Adalbert Stifter
Witiko
Adalbert Stifter

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Des andern Tages tönten die Zeichen zu einer Versammlung in der Kaiserburg. Die Herren zogen von dem Lager in die Stadt. Der Herzog Wladislaw ritt mit einem festlichen Gefolge, und mit Zdik und Welislaw und Odolen und Witiko und den Kaplänen in schönen Gewändern dahin. Neben Witiko ritt Wolfgang von Ortau. Sie sahen unzählige Menschen an ihrem Wege. Sie ritten in die Burg hinauf, und ritten durch das Tor neben dem alten Heidenturme in den Hof. Da sahen sie eine Linde inmitten des Hofes, welche schon hundert Jahre stand, und welche von der Kaiserin Kunigunde gepflanzt worden war. Bei der Linde stiegen sie von den Pferden, und die Pferde wurden auf einen Platz vor der Burg geführt, um dort zu harren. Die Männer aber stiegen die Treppe zu den Gemächern an dem Kaisersaale empor. Da man sich sammelte, und da die Geleite harreten, stand Witiko mit Wolfgang an einem Fenster gegen den Hof, und Wolfgang zeigte ihm die Ankommenden, und sprach: »Siehst du, der Mann in den veilchenfarbnen Gewändern mit den grauen Haaren, dem man jetzt an der Linde von dem milchweißen Zelter hilft, ist Albero, der Erzbischof von Trier, der dem Könige Konrad in dem ersten Sachsenkriege mit Wein einen großen Dienst geleistet hat. Der andere in dem vergoldeten Harnische mit dem Kreuze ist Markolf, der Erzbischof von Mainz. Er ist immer schnell, und wird Albero auf der Treppe einholen. Die zwei, die jetzt in schimmernder Rüstung beim Tore herein reiten, sind der Markgraf Hermann von Baden und der Pfalzgraf Hermann am Rheine. Der auf dem schwarzen Pferde ist der Pfalzgraf. Der Mann auf dem Maultiere, der ihnen ausweicht, und der den breiten Hut trägt, und um den Priester sind, ist der Schwabe Dietwin, der Kardinal, den der Papst Innozenz nach Deutschland gesendet hat. Er hat unsern König Konrad am dreizehnten Tage des Monates März im Jahre des Heiles 1138 gekrönt. Der ist der nämliche Kardinal, der vor Jahren den Bann über Konrad ausgesprochen hat. Nun kömmt mit seinen bunten Leuten Ludwig, der Landgraf von Thüringen, den sie den Eisenmann heißen. Er sitzt sehr aufrecht auf seinem Pferde. Wenn wir von seinen Leuten die andern, die kommen, wieder sehen, werde ich sie dir nennen. Der nun durch Reisige und Priester von seinem Pferde gehoben wird, ist Egibert, der Bischof von Bamberg, und der noch auf dem braunen Zelter sitzt, mit den weißen Haaren unter dem Helme und dem Harnische über dem Priestergewande, ist Embriko, der Bischof von Würzburg. Die alle werden in dem Zuge gegen Böhmen mitgehen. Sie sind nicht immer so zahlreich gekommen. Vor vier Jahren ist es noch anders gewesen. Da der König Konrad im Beginne seiner Herrschaft auf dem Hoflager in Augsburg war, kam der stolze Herzog Heinrich von Bayern mit so großen bewaffneten Scharen, daß der König in der Nacht vor ihm entfliehen mußte. Auch auf den Hoftagen zu Würzburg und zu Goslar zauderten sie noch; aber der König Konrad, von dem neuen Geschlechte der Hohenstaufen, konnte sich eine solche Würde geben, und gewann solche Macht, daß sie endlich fast alle zu ihm gingen. Euer gestorbener Herzog Sobeslaw ist frühe an seiner Seite gewesen. Mein Vater hat ihm vom Beginne treu gedient. Der auf dem goldlichten Pferde dort ist der reiche Graf von Namur, und der im blauen Gewande der Graf von Kleve. Da kommen die von Zütphen und Rineck, und der dort auf dem schwarzen Zelter mit Männern herein reitet, ist der Bischof von Utrecht. Er ist zumeist der letzte. Und wenn auch noch Leute herein dringen, so ist es Zeit, daß wir in den Kaisersaal gehen, weil dort jetzt die Sammlung sein wird.«

Und Witiko und Wolfgang traten in den Kaisersaal.

Der Saal war mit Männern gefüllt. Die Geleite, welche sich sehr drängten, wurden nun verabschiedet, und entfernten sich. Die Herren suchten sich an einem Tische zu ordnen.

Wolfgang sagte zu Witiko: »Siehe den Mann dort an dem ersten Fenster, der nicht zu groß ist, und die lichten Haare um die Stirne hat: der ist jetzt ein sehr gewaltiger Mann, wenn auch sein Vater Büren, obgleich von edlem Stamme, doch im Beginne selber nur ein edler Mann war. Er ist der Herzog Friedrich von Schwaben, der Sohn der Agnes, die noch auf dem Kahlenberge bei Wien lebt, der Tochter des Kaisers Heinrich des Vierten, er ist der Bruder unsers Königes Konrad, und der Stiefbruder der Kinder des gestorbenen frommen Markgrafen Leopold von Österreich, also auch eurer Herzogin Gertrud, und also der Schwager deines Herzoges Wladislaw. Der mit dem schwarzen Ritter spricht, und die blauen Augen und die blonden Haare und den jungen blonden Bart hat, den einige einen Helden nennen, weil er schon Männer siegreich geführt hat, ist Friedrich, der Sohn des Herzogs von Schwaben, den sie den Rotbart nennen. Der dort am Ende der Bank, mit dem Rücken an der Vertäflung, ist Arnold, der Erzbischof von Köln, und der Blonde, der mit ihm spricht, ist Otto, der Bischof von Freisingen. Er ist ein Sohn der Agnes und des frommen Markgrafen Leopold, und also ein Halbbruder unseres Königs. Man sagt, daß er auf alle Begebenheiten der Welt achtet, und sie aufschreiben will. Sein Bruder Heinrich, der Markgraf von Österreich, setzt sich eben schräghin von uns an den Tisch.«

Die Herren setzten sich nun alle an den Tisch. Ordner wiesen Witiko und Odolen und Welislaw und Ortau und andern Männern einen Platz auf der Bank des Wandgetäfels.

Nun trat der König Konrad mit Geleite des Hoflagers in den Saal, und begab sich auf die kleine Erhöhung, die an dem Tische für ihn errichtet war. Er hatte den Kaiserrock an seinem Leibe, und seine Gestalt, die nicht zu groß und nicht zu klein war, konnte von allen gesehen werden. Um seine Stirne waren blonde Haare, und seine blauen Augen blickten auf die Versammlung.

Da es stille geworden war, sprach er: »Hochehrwürdige und hocherhabene Herren der Erzbistümer, Bistümer, Stifte und Kirchen, dann der Herzogtümer, der Markgrafschaften, Grafschaften, Gaue, Burgen und Städte, seid in Gott gegrüßt. Es sei sein Segen über euern Häuptern, und Gedeihen in unserer Zukunft. Das Reich schuldet euch Dank, daß ihr zu dessen Macht und Stärke in so großer Zahl auf den Reichstag in diese alte und ehrwürdige Stadt, und heute zu seinem Schlusse gekommen seid. Das auf diesem Reichstage geschlichtet werden mußte, habt ihr zu Nutz und Frommen geschlichtet. Die große Sache, die nach dem Tode des im Himmel seligen Kaisers Lothar in das Reich gekommen ist, der Streit wegen der Herzogtümer Bayern und Sachsen, ist beendet. Der junge Heinrich, der Sohn des Herzoges Heinrich von Sachsen und Bayern, ist mit Sachsen begabt worden, Bayern wird vergeben werden, wie es Nutz und Recht einmal verlangt. Die Geschlechter, die sich bekämpft, sind vereinbart: zwischen Gertrud, der Witwe Heinrichs des Herzoges von Sachsen und Bayern, und zwischen Heinrich, dem Markrafen von Österreich, ist ein heilig Band vorbereitet, und wird bald geschlossen werden. Ihr habt alle mitgewirkt, und Markolf, der hochehrwürdige Erzbischof von Mainz, hat seines Friedensamtes gewartet. Aus dem Streite sind die Kaiserin Richenza und Heinrich, der mächtige Herzog von Sachsen und Bayern, und Leopold, der junge Markgraf von Österreich, zu Gott gerufen worden, und werden dort von unserem Tun billigen, was zu billigen ist. Zu der Herrlichkeit des Reiches ist nun noch eines nötig, dazu ihr nach euerm Wunsche und meiner Meinung die Vorbereitungen gemacht habt, und das jetzt in Erfüllung gehen kann. Wladislaw, der Sohn Wladislaws des vorvorigen Herzoges von Böhmen und Mähren, ist als Herzog der Länder Böhmen und Mähren anerkannt worden. Nun aber nennen die Fürsten in Mähren und viele reiche und große Herren der Länder Böhmen und Mähren Konrad von Znaim ihren Herzog, sie stehen mit Kriegsmacht vor der Stadt Prag, und höhnen das Reich. Es ist also an dem, daß sie vertrieben, und die Anerkennung aufrecht erhalten werde. Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, und der hochehrwürdige Bischof von Olmütz, Zdik, sind gekommen, und sagen, daß es an der Zeit ist.«

Der König schwieg.

Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, aber sprach: »Hochehrwürdige Männer der Kirche, erhabene Fürsten des Reiches. Am vierten Tage des Monates Hornung des Jahres 1140 bin ich auf dem Schlosse Wyšehrad von einer Versammlung der hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren auf den Fall des Todes des Herzoges Sobeslaw, der in Hostas Burg krank lag, zum Herzoge von Böhmen und Mähren gewählt worden. Am zwölften Tage des Monates Hornung hat der kranke Herzog Sobeslaw zu seinem Sohne Wladislaw, der vor mir auf einem Tage zu Sadska als künftiger Herzog von Böhmen und Mähren bestimmt worden war, gesagt, daß er sich mir unterwerfen solle. Am vierzehnten Tage des Monates Hornung ist der Herzog Sobeslaw gestorben. Am siebenzehnten Tage des Monates Hornung des Jahres 1140 bin ich in Prag auf den heiligen Fürstenstuhl gesetzt worden. Meine Herrschaft hat begonnen und gedauert. Da der Frühling des Jahres 1142, dieses jetzigen Jahres, herannahte, haben viele der Herren der Länder Böhmen und Mähren, welche mich auf dem Wyšehrad gewählt hatten, und viele andere reiche und mächtige Herren wieder einen Herzog gewählt, den Nachkommen Premysls, Konrad, den Fürsten von Znaim. Sie haben auf ein Pergament geschrieben, was er ihnen zugestehen muß, wenn sie ihm helfen. Im Monate April kamen ihre Krieger nach Böhmen. Ich habe in der Schlacht auf dem Wysoka die Entscheidung nicht erreichen können, weil Verräter in meinem Heere waren. Meine treuen Männer stehen nun um den Fürstenstuhl in Prag gegen die Belagerer. Was ein großes Heer, das schnell das Ende bringt, an Geld und Gut auch erheischt, das können die Länder Böhmen und Mähren leichter tragen als einen langen Krieg, der Menschen hinrafft und die Ordnung umstürzt. Und so rufe ich um Beistand, wie ich wieder einmal Beistand gebe, wenn man ruft.«

Als der Herzog seine Worte geendet hatte, sprach Markolf, der Erzbischof von Mainz: »Weil der Stab des heiligen Erzstiftes Mainz in den christlichen Dingen über die Länder Böhmen und Mähren waltet, so achte ich es erlaubt, daß ich der erste nach dem erlauchten Herzoge in der Sache dieser Länder die Rede ergreife, und sage: Damit in dem Lande Böhmen im Gebüsche des Heidentumes der göttliche Glaube empor wachse, und damit es aufhöre, daß sie mehrere Weiber nehmen, und Sippen heiraten, das Eheband auflösen, heilige Haine, Bäume und Vögel haben, zu den Diasen und Wilen beten und Götzenopfer bringen, heidnische Dinge auf abgelegenen Gräbern üben, und Wahrsager, Zeichendeuter und Zauberer in dem Lande haben, damit gefestigte Pfarrstellen, wie oft geboten, errichtet werden, daß sie die Sonntage und Feiertage feiern, und die Fasttage halten, und daß nur der Heiland in dem Lande herrsche, dazu muß der Frieden und die Ordnung aufgebaut werden, und müssen die, welche gegen die gottgefällige Macht die Waffen führen, niedergeworfen werden, daß sie gleiches für jede künftige Zeit nicht mehr versuchen, und forthin die gerechte Herrschaft das Frommen und das Gedeihen erstreben kann. Darum habe ich meine Ritter und meine Männer zu dieser Stadt geführt, und gehe mit ihnen zum Kampfe.«

Als der Erzbischof Markolf geredet hatte, sprach Arnold, der Erzbischof von Köln: »Es ist in den heiligen Pergamenten verzeichnet, wie die frommen griechischen Brüder Cyrillus und Methodius in alter Zeit in das Land Mähren zu dem Fürsten Rastislaw gekommen sind, und wie Cyrillus wunderbare Buchstaben erfunden hat, welche die Laute der slawischen Sprache ausdrückten, und wie er in dieser Sprache die heiligen Bücher aufschrieb, und wie er die Slawen bekehrte, und wie der gottselige Papst Hadrianus die Lehre des Cyrillus und Methodius als die rechtgläubige erklärt hat. Darum sind die Mährer schon länger Christen gewesen als die Böhmen, und sie übten Gottesdienst und Frömmigkeit. Daß es nun in Böhmen auch so werde, und daß die beiden Länder in die gleiche heilige Zucht gelangen, und daß das glänzende Licht, welches von dem Erzstifte Mainz über diese beiden Länder gehalten wird, immer gleich leuchte, muß, wie der fromme Erzbischof von Mainz gesagt hat, die Ordnung und der Frieden aufgerichtet werden, ich habe meine Herren und Männer hieher geführt, und ziehe mit ihnen in den Streit.«

Dann sagte Albero, der Erzbischof von Trier: »Und wenn mein Bruder in Gott, der hochehrwürdige Erzbischof von Mainz, in dem Streite wegen der Herzogtümer Sachsen und Bayern seines Friedensamtes gewaltet hat, so habe ich auch in Sachsen einen kleinen Dienst getan, und der heilige Glaube soll in allen Ländern stets sieghafter sein, und ich bringe meine Streiter, und was sonst not tun sollte, in den Krieg.«

Nun erhob Ludwig der Eiserne, der Landgraf von Thüringen, seine Rede, und sprach: »Vor dreizehn Jahren sind die Deutschen von böhmischen Kriegern bei Chlumec geschlagen worden, und mehrere hundert edle Männer, darunter der Vetter des Kaisers, Gebhard von Querfurt, und der Graf Milo von Ammensleben, und der Graf Berthold von Achem, und Tausende der tapferen Krieger haben das Leben verloren, und viele sind in Gefangenschaft geraten: der Markgraf Albrecht der Bär und der Bischof von Merseburg und der Bischof von Halberstadt, und Äbte und Grafen und Herren. Es ist seitdem kein Heer der Deutschen in das Land Böhmen gekommen, und es ist an den Männern, die bei Chlumec gewesen, und an denen, die nachher gekommen sind, daß sie den Böhmen zeigen, wie der Deutsche kriegt, und sein Schild über ihrem Lande hält. Ich habe meine Pflichtigen anher geführt.«

Darauf sagte Heinrich, der Markgraf von Österreich: »Der Herzog Sobeslaw, gegen den damals der Kaiser Lothar von dem schwarzen Otto trügerisch aufgehetzt worden ist, ist im Siege mäßig gewesen, er ist im Jahre darauf mit mehreren tausend Reitern zu dem Fürstentage Lothars nach Merseburg gekommen, und hat Gaben gebracht, und wieder um ein Jahr hat der Kaiser Lothar das Söhnlein Sobeslaws aus der Taufe gehoben, und Sobeslaw hat zu den zwei Romfahrten des Kaisers Reiterscharen gestellt, und die Fürstentage des Kaisers besucht, und er hat dem erlauchten Könige Konrad Zuzug nach Sachsen geleistet. Der jetzige Herzog Wladislaw ist mit seiner Gemahlin zu dem Könige Konrad nach Würzburg gegangen, ist bei Reichstagen gewesen, und ist jetzt um einen Bund hier, für den er Dank verspricht. Ich meine, das Reich soll wie aus anderer Rücksicht so auch aus Rücksicht der Freundlichkeit mit Böhmen umgehen, und dadurch die eigne Stärke mehren. Ich habe, was ich an Leuten und Kriegsbedarf vermochte, nach Nürnberg gebracht.«


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