Louis Weinert-Wilton
Der schwarze Meilenstein
Louis Weinert-Wilton

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17

Trotzdem griff Alf Duncan mit ausgesuchter Höflichkeit an seine Mütze. Er trug einen fabelhaften Golfanzug, lag bequem im Grase und blies eine dünne Rauchfahne in die Luft.

Chefinspektor Perkins brauchte eine geraume Weile, um sich von diesem Anblick zu erholen.

»Seit wann sind Sie denn eigentlich schon hier?« fragte er endlich mit etwas trockenem Halse.

»Wenn Sie mit dem ›hier‹ dieses nette Plätzchen meinen, seit etwa einer Stunde. Oben an der Straße ist es mir zu lärmend geworden. Wenn Sie aber darunter diese ganze wundervolle Gegend verstehen, seit gestern nachmittag 3 Uhr 37 Minuten. Ich habe mir das so genau gemerkt, weil ich darauf vorbereitet war, daß mich eines Tages die Polizei danach fragen würde.«

Der Chefinspektor schnitt eine ungeduldige Grimasse und murmelte etwas Unverständliches. Dann traf er plötzlich Anstalten, sich neben dem jungen Manne niederzulassen, aber dieser hob warnend die Hand.

»Bevor Sie sich hier irgendwo häuslich einrichten«, sagte er, »sehen Sie sich den Platz erst genau an. Sonst könnten Sie etwas zu spät darauf kommen«, daß Sie in einem Wespennest sitzen. Außerdem möchte ich Sie in aller Höflichkeit darauf aufmerksam machen, daß ich nicht mehr unter Polizeiaufsicht stehe. Ich führe augenblicklich einen beschaulichen, völlig einwandfreien Lebenswandel und habe mir die Mittel dazu in Paris mit ehrlichem Spiel verdient. – Bitte, überzeugen Sie sich . . .«

Duncan hatte lässig sein Portefeuille gezogen und ließ ein Bündel Banknoten sehen. Perkins beugte sich lebhaft nieder und starrte mit großen Augen auf die Scheine. Plötzlich stieß er einen leisen Pfiff aus und griff blitzschnell zu, aber der junge Mann war rascher.

»Donnerwetter . . .« Der Chefinspektor rieb sich heftig das Kinn, und sein Blick hatte einen sonderbaren Ausdruck. »Wieviel ist es?«

»Es sind genau siebenhundert Dollar«, erhielt er bereitwillig zur Antwort. »Sieben schöne, funkelnagelneue Scheine. Aber heute oder morgen werde ich mich wohl von einem trennen müssen. Mein englisches Geld geht bereits stark zur Neige.«

»Hm . . .«, brummte Perkins. »Und deshalb sind Sie eigens hier herausgekommen?«

Duncan schüttelte den Kopf.

»Nein, eigens bin ich wegen einer ganz anderen Sache herausgekommen. Aber ich bin überzeugt, daß sich auch hier jemand finden wird, der mir gern eine von diesen Noten wechselt.«

Die gespreizte Art, in der der elegante Mr. Alf so willig Rede und Antwort stand, schien den Chefinspektor wieder in Laune gebracht zu haben. Er ließ ein leises Lachen hören, das noch unangenehmer wirkte als sein Feixen, und dann schloß er die Augen zu einem winzigen Spalt.

»Ja«, sagte er völlig unzusammenhängend, »und dazu studiert man also in Eton und Oxford.«

»Cambridge«, verbesserte ihn Duncan nachdrücklich.

»Gut, oder Cambridge. Jedenfalls müßten Sie, wenn es mit rechten Dingen zugegangen wäre, heute ein berühmter Anwalt, Richter am königlichen Gerichtshof, oder sonst irgendein großes Tier sein.«

»Stop«, fiel ihm der junge Gentleman warnend ins Wort. »Sie entwickeln zuviel Phantasie. Ein Mann, der es zuwege bringt, sich meine Wenigkeit in Talar und Perücke vorzustellen, paßt nicht zur Polizei. Er wäre imstande, einen Mormonenprediger für einen Erzbischof unserer Staatskirche zu halten, oder umgekehrt, und das würde ihm eines Tages den Hals brechen.« Er putzte angelegentlich an seinen Knien herum und blinzelte dann nach der Chaussee. »Passen Sie auf, Mr. Perkins«, schloß er leichthin, »daß Ihnen das nicht früher geschieht als Sie denken.«

Der Chefinspektor trat unbehaglich von einem Fuß auf den andern.

»Glauben Sie . . .«, setzte er unsicher an, vollendete aber nicht, sondern ließ nur seinen Blick weiter sprechen.

»Ich glaube«, erwiderte Alf Duncan bedächtig, »daß Sie hier Ihre Wunder erleben werden. Wunder – vielleicht im vollsten Sinne des Wortes. Und daß der Teufel los sein wird.«

»Gut«, stieß Perkins kurz hervor und schob seinen Hut mit einem Ruck aus der wuchtigen Stirn. »Das wollte ich von Ihnen nur hören.«


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