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Ebenso schnurrig sind, worauf Bengt Lidfors aufmerksam gemacht hat, die Gleichnisse, in denen der Jesus der Evangelien auffordert, Gott unverdrossen mit Gebeten zu überlaufen: das helfe immer, er werde nämlich der Quälerei so satt, daß er alles bewillige. Auch in diesem Punkt hatte die heidnische Welt eine höher entwickelte Auffassung. Lukianos macht sich über die wortreichen, laut gebrüllten Gebete lustig. Er sagt: »Wie nützlich ist es doch, laut zu schreien, aufdringlich zu sein und nie zu verzagen! Das ist nicht allein nützlich, wenn man Prozesse führt, sondern auch, wenn man betet. Seht nur Timon, der zuerst ganz arm war, aber reich wurde, nur weil er laut brüllte und Zeus auf sich aufmerksam machte!«

Bei Lukas (11, 5-9) weckt einer um Mitternacht seinen Freund und quält ihn, ihm drei Brote zu geben, er hat nämlich zu so später Zeit Besuch bekommen und hat nichts, ihn zu bewirten. Der Freund antwortet zuerst, daß die Tür jetzt geschlossen sei, daß er selbst und seine Kinder im Bett lägen, er wolle um einer so geringen Sache willen nicht wieder aufstehen. Aber der Quälgeist fährt fort, Alarm zu schlagen: »Ich sage euch: und ob er nicht aufsteht und gibt ihm, darum daß er sein Freund ist, so wird er doch um seines unverschämten Geilens willen aufstehen und ihm geben, wieviel er bedarf … Bittet, so wird euch gegeben. Klopfet an, so wird euch aufgetan.«

Dieselbe parodistische Vorstellung wird Lukas 18, 1-7 variiert: »Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in dieser Stadt, die kam zu ihm und sprach: Rette mich vor meinem Widersacher! Und er wollte lange nicht. Darnach aber dachte er bei sich selbst: Ob ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, dieweil aber mir diese Witwe so viel Mühe macht, will ich sie retten, auf daß sie nicht zuletzt komme und betäube mich. – Da sprach der Herr: Höret hier, was der ungerechte Richter sagt! Sollte aber Gott nicht auch retten seine Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen!« Man soll immer beten und nicht müde werden. Dann wird Gott ermüden und daher das Gebet erfüllen.

Beispiele solcher sonderbaren Parabeln könnten in großer Zahl angeführt werden. Hier eine, die besonders schlecht komponiert ist, obwohl ihr Sinn nicht gegen gesunde Urteilskraft streitet: In dem Gleichnis vom guten Hirten (Johannes 10, 1-16) ist die Rede von der Tür zum Schafstall und dem, der zu dieser Tür hineingeht (und nicht wie ein Dieb oder Mörder anderswo hineinsteigt). Der zur Tür hineingeht, ist der Hirte, und Jesus ist der gute Hirte. Aber gleich darauf zerschlägt Jesus das Gleichnis, da die Jünger es nicht verstehen, und fährt fort: »Ich bin der gute Hirte.«

Hier ein Gleichnis, das im Streit mit den gesunden Grundbegriffen von Ehrlichkeit und Pflicht liegt, das Gleichnis von den zehn Pfunden (Lukas 19). Daß es außerdem völlig wirr in der Komposition ist und zwei einander nichts angehende Handlungen vermischt, ist eine Sache für sich. Einer der Diener, der ein Pfund zu verwalten bekommen hat, wagt aus Furcht vor dem Zorn seines harten Herrn, falls das Pfund verloren gehen sollte, nicht, es aufs Spiel zu setzen und es sich verzinsen zu lassen, sondern verwahrt es in seinem Schweißtuch und gibt es zurück, wie er es erhielt. Da sagt der Herr erbost: Warum hast du denn mein Geld nicht in die Wechselbank gegeben, daß ich es bei meiner Heimkehr mit Zinsen hätte fordern können? Und er nimmt ihm das Pfund und gibt es dem, der mit einem Pfund zehn verdient hat. – Da er ein recht übereilter Herr ist, läßt er hierauf alle, die nicht wollten, daß er über sie herrsche, vor seinen Augen erschlagen.


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