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Das Wiedersehen

Graf de Vignerolles erhob sich, alle übrigen blieben sitzen. Während die beiden jungen Franzosen in begeistertes Lob über die köstliche Erzählung und den »Squatter admirable« und so weiter ausbrachen, blickte Howard sich um. Wohl! Diese Squattergeschichte hatte einen tieferen Hintergrund, als man beim ersten Blick gewahr wurde. Lassalle und Hauterouge schienen derselben Meinung zu sein. Sie schauten den Grafen und dann Howard an.

»Und Nathans Pläne?« fragte dieser nach einer Weile.

»Ah, seine Pläne!« nahm Lassalle das Wort. »Seine Pläne! Er ist wohl der Mann, es mit dem Schicksal aufzunehmen, aber nicht seine Pläne laut werden zu lassen. Die Zeit wird sie enthüllen. Sie reifen jedoch, verlassen Sie sich darauf, und werden Früchte bringen. Welche aber? – Das weiß der Himmel!«

»Und glauben Sie, es wird ihm in Texas gelingen, was ihm in Louisiana durch das Zuvorkommen der Regierung vereitelt wurde?«

»Gerade Texas ist der Schauplatz für solche Unternehmungen! Eine dünne Bevölkerung, im ganzen Land kaum zehntausend Seelen.«

»Und Sie glauben, daß er einen solchen Riesenplan nährt?«

»Ich versichere Ihnen, es ist nicht mehr Riesenplan; mehr als zur Hälfte ist er bereits verwirklicht. Die Niederlassung zählt über tausend Köpfe, ist ein förmlich eingerichteter kleiner Staat.«

»Sahen Sie Nathan seit dieser Zeit?«

»Zweimal. Mit Ausnahme eines Sommers, den er in Frankreich zubrachte, verlebte der Graf regelmäßig die heißen Monate bei Nathan. Er hat in der Tat eine außerordentliche Gewalt über Vignerolles und ist die Hauptursache dafür, daß der Graf nicht mehr nach Frankreich zurückgekehrt ist. Auch Demoiselle Genièvre brachte mehrere Male die ungesunde Jahreszeit dort zu, ehe sie in die Erziehungsanstalt nach Frankreich ging. Obwohl unter demselben Breitengrad wie New Orleans, ist das Klima dort eines der gesündesten und angenehmsten auf der Erde.«

»Wie? Demoiselle Genièvre? Der Graf wagte sich mit ihr auf die rauhen Wege und unter die Indianer?«

»Es führt eine ziemlich gute Straße, wie Sie wissen, von Nacogdoches nach Antonio de Bexar, und von da ist es nicht viel mehr als hundert Meilen. Der Weg geht über Prärien und einen prachtvollen Landstrich. Auch sandte Nathan jedesmal eine Bedeckung nach Antonio de Bexar, und gewöhnlich schloß sich der eine oder andere Offizier vom Fort der Gesellschaft an.«

Seltsam, in der Tat seltsam diese Freundschaft, dachte Howard. Es geht jedoch Leuten, die lange in überfeinerter Gesellschaft gelebt haben, geradeso wie jenen Mägen, die, durch überwürzte Speisen verdorben, bloß in der natürlichen, einfachen Kost Wiederherstellung finden und, einmal an diese gewöhnt, mit Ekel an den Hochgeschmack ihrer vorigen Schwelgerei denken.

Je länger er über diese Squattergeschichte nachdachte, desto sonderbarer erschien sie ihm. Er hatte von ihr schon gehört, und sie mochte Grundlage zu etwas werden, das leicht der ganzen Union ein nur zu starkes Herzklopfen verursachen, ja das Gleichgewicht zwischen Süden und Norden zerstören konnte! Eine Feder mochte jetzt das Züngelchen emporschnellen. Ein paar tausend Squatters in diese menschenarmen Gegenden geworfen, und der Strom der Auswanderung zog sich so pfeilschnell hin! In weniger denn zehn Jahren mochte es da einen neuen Staat geben, und dann?

Doch der Graf schien unruhig zu werden. Er schritt heftig auf und ab, eilte zum Fenster, riß die Flügel auf und warf die Jalousien auseinander. Er bog den Kopf hinaus, seine Augen bohrten sich suchend in die sternenhelle Nacht.

»Vignerolles! Was tust du? Du bist erhitzt! Die Nachtluft!« schrien Lassalle und Hauterouge und sprangen auf.

Er sah nicht, er hörte nicht. Er wehrte die Freunde ab und starrte hinaus. Nur mit Mühe gelang es ihnen, ihn vom Fenster wegzuziehen. Im Augenblick, als sie dieses schließen wollten, ließ sich etwas wie entferntes Pferdegetrappel hören. Alle horchten. Richtig, es waren Pferdehufe, die sich im raschen Trott näherten. Der Graf horchte einen Augenblick und lief dann zur Klingel, die er heftig zog.

»Sie kommen! Sie kommen!« rief er wie außer sich dem eintretenden Papa Menou zu.

»Gott sei Dank!« Menou zerrte nun seinerseits an der Schnur, als ob Feuer auf dem Dach brannte. Und Hausneger und Negerinnen stürzten herbei mit Fackeln, Lichtern und Laternen. Ihnen auf den Fersen folgten Luise und Genièvre und Maman.

»Ihr seid noch auf, Luise? So lange aufzubleiben! Das heißt doch wirklich ...«

»Nicht wahr, George? Du dachtest mich im Bett?«

Sie schlang den Arm um Genièvre, und beide liefen auf die Piazza hinaus. »Sie kommen! Sie kommen! Sie sind bereits am Hofgitter!« riefen sie durch die Salontür herein.

»Sie kommen!« fielen nun alle im Chor ein und stürmten der Piazza zu, voran die Lichter und Fackeln.

Wer zum Teufel mochte das wohl sein? Das war doch seltsam, fürwahr seltsam! Wer konnte es sein, dem zu Ehren man bis drei Uhr morgens das ganze Haus wach erhielt? Es schien ein ziemlich zahlreicher Besuch, wenigstens ein halbes Dutzend Reiter.

»Das ist Papa!« rief Genièvre recht kindlich froh. »Papa! Willkommen, Papa!«

»Papa? Haben Sie einen zweiten Papa gefunden, Mademoiselle Genièvre?«

Sie sah Howard ernst an und eilte die Stufen der Piazza hinab, mitten zwischen die Pferde hinein, auf einen der abgestiegenen Reiter zu und fiel ihm um den Hals. Ihr eilte der Graf gleich hastig nach, lief, rannte – beinah ungräflich. Die Tochter hing dem Mann auf der rechten Seite des Halses, der Vater auf der linken. Er bückte sich, um sich erreichen zu lassen. Beide herzten, küßten die groteske Riesengestalt.

»Luise, wer ist das, dem ein so beneidenswerter Empfang zuteil wird? Wer ist das, Papa?«

Doch weder Luise noch Papa hatten Zeit, Howard zu antworten. Kaum sahen sie den Grafen der vorsintflutlichen Riesengestalt seine französische Umarmung darbieten, so eilten auch sie darauf los, ihre Begrüßung gleichfalls anzubringen. Howard lief hinterdrein.

»Wer ist der Mann, Luise?«

»Hast du denn nicht gehört?«

»Was? Wer ist es?«

»Gleich, lieber George!«

Und fort war sie.

Ralph Doughby lief Howard in den Weg.

»George, lieber Schwager, wo ist Julie?«

»Wer ist der Mann?« fragte Howard dagegen.

»Aber ich sehe Julie nicht!«

Und fort eilte der Tollkopf, seine Frau zu suchen. Würde sie finden – im Bett. Julie ließe sich aus ihrer geliebten Ruhe nicht aufstören, und wenn Napoleon selbst käme. Aber es schien wirklich, als ob eine Art Bonaparte dem Haus die Ehre eines Besuches antäte.

Alles war durcheinander. Ein Rennen, Laufen und Ehrfurchtsbezeigen vor dem Nimrod. Selbst die beiden jungen Franzosen standen und verneigten und verbeugten sich, als ob hinter ihnen ein Männchen stünde, das sie am Draht zöge.

Howard erwischte Papa Menou.

»Aber Papa, sag mir doch, wer ist der Mann?«

»Oh, ein Mann, der alle Achtung verdient! Ein gewaltiger Mann!«

»Aber wer ist er?«

»Gleich, lieber George! Muß nur sehen ...« Und fort war er.

»Hat wohl je einer so etwas gesehen?«

Aber da kam endlich einer, der Howard Rede stehen würde.

»Richard! So außer Atem! Warst du fort?«

»Gewiß! Hast du denn nicht bemerkt, daß ich hinausgerufen wurde, während der Graf einmal seine Erzählung kurz unterbrach?«

»Ich muß gestehen ...«

»Wie?« lachte Richard. »Du hast es gar nicht gemerkt? Es war gleich nach dem Bericht vom Zypressensumpf. Ich wurde gebeten, einen Gast aus dem Norden abzuholen und – nun, da bin ich wieder!«

»Du hast diese Reiter hierhergebracht? Dann sag mir doch um Himmels willen: Wer ist dieser Mann im Lederwams, dem man Ehren erzeigt, als ob ...«

»Er soll ein Regulator aus Texas sein.«

»Ein Regulator aus Texas? Doch nicht Nathan Strong?«

»Ein Mister Strong, ja, der gewaltige Dinge in Texas vollbracht hat. Soll ein gewaltiger Mann sein, ein alter Busenfreund des Grafen.«

Das also war der alte Nathan!

Nathan hier!

George Howard mußte den Squatterhelden näher beschauen.

Er war's auf alle Fälle wert.

Eine Ehrfurcht gebietende Gestalt, an der wenigstens achtzig Jahre vorübergegangen waren. Die Züge traten stark hervor, derb antik, beinah großartig. Stirn und Wangen waren wie mit Eisenrost und Moos überzogen, aber nicht abgelebt, nicht widerlich, im Gegenteil. Man schaute tief beeindruckt in dieses bemooste wie rostige Antlitz und in die grauen Augen, deren fester Blick noch zahllosen Squatterfährlichkeiten ruhig entgegensehen zu können versprach.

Ein wirklich herrliches Musterbeispiel eines Squatterhäuptlings!

Und ein herrlicheres Bild, wie er jetzt, den Grafen auf der einen Seite, die Tochter auf der andern, den Stufen der Piazza zuschritt. Es war etwas ungemein Liebliches in dem Gegensatz, den die drei darboten. Alle wichen beinah ehrfurchtsvoll zurück, um dem Kleeblatt Platz zu machen.

Als sie nun in den Salon einzogen, sprang Luise vor und häufte auf dem Sofa die Kissen zusammen, um dem alten Mann den Sitz recht weich zu machen. Und Genièvre und der Graf ließen ihn so sorgsam nieder! Wäre er ein Urgroßvater, die Zärtlichkeit könnte nicht größer sein.

»Und nun geschwind eine kleine Erfrischung vor dem Schlafengehen! Tee, oder vielmehr ein Glas Madeira, ist dein Schlaftrunk? Nicht wahr, Papa?« lächelte Genièvre. »Du siehst, ich hab' es nicht vergessen. Es ist schön, daß du uns auch nicht vergessen hast!«

»Weiß es, mein lieber Engel!« erwiderte Nathan. »Habe nicht vergessen, wie du siehst. Mußte doch kommen, obwohl zu Hause meine Gegenwart auch nicht überflüssig wäre. Kalkulierte aber, wäre hohe Zeit, wenn ich noch vor meinem Abzug dahin, wo wir alle hin müssen, um nicht wiederzukehren, euch und die Meinigen, die zurückgeblieben sind, und euer Treiben und eure Wirtschaft sehen wollte. Wollte mein Land und die Meinigen und die mir Teuren noch einmal in ihrem eigenen Hause sehen. Und kalkulierte, daß ich nicht mehr säumen dürfte. Denn, sagt unser Sprichwort, junge Leute können sterben, alte müssen.«

»Das wird hoffentlich noch weit hinaus sein, lieber Nathan!« sagte der Graf.

»Hab' die Notion, ist immer gut in meinen Jahren, sich darauf gefaßt zu machen, lieber Colonel, wenn man so die Achtzig auf den Schultern hat. Bin aber gefaßt, habe meine Schuldigkeit getan, so gut ich es vermochte, kalkuliere ich, obwohl auf meine Weise. Und ist ja das alles, was man tun kann. Sagt ja die Schrift selbst, daß einige berufen sind zu Aposteln, andere zu Evangelisten, wieder andere zu anderen Dingen. Hat mich der Herr zum Squatter berufen, und habe als solcher getan, was ich konnte, mir und meinen Mitmenschen und der künftigen Generation zum besten.«

»Das haben Sie, teurer Freund!« fielen der Graf und alle einstimmig ein. »Das haben Sie! Viel haben Sie getan in Ihrer Art und Weise.«

Doch der alte Nathan erhob sich jetzt vom Sofa und stieß mit dem Grafen und dann mit Lassalle und Hauterouge und allen an. Sie tranken schweigend. Die wenigen Worte zeigten bereits den Charakter des Mannes. Ein wahrer Charakter noch aus der alten Zeit, dachte Howard, nicht durch das Geldmäkeln, Wuchern der heutigen Tage verdorben. Es war etwas Patriarchalisches in seinem ganzen Wesen. So müssen die alten Patriarchen gedacht, gesprochen, gehandelt haben, mit dieser Kraft und Natürlichkeit, diesem Gott vertrauenden Sinn.

Nathan verließ nun das Sofa, um sich zur Ruhe zu begeben. Howard sah ihm nach. Ruhe sanft, alter Mann, der du der Stürme in deinem Leben so manche erfahren, dem der Ungewitter so manche um den Scheitel gesaust sein mögen! Schlafe wohl! Der du aus dem Schlamm des Squatterlebens, in dem so viele tausende erstickt, dich emporgearbeitet hast und deinen Nächsten und den künftigen Generationen Grundstein zu einem besseren Dasein wurdest, den göttlichen Funken bewahrtest und deinen niederen Lebensbereich zu veredeln gewußt hast. Schlaf wohl!

Die anderen blieben noch auf einige Augenblicke, um auch mit den übrigen Gästen ein paar Worte zu wechseln. Es waren noch zwei Enkel Nathans mitgekommen, stattliche junge Männer. Dann nahmen auch sie Abschied, wünschten sich allseitig gute Nacht. Gerührt, wirklich gerührt, schlichen, trippelten alle ihren Schlafgemächern zu.

*

Als Howard am späten Morgen die Augen rieb, fand er Luises Bett leer und sie über alle Berge. Er warf sich in den Schlafrock, und die Erzählungen der Nacht traten wieder vor den beschauenden Blick. Und während er an Nathan und Vignerolles dachte, schlüpfte Luise herein, ihr Gesicht strahlend von wichtigen Tagesneuigkeiten; ihr auf der Ferse folgte die Kammerzofe.

»O du Siebenschläfer! Das ganze Haus ist im Salon, im Park und im Garten! Und nur du ...!«

»... im Schlafrock! Und das werden die anderen auch noch sein.«

»Nichts dergleichen, alle sind bereits in Gala, der Papa, die Maman, der Graf. Wir müssen uns beeilen mit Ankleiden.«

»Was, in Gala? Der Papa, die Maman?«

»Alles gratuliert, hat bereits gratuliert. Die Sache ist abgetan.«

»Was ist abgetan?«

»Mein Gott, was ist abgetan!« rief sie ungeduldig. »Mein Bruder Charles und Eleanor Ducalle feiern heute ihre Verlobung.«

»Das hättest du mir doch schon längst erzählen können! Ich ahnte doch, daß da etwas im Gange war. Aber du und der Papa seid allen meinen Fragen ausgewichen und habt ein Geheimnis darum gemacht ...«

»Man muß nicht alles wissen, bevor es soweit ist! Charles und Eleanor lieben sich ja schon von Kindesbeinen an, nur war sie ihm seit den letzten fünf Jahren aus den Augen gerückt, weil sie mit Genièvre in der Abtei in Paris war, wo beide ihre Erziehung erhielten. Heute ist nun die Verlobung, die Hochzeit soll zu Weihnachten stattfinden. Aber das ist noch nicht alles. Ahnst du nicht? Auch Genièvre!«

»Genièvre? Was ist mit ihr?«

»Auch mit ihr ist's richtig. Darum kam d'Ermonvalle von Europa herüber. Sie erhält die Besitzungen des Grafen in Frankreich und eine bedeutende Summe, um die Familiengüter wieder herzustellen. Der Graf behält sich nur das vor, was er in Louisiana erworben hat.«

»Der Graf ist wirklich ein Ehrenmann, das beweist auch seine unwandelbare, jeden aristokratischen Dünkel so ganz verleugnende Freundschaft für Nathan.«

»Ah, Nathan! Weißt du aber, daß dieser Nathan auch ein gewaltig reicher, großer Mann ist, für den auch ein Graf Freundschaft haben kann, ohne sich etwas zu vergeben?«

»Gewaltig reicher, großer Mann, der Squatter-Regulator?«

»Er ist kein Squatter mehr. Er ist jetzt Besitzer eines Landstrichs von mehreren hunderttausend Acres, eines Landstrichs, größer als irgendein Parish in Louisiana.«

»Besitzer aus eigener Machtvollkommenheit, solange ihn die Mexikaner nicht weitertreiben.«

»Nein, er hat für sein Land, das mehrere zwanzig Stunden lang und breit ist, von der mexikanischen Regierung eine Schenkung erhalten.«

»Das wäre! Und wie hat er dieses Wunder bewirkt?«

»Erinnerst du dich des jungen Mexikaners, der früher in unserm Hause so zurückgezogen lebte? Er war einer der mexikanischen Generale, die in der vorletzten Revolution zu flüchten gezwungen wurden. Es gelang ihm, nach Texas zu entkommen, wo ihn aber seine Verfolger einholten. Ohne die Dazwischenkunft Nathans wären er und die Seinigen ermordet worden. Nathan vertrieb die Verfolger und behielt den General und seine Frau mehrere Wochen lang bei sich. Dann sandte er ihn zum Grafen Vignerolles, der ihn wieder Papa vermachte, weil von hier die Verbindung mit Mexico leichter ist. Gerade an unserm Trauungstag kam die Nachricht, daß eine neue Revolution seine Partei wieder an die Spitze gerufen hat. Noch am selben Tag brach er auf und ging über die Grenze. Einige der Söhne und Enkel Nathans begleiteten ihn bis tief ins mexikanische Gebiet, und zum Dank erhielt Nathan vor einigen Wochen die Schenkung.«

Und während sie berichtete, wurde sie ungeduldig unter den Händen der Zofe. Sie zuckte und wand und drehte sich. Aber so wichtig das Schönmachen war, der Bericht war es noch mehr. Alles mußte zuerst heraus, ehe das Ankleiden zu seinem Recht kam.

»Holla, Howard!« rief es von der Tür. »Noch nicht segelfertig?«

»Das ist der tolle Doughby!«

»Alles ist in Jubel und Glorie, lieber Schwager! Bräute und Bräutigams in Hülle und Fülle. Alle fragen, wo ihr steckt.«

»Wir kommen, wir kommen, lieber Ralph! Nur einen Augenblick Geduld!«

Endlich war die letzte Nadel angesteckt, und sie zogen aus, die Herrlichkeiten zu sehen.

Der erste, der ihnen in den Weg kam, war der alte Amadée, in der allergrößten Gala, mit einem riesigen Blumenstrauß.

Dann rannte Papa Menou sie an.

»Wo seid ihr, Kinder? Geschwind, das Frühstück wird gleich aufgetragen.«

Dann stürmte Hauterouge an ihnen vorbei.

»Ah, teure Luise! Liebster Howard! Kommen Sie doch!«

Und ein Dutzend mehr schwirrten an ihnen vorbei und dem Garten zu.

Und im Garten flimmerte und rauschte es in lauter festlichen Kleidern. Genièvre und d'Ermonvalle und Eleanor und Charles, und rund um sie eine so liebliche bewegliche Blumenwelt. Als sie sich jetzt der Piazza zu bewegte, von der die Glocke das Zeichen zum Frühstück gab, blieb Howard einen Augenblick still stehen, um sie zu betrachten.

Der alte Nathan ragte wie eine tausendjährige Lebenseiche über die ihn umgebende Pflanzenwelt empor, ein ehrwürdiges Bild unverwüstlicher Kraft, unbezwingbarer Ausdauer. Er stach in seinem Lederwams so grell gegen die eleganten Herren und die allerliebst um ihn herumtrippelnden und schwebenden Dämchen ab, aber in den eisernen Zügen, den mild leuchtenden Augen und der unbeschreiblichen Ruhe, die über sein ganzes Wesen ausgegossen war, lag wieder etwas so eindrucksvoll Ehrwürdiges, wie die verkörperte praktische Lebensweisheit, die Selbsterziehung je zuwege gebracht. Howard wurde nun das innige Verhältnis des Grafen zu ihm klar. So schlingt sich die Rebe um den kräftigen Stamm.

Schweigend drückte Howard dem Grafen die Hand, sein Blick sprach mehr als seine Worte. Es herrschte eine mehr feierliche als fröhliche Stimmung, wie bei Leuten, die nach langen Stürmen endlich in den Hafen eingelaufen sind und erst allmählich ihre Lustigkeit wieder gewinnen.

So waren alle in stiller Freude in den Saal eingezogen, still hatten sie die Sitze genommen.

Da erhob sich nach einer Weile Nathan lang und langsam, in seiner Hand das gefüllte Madeiraglas. Alle schauten den Greis erwartend an.

»Mitbürger und Mitbürgerinnen! Freundinnen und Freunde! Erlaubt mir ein paar Worte zu sagen. Habe von achtzig Jahren fünfzig verlebt, ohne zu kennen, was man einen Herzensfreund, einen sich selbst vergessenden Freund nennt, einen Freund, treu bis in den Tod. Hatte zwei Freunde, auf die ich mich immer verlassen, und die mich auch nie verlassen. Und war der eine ... der große Freund droben, und war der andere ... mein Selbst. Und waren das die beiden einzigen wahren Freunde, und kalkulierte nicht, daß es noch einen dritten geben könnte. Gab aber einen dritten, und zwang sich dieser dritte in mein Herz ein und in meine Seele und lehrte mich etwas kennen, das ich auf dieser Erde nicht kennengelernt hatte: wahre Freundschaft. Und sind nun dreißig Jahre her, daß ich kenne, dreißig Jahre, daß ich weiß, was Freundschaft ist, was ich in meinen früher verlebten fünfzig Jahren nicht gekannt, nicht gewußt. Und preise ich diese glücklichen Kenntnisse und will sie in Ehren halten alle Tage meines Lebens, und sollen es meine Kinder. Teurer Freund, lieber Colonel! Bevor ich jetzt meinen Glückwunsch bringe auf das Wohl deines Kindes und der Brautleute hier, laßt mich trinken auf die Fortdauer unserer Freundschaft hier und dort droben!«

»Hier und dort droben!« fielen alle gerührt ein, während die beiden schluchzenden alten Freunde sich umschlungen hielten.


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