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V

Der hartnäckige Rhythmus hämmerte in Ogles Ohren und setzte sich darin fest. Er hatte sich von seinen Freunden verabschiedet und wollte seine Wut durch ein paar rasche Runden über das Promenadendeck abkühlen, aber zornig merkte er, daß seine Schritte den Takt des verhaßten Gröhlens einhielten. »Was macht die Melanie die ganze Nacht …« Das Zeug war so hartnäckig, daß er es nicht loswerden konnte. Wenn er stehen blieb und verdrossen über die Reeling auf die glatt gewordene See starrte, stampfte der dumpfe Puls der Schiffsschraube wieder im Takt des Refrains: »Ich steh und steh und steh …« Er hastete zu seiner Kabine hinunter und bei jedem Schritt dröhnte ihm die Melodie im Ohr. Es lag wie ein Fluch auf ihm. Diese Art Musik war ihm in der Seele zuwider, aber so sehr ihm auch vor der Melodie ekelte, er konnte sie nicht loswerden, selbst in der Stille seiner Kabine nicht. Noch eine Stunde später, als er vor dem Spiegel seines kleinen Badezimmers stand, entdeckte er, daß er beim kunstvollen Knüpfen seiner Halsbinde jede Handbewegung im Rhythmus der »Melanie« ausführte, und als er mit der Bürste über seine Haare strich, begann er gegen seinen Willen sogar zu summen: »Ich steh und steh und steh …«

Der Bann wurde schließlich gebrochen – allerdings auf eine Weise, die Ogle durchaus nicht erfreulich war, als Tinkers heisere Stimme in der Nachbarkabine ertönte:

»Na, da sind wir wieder, Schnucki. Wie geht's denn dir und Bibbih jetzt, wollt ihr auch zum Dinner nicht aufstehen?«

Seine Frau antwortete mit hoher, dünner, gereizter Stimme:

»Nein, wir fühlen uns beide noch gar nicht so weit und wir werden wohl bis morgen mittag hier unten bleiben, wenn nicht noch länger. Wo warst du denn die ganze Zeit? Seit Vormittag hast du dich nach uns nicht umgesehen! Wir hätten sterben können und dir wäre das ganz egal gewesen. Wo bist du gewesen?«

»Ja hier natürlich, auf dem Schiff, mein Daibchen! Also Schnucki …«

Er beugte sich offenbar in versöhnlicher Absicht über seine Frau, denn ihre Stimme unterbrach ihn mit einem Aufschrei:

»Geh weg! Sonst wird mir wieder übel. Du meine Güte, die ganze Kabine riecht schon!«

»Ja, wonach denn, Mamma?«

»Wonach? – Nach Whisky!«

»Nach Whisky?« Tinkers Stimme klang ungläubig und verletzt. »Aber nein, Mamma, das ist ja gar nicht möglich. Ich bin nicht einmal in die Nähe …«

»Was? Du stehst da und wagst es, mir solche Geschichten aufzutischen! Sofort, als du in die Kabine kamst, hab' ich's gerochen! Spürst du's nicht auch, Olivia?«

»Und ob!« erklang die verdrossene Stimme des Mädchens aus dem anderen Winkel der Kabine. »Mir ist schon ganz schlecht.«

»Aber, aber, Bibbih, du glaubst doch nicht wirklich, daß dein alter Pappa …«

»Geh weg von mir«, schrie das junge Mädchen, »das ist ja scheußlich. Und so oft habe ich dir schon gesagt, du sollst mich nicht Bibbih nennen?«

»Also Bi…, ich meine Olivia, so solltest du nicht gegen mich sein. Du weißt doch, ich meine es nur gut mit dir und …«

»Laß Olivia in Ruhe«, unterbrach ihn seine Frau gereizt. »Du weißt, es ist deine eigene Schuld, wenn sie so gegen dich ist. Und wenn du willst, daß es anders ist, dann tust du besser, nicht mit ihr zu sprechen. Ich habe dir das oft genug gesagt. – Aber jetzt habe ich dich gefragt, wo du den ganzen Nachmittag gewesen bist?«

»Aber nirgends sonst als hier auf diesem Dampfer, Mamma. Ich bin nur so herumgesessen und habe mich still vergnügt.«

»Ja, das riecht man!« sagte sie ingrimmig. Ihr Mißtrauen schien ihn zu betrüben.

»Weißt du, Mamma, ich habe ein paar mächtig große Leute kennen gelernt.«

»So, hast du das? Und wo hast du sie denn gefunden?«

»Aber, Mamma, das Schiff ist gesteckt voll von ihnen. Die bedeutendsten und feinsten Leute, die ich je auf einem Haufen …«

»Was für ein Haufen?«

»Was für ein Haufen?« Seine Stimme wurde klagender und zuweilen machte er Pausen, als würde er dem fehlerlosen Funktionieren seiner Zunge nicht recht trauen und als müßte er so etwas wie einen Anlauf nehmen, um einzelne Worte mit besonderer Sorgfalt, fast buchstabierend, herauszubringen. »Was für ein Haufen? Aber das ist doch ganz einfach. Die Passagierliste natürlich. Du brauchst bloß die Passagierliste zu lesen, Mamma, und du wirst selbst …«

»Ich habe sie gelesen. Und Olivia hat sie gelesen. Nicht ein Name steht darin, den wir je im Leben gehört hätten.«

Ogle hatte nichts Besseres von ihr erwartet; aber ihr Mann erwiderte beleidigt und vorwurfsvoll:

»So was solltest du nicht sagen, Mamma. Es klingt, als würdest du nie eine Zeitung lesen und überhaupt kein Interesse für dein Land haben. Du willst doch nicht sagen, daß du noch nie etwas von Weatherights Wollstoffen gehört hast?«

»Und wenn schon!«

»Nun, er, Weatheright selbst, ist an Bord! Ich habe ihn wohl noch nicht getroffen, aber die Herren, mit denen ich beisammen saß, kennen ihn. Ich war in einer so feinen kleinen Gesellschaft, wie man sich's nur wünschen kann. Und jetzt warten sie auch auf mich, damit wir uns weiter unterhalten können. Einer von ihnen ist Charles M. Wacksel, ich meine Wackstle. Von Charles hast du doch schon gehört? Ich meine Charles Wackstle – nicht wahr, Mamma?«

»Noch nie in meinem Leben!«

»Also das kommt davon, weil du nie Zeitungen liest. Charles M. Wackstle war vierzehn Jahre lang Generaldirektor der ›Gegenseitigen Lebens‹. Er und die anderen Herren, mit denen ich beisammen war, sind so großartig feine Leute, wie man sie in den ganzen Vereinigten Staaten nicht wieder an einem Tisch finden kann und wenn man von den großen Seen bis zum Golf, von den Tannenwäldern des mächtigen Staates Maine bis zum Silberstrand …«

»Hör auf, so daherzureden!« befahl seine Frau scharf. »Genau so bist du vor drei Jahren am Wahltag nach Hause gekommen, als du dich vergessen hattest.«

»Am Wahltag?« langsam und leise wiederholte er die Worte. »Mich vergessen hatte?«

»Ja, du! Und jetzt sprichst du von einem Haufen feiner Leute in den Vereinigten Staaten, während wir doch mitten im Ozean sind. Ich glaube, es ist klar, was du den ganzen Nachmittag getrieben hast!«

»Aber ich habe doch nichts anderes gemeint, als hier im Atalantischen Ozian …«

»Atalantischen Ozian«, wiederholte Frau Tinker höhnisch. »Du kannst ja nicht einmal mehr ordentlich reden! Schämen solltest du dich!«

»Mamma,« sagte er traurig, »du bist ganz anders als sonst zu mir, wenn du mir solche Dinge sagst, noch dazu vor Bibbih! Ich glaube, es hat keinen Zweck, daß ich länger hier bleibe.«

Seine Tochter pflichtete ihm bei: »Bestimmt nicht!«

Der Mann besann sich jetzt offenbar auf seine Würde. »Der Steward wird eure weiteren Wünsche entgegennehmen,« hörte ihn Ogle sagen, und dann schloß sich nebenan die Kabinentür.

Die ältere der beiden zürnenden Damen schien unruhig zu werden.

»Wenn mir nur besser wäre … Ich sollte mich eigentlich anziehen und nach ihm sehen. Man kann ja nicht wissen, was für Leute man hier trifft. Man weiß ja nicht, wem er in die Hände geraten kann! Ich mache mir Sorgen um ihn.«

»Ich mache mir auch Sorgen, aber nicht um ihn«, erwiderte die streitsüchtige Tochter.

»Um wen sonst?«

»Um die Leute, die ihm in die Hände geraten!« sagte das Mädchen mit Bitterkeit, und Ogle, der eben seine Kabine verließ, um zum Speisesaal emporzusteigen, fühlte, daß es vielleicht doch einige Punkte gäbe, in denen er mit dieser jungen Dame aus der Provinz sympathisierte.

Er speiste allein, denn auch diesmal blieben die drei anderen Plätze an seinem Tisch unbesetzt. Nach dem Dinner ging er in die Halle, die von denselben Leuten gefüllt war, welche schon nachmittags dort Tee getrunken hatten. Nur schien jetzt eine festlichere Stimmung zu herrschen; es gab mehr Bewegung, freundlicheres Geplauder und die Abendkleider der Damen hoben alles auf einen lebhafteren Farbton. Aber weder Jones noch Macklyn schienen diese Veränderung wahrzunehmen. Sie lehnten in einer Ecke neben dem Eingang in tiefen Fauteuils, vor ihnen stand ein Tischchen mit Kaffee und Schnäpsen, sie rauchten Zigaretten aus langen Spitzen, die sie ein wenig allzu geziert zwischen den Fingern hielten, während sie auf die Bourgeoisie ringsum teilnahmslose Blicke warfen. Für Ogle hatten sie einen Platz freigehalten.

»Es ist der letzte Stuhl im ganzen Saal«, sagte Albert Jones, als sich Ogle bei ihnen niederließ. »Das Orchester wird gleich wieder beginnen, uns mit seinem Puccini, Leoncavallo und Mascagni umzubringen. Diese Klasse von Amerikanern ist natürlich davon begeistert! Wir hätten uns dieses Vergnügen lieber geschenkt, aber mit dem Rauchsalon ist es heute abend nichts. Die Bande von Nachmittag ist noch immer oben und noch ein Dutzend von der gleichen Sorte dazu. Die Leute sind gar nicht einmal zum Dinner gegangen und ihr Gebrüll ist ärger als je.«

»Nirgends in der Welt«, sagte Macklyn düster, »kann man heute vor unseren Rüpeln sicher sein. Durch die ganze Welt schleifen sie ihre heimischen Unarten mit. Die Reisenden jeder anderen Nation passen sich der Umgebung an, nur diese Amerikaner nicht. Der Kerl heute nachmittag hatte nicht das leiseste Verständnis dafür, wie er einfach dadurch, daß eine Dame überhaupt keine Notiz von ihm nahm, abgeurteilt und zurechtgewiesen wurde. – Ich habe sie übrigens nicht beim Dinner gesehen.«

»Sie hat ihren Tisch auf dem Balkon des Speisesaales«, unterrichtete ihn Jones. »Dicht beim Geländer. Sie war mit dem jungen Mann, den sie Hyacinthe nennt. Sie ist seine Mutter und heißt Momoro. Der Obersteward hat es mir gesagt.«

»Momoro?« wiederholte der Dichter sinnend. »Momoro – ja, der Name paßt zu ihr. Gleich der Nike von Samothrake erhebt sie sich auf diesem Schiff über das Wimmeln der Gewöhnlichkeit.«

»Der Vergleich ist zu derb«, widersprach Jones. »Zu derb und zu heftig. Zuviel Aufwand und zuviel Bewegung. Sie wirkt eher wie ein Stilleben. Was meinen Sie, Ogle, glauben Sie nicht auch, daß Sie eher ein Stilleben ist als eine Nike?«

»Schon möglich«, erwiderte Ogle ein wenig unsicher, denn er kannte die Statue nur aus kleinen Gipsabgüssen. »Vielleicht haben Sie recht, Albert: Weniger derb, mehr zurückhaltend und doch ein gewisses Vibrieren. Eine vibrierende Zurückhaltung.«

»Ich habe ja nicht gesagt, daß sie wie die Viktoria aussieht«, verteidigte sich Macklyn, und die Falten auf seiner Stirn gruben sich tiefer als sonst. »Ich sagte nur, man könnte sie hier im Saale ebensowenig übersehen, wie man jene Figur übersehen kann, wenn man in den Louvre kommt. – In einem Ballkleid muß sie herrlich aussehen. Ich empfinde sie, als wäre sie aus hellenischer Ruhe gemeißelt.« Während er sprach, glättete sich seine Stirne wieder und erfreut über seinen Einfall, wiederholte er langsam: »Aus einem großen, großen Block hellenischer Ruhe …«

Laurence Ogle berührte warnend sein Knie, und als Macklyn den Kopf wandte, gewahrte er die hellenische Dame mit dem jungen Hyacinthe, die eben in der Türe auftauchten. Sie standen nur wenige Schritte vor den verstummten jungen Leuten, die verstohlen zu ihr aufblickten und fühlten, daß des Dichters Bezeichnung für sie gerechtfertigt und hellenisch klassische Ruhe vor ihnen erstanden war. Hoheitsvoll trug sie ihren Kopf über glatt gemeißelten Schultern, auf denen Spangen aus Jett und Silber lagen, und die ganze hohe Gestalt in Schwarz und Silber war ein Meisterwerk selbstsicherer Ruhe.

»Als hätte man plötzlich ein großes Kunstwerk in den Saal gebracht«, sagte Macklyn leise zu Ogle. »Ich möchte auch nach Algier, gleich Ihnen, Ogle, sie lebt dort.«

»Woher wissen Sie das?«

Macklyn deutete mit einer leichten Kopfbewegung auf den schimmernden silberdurchwirkten Schal, den der junge Hyacinthe über dem Arm trug. »Das ist algerische Arbeit, sogar besonders kostbare. Einen ähnlichen Schal habe ich in Sidi Okhba gesehen.«

»In Sidi Okhba«, murmelte Ogle, durch Macklyns weitgereiste Überlegenheit ein wenig irritiert. Doch plötzlich sprang er von seinem Sitz auf; er hatte erraten, warum Frau Momoro und ihr Sohn noch immer in der Türe standen: Sie blickten suchend im Saale umher, um einen freien Platz zu entdecken. »Madame …«, stotterte Ogle, »Madame …«, er errötete und suchte krampfhaft nach französischen Vokabeln. »Madame – eh – chaise – ici …«

»Ne vous dérangez pas, messieurs«, sagte sie mit ihrer vollen, faszinierenden Stimme, denn Jones und Macklyn hatten sich jetzt auch erhoben.

»Mais, Madame, nous n'avons plus besoin …«, sagte jetzt Macklyn mit einer Verneigung. »Nous partons déjà. Je vous prie …«

Sie neigte ernst den Kopf. »Danke sehr, Sie sind sehr liebenswürdig«, sagte sie jetzt in der Muttersprache der drei Künstler. Ihr Sohn murmelte die gleichen Worte und die kleine galante Episode schloß mit drei feierlichen Verbeugungen, die die drei ritterlichen Amerikaner beinahe gleichzeitig und in der übertriebenen Art ausführten, die sie der Gelegenheit für angemessen hielten. Würdevoll schritten sie dann zu den Klängen der ungarischen Rhapsodie, die eben vom Orchester angestimmt wurde, durch die Türe, und um Madame Momoros feingezeichnete Lippen spielte ein leichtes Zucken, während sie an dem freigewordenen Tisch Platz nahm. Ihr Sohn lächelte.

»Es gibt doch drollige Geschöpfe auf der Welt«, sagte er auf Französisch, und Madame Momoro schien ihm beizustimmen.

Die drei höflichen jungen Amerikaner wanderten indessen in gehobener Stimmung über das Promenadendeck, obwohl Ogle durch eine Kleinigkeit ein wenig beunruhigt war.

»Mein Französisch ist ein wenig eingerostet«, sagte er. »Es ist auch schon lange her, seit ich Gelegenheit hatte, es anzuwenden. Als ich zu sprechen begann, fehlten mir tatsächlich die Worte.«

Albert Jones lachte: »Das braucht Sie nicht zu beunruhigen, Ogle. Sie haben doch bemerkt, daß sie Macklyn sofort englisch geantwortet hat, sobald er den ersten französischen Satz herausgebracht hatte.« Und nach einer Weile fügte er hinzu: »Glauben Sie, daß die Barbaren oben im Rauchsalon endlich müde geworden sind? Wollen wir nicht einmal nachsehen, ob die Luft wieder rein ist?«

Die Freunde stimmten ihm bei und sie machten sich auf den Weg zum oberen Verdeck. Aber lange, ehe sie die Türe des Rauchsalons erreicht hatten, mußten sie begreifen, daß jede Hoffnung, dort eine stille Ecke zu finden, um über Fragen der Kunst und über Madame Momoro reden zu können, vergeblich war. Die Sangeslust schien unvermindert und eine nur allzu bekannte Solostimme beklagte eben in Balladenform eine Tragödie aus den Großvätertagen in Kansas. Und dann erklang durch diesen ganzen Teil des Schiffes und weit über die schwarzen Wogen in die Sternennacht hinaus der Chor von achtzehn Stimmen vergnügter, trinkfester Männer, die fern der Heimat froh waren, ihre gewohnte Verantwortlichkeit vergessen zu können.

Die drei jungen Leute blieben mit einem Ruck vor der Türe stehen. »Es ist aussichtslos,« sagte Macklyn, »ich ziehe es vor, in meiner Kabine ein Buch zu lesen.«

Nachdem seine Gefährten ihn verlassen hatten, trabte Ogle noch eine Zeitlang über die Decks, bis auch er schließlich den Wunsch empfand, seine Kabine aufzusuchen. Auf dem Wege dahin kam er nochmals an der Halle vorüber. Das Konzert war schon zu Ende und der große Saal war beinahe leer. Nur wenige Leute lehnten lesend oder schläfrig vor sich hinstarrend in den tiefen Fauteuils, und um einen Kartentisch saßen Madame Momoro und ihre drei Partner vom Nachmittag wieder beim Bridge. Ogle durchschritt den Saal, so daß er hart an ihnen vorbei kam; als er sich dem Tisch näherte, sah Madame Momoro von den Karten auf und sie blickten einander voll ins Gesicht.

Einen Augenblick hegte er die vermessene Hoffnung, sie würde ihn als den jungen Mann erkennen, der ihr seinen Sessel überlassen hatte und ihm zunicken. Würde dies geschehen, dachte er, dann könnte er morgen, bei einer Begegnung auf dem Promenadendeck, es wagen, sie mit einer Verbeugung zu begrüßen und dann wäre es auch nicht schwierig, bald mit ihr ins Gespräch zu kommen. Er sah sich wie in einem Film neben Madame Momoro das Deck entlang schreiten, mit ihr nach dem Dinner beim schwarzen Kaffee sitzen, ja, ihr sogar eines seiner Schauspiele vorlesen, während sie zurückgelehnt mit glänzenden Augen voller Teilnahme und Verständnis in einem Liegestuhl ruhte; er sah Macklyn und Jones mit dem Ausdruck neidvoller Neugier sich am anderen Ende des langen Decks herumdrücken …

Aber seine kühnen Vorstellungen trogen ihn. Ihre ernsten Augen blieben fremd, und obwohl sich vielleicht flüchtig das Bewußtsein in ihnen ausdrückte, daß ein Mitmensch vor ihr aufgetaucht sei, zeigten sie nichts von einem persönlichen Erkennen und kehrten ungerührt zu den Karten zurück.

Ogle schritt weiter, anscheinend kühl und so wenig für ein Reiseerlebnis bereit wie sie selbst. In Wahrheit aber war er enttäuscht und in seinem Stolz tief verletzt. Er hatte tatsächlich, ohne sich selbst darüber klare Rechenschaft zu geben, das Gefühl, als hinge der Verlauf seiner ganzen Reise in ferne Länder von dem Verhalten dieser außerordentlichen Frau ab. Wenn es ihm nicht gelang, sie kennen zu lernen, war seine große Expedition von allem Anfang an eine Niete.


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