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27.

Lukaschka kam eines Tages kurz vor der Weinlese hoch zu Roß vor Olenins Quartier geritten. Er blickte noch kühner und verwegener drein als sonst.

»Nun, wie geht es dir? Du heiratest?« fragte Olenin, nachdem er ihn freundschaftlich bewillkommnet hatte.

Lukaschka wich einer klaren Antwort aus.

»Ihr Pferd habe ich drüben, jenseits des Flusses, umgetauscht. Ein Prachttier hab ich dafür bekommen! Ein Kabardiner ist's, aus dem Gestüt Lowa-Tawro. Die schätze ich besonders.«

Sie musterten das neue Pferd und tummelten es auf dem Hofe. Es war in der Tat ein ungewöhnlich stattliches Tier – ein brauner, breiter und langer Wallach mit glänzendem Fell, dichtem Schweif und weicher, feiner, die gute Rasse bezeugender Mähne und ebensolchem Rist. Es war so rund und wohlgenährt, daß man, wie Lukaschka sich ausdrückte, sich auf seinem Rücken schlafen legen konnte. Hufe, Augen, Zähne, alles war schön und wohlgebildet, wie man es nur bei Pferden von bestem Blute findet. Olenin war ganz entzückt von dem Tiere, er hatte ein so prächtiges Pferd im Kaukasus noch nicht gesehen.

»Und sein Gang,« sagte Lukaschka, den Hals des Tieres klopfend – »ganz wundervoll geht es! Und klug ist's! Es läuft seinem Herrn nur so nach.«

»Wieviel hast du zugezahlt?« fragte Olenin.

»Ich habe nicht gerechnet,« antwortete Lukaschka lächelnd. »Ich hab's von einem Freunde.«

»Wirklich ein herrliches Tier! Was würdest du dafür verlangen?« fragte Olenin.

»Anderthalb Hundert hat man mir geboten, doch Ihnen geb' ich's so,« sagte Lukaschka heiter. »Sagen Sie es nur, ich gebe es Ihnen. Ich nehme den Sattel ab – und Sie können es behalten. Ich behelfe mich dann im Dienst mit dem ersten besten Gaul.«

»Nein, um keinen Preis!«

»Nun, dann habe ich Ihnen hier ein Geschenk mitgebracht,« sagte Lukaschka, machte seinen Gürtel auf und nahm einen der beiden Dolche ab, die er da an einem Riemen hängen hatte. »Ich habe ihn jenseits des Flusses bekommen.«

»Ich danke dir.«

»Weintrauben will Ihnen meine Mutter selbst bringen.«

»Nicht doch, wir werden doch nicht miteinander verrechnen! Ich gebe dir ja für den Dolch kein Geld.«

»Gewiß nicht, wir sind ja Freunde! Ich war jenseits des Flusses, bei Girej-Chan, der führte mich in sein Haus und sagte: ›Such' dir aus, was du willst!‹ Da nahm ich diese Klinge. Das ist bei uns so Brauch.«

Sie begaben sich in das Haus und tranken ein Glas Wein.

»Wie steht's – bleibst du jetzt für längere Zeit hier?« fragte Olenin.

»Nein, ich bin gekommen, um Abschied zu nehmen. Ich bin vom Wachthause zu der Schwadron versetzt, die überm Terek liegt. Noch heute geh' ich mit Nasar, meinem Kameraden, dahin ab.«

»Und wann wird die Hochzeit sein?«

»Ich komme bald wieder her, dann wird die Verlobung gefeiert, und gleich drauf geht's wieder in den Dienst,« antwortete Luka unlustig.

»Wie denn? Dann wirst du deine Braut doch gar nicht sehen!«

»Was tut das? Warum soll ich sie sehen? ... Wenn Sie wieder ins Feld rücken, dann fragen Sie doch in unserer Schwadron nach Lukaschka, dem Greifer ... Eber gibt's dort in Menge, ich habe schon zwei erlegt. Ich werde Sie führen.«

»Nun, leb' wohl! Christus möge dich schützen!«

Lukaschka bestieg sein Pferd und ritt, ohne bei Marianka vorzusprechen, in flottem Tempo auf die Straße hinaus, wo Nasarka ihn bereits erwartete.

»Nun, kehren wir nicht ein?« fragte Nasarka und blinzelte dabei nach der Richtung, in der Jamka ihren Ausschank hatte.

»Meinetwegen,« sagte Lukaschka. »Hier, nimm mein Pferd mit, und wenn ich nicht früh genug wiederkomme, gib ihm Heu. Morgen früh bin ich auf jeden Fall bei der Schwadron.«

»Sag' mal – hat der Junker dir nicht wieder etwas geschenkt?«

»Nein, Gott sei Dank. Ich habe ihm als Gegengeschenk einen Dolch gegeben, er wäre sonst imstande gewesen, das Pferd von mir zu verlangen,« sagte Lukaschka, während er aus dem Sattel sprang und sein Pferd Nasarka übergab.

Dicht vor Olenins Fenstern schlüpfte er dann über den Hof und trat unter das Fenster der Stube, in der die Wirtsleute wohnten. Es war bereits ganz dunkel. Marianka stand im bloßen Hemd da und kämmte ihr Haar zur Nacht.

»Ich bin es, Marianka,« flüsterte der Kosak. Mariankas Gesicht, das ernst und gleichmäßig dreingeschaut hatte, bekam plötzlich Leben, als ihr Name genannt ward. Sie schob das Fenster in die Höhe und steckte, zugleich erschreckt und erfreut, den Kopf hinaus.

»Was gibt es? Was willst du?« begann sie.

»So mach doch auf,« versetzte Lukaschka. »Laß mich doch ein, nur für einen Augenblick! Ich habe mich so nach dir gesehnt! Ganz schrecklich!«

Er umfaßte durchs Fenster ihren Kopf und küßte sie.

»Nein, wirklich – mach' auf!«

»Was für Unsinn redest du da! Ich sagte es dir doch, ich lasse dich nicht herein. Wie lange bleibst du denn hier?«

Er antwortete nicht und küßte sie nur. Und sie fragte nicht weiter.

»Sieh, nicht einmal recht umarmen kann ich dich durchs Fenster!« sagte Lukaschka.

»Marianuschka!« ließ sich die Stimme der Alten vernehmen – »mit wem sprichst du da?«

Lukaschka nahm seine Mütze ab, damit er nicht erkannt würde, und kauerte sich unter das Fenster.

»Geh rasch fort!« flüsterte Marianka.

»Lukaschka war's,« antwortete sie der Mutter – »er wollte nach dem Vater fragen.«

»Mag er doch hereinkommen!«

»Er ist schon fort. Er hätte keine Zeit, sagte er.« –

Lukaschka war in der Tat mit raschen Schritten, tief gebückt, unter den Fenstern entlang nach dem Hofe geeilt und dann zu Jamka gelaufen; nur Olenin hatte ihn gesehen. Mit Nasarka zusammen tranken sie zwei Schalen Rotwein, dann ritten sie davon. Die Nacht war warm, dunkel und still. Sie ritten schweigend dahin, nur die Schritte der Pferde ließen sich vernehmen. Lukaschka stimmte das Lied vom Kosaken Mingal an, doch hatte er die erste Strophe noch nicht zu Ende gesungen, als er wieder aufhörte und sich an Nasarka wandte.

»Sie hat mich doch nicht eingelassen,« sagte er.

»Ei sieh doch!« versetzte Nasarka. »Ich wußte, daß sie dich nicht einlassen würde. Jamka sagte mir, der Junker gehe jetzt bei ihnen aus und ein. Und Onkel Jeroschka hat sich gerühmt, er habe von dem Junker eine Flinte für Marianka bekommen.«

»Er lügt, der verdammte Schuft!« sagte Lukaschka voll Grimm. »So eine ist sie nicht. Aber die Rippen zerbrech' ich ihm, dem alten Spitzbuben!«

Und er stimmte sein Lieblingslied an:

»Aus dem Dorfe Ismaïlowo,
Aus des Herren Garten flog ein Falk,
Flog ein heller Falke kühn empor,
Und ihm folgt ein junger Jägersmann,
Lockt den Falken auf die rechte Faust,
Doch der Falke also zu ihm spricht:
›Nicht verstehst im gold'nen Käfig du
Festzuhalten mich, noch auf der Faust –
Darum flieg' zum blauen Meer ich hin,
Will mir fangen einen weißen Schwan,
Letzen mich am süßen Schwanenfleisch!‹«


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