Louis Weinert-Wilton
Der schwarze Meilenstein
Louis Weinert-Wilton

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34

Und ebenso laut knallte er genau elf Minuten später in das Golfhaus.

William stand eben wieder einmal ein bißchen müßig in der Tür der Hall, als der Chefinspektor mit triefendem Gesicht und völlig außer Atem um die Ecke gestürzt kam. Der Geschäftsführer versuchte, eiligst zu verschwinden, aber Perkins hatte ihn bereits mit dem gewissen Griff vorne an der Brust.

»Sie kommen mir gerade recht«, keuchte er. »Ich habe dringend zu telefonieren und will dabei nicht gestört werden. Sperren Sie also sofort den Zugang vom Speisesaal ab, und dann stellen Sie sich hier draußen vor die Tür und lassen niemand in die Hall. – Ist noch jemand oben in den Zimmern?«

»Nur Mr. Gwynne«, erklärte William aufgeregt und humpelte geschäftig in den Speisesaal, wo er den Schlüssel vernehmlich im Schloß drehte.

Der Chefinspektor warf die große Eingangstür mit Nachdruck zu und nahm dann das Telefon in Arbeit, das sich in einer primitiven Zelle neben der kleinen Pförtnerloge befand.

William war viel rascher auf dem ihm angewiesenen Posten, als man dies bei seinem schonungsbedürftigen Fuße erwarten durfte, und er nahm seinen Auftrag so ernst, daß er sich ganz dicht an die Tür lehnte. Der Chefinspektor schien bereits zu sprechen, denn von innen drangen vereinzelte Laute, die sich wie ein abgehacktes Knurren und Bellen anhörten. Plötzlich aber gab es drinnen ein wütendes Gebrüll, und jedes Wort war deutlich zu vernehmen.

»Die Leitung frei für Scotland Yard, habe ich Ihnen gesagt«, donnerte Perkins erbost. »Verstehen Sie nicht? Ihre Börsengespräche kümmern mich einen Pfifferling . . .«

Die Stimme schnappte über, und der Geschäftsführer lauschte mit angehaltenem Atem. Bevor es aber noch soweit war, wurde sein Kopf an dem freien Ohr sanft von der Tür weggezogen . . .

Mr. Duncan schien derartige kleine Scherze zu lieben, denn er strahlte über das ganze Gesicht. Aber Williams war etwas gekränkt.

»Mr. Perkins telefoniert und hat mir aufgetragen, hier aufzupassen«, erklärte er wichtig, und Mr. Duncan lächelte noch vergnügter.

»So, hat er das? Nun, dann passen Sie nur recht scharf auf. Vielleicht hören Sie wirklich etwas, was für die drei A von Bedeutung sein könnte.«

Die Anspielung kam so unerwartet, daß es dem Geschäftsführer einen förmlichen Riß gab. Er starrte den eleganten Gentleman bestürzt an, und erst nach langen Sekunden machte er einen kläglichen Versuch, gleichmütig mit den Achseln zu zucken.

»Ich verstehe Sie nicht, Sir . . .«

»Schlimm«, meinte Duncan lakonisch und hatte plötzlich ein sehr bedenkliches Gesicht. »Einige hundert oder vielleicht auch tausend Dollar sind ja gewiß ein schönes Geld – aber meine Haut wäre mir unbedingt lieber.«

Da William nicht verstand, hob er wieder bloß die Schultern, aber er war auf einmal sehr bleich und hatte für das, was in der Hall gesprochen wurde, gar kein Interesse mehr.

Erst nach einer langen Viertelstunde wurde die Tür heftig aufgerissen, und der Chefinspektor schoß mit einem gewaltigen Sprung heraus. Er schien in diesem ansehnlichen Tempo weitermachen zu wollen, aber nach dem zweiten Satz hielt er plötzlich inne. Er hatte aus den Augenwinkeln Duncan gewahrt, und der arme Geschäftsführer bekam ganz unschuldig und unerwartet wieder einen Anschnauzer ab.

»Zum Teufel, was lungern Sie fortwährend herum? Man kann keinen Schritt machen, ohne über Sie zu stolpern. Wenn Sie mir noch einmal in den Weg kommen . . .«

»Recht so«, sagte Duncan, als der ewig gehetzte William verschwunden war. »Halten Sie sich den Burschen nur gehörig vom Leibe. Es könnte Sie sonst teuer zu stehen kommen.«

Perkins war so erregt, daß er die Bemerkung völlig überhörte. Er sah sich rasch nach allen Seiten um und keuchte dann seine Neuigkeiten hervor.

»Den zweiten kenne ich nicht«, schloß er. »Vielleicht haben die beiden oben auf dem verdammten Weg miteinander gerungen und sind dabei abgestürzt. Der andere hat etwas früher seinen Hut und Überzieher hinuntergeworfen, als ob ihm diese Dinge hinderlich gewesen wären.«

Er heftete den ratlosen Blick auf Alf, aber dieser betrachtete mit hochgezogenen Brauen die Spitzen seiner Schuhe.

»Also noch ein zweiter«, murmelte er endlich. »Wenn Sie mir ihn etwas näher beschreiben, werde ich Ihnen vielleicht einiges über ihn sagen können.«

Und dann nickte er schon nach den ersten Worten des Chefinspektors.

»Charles Barres«, erklärte er entschieden. »Es stimmt alles ganz genau, und ich habe es auch gleich vermutet. – Aber warum ist dann Miss Reid gestern abend nicht gekommen?« fügte er nachdenklich hinzu. »Und wieso geht sie augenblicklich so seelenruhig spazieren?«

Perkins fand diese Fragen vorläufig nicht so wichtig, um sich mit ihnen zu beschäftigen.

»Ich muß sofort wieder hinüber«, bemerkte er. »Bis jetzt bin ich ja noch gar nicht dazu gekommen, mich gründlicher umzusehen. Vielleicht läßt sich doch irgendwie herausfinden, wie die Geschichte zugegangen ist und was sie zu bedeuten hat.« Er wischte sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn und hauchte zu seiner Erleichterung wieder einmal so etwas wie einen kurzen Fluch. »So ganz allein ist man bei einem solchen Fall verloren«, fuhr er dann fort. »Aber ich habe mir eben die Ajaxe herauszitiert. Sie können in fünf Viertelstunden hier sein, denn der Rasende fährt wie der Teufel, und mittlerweile werde ich mich mit dem Sheriff und dem Leichenbeschauer unterhalten.«

So eilig er es aber hatte, zögerte er doch noch und schien auf etwas zu warten. Als es nicht kam, trat er ungeduldig von einem Fuß auf den andern, und dann räusperte er sich höchst umständlich.

»Wie Sie sich denken können, wird es für mich in den nächsten Stunden eine Menge zu tun geben«, meinte er endlich, »aber trotzdem werde ich natürlich unsere Verabredung einhalten. – Also pünktlich um vier Uhr bei der gewissen Straßenkreuzung.«

»Ja«, erwiderte der junge Gentleman in seiner verwünschten Art, »die Ajaxe sind gut, aber ich glaube, die Spazierfahrt wird Ihnen noch besser bekommen.«


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