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2

Unser Erwachen bot einen komischen Auftritt dar. Wir lagen in einem gewaltigen Ehebett mit Moskitovorhängen und einem Himmel so groß, daß er zur Billardtafel dienen konnte. In unserer Dachkammer begann es heiß zu werden. Sowohl Lassalle wie ich hatten nur selten zu zweien geschlafen. Es war mir, als ob ich in einem Dampfkessel läge und die Dünste, die um mich aufstiegen, immer beengender würden, so daß ich, nicht mehr imstande ihren Druck auszuhalten, mich weiter zurückschob. Als ich etwas Hinderndes fühlte, wurde plötzlich meine Angst so groß, daß ich erwachte und ausrief, was, weiß ich nicht mehr.

Das Etwas neben mir antwortete: »Parbleu! Wer ist da? Ein Mann?«

»Wer ist da?« schrie ich zurück. »Ein Mann!«

»Morbleu! Was ist das?« schrie mein Gegenpart und prallte an mich an.

Ich wieder zurück. So schossen wir aneinander und im Bett herum, rieben die Augen, erkannten uns und brachen in lautes Gelächter aus.

»Wo sind wir?« fragte Lassalle.

»Wo sind wir?« fragte ich.

Und abermals rieben wir die Augen, und Lassalle schlug die Vorhänge zurück.

»Ma foi! In der Residenz Seiner republikanischen Exzellenz, die Seiner katholischen Majestät beider Indien den Krieg erklärt hat!«

»Und fünfunddreißig oder mehr Schwarzbärte in die andere Welt gesandt hat!«

»Und Besitz von ihrer getreuen Provinz Louisiana ergriffen hat.«

»Weil sie nur ein Abfall vom schmutzig groben Gesellen Mississippi ist.«

Und wieder brachen wir in ein schallendes Gelächter aus. Dann schauten wir aus unserm Käfig, in dem wir wie ein paar reißende Tiere eingesperrt lagen, in die Kammer hinaus. Und wieder Gelächter.

Sie war, wie die Kammern und Stuben der Hinterwäldler es häufig sind, mit den Kleidungsstücken einer ganzen Familie ausstaffiert. Wohl an die zwanzig Weiberröcke und Röckchen an der einen Wand, an der andern lederne Hosen, Jagdhemden, Westen und Jacken in allen Farben des Regenbogens. Was uns aber am meisten anzog, das waren die Tapeten. Die Wände waren wirklich tapeziert. Aber womit? Mit Pflügen, mit Stühlen, mit Tischen, Sesseln, Schiffen, Stiefeln, Schuhen, Rindern, grinsenden Negern und Negerinnen, mit Bündeln unterm Arm, trabend und im Entlaufen begriffen, mit Waschzubern, alles zum Sprechen getreu in Holzstichen abkonterfeit.

Wir rieben uns nochmals die Augen und lasen in zollangen Buchstaben: »Poulsons Philadelphia Advertiser« – »New York Gazetter« – »Raleigh Daily« – »Boston Courier«. Wir sprangen zugleich im Hemd, wie wir waren, aus dem Bett, um diese neuen Tapetenmuster näher zu betrachten. Es waren Zeitungen, mit denen die Wände von oben bis unten überklebt waren.

Da gab es Angriffe gegen König Georg III. und das englische Ministerium, gegen den Kongreß, Washington, Adams, der damals Präsident war, da gab es die politischen Tagesneuigkeiten Europas von Anno 1776 herab, in amerikanischem Zuschnitt dem republikanischen Publikum aufgetischt. Die Mehrzahl der Kolonnen war jedoch mit folgenden »Notions«, um mich des charakteristischen Ausdrucks Nathans zu bedienen, ausgefüllt: Hüten, Stiefeln, Schuhen, Mehl- und Whiskyfässern, alles recht anschaulich in Bildern den Lesern und Nichtlesern vor Augen gerückt. Das Ganze eine Musterkarte des öffentlichen Lebens, die uns spielend in die Ansätze der republikanischen Lebenspraxis einzuführen berechnet schien. Und in der Tat wurden diese Zeitungen, wie sie uns den öffentlichen Verkehr, die Kultur, die Sitten und Meinungen gleichsam im Spiegel vorhielten, gewissermaßen Lichtstrahlen, die unsere wirren Gedanken zuerst aufhellten. Wir begannen zu merken, daß wir in der Nähe eines wirklich republikanischen Landes und unter Republikanern waren, himmelweit von unseren französischen Republikanern verschieden. Es begann uns zu tagen, daß diese Republikaner auch nicht nach dem Maßstab unserer von oben herab geformten europäischen Massen beurteilt werden dürften. Wie ihre Abhängigkeit von der Krone Englands eine ganz andere gewesen, als die des französischen Volkes von seinem angestammten Monarchen, so mußten auch ihre Revolution und die Folgen ganz anders beurteilt werden.

Im Eifer des Lesens und in der Hitze unserer Erörterungen hatten wir ganz vergessen, daß wir noch im bloßen Hemd standen. Wir wurden daran erinnert, als es auf einmal stark an der Kammertür klopfte. Ins Bett zurückzuspringen war zu spät, so ergriffen wir das nächste beste, das uns von den Familienkleidern in die Hände kam, und warfen es ohne weiteres über uns.

Die Tür ging auf und Nathan trat herein, in Eile, wie es schien, und mit gerunzelter Stirn. Als er uns in dem Hinterwäldlerinnen-Aufzug erblickte, stand er wie erstarrt und sah uns mit großen Augen an. Eine Weile verhielt er, wie um sich zu fassen. Er nahm aus seiner blechernen Büchse ein Röllchen Virginiakrautes, schnitt ein sogenanntes Quid ab, schob es zwischen die Backen und betrachtete uns kopfschüttelnd. Wir hatten Mühe, das Lachen zu verbeißen.

»Wohl nun!« hob er an. »Das heißt, was ich komplette Frolic nenne, geradezu eine Frolic, beim lebendigen Jingo! Und ich will nicht Nathan Strong heißen, wenn es nicht so ist!«

»Haben die Notion, es ist so!« erwiderten wir mit entsprechendem Ernst.

»Vermute, es ist so!« Der Alte verbrachte das Tabakklümpchen von der linken auf die rechte Backenseite. »Sage euch, Monshurs, sage euch, vermute, ihr seid heute in einer glorreich fröhlichen Laune. Ist ein Fakt!«

»Vermuten, wir sind!« erwiderten wir.

»Hat je einer in seinem Leben so etwas gesehen, sich in die Petticoats der Mary und Elisabeth zu vermummen! My! Das ist ja geradezu Tollheit!«

»Freund!« sagte Lassalle, der mit der einen Hand Elisabeths Unterröckchen hielt, die andere in die Seite gestemmt hatte. »Hab' die Notion, Sie sind ein gewaltiger Mann und ein gescheiter Mann dazu. Haben Sie auch nicht gleich die Straße nach Amerika entdeckt, so haben Sie doch die nach Louisiana gefunden und Seiner Majestät von Spanien und beider Indien darüber den Krieg erklärt.«

Die Miene Nathans verzog sich greulich, aber Lassalle ließ sich nicht irremachen und fuhr fort:

»Doch trotz Ihres bonapartistischen Feldherrngenies, das die Pässe von Louisiana bezwingt, so wie jenes die Alpenpässe, dürfte es Ihnen schier schwer werden, haben wir die Notion, die Eingangspässe in diese Hosentrümmer zu finden.«

Mit diesen Worten hob Lassalle mit dem einen Fuß die fragwürdigen Überreste unserer Kleidung auf. Nathan langte nach den Bruchstücken und besah sie mit prüfendem Auge von allen Seiten.

»Will euch meine Notion auf einmal sagen. Kalkuliere, daß diese Hosen da nichts weniger als tragbar sind.«

Kopfschüttelnd ließ er die Bruchstücke fallen.

»Getroffen!« fielen wir ein.

»Nichts weniger als tragbar sind«, wiederholte er, ohne sich stören zu lassen. »Dürfte schwer werden, die Stücke wieder zusammenzufinden, die ihr im Busch und Sumpf und in den Prärien verloren. Will euch aber meine Notion sagen. Kalkuliere, daß hier« – er deutete auf die Wand – »Stoff genug ist, zwei solche Monshurs, wie ihr seid, in anständiges Geschirr zu bringen. Und Mistreß Strong wird noch Linnen genug haben, euch ein ehrbares Hemd zu überlassen.«

»Kalkulieren, gegen gute Bezahlung.«

Er überhörte die Worte und stampfte einige Male mit dem Fuß.

»Das macht mit dem alten Weibe und James und Godsend ab! Mische mich nicht in ihre Sachen. Aber schaut, daß ihr aus den Unterröcken herauskommt, denn sehen euch Mary und Elisabeth in ihrem Geschirr, so bringt sie in ihrem Leben nichts mehr darein.«

Unter diesen Worten ging die Tür auf, und es trat ein ... ein festes, rundes Weibsstück mit einer großen roten Nase, die einige nähere Bekanntschaft mit Madeira oder Magentrost verriet, zusammengezogenen Lippen, eingebogenem Kinn, vollen Wangen und scharfen kleinen blauen Augen, die zeitweilige gute Laune offenbarten, obwohl ihre Miene jetzt völlige Sonnenfinsternis verriet oder vielmehr jene Teilnahmslosigkeit, die, wie ich vermute, einer der Grundzüge des hinterwäldlerischen Charakters ist.

War das Erstaunen Nathans bei unserem Anblick groß gewesen, so war das der Dame übergroß. Eine Weile sah sie ihren Eheherrn mit fragendem Blick an – ob es auch in unseren Köpfen richtig sei – dann wieder uns.

»Haben wir die Ehre, Mistreß Strong zu sehen?« begrüßten wir die Dame und schnitten einen Knicks.

»My!« rief sie Nathan zu.

»Sage dir, altes Weib, sage dir, ist ganz richtig. Hat sie nicht! Sind aber, vermute ich, Franzosen, weißt du!«

»My!« rief die Dame wieder.

»Ist ein Fakt«, versetzte er, »aber hat sie nicht«, fügte er beruhigend hinzu.

Sie schaute uns, abermals ihn an.

»Wohl nun, Nathan, das da aber ist merkwürdig quer!«

»Ei, so ist es, hat sie aber nicht, altes Weib! Ist aber quer, das ist ein Fakt. Nun, will dir sagen, ja will dir meine Notion auf einmal sagen: kalkuliere, daß du den beiden Monshurs da Wäsche bringst, und daß sie sich hier auswählen, was sie brauchen. Ist ihr Geschirr so zerfetzt, als wenn es zwei wilden Prärierossen am Rücken gelegen wäre. Aber hat sie nicht!«

»Und es hat sie nicht?!« fragte sie, offenbar etwas beruhigt.

»So wenig, als es dich und mich hat!«

»Und es hat sie nicht?!« wiederholte sie. »Nun, haben es aber gottlos getrieben mit Reden und Schreien und Lachen und Springen! Sind quere Leute bei alledem, und die Petticoats der Elisabeth und Mary!«

»Ist so ihre Weise, altes Weib, bin aber beträchtlich froh, daß es sie nicht hat. Waren im Blockhaus, weißt du, und erzählte ihnen. Ist der Sumpf keine tausend Schritte davon und staut sich jetzt der Sumpf, ist gerade die gefährlichste Jahreszeit, und verbreitet seine Ausdünstungen des Morgens und Abends, die sich gern in die Höhe ziehen. Sah das Nachtgespenst herüberkommen und brach deshalb auf und führte sie hier ins Haus. Weißt, nehme in solchen Fällen immer ein paar Gläser Madeira und decke mich warm zu und schwitze die bösen Dünste aus. Vertreibt den Ansatz der Madeira, und wenn er sich wie Blutegel in die Poren eingesetzt hätte.«

»Würde es dir nicht gedankt haben, Nathan«, versicherte sie, »gar nicht gedankt haben, mir da Gäste mit dem Shake, dem Fieberrütteln, ins Haus zu bringen.«

»Hat sie aber nicht!« wandte der Alte ungeduldig ein. »Sage dir, hat sie nicht, hat sie so wenig, das Shake, als es dich und mich hat! Und war es da gar nicht vonnöten, wie närrisch herüberzuspringen und die Tür aufzureißen und Trubel in eine Versammlung zu bringen, die am Abstimmen ist. Hatte kaum Zeit, meine Stimme abzugeben.«

»Kalkuliere, hast sie aber gegeben, wie's sich für einen Regulator gehört und gebührt, und es not tut, um Ordnung aufrechtzuerhalten.« Sie stemmte die beiden Arme in die Seiten.

Nathan schob den Klumpen Kautabak aus seinem zeitweiligen Ruhepunkt hinter der rechten Backenseite unter die linke und gab dann abgemessen folgendes von sich:

»Hab' die Notion, altes Weib, würde dein Haarschmuck um kein Item grauer sein, wenn du sein Gehirn weniger mit Dingen beschwertest, die – kalkuliere ich – nicht zur Sache gehören. Sage dir, altes Weib, sage dir, gehören nicht zur Sache, die Dinge drüben. Bin jetzt hier von wegen der Dinge hier. Bin hier von wegen dieser beiden französischen Monshurs, und sage dir, hier sind sie. Ist ein Fakt, altes Weib, sind hier! Wie und warum ist nicht die Frage und geht niemand etwas an. Hab' aber die Notion, sie sind just hier, weil ich es so haben will. Und sage dir, hier sollen sie bleiben, so lange wie sie Lust haben. Und schau sie dir wohl an, und will dir sagen, ei, so will ich, will nicht sagen, daß diese da – Hosen oder was sie sind – ganz sind, aber hab' die Notion, sie sind es nicht. Und kalkuliere, es würde dir wohl schwerfallen, was davon verlorengegangen ist, zwischen hier und den Attacapas zu finden und die Hosen wieder in ein Ganzes zusammenzuschweißen. Kalkuliere, würde auch nicht allzu anständig sein, zwei derlei Mannsgesellen in angebrochenem Geschirr im Hause umhertollen zu lassen, wenn es Notions genug gibt, sie fix und fertig herzustellen. So kalkuliere ich denn, das beste, was sich tun läßt, ist just, ein paar Hemden fix und fertig heraufzubringen und unter den Hosen und Wämsern von James und Godsend auszulesen, um sie in ehrbares Geschirr zu bringen.«

»Kalkuliere, will die Hemden fix und fertig heraufbringen«, versetzte die Dame mit bewundernswertem Gleichmut auf dieses Probestück hinterwäldlerischer Beweisführung. »Und magst du unterdessen unter den Notions da von James und Godsend auswählen. Wird das beste sein, was sich tun läßt, sie so in anständiges Geschirr zu bringen.«

»Kalkuliere, kalkuliere«, fiel Nathan ein. »Kalkuliere, wäre das soweit in Richtigkeit! Und will ich unter den Notions da auswählen, und wirst du ein gutes Weib sein und dem Plodern und Plaudern ein Ende machen. Was, du eines Hinterwäldlers Frau, und da Alarums und Tantarums wegen ein paar zerlumpter Hosen und Franzosen!«

Dieses letzte Kompliment, unseren armen Hosen und ihren Besitzern gespendet, kam zu überraschend, als daß wir, die wir nur mit großer Mühe unser Lachen zu zügeln vermochten, länger hätten zurückhalten können. Wir platzten zugleich heraus und lachten so unmäßig, daß selbst Nathan angesteckt wurde, und die im Abgehen begriffene Dame schier verwundert noch einmal den Kopf zur Tür hereinsteckte.

Aber wer hätte es auch aushalten können! Da standen wir, Lassalle in Elisabeths, ich in Marys Petticoat. Mit der linken Hand hielten wir besagtes Kleidungsstück, mit der rechten den Mund, während die beiden Eheleute so unbefangen trocken, grob und wieder neckisch naiv über die zerrissenen Hosen und zerlumpten Franzosen debattierten. Sie kamen uns ganz vor wie ein paar Bären, die miteinander spielen und über deren drollig linkischem Tappen wir ganz vergessen, daß ihre Tatzen derb auffallen und wehe tun.

»Wohl!« fuhr der Alte fort. »Kalkuliere, das wäre abgetan, und will euch sofort euer Geschirr auslesen. Habt sie aber erschreckt, die Mistreß mit euren Kreuzundquersprüngen und Phantasieren und Alarums, und dachte nicht anders, als hätte euch das Dunstgespenst gestern nachts erfaßt, als wir drüben am Blockhaus standen, und machte euch das Shake kapriolen. Kommt herübergesprungen in unsere Versammlung, ich gab gerade meine Stimme ab, und raunt mir schier verstört zu, wie ihr es hier treibt! Schier ärger als der alte Tom, der Whisky-Tom, wie er hieß, der neulich draufgegangen. Hatte auch das Schütteln, der alte Tom, und dann das Fieber, hat sich's auch am Sumpf geholt. Bin aber froh, daß es mit euch anders ist, ei, bin recht froh. Und will euch jetzt euer Geschirr auslesen.«

Und mit diesen Worten ging der gute Nathan daran, uns, wie er sagte, unser Geschirr auszulesen.

»Hab' die Notion«, hob er wieder an, indem er ein paar lederne Beinkleider herabnahm und uns anmaß, »diese ledernen Schicklichen da werden es tun. Sind nagelneu, kalkuliere ich. Draußen hängen noch die Schinken von dem Bock, dem die Haut angehörte. Hat sie der Leather-Ned gegerbt, kalkuliere ich ...«

Er hielt plötzlich inne, horchte, tat einen gewaltigen Schritt gegen die Dachluke zu, und hatte kaum hinausgesehen, als er mit den Worten: »Damn! Über den tollen Frenchers hab' ich ganz die da drüben vergessen!« zur Tür eilte.

Ich vertrat ihm den Weg.

»Aber Nathan, unser Geschirr!«

»Damn! Euer Geschirr!« brummte er und schob mich auf die Seite.

Durch die aufgerissene Tür eilte er mit großen Schritten die Treppe hinab. Wir sahen ihm einen Augenblick nach und brachen wieder in ein lautes Gelächter aus. Was fiel ihm auf einmal ein?

»Etwas muß draußen vorgegangen sein«, meinte Lassalle.

Er steckte sofort den Kopf durch das Dachfenster oder vielmehr die Luke.

»Wohl, Gaston! Was siehst du?«

»Die Niederlassung scheint stark zu sein. Ich zähle bereits dreißig Köpfe. Wetter- und sonnverbrannte Gesichter, athletische Gestalten, aber darunter einige recht hübsche junge Männer.«

»Was tun sie? Was wollen sie?«

»Das ist schwer zu sagen, Colonel! Sie kommen aus einem Blockhaus drüben, zähle bereits vierzig. Morbleu! Was soll das? Einer im bloßen Hemd!«

»Im bloßen Hemd? Was soll der? Doch nicht Kirchenbuße tun? Oder wollen sie ihn gar wie Kannibalen zum Gabelfrühstück verspeisen? Laß doch schauen, Gaston! Täuschst du dich nicht?«

Ich zerrte Lassalle bei Elisabeths Unterröckchen ungeduldig von der Dachluke zurück und schob meinen Kopf hindurch. Es war, wie er gesagt hatte. Vor einem Blockhaus, das etwa zweihundert Schritte von uns am Abhang des Kammes in einer Gruppe von Catalpabäumen stand und zu Gemeindeversammlungen bestimmt zu sein schien, waren an die vierzig Squatters versammelt. Drum herum eine zahlreiche Brut kleiner Squatters und Frauen, in der Mitte ein Geselle im bloßen Hemd.

Der Wicht schien sich nicht ganz behaglich zu fühlen, seinen Grimassen und wütenden Gebärden nach zu schließen. Er schlug heftig um sich, sprang bald an den einen, bald an den anderen Hinterwäldler heran, drohte mit den Fäusten, ohne jedoch bei den gleichgültigen Männern einen sichtbaren Eindruck hervorzubringen. Einige rauchten, andere besprachen sich, keiner schien eine besondere Eile bei dem vorliegenden Geschäft zu haben.

Doch brachte die Ankunft Nathans einige Bewegung in die phlegmatische Masse. Der Knäuel formte sich in einen Kreis und horchte Nathans Worten, die wir aber wegen der großen Entfernung nicht verstehen konnten. Zwei der Squatters legten hierauf ihre Tabaksröhren auf die Fenster des Blockhauses, gingen auf den Hemdenmann zu und versuchten sich seiner zu bemächtigen. Er zog sich zurück, schlug um sich, wurde aber trotz verzweifelter Gegenwehr bald festgenommen und mit Stricken an eine der Catalpas gebunden, den Rücken gegen die Versammlung gekehrt. Der Bursche schrie, als ob er am Spieß stäke.

Ich weiß nicht, war es der rosenfarbige Humor, in dem wir erwacht und der uns alles Geschehen dieses Morgens durch eine heitere Brille sehen ließ, oder war es die grotesk hölzerne und doch wieder durchgreifende Art und Weise der Hinterwäldler, der ganze Auftritt machte uns laut auflachen, so wenig er sonst geeignet war, unsere Lachmuskeln in Bewegung zu setzen. Aber wie gesagt, das Benehmen dieser Squatters erschien uns so quer! Man muß diese Leute bei solchen Gelegenheiten gesehen haben.

Die zwei jungen Hinterwäldler, die den Mann im Hemd angebunden, entledigten sich nun ihrer Jagdröcke, streiften die Hemdärmel auf und ergriffen jeder eine Rute – wir erfuhren später, daß es Ochsenziemer waren – und begannen zugleich auf den Rücken des Wichtes loszuhauen. Schlag auf Schlag fielen die Hiebe hageldicht, ich habe nie einen Strafvollzug in kürzerer Zeit abgetan gesehen und mit mehr Wirkung. In weniger denn einer Minute war das Hemd in Stücke gehauen, und der Mann stand mutternackt mit blutigem Rücken, bloß um die Lenden noch ein Stück Baumwolle gebunden. Der Bursche brüllte vor Schmerzen, aber bei alledem zeigte er noch eine Unbändigkeit, eine Wut, die nichts weniger als Mitleid einflößten. Nathan winkte endlich den beiden einzuhalten.

Während dieser Züchtigung waren die Squatters ganz ruhig gleichmütig gestanden. Einige rauchten aus ihren Tabakspfeifen, andere Zigarren, eine dritte Gruppe war mit der jungen Brut auf die abgelegene Seite des Hauses abgetrollt. Nathan und die übrigen gingen nun gleichfalls dorthin, und auch die beiden Zuschläger folgten ihnen mit dem Gezüchtigten, nachdem sie ihn vom Baum losgebunden.

Ich zog den Kopf aus der Fensterluke zurück, da mir ein vorspringender Giebel des Daches die Aussicht auf dieser Seite nahm. Lassalle hatte mittlerweile einen der strohgeflochtenen Sessel auf den Tisch gestellt, sich auf den Querbalken des Daches befördert, eine der Dachdauben losgemacht und so die Hinterwäldler wieder zu Gesicht bekommen.

»Willst du nicht herauf, Colonel?« rief er mir zu. »Es ist der Mühe wert, eine gloriose Aussicht! Wirklich mächtig herrliches Land!«

»Ja, aber was treiben die Buschmänner?«

»Sie haben ihn auf die andere Seite gezerrt. Er schlägt noch immer wie ein Alligator um sich.«

»Wohl! Was haben sie weiter mit ihm vor?«

»Was sie vorhaben? Was sie vorhaben?« Lassalle brach auf einmal in lautes Lachen aus. »Komm doch um Himmels willen! Sieh nur, so wahr ich lebe, sie haben den Wicht rabenschwarz gefärbt!«

Ich sprang auf den Tisch, den Sessel, schwang mich auf den Dachbalken, hob eine zweite Dachdaube auf und schaute einen Augenblick das herrliche Panorama, im nächsten die Squatters, die wieder in einem Knäuel standen. Es dauerte eine Weile, bis ich ausmitteln konnte, was sie vorhatten. Der Haufen war in großer Bewegung. Die junge Brut heulte, schrie, die Alten waren um zwei mannshohe Fässer gruppiert.

Aus einem dieser Fässer ragte ein menschlicher Kopf heraus, den ich aber nicht mehr zu erkennen vermochte, denn Hals und Kopf waren rabenschwarz oder vielmehr bronziert schwarz wie die Köpfe unserer alten Neger. Mehrere Hinterwäldler um ihn herum tunkten mit langen hölzernen Löffeln ins Faß und leerten sie dann auf dem Kopf des Wichtes, der schrie und tobte.

Jetzt kamen ein paar Squatters mit Stangen, schoben sie unter die Arme des Geschwärzten, hoben ihn aus dem ersten Faß und bugsierten ihn nach dem zweiten, in das sie ihn unter lauten Hurras plumpsen ließen. Eine Wolke von Federn verhüllte uns einen Augenblick die ganze Horde.

Das Faß, in dem der Wicht stak, war mit Federn gefüllt, und zehn Hinterwäldler rieben ihm nun die Federn auf Kopf, Schultern, Armen und allen Teilen ein, die aus dem Faß herausstanden. Bald war er ganz und gar befiedert, eine gräßliche Karikatur auf das zweibeinige Geschlecht. Der Aufruhr, das Toben wurde immer ärger, die Hurras brüllender. Einige Squatters schwangen sich auf die Rücken ihrer Pferde, die an das Gebäude angebunden standen, andere hoben den geteerten und befiederten Wicht aus dem Faß und schnitten die Stricke los, mit denen ihm die Arme gebunden waren.

Nun gab Nathan ein Zeichen. Der ganze Knäuel setzte sich unter brüllenden Hurras in Bewegung, den Abhang hinab, gegen die Prärie zu. Der Befiederte schaute einen Augenblick um sich, stieß einen gellenden Schrei aus und begann im Kreise herumzutanzen. Der Teer – obgleich er heilend wirkt – mußte ihm wütenden Schmerz verursachen, denn er wurde wie rasend, sprang hoch auf, brüllte entsetzliche Flüche und kapriolte mit den tollsten Rundsprüngen den Abhang hinab, so daß seine Verfolger kaum Schritt halten konnten.

Es war etwas so wild Aufregendes in diesem Spektakel, etwas so rasend mutwillig Tolles! Das scheußlich befiederte Zerrbild mit seinen koboldartigen Sprüngen, hinter ihm drein die Brut der jungen Squatters und eine Herde hemdloser kleiner Neger – Wechselbälge beiderlei Geschlechts – dann Hunde, Katzen, alle heulend, schreiend, bellend, und die Reiter mit ihren Peitschen knallend.

Gerade vor uns breitete die rollende Prärie ihren Blumenteppich unabsehbar der blauen dunstigen Ferne zu. In der Morgenbrise bewegten sich die Gräser, wie Wogen des gefächelten Ozeans hin und wieder wallend. Rechts und links, den wellenartig sich erhebenden Kamm entlang, standen Gruppen von riesigen Cottonwoods, unter denen die Hütten der Squatters, Pagoden nicht unähnlich, hervorguckten, umgeben von Welschkorn-, Tabak- und Baumwollenfeldern, die sich zu beiden Seiten des Abhanges hinabbreiteten. Aus allen diesen nicht unlieblichen Verstecken schoß die schwarze Negerbrut mit rasenden Sprüngen hervor, kletterte und purzelte über die Umzäunungen und schloß sich heulend, schreiend, gellend und in der eigentümlichen Weise der Schwarzen hohnlachend der wilden Jagd an.

Die Squatters selbst hatten am Abhang des Kammes gehalten und leiteten von dort aus die Hatz. Brüllten der jungen Brut zu, den Befiederten ja nicht zu schonen, sondern zu jagen und zu schlagen. Aber es bedurfte dieser Aufmunterungen nicht, es war schon eine Jagd auf Leben und Tod geworden. Wir erwarteten jeden Augenblick den Elenden in den Klauen seiner Verfolger und zerfleischt und zerrissen zu sehen.

Er war mit verzweifelten Sprüngen wie blind – Teer und Federn hatten ihm ohne Zweifel die Augen verklebt – den Abhang hinab gerade auf die Prärie zugesprungen, hopste aber bald durch das ellenlange Gras aufgehalten wieder zurück. Wandte sich nach rechts, übersprang eine Umzäunung und flüchtete sich in ein Welschkornfeld. Aus diesem vertrieben, war er wieder links gelaufen, hinter ihm drein die ganze Brut seiner zwei- und vierbeinigen Verfolger. Das Schauspiel wurde peinlich, empörend. Wir waren nicht imstande, den Anblick auszuhalten, mußten uns abwenden.

Unser Blick fiel in die Dachkammer hinab. Da stand Mistreß Strong am Tisch und breitete die für uns bestimmten Linnen so gleichmütig aus, als wenn es zu einer Methodistenpredigt gehen sollte.

»Um Gottes willen, Frau! Was soll der entsetzliche Auftritt, diese unmenschliche Treibjagd?« schrien wir hinab.

»My!« rief sie, schaute schier verwundert zu uns auf, hielt aber im nächsten Augenblick die Hand vor die Augen und wandte uns den Rücken.

»My!« rief sie wieder. »Kalkuliere nichtsdestoweniger, ist nicht richtig in euren Köpfen, was auch Mister Strong dagegen sagen mag, und hat euch das Shake oder etwas noch Ärgeres!«

»Um Gottes willen, Weib! Tut diesem entsetzlich grausamen Spiel Einhalt!« schrien wir abermals.

»Spiel nennt ihr das?« versetzte die Mistreß. »Spiel? Ei, wollte das Spiel nicht oft sehen! Ist ein grausames Spiel, ist – hab' die Notion – eine wilde Frolic!«

Und sie verließ die Kammer.

Abermals schauten wir hinaus. Der Gejagte war wie ein Stier mit verbundenen Augen links fortgerannt, von der ganzen Horde verfolgt, die Reiter hinterdrein, ihre Peitschen knallend und laute Hurras brüllend. Er hatte abermals eine Umzäunung erreicht. Aber nicht mehr imstande hinüberzukommen, erfaßte er sie krampfhaft, umklammerte die Zaunriegel mit beiden Armen und biß mit den Zähnen wütend hinein. Die ganze Horde strömte an ihn hinan, und wir erwarteten jetzt den gräßlichen Beschluß.

Die Reiter ließen ihre Peitschen stärker knallen, hieben links und rechts auf die Hunde, Katzen, Neger und Negerinnen ein, bahnten sich so einen Weg zu dem Schlachtopfer und umringten es. Einer warf ihm eine Schlinge über die Schulter und mit demselben plötzlichen Ruck, mit dem der Lassoreiter sein Pferd auf die Hinterbeine bringt, wendet und das gefangene wilde Roß in seinem Lauf zurückwirft, warf er den Elenden vom Zaunriegel und zu Boden. Riß ihn wieder mit der Schlinge empor, und ihn an dieser nachschleppend, schlug er mit den anderen Berittenen die Richtung gegen den westlichen Waldessaum zu ein.

Wir schauten einen Augenblick der wilden Rotte nach, wie sie unter den Bäumen verschwand, und dann auf die Hunde, Katzen, Neger und Negerinnen, die bei diesem letzten Auftritt stumm geworden, ja mit einer Art Schauder den im Waldesdunkel Verschwindenden nachstierten. Es war uns kein Zweifel übrig, die Unmenschen schleppten ihr Schlachtopfer in den Wald, um ihm da den Garaus zu machen.

Wir hatten zur Genüge vom Hinterwäldlerleben gesehen, so zur Genüge, daß wir wortlos die Öffnungen im Dach wieder verschlossen, den Sessel und Tisch hinabstiegen und unsere zerrissenen Kleider zur Hand nahmen, fest entschlossen, diese wilden Squatters unverzüglich zu verlassen. Lassalle war bemüht, den Eingang in die Bruchstücke seiner Beinkleider zu finden, ich hatte die meinigen in der Hand, als ... Nathan eintrat.

Seine Miene hatte etwas von amtlicher Würde und verriet hohe Zufriedenheit. Einen Augenblick schaute er uns beide fragend an, dann trat er zur Familiengarderobe an der Wand und langte mehrere Kleidungsstücke herab.

»Kalkuliere, diese ledernen Hosen da werden es also für Sie tun und diese da für Sie!« Die letzteren Worte waren an mich gerichtet.

»Glaube, wollen uns mit den unsrigen behelfen, so arg sie auch mitgenommen sind«, gab ich zur Antwort. »Wollen Sie uns einen Gefallen erweisen, so verschaffen Sie uns einen Wegweiser zur Pflanzung des nächsten Akadiers.«

Nathan sah uns mit großen Augen an, ohne daß sich jedoch ein Zug in seinem Ledergesicht verändert hätte.

»Einen Wegweiser zum Hause des nächsten Akadiers wollt ihr? Ei, den könnt ihr haben! Ist keine hundert Meilen kalkuliere ich, aber doch ... werdet euch doch zuvor anständig machen und ein Frühstück nehmen!«

»Danken Ihnen für Ihr Frühstück! Wollen sehen, ob wir nicht im Hause des Akadiers eins bekommen.«

»Hab' nicht die Notion, euch aufzuhalten«, versetzte Nathan im selben kalten Ton. »Werdet euch aber doch zuvor in ehrbares Geschirr werfen und ein Frühstück nehmen! Ist zwar keine Tagereise, aber doch an sechs bis sieben Meilen zum Blockhaus des nächsten Akadiers. Haben auch noch ein Wort im Gemeindehaus darüber zu reden.«

»Danken Ihnen für Ihr Frühstück und Ihr Geschirr! Wüßten wahrlich nicht, was wir miteinander zu verhandeln hätten!« entgegneten wir etwas vornehm.

»Danken Ihnen für Ihr Frühstück und Ihr Geschirr, und wüßten wahrlich nicht, was wir miteinander zu verhandeln hätten!« murmelte Nathan in sich hinein. »Pshaw! Hielt euch für empfindsame Franzosen, für Leute, die Anstand im Leibe haben und Manieren und nicht in einem Geschirr hinaustrollen, das ein Neger mit seinen Fußtatzen wegstoßen würde, und das so angebrochen ist wie ein zertrümmertes Boot, mit Rippen und Seiten, die im vollen Reißausnehmen begriffen sind. Hat kein Geschick, Fremdlinge, sage es euch, angebotene Gastfreundschaft so schnöde wegzuweisen! Sage es euch, und nehmt es!«

Die letzten Worte waren rauh, ja drohend gesprochen.

Wir sahen den Mann stolz an.

»Sag' euch, was es ist, Fremdlinge, will es euch sagen. Hab' die Notion, ei, kalkuliere, habt ein Haar gefunden an dem, den ihr da drüben teeren und befiedern gesehen habt?«

»Und Sie fragen?« brachen wir aus, kaum imstande, unsere Entrüstung zu meistern. »Sie fragen – nach diesem unmenschlich rohen, teuflisch mutwilligen Spiel mit Menschenleben und Würde? Nach diesem Schandauftritt, der Kannibalen entehren würde, um so mehr Christen und Republikaner, wie ihr zu sein euch brüstet?«

Wir konnten nicht zurückhalten, es mußte heraus, mochte folgen, was da wollte. Nathan jedoch stand unbewegt, kaum daß ein leichtes spöttisches Lächeln seine harten Züge überflog.

»Ah, die Republikaner, die Republikaner! Guckt endlich der Pferdehuf da hervor! Eine gewisse Freude, nicht wahr, so ein Jucken, ja echt französisches oder kreolisches Jucken, Amerikanern so etwas abgelauert, abgepaßt zu haben, was ihr einen Schandfleck nennt für Kannibalen! Ei, ei!«

Der Mann hielt lächelnd inne und fuhr dann mit dem trockenen spöttischen Lächeln fort:

»Kenne euch Franzosen und Kreolen seit den sieben Jahren. Ei, ihr Franzosen seid quere Leute, kalkuliere ich, zuzeiten so empfindsam weich, daß ihr – lasse ich mir sagen – über alte Geschichten in euren Komödienhäusern Zähren wie alte Weiber vergießt, und dann wieder so mächtig hart und stark, daß ihr das Blut eurer eigenen Landsleute wie Wasser verschütten und ihnen die Köpfe abhacken könnt. So methodisch, die Axt tut es nicht mehr bei euch, müßt Maschinen haben, betreibt es recht systematisch das Gewerbe und ersäuft eure Schwestern, Weiber, Töchter, Mütter und tanzt dazu lustige Tänze – Carmagnolen nennt ihr sie, kalkuliere ich. Steht da in den angeklebten Zeitungen an der Wand, könnt es lesen!«

Lächelnd deutete der Mann auf die angeklebten Zeitungen.

»Das sind auch Republikaner, Mister Nathan!« versetzten wir. »Republikaner, denen Sie immerhin brüderlich die Hand reichen können nach dem Heldenstück, wie ihr es euch heute geleistet habt!«

»Ei, und wer hat sie dazu gemacht, Mann? Wer sie, wer uns zu Republikanern gemacht? Wer als eure Aristokraten und unsere englischen Tories?«

Diese Logik des Hinterwäldlers kam uns so unerwartet, daß wir ihn starr ansahen.

»Sage euch, wollen nicht über diesen Punkt streiten«, fuhr er fort. »Gehen uns auch eure Angelegenheiten nichts an, euch unsere nichts, kehre jeder vor seiner Tür! Und laßt euch, was ihr gesehen, nicht anfechten, ist ganz in Ordnung, was ihr gesehen. Ja, will euch mehr sagen und sage euch keine Lüge, wenn ich sage, daß wir eigens zu dem Zweck gestern hinabgegangen an die Côte gelée und unter eure wilden Akadier, euch Botschaft zu senden heraufzukommen.«

»Ihr uns, die ihr nicht kennt, Botschaft senden?« fragten wir, ungläubig die Köpfe schüttelnd. »Das ist etwas ganz Neues!«

»Mag euch neu sein, ist aber nichtsdestoweniger ein Fakt. Sind hinabgegangen und hatten die Notion, euch durch die Akadier sagen zu lassen, ihr oder einer von euch möchte heraufkommen. Gehen sonst nicht leicht hinab zu den rohen Akadiern.«

»Kennt ihr uns?« fragten wir etwas vornehm.

Nathan gab keine andere Antwort, als daß er seine Backen des ausgesogenen Quids entledigte, einen frischen abschnitt, einen Strahl brauner Jauche durch die Dachluke hindurchspritzte und dann einen frischen Abschnitt einschob.

»Sie haben doch gestern den ganzen Abend keine Silbe geäußert, die uns auf die Vermutung bringen könnte?« bemerkte Lassalle.

»Ob wir euch kennen, das wird sich zeigen!« versetzte Nathan endlich. »Wozu und weswegen wir euch hier haben wollten, das werdet ihr sehen und hören. Hab' euch schon einmal gesagt: alles hat seine Zeit!«

»Und ihr habt uns also zu diesem gräßlichen Schauspiel haben wollen?«

»Ei, so wollten wir, ist ein Fakt. Solltet sehen mit euren Augen, hören mit euren Ohren und die Freiheit haben zu sagen, was ihr gesehen, wo und wann ihr wollt. Halten nicht hinterm Busch. Ist der alte Nathan nicht der Mann, der hinterm Busch hält. Darf sich nicht scheuen, der ganzen Welt zu zeigen, was er getan als Regulator. Sage euch, ist ein Fakt. Sind eigens deshalb gestern hinabgegangen an die Côte gelée, um einen von euch, Vignerolles mit dem Geschlechts- und Comte – hab' ich die Notion – mit dem Taufnamen, Botschaft zu senden. Waren auf den jungen Akadier gestoßen, der uns sagte, Sie wären selbst der Mann und am Bayou schier verhungert und verdurstet.«

Wir schauten den Mann an, einander. Jetzt konnten wir wohl an seinem Vorhaben nicht mehr zweifeln, so seltsam dieses auch klang. Aber dieses starre Hinhalten, dieses brütende Verschlossensein, es kam uns unheimlich, beinah grausig vor. Der Mann dünkte uns ein furchtbarer Charakter. Er war zum Inquisitor geboren und würde unter den rasendsten Zuckungen seines Schlachtopfers ebenso gleichmütig sein Quid angebissen haben, als er es vor uns tat. Was hatte er vor mit uns? Was sollten wir hier? Diese Fragen schwirrten uns durch die Köpfe, verwirrten uns.

»Aber was sollen wir hier?« fragte endlich Lassalle. »Wir kennen Sie nicht, Sie uns nicht. Sie sind ein seltsamer Mann.«

»Wer ich bin, werdet ihr sehen und hören«, versetzte Nathan trocken. »Jetzt bringt euch in ein anständiges Geschirr, daß ihr den Meinigen und meinen Nachbarn unter die Augen treten könnt, ohne Ärgernis zu geben. Wollen zum Frühstück, und werdet dann sehen und hören!«

Mit diesen Worten verließ er die Kammer. Wir schauten einander abermals an. Der Mann hatte etwas so unheimlich zäh Hin-, Hinternachhaltendes, etwas so starr allen Widerstand Niederbeugendes, das gewissermaßen erdrückte. Was konnten wir tun? In seiner Gewalt, wie wir waren? Nichts Besseres als uns in die Linnen der Mistreß Strong und die ledernen Hosen und Wämser und Jaghemden James' und Godsends zu hüllen und das Weitere abzuwarten!

Wir zogen uns also die Squatteruniformen James' und Godsends an und waren fertig bis auf die Mokassins, als Nathan wieder eintrat. Er half uns diese anlegen und führte uns dann die Treppe hinab in den Hof und aus diesem einige zwanzig Schritte den Abhang hinab einem sogenannten Quellhause zu, wo er eine Schale voll Wasser schöpfte und uns reichte.

Nachdem wir auf diese patriarchalische Weise unseren Anzug beendet hatten, folgten wir ihm nach dem Hause zurück und traten in die Wohnstube ein, die wir stark gefüllt fanden.


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