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37.

»Dein Wohl!« sagte Lukaschka, während er die mit Rotwein gefüllte Schale aus den Händen der Mutter nahm und, vorsichtig den Kopf neigend, an die Lippen führte.

»Das ist eine schöne Geschichte,« sagte Nasarka. »Großvater Burlak scheint alles zu wissen: ›Hast du viele Pferde gestohlen?‹ sagte er.«

»Der alte Hexenmeister!« antwortete Lukaschka kurz. »Doch was tut's?« fügte er mit einer lebhaften Kopfbewegung hinzu. »Sie sind schon über den Fluß, nun sucht sie euch!«

»Es hat doch sein Bedenken!«

»Was für ein Bedenken? Bringt ihm nur Rotwein, dann findet er's schon in der Ordnung, dann hat's weiter nichts auf sich. Jetzt laßt uns lustig sein, trinkt!« rief Lukaschka in demselben Tone, in dem der alte Jeroschka dieses Wort auszusprechen pflegte. »Wir wollen auf die Straße gehen, uns mit den Mädchen belustigen. Geh, kauf Honig, oder ich kann auch die Stumme schicken. Bis zum frühen Morgen wollen wir zechen!«

Nasarka lächelte.

»Wie lange wollen wir denn bleiben?« fragte er.

»Frag' nicht, laß uns lustig sein! Hol' Branntwein – da hast du Geld!«

Nasarka lief folgsam zur Jamka hin.

Onkel Jeroschka und Jerguschow hatten, als richtige Raubvögel, schon herausgewittert, wo etwas zu holen war, und betraten jetzt nacheinander, beide schon betrunken, Lukaschkas Haus.

»Noch einen halben Eimer!« rief Lukaschka seiner Mutter zu und gab damit Antwort auf den Gruß der beiden.

»Nun sag' mal, du Teufelskerl, wo hast du sie eigentlich gestohlen?« rief Onkel Jeroschka laut. »Bist doch ein ganzer Kerl! Ich liebe dich!«

»Eine schöne Liebe!« antwortete Lukaschka lachend. »Trägst den Mädchen Naschwerk von den Junkern zu! Schämen solltest du dich, Alter!«

»Das ist nicht wahr, nicht wahr! Wie kannst du nur so reden, Marka!« Der Alte lachte laut auf. »Wie hat er mich gebeten, der Halunke – ›geh, Alter,‹ sagte er, ›führ' sie mir zu!‹ Eine Flinte wollte er mir schenken. ›Nein,‹ sagte ich, ›Gott verzeih dir die Sünde!‹ Ich hätt's ja mit Leichtigkeit tun können, aber du tust mir eben leid, Marka ... Na, erzähl' also, wo du überall gewesen bist!« Und er begann, auf tatarisch weiterzusprechen.

Lukaschka antwortete gewandt in derselben Sprache.

Jerguschow, der nur wenig Tatarisch verstand, warf ab und zu ein paar russische Worte ein.

»Ich sage: er hat Pferde weggetrieben, ich weiß es bestimmt!« sagte er in bestätigendem Tone.

»Wir ritten also mit Girejka hin,« erzählte Lukaschka, der sich einen besonders flotten Anstrich geben wollte, indem er seinen Freund Girej-Chan kurz Girejka nannte. »Wie ich zu ihm über'n Fluß kam, hat er mächtig groß getan, er kenne die ganze Steppe und werde mich auf geradem Wege hinführen. Wie wir dann aber losritten und die dunkle Nacht hereinbrach, da verirrte sich mein Girejka, wurde unsicher und wußte nicht ein noch aus. Er konnte den Aul nicht finden – prost Mahlzeit! Wir waren, schien es, zu weit nach rechts abgekommen. Fast bis gegen Mittemacht suchten wir, da hörten wir zum Glück die Hunde bellen.«

»Ihr Dummköpfe!« sagte Onkel Jeroschka. »Auch wir hatten uns mal so zur Nachtzeit in der Steppe verirrt. Der Teufel soll sich da manchmal zurecht finden! Ich ritt dann einfach auf einen Hügel und begann nach Art der Wölfe zu heulen, so ungefähr ...« Er legte die Hände vor dem Munde zusammen und stieß einen Laut aus, der so klang, als wenn ein ganzes Rudel Wölfe heulte. »Im Nu gaben die Hunde Antwort ... Na, erzähl' weiter, ihr habt also gefunden, was ihr suchtet?«

»Ja. Wir legten ihnen rasch die Halftern an. Den armen Nasarka hätten um ein Haar die Weiber der Nogajer gefangen.«

»Wieso denn gefangen?« sagte Nasarka, der inzwischen wieder zurückgekehrt war, in verlegenem Tone.

»Wir ritten davon, und wieder verirrte sich Girejka, hätte uns beinahe tief in die Sanddünen geführt. Immerfort behauptete er, wir ritten dem Terek zu, und dabei entfernten wir uns immer weiter von ihm!«

»Hättest dich nach den Sternen richten sollen,« sagte Onkel Jeroschka.

»Das mein' ich auch,« pflichtete Jerguschow ihm bei.

»Wie sollt' ich das anfangen, da doch der Himmel bedeckt war? Ich hatte meine Qual, sag' ich euch! Ich hatte eine Stute gefangen und an die Halfter genommen, mein Pferd aber hatte ich frei gehen lassen: es wird uns schon richtig führen, dachte ich. Na, und was meinst du? Es schnaubt und schnaubt, und hält die Nase an die Erde; dann trabt er los und führt uns geradeaus hierher, nach dem Dorfe. Ein Glück war's, denn es hatte schon zu tagen begonnen; wir hatten gerade noch Zeit, die Pferde im Walde zu verstecken. Später kam dann Nagim von jenseits des Flusses und hat sie mitgenommen.«

Jerguschow nickte mit dem Kopfe. »Sehr geschickt habt ihr das gemacht!« sagte er. »Wieviel waren es denn?«

»Was fragst du? Hier sind sie alle,« sagte Lukaschka und klopfte sich auf die Tasche.

In diesem Augenblick trat die Alte ins Zimmer. Lukaschka hielt in seiner Rede inne.

»Immer trinkt!« rief er den Gästen zu.

»So bin ich auch mal mit Girtschik ganz spät ausgeritten ...« begann Jeroschka zu erzählen.

»Na, laß nur das Erzählen – wirst ja doch nicht fertig damit,« sagte Lukaschka. »Ich will jetzt lieber gehen.«

Er trank den Rest des Weines aus der großen Schale, zog den Riemen seines Gürtels fester an und ging auf die Straße hinaus.


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