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Die Schilderung von dem Abscheu Jesu vor den Pharisäern und von seinen Angriffen auf sie kann unmöglich historisch sein, sondern ist wohl der Ausdruck des Judenhasses einer späteren Nachzeit. Denn Jesus drückt sich beständig in Übereinstimmung mit der Lehre der Pharisäer aus.

Wenn er Matthäus 5, 17 sagt, er sei nicht gekommen, das Gesetz aufzulösen, sondern es zu erfüllen, so ist das gute pharisäische Rede. Im Talmud steht: Nicht ein Buchstabe des Gesetzes wird je abgeschafft werden. – Es wird so dargestellt, als ob die Pharisäer es Jesus übelgenommen hätten, daß seine Jünger einen Kranken am Sabbat heilten. Aber die Rabbiner waren sich einig, daß die Heiligkeit des Sabbats nicht respektiert werden sollte, wenn ein Menschenleben auf dem Spiel stand. Im Talmud (Tract. Joma 85 b) steht ausdrücklich: »Der Sabbat ist euch gegeben, nicht ihr dem Sabbat.« Zu heilen, indem man den Patienten die Hand ausstrecken ließ, wie Jesus getan haben soll (Markus 3, 5), war keineswegs von den Rabbinern verboten, und es ist reine Tendenzschreiberei, wenn es heißt (Lukas 6, 11), daß die Pharisäer ganz unsinnig darüber wurden. Dieser Wutanfall ist einfach historisch unmöglich.

Wie erwähnt, wirkt es zu auffallend, mit welchem Rigorismus Jesus sich bei Matthäus 5, 31 gegen Scheidung nach Übereinkunft unter den Ehegatten ausspricht. Aber in diesem Punkt stimmt er wieder völlig mit den Pharisäern überein, gegen die er sich der Darstellung nach ständig in Opposition befindet. Er nimmt hier nur Partei für die rücksichtslosere Auffassung Gamaliels im Gegensatz zu der milderen, die in der Schule Hillels gedieh.

Selbst wenn Jesus, wie man vermutet hat, zum Messias erklärt worden wäre, würde das die Pharisäer nicht gegen ihn aufgebracht haben. Nicht nur nannten sich die Kinder Israels im allgemeinen Kinder Gottes; Priester und Rabbiner haben zuweilen aus Hochachtung einen Mann Messias genannt. Man denke an Zerubbabel und an das Verhältnis Rabbi Akibas zu Bar-Chochba.

Doch genug der Beispiele! Der historische Grund gibt auch hier beständig unter den Füßen nach.


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