, den ich nicht kannte, untersuchte ich. Da zerbrach ich das Gebiß des Ungerechten, riß den Raub aus seinen Zähnen!«


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