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Sauls Vater hatte ihn früh zum Rabbi bestimmt, ihm aber, wie üblich, einen Beruf gegeben. Er wurde Zeltmacher, arbeitete mit dem groben Leinen, das selbst aus Kilikien kam, oder mauerte Hütten. Er war unbemittelt und äußerst höflich. Wenn Leidenschaft ihn nicht zornig und wild machte, war er wohlerzogen, sogar herzlich, im übrigen jedoch reizbar und zur Eifersucht geneigt.

Sein Äußeres scheint schwächlich gewesen zu sein. Nach alten christlichen Schriften, deren Glaubwürdigkeit zwar unsicher, deren Schilderung jedoch immerhin nicht ganz aus der Luft gegriffen scheint, war er häßlich, klein, vierschrötig, buckelig. Wo er von seinem Körper spricht (wie in 2. Korinther 11, 30; 12, 5, 9, 11), macht er auf seine Körperschwäche aufmerksam, die einen so ausgeprägten Gegensatz zu seiner Geistesstärke bildet. Er schildert sich als einen Mann, der trotz seiner geistigen Überlegenheit krank und erschöpft ist und in seinem Auftreten nichts besitzt, was eine Wirkung ausübt, der aber so beschaffen ist, daß er in seinem Innern Verzückungszustände erlebt hat, in denen er nicht wußte, ob er sich innerhalb oder außerhalb seines Körpers befand. Er hat zudem ein heimliches Gebrechen, »einen Pfahl im Fleische«, der ihm von Gott gegeben ist, um ihn zu verhindern, dem Hochmut zu verfallen. Der Pfahl besteht darin, daß »Satans Engel ihn mit Fäusten schlägt« (2. Korinther 12, 7). Dreimal hat er Gott gebeten, ihn davon zu befreien, und dreimal hat er die ablehnende Antwort erhalten: »Laß dir an meiner Gnade genügen.« Der Pfahl im Fleische ist kein Ausdruck für irgendwelche geschlechtliche Anfechtung, er läßt uns oft genug wissen, wie kalten Temperamentes er ist. Siehe besonders 1. Korinther 7, 7: »Ich wollte aber lieber, alle Menschen wären, wie ich bin,« d. h. ohne Verlangen nach einem Weibe.

Er kam jung nach Jerusalem, und man vermutet, daß er jung die Schule Gamaliels besucht hat. Dieser wurde Pharisäer genannt, war aber milde, wenn auch streng. Saul hingegen entwickelte sich zu einem wilden, aufgehetzten und aufhetzenden Fanatiker, bis zur Raserei klammerte er sich an die nationale Vergangenheit. Als die erste Gemeinde sich in Jerusalem zerstreute, durchwanderte er das Land und besuchte die andern Städte.

In Damaskus scheint sich zu einem Zeitpunkt, als die römische Herrschaft beim Ausbruch von Kaligulas Tollheit zusammengebrochen war, eine Gruppe gebildet zu haben, die glaubte, daß der Messias gekommen wäre. Saul scheint sich hingegen vom Hohenpriester Theophilus, dem Sohn des Hanan, eine Vollmacht verschafft zu haben, diese Abtrünnigen zu verhaften und in Banden nach Jerusalem zu bringen.

Da endlich scheint es, daß ihn in dem irdischen Paradies, das die Gärten bei Damaskus waren, selbst seine Henkerrolle anekelte, daß er sich derer erinnerte, die er hatte verfolgen und foltern lassen, und daß er glaubte, eine lichte Vision am Himmel zu sehen und eine Stimme zu hören, die ihn in seiner Muttersprache warnte und ermahnte. Er hatte einen epileptischen Anfall, aus dem er umgestimmt, bekehrt erwachte.


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