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24.

Es war gegen fünf Uhr morgens. Wanjuscha war eben dabei, auf der Freitreppe des Hauses mit Hilfe eines Stiefelschaftes die Kohlen im Samowar anzublasen. Olenin war bereits an den Terek geritten, um zu baden; er hatte sich unlängst dieses neue Vergnügen ausgedacht; er schwemmte sein Pferd im Terek und nahm zugleich selbst ein Bad. Die Hauswirtin war in ihrer Milchkammer, aus deren Schornstein der schwarze, dichte Rauch von dem geheizten Ofen emporstieg; die Tochter war eben dabei, im Stalle die Büffelkuh zu melken. »So steh doch endlich still, du garstiges Vieh!« ließ sich ihre ungeduldige Stimme vernehmen, und gleich darauf hörte man das gleichförmige Geräusch des Melkens. Auf der Straße neben dem Hause ertönte der rasche Tritt eines Pferdes – Olenin kam auf seinem stattlichen, feuchtglänzenden, dunkelgrauen Pferd ohne Sattel an das Hoftor geritten. Mariankas hübscher, von einem roten Tuche umhüllter Kopf lugte aus dem Stalle hervor und verschwand wieder. Olenin trug ein rotseidenes Hemd, eine weiße Tscherkeska, die von einem Riemen mit dem Dolch darin zusammengehalten wurde, und eine hohe Mütze. Er saß ein wenig kokett auf dem feuchten Rücken des gut genährten Pferdes und neigte sich, das Gewehr auf dem Rücken festhaltend, hinab, um das Tor zu öffnen. Sein Haar war noch naß, sein Gesicht strahlte von Jugend und Gesundheit. Er glaubte hübsch und schneidig auszusehen und einem Dschigit zu gleichen, doch war er weit davon entfernt: in den Augen jedes erfahrenen Kaukasiers blieb er nach wie vor der »Soldat«. Als er den Mädchenkopf in der Stalltür bemerkte, suchte er jede Bewegung ganz besonders gewandt auszuführen, warf das Tor keck auf, zog die Zügel an, führte einen Lufthieb mit der Reitpeitsche und ritt auf den Hof.

»Ist der Tee fertig, Wanjuscha?« rief er vergnügt, ohne nach der Stalltür hinzublicken; es machte ihm Vergnügen, zu spüren, wie sein schmuckes Pferd, das Hinterteil hebend und nach dem Zügel verlangend, an jedem Muskel zitterte, wie es elastisch über den trockenen Lehmboden des Hofes hintänzelte und am liebsten mit voller Sehnenkraft über den Zaun gesetzt wäre.

»Alles fertig!« antwortete Wanjuscha.

Es schien Olenin, als schaue Mariankas hübscher Kopf noch immer aus dem Stalle, doch wandte er sich nicht nach ihr um. Als er vom Pferde hinabsprang, stieß er mit dem Gewehr gegen das Treppengeländer, machte eine ungeschickte Bewegung und blickte erschrocken nach dem Stalle hin, wo jedoch niemand zu sehen war; nur das gleichmäßige Geräusch des Melkens ließ sich von dort vernehmen.

Er ging in sein Zimmer und kam nach einiger Zeit wieder auf die Treppe hinaus, wo er sich mit einem Buche und der Pfeife bei einem Glase Tee auf der noch nicht von den schrägen Strahlen der Morgensonne beschienenen Seite niederließ. Bis zum Mittagessen wollte er nun nirgends hingehen, sondern einige schon lange aufgeschobene Briefe schreiben. Es fiel ihm jedoch schwer, sein Plätzchen auf der Treppe zu verlassen und in sein Zimmer, wie in ein Gefängnis, zurückzukehren. Die Hauswirtin hatte den Ofen geheizt, Marianka das Vieh ausgetrieben; als sie zurückkam, machte sie sich daran, den Kuhmist an der Hecke entlang aufzusammeln und für Brennzwecke zu formen. Olenin las in seinem Buche, verstand jedoch nichts von dem, was darin stand. Immer wieder wandte er die Augen von seiner Lektüre ab und ließ den Blick auf der kräftigen Gestalt des jungen Mädchens ruhen, das sich dort vor ihm hin und her bewegte. Ob sie in den feuchten Morgenschatten des Hauses trat oder mitten in dem vom heiteren jungen Tag beleuchteten Hofe stand, wo die schlanke Gestalt in dem farbigen Gewand hell von der Sonne beschienen wurde und einen dunklen Schatten warf – immer hatte er die eine Sorge, daß ihm auch nur eine ihrer Bewegungen entgehen könnte. Es machte ihm Freude, zu sehen, wie frei und anmutig ihre Taille sich bog, wie das rosa Hemd, das ihre ganze Bekleidung bildete, über der Brust und an den schlanken Beinen hinab sich in Falten legte; wie ihr Oberkörper sich dann emporrichtete und unter dem dicht anliegenden Hemd die Linien der atmenden Brust sich deutlich abhoben; wie sie die schmalen, in alten roten Schuhen steckenden Füße zierlich auf die Erde setzte; wie die kräftigen Arme, an denen die Ärmel aufgestreift waren, mit gespannten Muskeln, gleichsam unwillig, die Schaufel handhabten, und wie die tiefen schwarzen Augen von Zeit zu Zeit nach ihm hinüberschauten. Wenn auch die feinen Brauen sich zusammenzogen, sprach aus den Augen doch Zufriedenheit und das Bewußtsein der eigenen Schönheit.

»Ei, Olenin – Sie sind wohl schon lange auf?« sagte Bjelezki, der in einem kaukasischen Offiziersrock eben den Hof betreten hatte und auf Olenin zukam.

»Ah, Bjelezki!« antwortete Olenin und streckte ihm die Hand entgegen – »schon so früh aus den Federn?«

»Was soll ich machen? Man hat mich hinausgejagt. Bei mir ist heute Ball. Du kommst doch auch zu Ustenjka, was, Marianka?« wandte er sich an das Mädchen.

Olenin wunderte sich darüber, daß Bjelezki so ungezwungen mit diesem Mädchen reden konnte. Marianka aber tat, als höre sie ihn nicht, sie neigte den Kopf nur tiefer, warf die Schaufel über die Schulter und begab sich in ihrer raschen, mannhaften Gangart nach der Milchkammer.

»Sie schämt sich, die liebe Kleine, sie schämt sich,« sprach Bjelezki, während er ihr nachblickte. »Vor Ihnen schämt sie sich!« fügte er hinzu und lief munter lächelnd die Freitreppe hinauf.

»Ball ist bei Ihnen? Wieso denn? Wer hat Sie fortgejagt?«

»Ustenjka, meine kleine Wirtin, gibt den Ball, auch Sie sind eingeladen. Ball heißt hier soviel wie Mädchengesellschaft und Pastetenessen.«

»Aber was sollen wir denn da machen?«

Bjelezki lächelte pfiffig und nickte blinzelnd mit dem Kopfe nach der Milchkammer hin, in der Marianka verschwunden war.

Olenin zuckte die Achseln und errötete.

»Sie sind doch wirklich ein Sonderling, weiß Gott!« sagte Bjelezki.

»Meinen Sie?« sagte Olenin stirnrunzelnd.

Bjelezki entging es nicht, daß er ärgerlich war, und er lächelte ganz besonders höflich.

»Aber wie denn, ich bitte Sie,« sagte er, »Sie wohnen hier im Hause ... und sie ist ein so prächtiges Mädchen, ein so reizendes Kind, eine so vollendete Schönheit!«

»Ja, eine vollendete, bewundernswerte Schönheit! Ich habe ein solches Weib noch nicht gesehen,« sagte Olenin.

»Nun, also was denn?« versetzte Bjelezki, während er Olenin verständnislos ansah.

»Es klingt vielleicht sonderbar, wenn ich es sage,« antwortete Olenin – »aber warum soll ich nicht aussprechen, was wahr ist? Seit ich hier lebe, existieren die Frauen für mich nicht. Und es ist gut so, glauben Sie mir! Was kann es denn zwischen uns und diesen Frauen hier Gemeinsames geben? Jeroschka – das ist etwas anderes: mit dem verbindet mich die gemeinsame Leidenschaft für die Jagd.«

»Nun hör' einer! Was es Gemeinsames geben kann? Und was gibt es denn Gemeinsames zwischen mir und Amalia Iwanowna? Kommt alles auf eins heraus. Sie meinen vielleicht, sie seien ein bißchen schmutzig – nun, das ist etwas anderes. Da heißt es eben ein Auge zumachen.«

»Ich habe solche Frauen wie Amalia Iwanowna nicht gekannt und nie mit ihnen umzugehen gewußt,« antwortete Olenin. »Doch jene Art von Frauen kann man nicht achten, während ich vor diesen hier Achtung habe.«

»Nun, immerzu! Lassen Sie sich darin nicht stören!«

Olenin antwortete nicht, man sah es ihm jedoch an, daß er über das Thema weiterzureden wünschte, daß es ihm sehr am Herzen lag.

»Ich weiß, daß ich eine Ausnahme bilde,« begann er nach einem Weilchen, offenbar verlegen. »Aber mein Leben hat sich so gestaltet, daß ich nicht nur keine Veranlassung sehe, meine Grundsätze zu ändern, sondern hier überhaupt gar nicht leben könnte, wenn ich auf Ihre Art leben wollte. Dabei spreche ich noch nicht einmal von einem so glücklichen Leben, wie ich es jetzt führe. Ich suche und finde in diesen Frauen hier eben etwas anderes als Sie.«

Bjelezki zog ungläubig die Brauen empor. »Na, kommen Sie jedenfalls heute abend zu mir,« sagte er, »auch Marianka wird da sein, ich werde Sie mit ihr bekannt machen. Kommen Sie nur, bitte. Sollten Sie sich langweilen, dann können Sie ja wieder weggehen. Werden Sie kommen?«

»Ich würde kommen, aber ich will Ihnen die Wahrheit sagen: ich fürchte, daß ich mich allen Ernstes verlieben könnte ...«

»O, o, o!« rief Bjelezki aus. »Kommen Sie nur, machen Sie sich über diesen Punkt keine Sorgen. Ehrenwort also, Sie kommen?«

»Ich möchte wohl kommen, aber ich begreife, offen gesagt, nicht, was wir da tun, welche Rolle wir spielen sollen.«

»Bitte, kommen Sie nur! Abgemacht?«

»Ja, ich komme – vielleicht,« sagte Olenin,

»Nun sage mir einer – so reizende Weiber, wie sonst nirgends in der Welt: kann man denn da als Mönch leben? Was für eine sonderbare Auffassung! Warum soll man sich selbst das Leben verbittern, statt zu genießen, was es einem bietet? Haben Sie gehört, daß unsere Kompagnie nach Wosdwischenskaja kommt?«

»Mir wurde gesagt, die achte Kompagnie würde hinkommen,« sagte Olenin.

»Nein, ich habe einen Brief vom Adjutanten bekommen. Er schreibt, der Fürst werde persönlich am Feldzuge teilnehmen. Ich freue mich, ihn wiederzusehen. Ich verspüre hier schon ein bißchen Langeweile.«

»Es heißt, wir würden bald einen Überfall ausführen?«

»Ich weiß von nichts; ich hörte nur, daß Krinowizyn für seine Teilnahme an einem Überfall den Annenorden bekommen hat. Er hoffte Leutnant zu werden,« sagte Bjelezki lachend – »aber damit war es nichts. Er ist nach der Garnison zurückgekehrt.«

Die Abenddämmerung brach an, und Olenin begann, an den Mädchenball zu denken. Die Einladung beunruhigte ihn lebhaft. Er hatte wohl Lust hinzugehen, doch der Gedanke an das, was dort wohl sein würde, kam ihm so fremd, so seltsam, fast ein wenig beängstigend vor. Er wußte, daß weder Kosaken noch ältere Frauen da sein würden, niemand sonst als junge Mädchen. Was wird dort vorgehen? Wie sollte er sich benehmen? Was sollte er sprechen? Was werden die Mädchen sagen? Was für Beziehungen bestanden zwischen ihm und diesen urwüchsigen Kosakentöchtern? Bjelezki hatte von so merkwürdig zynischen und dabei doch strengen Beziehungen erzählt ... Es kam ihm so sonderbar vor, daß er dort unter demselben Dache, in demselben Raume mit Marianka weilen, vielleicht auch mit ihr reden würde. Wenn er sie sich in ihrer stolzen, zurückhaltenden Haltung vorstellte, kam ihm das ganz unmöglich vor. Bjelezki hatte allerdings erzählt, daß das alles dort so einfach vor sich gehe. »Ob etwa Bjelezki auch mit Marianka auf diese Art verkehrt? Das wäre interessant,« dachte er. »Nein, ich will lieber nicht hingehen. Alles das ist so häßlich, so gemein und vor allem überflüssig.« Dann quälte ihn wieder die Frage: was wird dort nur sein? Und schließlich war er ja auch durch sein gegebenes Wort gebunden. Noch ganz unentschlossen, ging er fort, als er jedoch vor Bjelezkis Quartier kam, trat er bei ihm ein.

Das Haus, in dem Bjelezki wohnte, war ganz ebenso eingerichtet wie Olenins Haus. Es stand auf Pfählen, zwei Ellen hoch über der Erde, und enthielt zwei Stuben. In der ersten, zu der Olenin auf einer steilen, kleinen Treppe gelangte, lagen nach kosakischer Sitte Kissen, Teppiche, Decken und Federbetten in malerischem Nebeneinander an der Vorderwand. Ebenda hingen an den Seitenwänden kupferne Becken und Waffen; unter einer Bank lagen Kürbisse und Melonen. In der zweiten Stube befand sich ein großer Ofen, ein Tisch, Bänke und Heiligenbilder, wie sie die Sektierer zu verehren pflegen. Hier hatte Bjelezki sich mit seinem Feldbett, seinen Reisekoffern, einem kleinen Wandteppich, auf dem seine Waffen hingen, und seinen auf dem Tische umherstehenden Toilettengegenständen und Porträts einquartiert. Ein seidener Schlafrock war über eine Bank geworfen. Bjelezki selbst lag sauber und nett, nur im Unterzeug, auf dem Bett und las die »Drei Musketiere«. Er sprang auf, als Olenin eintrat.

»Da sehen Sie, wie ich mich eingerichtet habe – famos, nicht wahr? Nun, schön, daß Sie gekommen sind! Die Mädchen sind schon mitten in der Arbeit. Wissen Sie, woraus die Pasteten bereitet werden? Aus Teig, Schweinefleisch und Weintrauben. Aber die Pastete ist nicht die Hauptsache. Sehen Sie doch, wie das dort durcheinander wimmelt!«

Sie blickten zum Fenster hinaus und konnten in der Tat im Hause der Wirtsleute ein ungewohnt lebhaftes Treiben beobachten. Die Mädchen liefen bald mit diesem, bald mit jenem Gegenstand zum Flur hinaus und hinein.

»Geht's bald los?« rief Bjelezki hinaus.

»Gleich, gleich! Hast wohl schon Hunger, Großväterchen?«

Und helles Lachen erklang aus der andern Stube.

Ustenjka, ein rotwangiges, hübsches Mädchen von rundlichen Formen, kam mit aufgestreiften Ärmeln in Bjelezkis Zimmer gelaufen, um Teller zu holen.

»Na, du! Ich laß die Teller fallen!« schrie sie auf Bjelezki los. »Komm, hilf uns doch!« rief sie dann lachend Olenin zu. »Sorgt nur dafür, daß die Mädchen etwas zu naschen haben!«

»Ist denn Marianka gekommen?« fragte Bjelezki.

»Gewiß doch, sie hat Teig mitgebracht.«

»Glauben Sie wohl,« sagte Bjelezki, »daß, wenn man diese Ustenjka hübsch sauber waschen und anputzen und ein bißchen in Pflege nehmen würde, sie alle unsere Moskauer Schönheiten ausstäche? Haben Sie Frau Borschtschewa, die Kosakin, gesehen? Sie hat einen Oberst geheiratet. Ein entzückendes Weib! Welche Haltung! Woher sie das nur haben? ...«

»Ich habe die Borschtschewa nie gesehen. Nach meiner Meinung kann es nichts Hübscheres geben als die hiesige Tracht.«

»Ich verstehe es vortrefflich, mich an jede Lebensweise zu gewöhnen,« sagte Bjelezki. »Ich will doch einmal zusehen, wie weit sie drüben sind.«

Er zog den Schlafrock an und ging rasch hinaus. »Sorgen Sie nur für Naschwerk!« rief er Olenin zu.

Olenin schickte den Burschen nach Pfefferkuchen und Honig. Es kam ihm plötzlich so gemein vor, Geld zu geben, als wollte er jemanden bestechen, und als der Bursche fragte, wieviel Pfefferminzkuchen und wieviel Honigkuchen er bringen solle, gab er ihm gar keine bestimmte Antwort.

»Mach' das, wie du willst,« sagte er schließlich.

»Für das ganze Geld?« fragte der Soldat mit wichtiger Miene. »Die Pfefferminzkuchen sind teurer, zu sechzehn Kopeken verkauft man sie.«

»Ja, ja, für das ganze Geld,« sagte Olenin und nahm am Fenster Platz. Er war selbst darüber verwundert, daß sein Herz so heftig klopfte, als stehe ihm etwas ganz besonders Wichtiges und Unangenehmes bevor.

Er hörte, wie drüben in der Stube der Mädchen sich bei Bjelezkis Eintritt ein Kreischen und Schreien erhob, und wenige Augenblicke darauf sah er, wie dieser unter dem lauten Quieken, Lärmen und Lachen der Mädchen herausstürzte und die Treppe hinablief.

»Sie haben mich fortgejagt,« sagte er.

Bald darauf trat Ustenjka in Bjelezkis Zimmer und meldete, daß alles bereit sei. Sie lud die Gäste feierlich zum Nähertreten ein.

Als sie hinüberkamen, war in der Tat alles bereit. Ustenjka legte nur noch die Kissen an der Wand zurecht. Auf dem Tische, der mit einer unverhältnismäßig kleinen Serviette gedeckt war, stand eine Karaffe mit Rotwein, daneben gedörrter Fisch. Das Zimmer duftete nach Teig und Weintrauben. Sechs junge Mädchen in schmucken Beschmets, ohne die gewohnten Kopftücher, drängten sich im Winkel hinter dem Ofen, flüsterten, lachten und räusperten sich.

»Wir bitten gehorsamst, meinem Namenstag zu Ehren zu trinken,« sagte Ustenjka und lud die Gäste ein, an den Tisch heranzutreten.

Olenin erkannte in der Schar der Mädchen, die alle ohne Ausnahme hübsch waren, auch Marianka, und es war ihm schmerzlich und peinlich, unter so banalen, unerfreulichen Umständen mit ihr zusammenzukommen. Er kam sich albern und unbeholfen vor und beschloß, dasselbe zu tun, was Bjelezki tun würde. Dieser trat mit einer gewissen Feierlichkeit, doch dabei selbstbewußt und ungezwungen an den Tisch heran, leerte ein Glas Wein auf Ustenjkas Gesundheit und forderte die andern auf, das gleiche zu tun. Ustenjka erklärte, daß die Mädchen nichts trinken.

»Höchstens mit Honig,« sagte eine Stimme aus der Schar der Mädchen.

Man rief den Burschen herein, der soeben vom Krämer mit Honig und Näschereien zurückgekehrt war. Der Bursche blickte finster, halb neidisch, halb verächtlich, auf die nach seiner Meinung allzu verschwenderisch lebenden Herren, überreichte sorgsam und gewissenhaft die in graues Papier eingewickelte Honigscheibe samt dem Pfefferkuchen und schickte sich an, über den Preis und das herausbekommene Geld ausführlich Rechenschaft abzulegen. Aber Bjelezki jagte ihn hinaus.

Bjelezki mischte den Honig in die mit Rotwein gefüllten Gläser, breitete großspurig die drei Pfund Pfefferkuchen auf dem Tische aus, zog die Mädchen mit Gewalt aus ihren Winkeln heraus, ließ sie am Tische Platz nehmen und begann die Pfefferkuchen unter sie zu verteilen. Unwillkürlich bemerkte Olenin, wie Mariankas kleine, sonnengebräunte Hand zwei runde Pfefferminzkuchen und einen braunen Honigkuchen ergriff, und wie sie dann nicht wußte, was sie damit anfangen sollte. Die Unterhaltung ging nur schleppend vonstatten, trotz der Ungezwungenheit Ustenjkas und Bjelezkis und ihres lebhaften Wunsches, die Gesellschaft aufzuheitern. Olenin war verlegen, wußte nicht recht, was er sagen sollte, hatte die Empfindung, daß er Neugier errege, ja vielleicht selbst Spottlust erwecke und die andern mit seiner eigenen Blödigkeit anstecke. Er errötete, und es schien ihm, daß namentlich Marianka verlegen sei. »Sie erwarten jedenfalls, daß wir ihnen Geld geben,« dachte er. »Wie sollen wir das nur anfangen? Das beste wäre, es ihnen möglichst bald zu geben und fortzugehen.«


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