Adalbert Stifter
Witiko
Adalbert Stifter

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Indessen waren Wentila und die Base und die Frauen beschäftigt, Stoffe, Gewänder, Kleinodien und dergleichen Dinge zu dem Brautwerbungszuge Witikos zu rüsten.

Als zwei Monden vergangen waren, seit Witiko in seine Burg eingezogen war, sandte er Beda, seinen Dienstmann, mit einem Geleite in die Burg Schauenberg zu Heinrich von Schauenberg, um Anfrage zu halten, ob es Heinrich von Schauenberg und Wiulfhilt von Dornberg, seiner Gemahlin, genehm sei, Witikos Werbungszug zu empfangen, und welchen Tag sie dafür bestimmten.

Beda kam zurück und sagte, es sei Heinrich von Schauenberg, und Wiulfhilt von Dornberg, seiner Gemahlin, genehm, Witikos Werbungszug zu empfangen, und sie bestimmen den zwanzigsten Tag nach dem Tage der Anfrage dazu.

Witiko bildete nun sein Geleite zu dem Werbungszuge, und gab ihm Gewänder, Schmuck und Waffen.

Am Morgen des dritten Tages vor dem Werbungstage feierte Benno in der kleinen Burgkirche des Witikohauses einen Gottesdienst, dann sprach Wentila einen Segen über Witiko, die Base kniete in der Kirche vor dem Heilande, und betete für Witiko, und Witiko und Benno setzten sich auf Pferde, und dreißig Männer setzten sich auf Pferde, und sieben andere Männer setzten sich auch auf Pferde, die mit Saumpferden verbunden waren, welche Belastungen trugen. Und der Zug dieser Männer ging durch das Tor des Witikohauses hinaus. Sie waren alle in Waffenröcken.

Der Zug ging durch den Wald in das Aigen und von dem Aigen an diesem Tage noch in das Gericht Velden. Des andern Tages ging er über die Höhen an die Donau hinab, wurde mit Fähren über das Wasser gebracht, und ging noch in die Stadt Eferdingen. In Eferdingen ging er in Herbergen, und blieb über die Nacht.

Als am nächsten Morgen das Geleite Witikos sich vor seiner Herberge aufstellte, versammelten sich sehr viele Menschen bei demselben, standen da, und betrachteten die fremden Männer. Die fremden Männer waren in sehr kostbaren Gewändern, an denen Silber und Gold und edle Steine glänzten. Sie hatten runde Hauben, an jeder Haube war ein Stein, und von dem Steine ragte eine gerade weiße Feder empor. Die Pferde hatten rote mit Silber gezierte Zäume und rote Decken. Zwei Edelknechte hielten zwei Pferde, die noch keine Reiter hatten. Das eine war ein feines Pferd von goldbrauner Farbe, es hatte blaßgrüne Zäume von Sammet und Gold und roten Steinen, und eine gleiche blaßgrüne Decke. Die Stege des Sattels waren von Silber. Das andere Pferd war dunkelgrau, hatte weiße Zäume mit Gold und eine gleiche Decke, und silberne Sattelstege. Hinter allen den Männern und Pferden standen noch Saumpferde, die mit allerlei Gepäcke beladen waren, und neben ihnen standen Reiter, die sie zu leiten hatten.

Als die Menschen eine Zeit gewartet hatten, kamen die zwei Reiter, die zu den zwei schön geschmückten Pferden gehörten. Witiko hatte ein blaßgrünes Ritterkleid von Sammet, Gold und edlen Steinen. Auf dem Haupte hatte er eine gleiche Haube, und an ihr war aus roten Steinen eine dunkle Waldrose, und aus der Rose ragte eine kurze weiße Feder empor. Er hatte blonde Locken, blaue Augen, sanfte Wangen und einen goldschimmernden Bart. Benno trug ein dunkles Priestergewand, und darauf ein kleines goldenes Kreuz. Er hatte weiße Haare, blaue Augen und einen weißen Bart. Die zwei Reiter bestiegen ihre Pferde, die Edelknechte auch die ihrigen, und es begann der Zug.

Er ging durch eine Straße der Stadt, durch das Tor der Stadtmauer und in das freie Land hinaus in der Richtung gegen die Burg Schauenberg. Viele Leute standen an dem Wege, und die auf den Feldern arbeiteten, kamen herzu, und betrachteten den Zug. Die schimmernden Männer ritten durch schöne Wiesen und Felder und unter vielen Obstbäumen dahin. Als sie an die Stelle gekommen waren, an welcher der Seitenweg gegen die Burg Schauenberg ging, ritten sie den Seitenweg hinan.

Der Türmer gab ein Zeichen mit seinem Horne, und einer von Witikos Leuten erwiderte das Zeichen. Als sie an die erste Zugbrücke gekommen waren, legte sich die Zugbrücke nieder, und die Männer ritten über sie. Sie ritten auf einem Wege zwischen Bäumen und Bauwerken dahin. Dann tönte das zweite Zeichen, und wurde erwidert, und die zweite Zugbrücke legte sich nieder, und die Männer ritten über sie. Und es tönte das dritte Zeichen, wurde erwidert, und die dritte Zugbrücke senkte sich, und die Männer ritten in den Burghof. An der rechten Seite des Hofes stand ein sehr hoher, starker, viereckiger Turm empor. Der Turm hatte ein großes Tor mit einem eisernen Fallgitter. Hinter dem Gitter ging eine Treppe hinan. Vor dem Gitter standen drei Männer in ritterlichen Kleidern. Einer näherte sich dem Zuge, und sprach: »Ich bin Liutolt, ein edler Dienstmann und Truchseß des Herren von Schauenberg, der Mann neben mir ist Berthold von Stal, ein edler Dienstmann des Herren von Schauenberg, und der Mann neben uns ist Hartnit, ein edler Dienstmann des Herren von Schauenberg. Wir Männer fragen euch, wer ihr seid, daß wir euch begrüßen.«

Auf diese Worte ritt Beda vor, und rief: »Ich bin Beda, der Dienstmann des Herren Witiko vom Witikohause, und der neben mir ist Kuto, der Dienstmann des Herren Witiko vom Witikohause, und der neben uns ist Peter, der Dienstmann des Herren Witiko vom Witikohause, und wir Männer sagen euch: Witiko vom Witikohause ist gekommen, mit dem Herren Heinrich von Schauenberg in wichtigen Dingen zu sprechen.«

»Wir grüßen für den Herren Heinrich von Schauenberg den Herrn Witiko vom Witikohause, und bitten euch, steiget von den Pferden«, rief Liutolt.

Witiko und seine Männer stiegen von den Pferden, und Knechte der Burg kamen herbei, die Pferde weg zu führen.

»Gehet ein zu dem Herren Heinrich von Schauenberg«, sagte Liutolt.

Das Fallgitter hinter den drei Männern Heinrichs von Schauenberg stieg empor, die Männer wichen seitwärts, und wiesen auf die Treppe als auf den Eingang.

Witiko ging mit Benno die Treppe hinan, und Liutolt ging als Führer hinter ihnen. Dann kamen die Männer des Gefolges Witikos mit den zwei Männern Heinrichs von Schauenberg. Liutolt geleitete Witiko und die Seinen am oberen Ende der Treppe aus dem Turme auf einen offenen Säulengang hinaus, und auf dem Gange fort um eine Ecke des Hofes zu zwei großen Türen mit steinernen Spitzbögen. An der Tür rechts standen Reisige und ein Pförtner. Der Pförtner öffnete die Flügel der Tür, und Witiko und seine Leute traten durch dieselbe in einen sehr großen Saal.

In dem Saale saß auf einem schönen Stuhle Heinrich von Schauenberg in rotsammetenem Rittergewande ohne Verzierungen. Neben ihm saß Wiulfhilt von Dornberg, seine Gemahlin, in einem dunkelbraunsammetenen Gewande ohne Schmuck. Dann saßen noch Männer und Frauen, und zur linken Hand standen an der Wand dahin Dienstmannen und Leute aus dem Gefolge Heinrichs von Schauenberg.

»Wer ist gekommen?« rief ein Mann in schönen Gewändern.

»Witiko vom Witikohause«, antwortete Beda.

»So empfange er den Sitz«, rief der Mann.

Witiko und Benno setzten sich auf Stühle, welche zur rechten Hand Heinrichs von Schauenberg an der Wand standen. Die Männer Witikos stellten sich längs der Wand auf, den Männern Heinrichs von Schauenberg gegenüber.

»Was bringt Witiko vom Witikohause?« rief der Mann in dem schönen Gewande.

»Er bringt eine heilige Werbung«, sagte Beda.

Nach diesen Worten stand der Burgpfarrer Heinrichs von Schauenberg auf, und sagte: »Welche heilige Werbung bringt Witiko vom Witikohause?«

Benno stand auf, und sagte: »Witiko vom Witikohause bringt die heilige Werbung der Ehe.«

»So sage er die Werbung der Ehe«, rief der Mann.

Hierauf stand Witiko von seinem Sitze auf, trat einen Schritt vor, wendete sich gegen Heinrich und Wiulfhilt, und sprach: »Hoher Herr, Heinrich von Schauenberg, erhabene Frau, Wiulfhilt von Dornberg, ich, Witiko vom Witikohause, ein Herr im mittäglichen Böhmen unter dem erlauchten Herzoge von Böhmen und Mähren, Wladislaw, werbe in Gutem und Treuem um eure Tochter, das tugendreiche Fräulein Bertha, daß sie mir in freiem Willen als Ehegemahlin folge, und daß ich sie ehre und liebe und ihr treu bin, so lange ich lebe. Ich bitte euch um eine Antwort auf meine Werbung.«

Heinrich von Schauenberg stand auf, und sprach: »Witiko vom Witikohause, Herr im mittäglichen Böhmen unter dem Herzoge Wladislaw, ich, Heinrich von Schauenberg, gebe dir in Gutem und Treuem meine Tochter Bertha, daß sie dir in freiem Willen als Ehegemahlin folge, daß du sie ehrest und liebest, und ihr treu bist, so lange du lebst, und daß sie dich ehret und liebt und dir treu ist, so lange sie lebt. Hier ist Wiulfhilt von Dornberg, meine Gemahlin, hier ist Werinhart von Jugelbach, mein Vater, hier ist Benedicta von Aschach, meine Mutter, hier ist Gebhart von Stauf, mein Bruder. Sie sagen, daß die Ehre der Werbung gepflogen ist, und daß Bertha in deinem Stamme ist, wie in unserem Stamme.«

Wiulfhilt stand auf, und sprach: »Die Ehre ist gepflogen, und Bertha ist in Witikos Stamme wie in unserem Stamme.«

Werinhart stand auf, und sprach: »Die Ehre ist gepflogen, und Bertha ist in Witikos Stamme wie in unserem Stamme.«

Und Benedicta stand auf, und sprach: »Die Ehre ist gepflogen, und Bertha ist in Witikos Stamme wie in unserem Stamme.«

Und Gebhart von Stauf stand auf, und sprach: »Die Ehre ist gepflogen, und Bertha ist in Witikos Stamme wie in unserem Stamme.«

Nun sprach Heinrich von Schauenberg. »So sage Bertha, daß sie in freiem Willen der Werbung folge, oder daß sie in freiem Willen die Werbung nicht annehme.«

Drei Frauen erhoben sich von ihren Sitzen, und gingen aus dem Saale.

Alle, die aufgestanden waren, blieben stehen.

Die Frauen kamen wieder zurück, und mit ihnen kam Bertha. Sie hatte ein Gewand von braunem Sammet ohne Schmuck. Hinter ihr gingen vier Jungfrauen.

Sie ging mit den Frauen und Jungfrauen bis zu ihrem Vater, und stellte sich an seine linke Seite.

Heinrich von Schauenberg sprach: »Bertha von Schauenberg, Tochter Heinrichs und Wiulfhilts, hier steht Witiko vom Witikohause, ein Herr im mittäglichen Böhmen unter dem Herzoge Wladislaw, und wirbt in Gutem und Treuem, daß du ihm in freiem Willen als Ehegemahlin folgest, und ihn ehrest und liebst und ihm treu bist, so lange du lebst, und daß er dich ehret und liebt und dir treu ist, so lange er lebt. Gib ihm eine Antwort.«

Bertha sprach: »Ich, Bertha von Schauenberg, die Tochter Heinrichs und Wiulfhilts, werde in freiem Willen Witiko vom Witikohause, dem Herrn im mittäglichen Böhmen unter dem Herzoge Wladislaw als Ehegemahlin folgen, daß ich ihn ehre und liebe und ihm treu bin, so lange ich lebe.«

»So ist die Werbung geschlossen«, sagte Heinrich von Schauenberg. »Wir reichen uns zur Urkunde zuerst die Hand, und werden das Pergament ausfertigen, und unsere Siegel daran befestigen, und werden die Herren Freunde und Unsrigen bitten, daß sie ihre Siegel zu den unsrigen hängen.«

Nach diesen Worten gingen Heinrich und Witiko einander entgegen, und reichten sich die Hände.

Dann trat Witiko vor Wiulfhilt, und Wiulfhilt und Witiko reichten sich die Hände.

Und es reichten sich Werinhart und Witiko, und Benedicta und Witiko, und Gebhart und Witiko die Hände.

Und zuletzt reichten sich Witiko und Bertha die Hände.

Dann gingen alle zu ihren Sitzen, und setzten sich auf dieselben. Bertha saß mit ihren Jungfrauen an der linken Seite ihrer Mutter.

Als dieses geschehen war, gingen alle Männer Witikos und alle Männer Heinrichs von Schauenberg einander entgegen, sie kamen in der Mitte des Saales zusammen, und reichten sich die Hände. Dann trennten sie sich wieder, und gingen an die Wände zurück.

Hierauf rief Heinrich von Schauenberg: »Und so lade ich dich, Witiko vom Witikohause, in diese Burg zu Gaste, und so lade ich alle deine Männer in die Gastlichkeit der Burg.«

Witiko antwortete: »Ich nehme auf die Frist von vier Tagen die Gastlichkeit an, und dann ziehe ich mit den Meinigen heim, zu ordnen, was sich geziemet.«

»So folget mir, und erquicket euch«, sagte Heinrich von Schauenberg.

Es bildete sich nun ein Zug. An der Spitze gingen Heinrich und Witiko. Dann folgten Werinhart und Benedicta, dann Wiulfhilt und Gebhart, dann Bertha und die Frauen, dann gingen die Priester und dann die andern.

Sie gingen in einen Saal, in welchem Speisen und Getränke waren. Die Speisen und Getränke wurden zur Erquickung gereicht.

Dann wurde Witiko in sein Gemach geleitet, und die Seinigen erhielten Wohnungen.

Und am dritten Tage nach diesem Tage kamen Herren mit Gefolge in die Burg. Es kamen Erchambert von Marbach, Odescalch von Meisaha, die Brüder Otto und Walchun von Machland, Eppo von Windberg, Hartwik von Hagenau, Uthalrik von Willeringe, Otto von Rote, Marquard von Wesen, Chunrat von Heichenbach, Heinrich von Tannenbach, und Calhochus von Valchenstein. Es kamen noch die Dienstmänner Herwig von Uberacha, Adelhart von Hutte und Dietmar vom Randshofe. Allen diesen, und Dienstmannen von ihnen und Dienstmannen Heinrichs und Werinharts und Gebharts wurde das Pergament vorgelegt, und sie hingen ihre Siegel zu den Siegeln Heinrichs, Werinharts und Gebharts.

Nun wurden an dem Tage Geschenke ausgetauscht. Witiko gab Bertha einen Kranz aus Gold und edlen Steinen mit dunkelroten Waldrosen. Bertha gab Witiko fünf dunkelrote Waldrosen aus edlen Steinen so zusammen gefügt, daß man einen Gürtel damit schließen konnte. Heinrich gab Witiko ein Waffengewand aus kunstvollen Ringen und edlen Steinen, und Witiko gab ihm ein erlesenes Schwert mit kostbaren Steinen. Von Wiulfhilt bekam Witiko einen Goldgürtel mit Kleinodien, und er gab ihr ein Sammetgewand mit Gold. Den Angehörigen Heinrichs und seinen Männern gab Witiko weiße Stoffe aus sehr feiner Schafwolle, wie sie in Prag gemacht wurden, dann die schönsten Pelzwerke, die in dem Walde gefunden werden konnten, dann Waffen, Jagdgeräte und Pferdeverzierungen. Er empfing von ihnen auch Stoffe, Waffen, Kleinodien, Gewänder, und Geräte. Die Geleite Heinrichs und Witikos tauschten Geschenke, und die fremden Gäste empfingen und erteilten Gaben.

Dann war ein großes Festmahl in dem Saale, und nach dem Festmahle waren Spiele und ritterliche Übungen. Abends wurden bunte Zelte an dem Berghange hin errichtet, darin Männer aus den Gefolgen übernachten konnten.

Am nächsten Tage wurde vereinbart, daß nach dreißig Tagen die Vermählung sein solle, und die Gäste begannen sich zu zerstreuen.

Witiko ordnete in seinem Reisegewande seinen Zug. Heinrich und Werinhart und Gebhart geleiteten ihn mit Gefolgen bis an die Donau, und ein erlesener Zug von Männern Heinrichs und Werinharts und Gebharts ging mit ihm bis in das Witikohaus.

Von dem Tage an rüstete Witiko nun alles, was er für die Feste in dem Walde als notwendig erachtete. Er sandte auch Boten in vielen Richtungen aus, die Gäste zu laden.

Vier Tage vor dem Vermählungstage wurden Witiko, seine Mutter, seine Base, Benno, die Frauen der Mutter und der Base und die Dienstmannen und die Geleite Witikos durch einen feierlichen Zug von Männern Heinrichs, den Liutolt führte, in das Schloß Schauenberg abgeholt. Der Zug ging am ersten Tage nach Velden, am zweiten in die Burg Schauenberg.

In die Burg kamen nun auch die Männer, welche bei der Verlobung Zeugenschaft geleistet hatten, und es kam noch eine große Zahl anderer Männer und Frauen und Jungfrauen.


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