Adalbert Stifter
Witiko
Adalbert Stifter

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Er sah an einem Fenster Odolen und Sezima stehen. Odolen hatte ein grünes Sammetgewand mit einem silbernen Gürtel, und auf seinen schwarzen Haaren hatte er eine weiße Haube mit einer schwarzen Feder. Sezima war in Blau und Gold gekleidet. Witiko ging zu ihnen, und fragte, ob sie nicht wüßten, wo er den Bischof Silvester finden könne.

Odolen antwortete: »Der ist bei denen, die jetzt in unserem Lande die römische Sprache reden.«

Witiko verabschiedete sich, und ging gegen das Gemach, in welchem der Kardinal Guido war. Er sah den Kardinal auf einem Stuhle sitzen, und an seiner rechten Seite saß der ehemalige Bischof Silvester und an der linken der Propst Daniel. Er sprach mit beiden. Weiter entfernt saßen die Bischöfe Otto und Zdik, und dann saßen oder standen noch andere Herren der Kirche und Priester und verschiedene Menschen.

Witiko entfernte sich wieder von der Tür des Gemaches, und ging eines anderen Weges zurück, als den er gekommen war. Er sah jetzt auch die Herzogin unter Frauen und Jungfrauen sitzen, und sah manche Herren und Frauen neben einander wandeln, und mit einander sprechen.

Er kam auch zu Lubomir. Derselbe saß auf einem Stuhle. Er hatte ein schwarzsammetenes Gewand, und auf dem Gürtel waren viele edle Steine in schimmernden Farben. Die schwarze Haube mit der weißen Feder hielt er in der Hand, und seine weißen Haare und sein weißer Bart leuchteten aus dem schwarzen Gewande. Es saßen mehrere alte Männer bei ihm, und junge standen daneben.

»Witiko«, sagte er, »du gehest allein in diesen Gemächern, und sinnest nach andern Dingen.«

»Ich habe mit einigen Herren gesprochen«, sagte Witiko, »und suchte nun den hochehrwürdigen Bischof Silvester.«

»Mit dem hat der hocherlauchte Kardinal zu reden«, antwortete Lubomir, »er hat ihn und den Propst Daniel zu sich rufen lassen.«

»Ich habe gesehen, wie er mit ihnen sprach«, sagte Witiko.

»Meine Hauswirtin freuet sich schon«, sprach Lubomir, »wenn du einmal in deinem festen Stande bist, und auf eine längere Zeit zu uns kommen kannst, wie du es versprochen hast. Jetzt werden friedliche Zeiten kommen, und wir können von dem reden, was wir in unserem Lande, in unserer Gegend und unter unseren Leuten, und was wir in unserem Hause tun wollen. Boleslawa kann dir auch noch manches sagen, was dir zu gute kommen könnte.«

»Wenn der Frühling in das Land zieht, und unser Wald neu grünt«, antwortete Witiko, »werde ich in dem festen Stande sein, wie Ihr sagt. Und dann werde ich zu einer Zeit um freundliche Gastlichkeit in Daudleb bitten, und ich werde Euch auch bitten, daß Ihr mit den Eurigen nicht verschmähet, eine ehrerbietig gebotene Gastlichkeit in meinem Hause anzunehmen.«

»Ich bin bei dem Beginne deines Hauses gewesen«, sagte Lubomir, »und es geziemt sich, daß ich es auch betrachte, wenn es fertig ist.«

»Ihr dürft nicht allein kommen«, sprach Witiko.

»Wir werden in dein Haus kommen«, sagte Lubomir, »und werden öfter kommen, und werden kommen, wenn die junge Burgfrau in demselben schaltet.«

Witiko antwortete nicht.

Lubomir sprach: »Wenn wir gemach in die andere Welt gehen, die wir weiße Haare haben, so müssen die, deren Scheitel noch dunkel ist, in dem Lande sein, und nach ihnen wieder dunkle Scheitel. Du bist ein guter Mann, Witiko, und die nach dir kommen, werden wieder gute Männer sein.«

»Das sind Dinge der Zukunft«, sprach Witiko.

»Und die Zukunft wird sich erfüllen«, antwortete Lubomir. »Eines ist nicht mehr weit zukünftig, ich wünsche dir recht viel Glück und Heil.«

»Das liegt in Gottes Hand«, sagte Witiko, »und mögen die Friedensjahre, die wir erwarten, voll Segen sein.«

»Und mögen wir den Segen bringen helfen«, sprach Lubomir. »Witiko, komme doch, so lange wir in Prag sind, noch zu mir.«

»Ich werde Euch noch in dem Hause Eures Stammes aufsuchen, wie ich Euch aufgesucht habe«, antwortete Witiko.

»Tue das«, sagte Lubomir.

Nach diesen Worten verabschiedete sich Witiko, und wandelte wieder weiter.

Er traf noch mehrere seiner Freunde, und sprach mit ihnen.

Endlich wurde das Zeichen gegeben, daß das Fest zu Ende sei, und Witiko ritt mit einigen seiner Männer, die ihn draußen erwartet hatten, in seine Herberge.

Die Feier der Kirche des heiligen Veit dauerte noch acht Tage. Der Herzog und die Herzogin, der Kardinal Guido und alle Herren der Kirche und die Herren des Landes waren täglich bei dem Gottesdienste. Die mährischen Fürsten beteten vor der Kirche. Viele Menschen kamen noch von allen Gegenden, und die zuerst keinen Platz in der Kirche gefunden hatten, suchten ihn später zu gewinnen. Nach dem Gottesdienste segnete der Kardinal die Gläubigen, und er segnete sie auf seinem Heimwege. Von dem mittäglichen Walde kamen auch Züge nach Prag, um des Heiles dieser Tage teilhaftig zu werden, und jeder Zug hatte ein kirchliches Banner. Sie lagerten sich zwischen dem Wyšehrad und dem rechten Burgflecken. Manche gingen zu Witiko, und Witiko ging zu ihnen, und er erteilte ihnen Rat und, wo es nötig war, Gaben. Und als sie ihre Gebete verrichtet hatten, und als sie alles, was ihnen zu sehen würdig schien, in Prag betrachtet hatten, traten sie wieder den Heimweg an.

Der Kardinal Guido besuchte alle Kirchen und heiligen Orte, und er hielt in dieser Zeit auch Versammlungen, wie er sie vor ihr gehalten hatte.

Als die Feier der Kirche des heiligen Veit zu Ende gegangen war, verabschiedeten sich Konrad, Wratislaw und Otto in einer Versammlung von dem Herzoge, und gingen mit ihren Geleiten in ihre Länder nach Mähren. Viele Herren der Länder Böhmen und Mähren begleiteten sie. Leopold, Spitihnew und Wladislaw blieben in Prag.

Fünf Tage darnach traten Guido und Zdik ihren Zug nach Mähren an. Ein großes Geleite von Priestern und Herren war bei ihnen.

Witiko blieb in Prag.

Es waren noch Versammlungen bei dem Herzoge, und Witiko war bei den Versammlungen. Und er besuchte Bolemil und Lubomir und Diwiš und Preda und Chotimir und Wšebor, und er besuchte seine jungen Freunde, und seine jungen Freunde besuchten ihn.

In dieser Zeit strebte er auch, zu Männern zu kommen, welche nach Dingen des Waldes begehrten, damit er ein Einkommen in den Wald leite. Er nannte ihnen das Holz zu Kunstwerken, zu Geräten, zum Bauen und zum Brennen, er nannte ihnen die Kohlen, er nannte ihnen, was die Höfe liefern, deren Tiere die Waldkräuter genießen, er nannte die Felle der wilden Tiere, er nannte die Jagdtiere, die Früchte und Pflanzen des Waldes, die in entfernte Gegenden gesendet werden können, den Honig der Waldbienen, das Pech, den Teer, die Rinden, die Steine und anderes, er nannte ihnen, was die Menschen aus den Dingen des Waldes verfertigen, und machte Verabredungen.

Er brachte auch vieles in Ordnung, was er für sein neues Haus bedurfte.

Und als es schon gegen den Winter ging, verabschiedete er sich bei dem Herzoge, und ritt mit den Seinigen nach Friedberg zurück.

Nach einer Zeit sagte ihm der Bauherr Eppo, daß das Witikohaus fertig sei. Die Gerüste waren weggenommen, und die Burg stand sichtbar gegen den grünen Wald. Auf der Spitze des höchsten Daches war der Wipfel eines Tannenbäumchens mit Bändern. Witiko ging in den Hof. Der Brunnen war mit schönen Steinen umfaßt, hatte ein schönes Dach, und um die zierliche Spindel war die Kette geschlungen, an der die Eimer hingen. Witiko ging in das Innere. Alle Räume waren bereit, ihre Ausrüstung zu empfangen.

Nun wurden Wägen und Säumer tätig, alles, was nötig war, in die Burg zu bringen, und Eppo arbeitete mit Männern und Werkleuten eifrig, sie wohnlich zu machen.

Witiko besuchte im Winter verschiedene Stellen des Waldes. Er war öfter in dem oberen Plane, er war in dem Häuschen im Wangetschlage, er war bei den Köhlern, in den Meierhöfen und an anderen Orten. Eines Tages ritt er nach Pric, und von dort zu Silvester, und von Silvester wieder nach Friedberg.

Als der Frühling in das Land zog, und der Wald grünte, wie Witiko zu Lubomir gesagt hatte, war das Witikohaus in festem Stande.

Witiko sammelte ein Geleite, und zog mit demselben nach Pric. Von Pric kam er mit diesem Geleite und mit einem neuen und mit seiner Mutter und mit seiner Base und mit Benno nach Friedberg zurück.

In Friedberg ordnete er sich und die Seinigen, um eines Tages in die neue Burg zu ziehen.

Als der Tag gekommen war, legte er das Gewand an, welches er in der Schlacht auf dem Berge Wysoka getragen hatte, und nahm den weißen Schild mit der roten Waldrose. Dann sammelte er seine Dienstmannen aus Plan, Friedberg und Pric und alle seine anderen Männer. Seine Mutter und seine Base und ihre Frauen saßen in Sänften. Benno bestieg ein Pferd. Witiko setzte sich auf das alte eisengraue Pferd, auf dem er von Passau nach Böhmen geritten war, und so begann er mit den Seinigen den Zug. Es waren viele Menschen gekommen, daß in Friedberg ein Gedränge war, daß der Zug nur langsam gegen den Steg der Moldau kommen konnte. Und auch im Freien waren Menschen. Der Zug gelangte nach einer und einer halben Stunde durch den breiten Wald hinan vor die Burg. Auf dem grünen Anger vor derselben war ein Altar, und an dem Altare stand der greise Pfarrer von Plan und der Pfarrer von Friedberg, und neben ihnen stand Huldrik in einem Festgewande, wie ein Burgdiener, es standen alle Männer von Plan da, welche mit Witiko in dem Kriege gewesen waren, und auch andere Männer von Plan standen abgesondert da, es standen aus verschiedenen Teilen des Waldes, die im Kriege gewesen waren, und andere da, es standen in schönen Kleidern Jungfrauen von Plan und von Friedberg und vom Wangetschlag und von der untern Moldau und vom schwarzen Bache und von anderen Gegenden da, und hielten Festgewinde in den Händen, und weiter zurück standen Männer und Weiber und Kinder aus dem Walde, aus Fluren, die an den Wald grenzten, aus dem Lande der Mihel, das schon in Bayern ist, und aus entfernteren Strichen von Bayern.

Die Menschen blickten auf Witiko, als er heran ritt.

Er ritt mit den Seinigen vor den Altar. Der Pfarrer von Plan machte ihnen das Zeichen des Segens entgegen. Darauf stiegen sie von den Pferden, und die Frauen wurden aus den Sänften gehoben. Sie knieten nun alle vor dem Altare nieder, und das ganze Volk kniete in das grüne Gras. Der Pfarrer von Plan hielt nun mit Hilfe des Pfarrers von Friedberg den Gottesdienst vor dem Altare. Als der Gottesdienst geendigt war, segnete der Pfarrer Witiko und die Seinigen wieder, und segnete das ganze Volk. Dann stieg Witiko auf sein Pferd, die Frauen wurden in die Sänften gehoben, und die Männer Witikos bestiegen ihre Pferde. Der Pfarrer von Plan aber schritt von dem Altare gegen die Burg. Ihm folgte Witiko, dann folgten die Sänften, dann folgten Witikos Männer. Die Jungfrauen säumten jetzt mit ihren Festgewinden den Weg.

Vor dem Tore der Burg stand der Pfarrer stille, und der Zug stand stille. Der Pfarrer segnete nun mit dem heiligen Wasser gegen das hohe Dach empor, er segnete gegen die Mauern, und er segnete gegen das Tor. Dann trat er seitwärts. Das Tor wurde geöffnet. Witiko hielt noch einen Augenblick stille. Dann machte er mit seiner rechten Hand das Zeichen des Kreuzes auf seine Stirne, auf seinen Mund, und auf seine Brust. Dann ritt er langsam unter das Tor. In dieser Zeit trat Huldrik zu ihm, und hielt ihm den Steg des Sattels. Als er unter dem Tore war, tat das Volk einen Glücksruf, der wie ein Gebrause gegen den Himmel ging.

Von dem Torbogen ritt Witiko in den Hof. Seine Mutter, die Base, und alle Frauen folgten ihm, und Benno und die Pfarrer von Plan und Friedberg folgten ihm, es folgten seine Männer, und es folgten die Jungfrauen und die Krieger, und es folgten so viele Menschen, als Platz finden konnten. Im Hofe stiegen die Frauen aus den Sänften und die Männer von den Pferden. Witiko führte seine Mutter die Treppe hinan in die kleine Burgkirche. Die andern gingen hinter ihnen. In der Burgkirche wurde Benno mit dem kirchlichen Gewande bekleidet, und gab den Segen. Dann sprachen alle ein stilles Gebet. Dann ging Witiko mit seiner Mutter und seinem Gefolge in den Saal. Dort blieb er stehen, neigte sich auf die Hand der Mutter, und küßte dieselbe, die Mutter aber schlang beide Arme um seinen Nacken, und küßte ihn auf die Stirne. Dann geleitete er sie zu einem kostbaren Sitze. Sie ließ sich auf denselben nieder. Er setzte sich auch auf einen Sitz, und die Pfarrer, und Benno und andere setzten sich auf Sitze. Nun brachte Huldrik Brot und Salz, und reichte es jedem, der in dem Saale war, und jeder kostete davon.

Als dieses geschehen war, stand Witiko auf, und sprach: »Männer, die ihr zu mir gehört, und Freunde, die ihr gekommen seid, ich danke euch. Eppo und Mathias und Urban, und die ihnen dienen, werden euch weisen, wie alles eingerichtet werden soll.«

Dann führte er seine Mutter mit ihren Frauen in ihre Wohnung. Sie hatte Tränen in ihren Augen.

Hierauf führte er die Base Hiltrut in ihre Wohnung. Sie konnte vor Weinen nicht sprechen.

Dann geleitete er Benno in seine Wohnung.

Dann ging er in sein Gemach. In demselben befestigte er den Schild mit der roten Rose unter dem Bilde des Heilandes.

Dann ging er in den Saal, und von demselben auf den Söller hinaus. Unten waren zwanzig Männer beschäftigt, den Leuten Brot und Salz zu reichen. Sie nahmen alle davon. Und als sie Witiko sahen, riefen sie ihm zu. Er dankte ihnen mit Winken seiner Hand.

Viele Werkleute waren beschäftigt, aus rohen Brettern Tische und Bänke zu errichten. Aus den Schatten des Waldes wurden Fässer herbei gerollt, in denen Getränke waren, und es wurden viele Feuer angezündet, und an ihnen Speisen bereitet.

Und als die Zeit des Mahles gekommen war, hielt Witiko mit allen, die auf den Bänken an den Tischen saßen, die auf den Steinen oder im Grase saßen, oder die standen, das Mahl, und was da war, wurde unter alle verteilt.

Als das Mahl beendiget war, und die Menschen durcheinander gingen, war Huldrik unter ihnen, und sagte: »Die Weissagungen gehen in Erfüllung. Jetzt hat Witiko den Anfang gemacht, und dann wird er die goldene Burg bauen, die einmal auf der Erde gestanden ist, und die jetzt nirgends auf der Erde steht, und meine Nachkommen werden es sehen.«

»Du hast ja kein Weib«, rief Tom Johannes, der Fiedler.

»Wenn es die Weissagungen sprechen, so werde ich ein Weib und Nachkommen haben«, sagte Huldrik.

»Und wenn es die Weissagungen sprechen, so werde ich noch mit dem Winkelhaken meiner Hand auf der Geige des Herzoges die lieblichsten Töne spielen«, rief Tom Johannes, der Fiedler.

»Wenn es die Weissagungen sprechen, so wirst du sie spielen«, sagte Huldrik.

»Witiko hat es geweissagt«, entgegnete Tom Johannes.

»Wenn Witiko weissagen kann, so wirst du spielen«, sagte Huldrik.

»So werden wir erleben, wie das wird«, sprach Tom Johannes.

»Wir werden es erleben«, antwortete Huldrik.

Zu Witiko aber kamen, da er noch an dem Tische saß, mehrere Jungfrauen. Sie gaben ihm einen Kranz aus Blumen und Blättern des Waldes, und gaben ihm einen Strauß aus solchen Blumen. Eine reichte ihm die fünfblättrige dunkelrote Waldrose.

»Die Rosen blühen ja noch nicht«, sagte Witiko.

»Sie blühen noch nicht«, antwortete die Jungfrau, »wir haben sie aus Sammet und Seide gemacht.«

»Sie ist sehr schön gemacht«, sagte Witiko.

»Wenn das Einzugsfest zur Rosenzeit gewesen wäre, so hätten wir dir eine wirkliche Rose als dein Zeichen gegeben«, sprach das Mädchen, »wir haben nun diese gemacht, weil die Rose sehr lange blühen, und Glück bringen soll.«

»Diese Rose wird lange dauern«, sagte Witiko, »wenn auch ihre Farben schwinden. Ich werde mir sie aufbewahren, und werde deiner gedenk sein, Margareth, wenn du auch einmal ein Fest feierst.«

Das Mädchen antwortete nichts.


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