Louis Weinert-Wilton
Der schwarze Meilenstein
Louis Weinert-Wilton

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29

In der nächsten Sekunde ließ ein gewaltiger Knall die Mauern des Golfhauses erzittern, und in das Splittern und Klirren von vielem Glas prasselten kurze, harte Schläge auf Mauerwerk und Holz.

»Trommeln Sie den Burschen heraus«, zischte Duncan dem etwas verstörten Perkins zu, indem er selbst den ersten Rumpler an die Tür des nervösen Mr. Gwynne tat und dann nach dem Seitengang davonstürzte. Er wollte sich um William kümmern, damit dieser nicht etwa zu Schaden kam.

Aber während der große Künstler anscheinend einen sehr guten Schlaf hatte, da der Chefinspektor vorn noch immer weiterpolterte, traf Duncan den Geschäftsführer bereits an der Schwelle seines Zimmers. William sah verschlafener denn je aus und mußte an dem Türstock Halt suchen, da sein dick eingebundener Fuß ihm den Dienst versagte. In seinen blinzelnden Augen stand eine erschreckte Frage.

»Ja«, sagte Duncan leichthin, »ein Pechtag. Bei Ihnen hat es begonnen, und nun scheint noch etwas mehr Glas in Scherben gegangen zu sein. Haben Sie den Krach gehört?«

»Natürlich«, stotterte der Geschäftsführer. »Es hat mich förmlich aus dem Bett geworfen. – Was ist eigentlich geschehen?«

»Das werden wir uns jetzt erst anschauen. Wie Sie hören, trommelt Perkins bereits das ganze Haus zusammen, und da müssen Sie wohl auch dabei sein. – Wird es mit Ihrem Fuß halbwegs gehen?«

»Es wird eben gehen müssen«, meinte William mit einem resignierten Achselzucken. »Ich werde mich nur rasch ein bißchen ankleiden . . .«

Er wandte sich schwerfällig auf einem Bein, um wieder ins Zimmer zurückzuhumpeln, aber Alf faßte ihn mit raschem Griff.

»Ach was, kommen Sie nur so, wie Sie sind. Bei solchen Gelegenheiten nimmt man es nicht so genau«, drängte er ungeduldig, und William fügte sich ohne jede Widerrede. Er versperrte nur rasch noch seine Tür und hinkte dann, so eilig dies gehen wollte, mit nach vorn.

Schon von weitem war die Auseinandersetzung zu hören, die zwischen Mr. Gwynne und dem Chefinspektor vorerst durch die geschlossene Tür stattfand. Der aufgelöste Mime gab zunächst eine große Szene eines gereizten Tobsüchtigen zum besten, und sein Organ rollte und fauchte, donnerte und kreischte, daß es klang, als ob ein Löwe unter ein schlecht geschmiertes Wagenrad geraten wäre. Aber mit einem Mal kippte die grimmige Stimme um und ging dann in sanfte, ölige Töne über, denn Mr. Gwynne hatte endlich geruht aufzumachen.

»Oh – Mr. Perkins . . .«, orgelte er überrascht und voll Ehrerbietung. »Das konnte ich ja nicht ahnen. Dieses Haus steckt ständig voll Rücksichtslosigkeit und Unruhe, und ich dachte . . . Aber die hohe Obrigkeit – das ist natürlich etwas anderes. Verzeihen Sie und gebieten Sie . . .«

Er streckte dem Chefinspektor mit einer weit ausholenden runden Geste beide Hände entgegen, aber Perkins wußte nicht, was er damit anfangen sollte. Er hatte diesen pathetischen Komödianten herausgeklopft, weil es ihn der verwünschte Teufelsschüler von Oxford oder Cambridge so geheißen hatte. Nun aber, da der Mann in einem purpurfarbenen Pyjama und einem japanischen Schlafrock vor ihm stand, war er in ehrlicher Verlegenheit.

Glücklicherweise kam ihm Duncan bereits zu Hilfe.

»Hier haben Sie also William«, sagte dieser wenig freundlich, indem er auf den mühsam nachhinkenden Geschäftsführer wies. »Hoffentlich erfahren wir nun, was der Spektakel zu bedeuten hatte. Sie wollten zunächst einmal draußen nachsehen . . .«

Perkins war sich zwar noch immer nicht schlüssig, was er eigentlich wollte, aber nun sagte er hastig »Jawohl«, und als der wenig interessierte Mr. Gwynne sich bescheiden wieder zurückziehen wollte, machte er eine sehr nachdrückliche einladende Handbewegung.

Eben als man den Vorplatz erreichte, kam vom »Reitenden Postillon« her Mrs. Hingley angekeucht, gefolgt von einem Stabe erschreckter dienstbarer Geister. Es war ein höchst dramatischer Aufzug, und im nächsten Augenblick bildete sich um den Chefinspektor und seine Begleitung ein aufgeregt wogender und lärmender Knäuel.

Alf Duncan benützte diese Gelegenheit, um wieder im Golfhaus zu verschwinden.


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